Der Beginner von Graupner mit 2m Spannweite

Der BEGINNER von Graupner

Eine Retro-Version mit 2 m Spannweite

Stefan Lütje

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Als 1974 Weihnachten vor der Tür stand, durfte ich mir von meiner Oma einen Flieger wünschen. Mein Vater kaufte stellvertretend den BEGINNER und schloss den Baukasten in einem Sideboard ein. Allerdings hatte er unterschätzt, wie findig ich mit meinen 13 Jahren doch bereits war. Den Schlüssel hatte ich nämlich schnell entdeckt und konnte so den Baukasten noch vor Weihnachten genauestens untersuchen.

Beim Stöbern in RC-Network bevorzuge ich die Rubrik der Retro-Modelle. Dabei stellte ich fest, wie gerne Modellflieger in Erinnerungen schwelgen. Das ist die eine Seite der Medaille. Viel besser gefällt mir aber die Umsetzung in letzter Konsequenz. Im Herbst 2013 habe ich kurzentschlossen den Bauplan des BEGINNERs beim VTH-Verlag bestellt. Bereits wenige Tage später brachte die Post den Plan.

Beim Öffnen entpuppte sich der Bauplan als Zeichnung eines winzigen Fliegerchens. Nee, war der wirklich so klein? Das entsprach nun überhaupt nicht meinen Vorstellungen. „Wie wäre es denn mit einem BEGINNER R.E.S?“ ging es mir durch den Kopf.
Das war die Lösung! Also ab zum nächsten Copyshop und für wenig Geld ließ ich mir den Plan mit Faktor 200% kopieren. Das gefiel mir jetzt schon besser: 2 m Spannweite und mit einem gewaltigen Rumpf.

Aufgrund der größeren Abmessungen musste ich die Konstruktion überarbeiten. Meine Recherchen ergaben, dass Graupner das Gö 795 als Tragflächen- und Höhenleitwerksprofil verwendet hatte. Sicher eine gute Wahl bei nur 110 mm Flächentiefe und kleiner Re-Zahl. Zudem hat der Konstrukteur den Hauptholm an die Flächenoberseite gesetzt, wo er wie ein Turbulator wirkte. Ebenso sah die Bauweise des Höhenleitwerks aus.

Ein 2 m-Modell, das hochstartfähig sein soll, darf man nicht so bauen. Deshalb bekam die Fläche zwei verkastete Hauptholme aus Kiefer und eine 1,5 mm Nasenbeplankung. So können die Biegemomente vernünftig aufgenommen werden und die Torsionsfestigkeit wird entscheidend verbessert. Eigentlich würden 10 x 2 Kieferholme für so einen Wiesenschleicher genügen. Meine Bastelkiste enthielt aber gerade 5 x 5 Kiefer; damit kam es zu einer schnellen Entscheidung.

Das Höhenleitwerk bekam ebenfalls zwei 5 x 3 Kiefernholme und einen 2 x 2 Kiefernhilfsholm im Nasenbereich, dafür entfiel die Nasenbeplankung.

Der Rippenabstand der Tragfläche beträgt jetzt 75 mm. Das ist recht viel, aber ich wollte das nicht ändern. Dafür werden die Rippen aus 3 mm Balsa geschnitten.

Jetzt stellte sich die Frage nach dem zu verwendenden Profil. Das Göttinger 795 ist doch keine so schlechte Wahl, oder? Es gibt aber doch so viel Neues.

Also habe ich zur Vereinfachung den unendlichen Flügel betrachtet, das Programm Profili gestartet und die folgende Profile geladen und untersucht:

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Bei einer angenommenen Flächenbelastung von 25 g/dm2 ergibt sich eine ungefähre Mindestfluggeschwindigkeit von 6,5 m/s und damit eine Re-Zahl von 9.000. Der Polarenvergleich zeigt anschaulich, welches theoretische ca-max für den Langsamflug zu erreichen ist und wie der Widerstand des Profils bei geringen Auftriebsbeiwerten zunimmt. Die Entscheidung fiel mir nicht schwer: Es wird das S3021.

Außerdem ist das Profil an der Unterseite fast komplett flach und lässt sich daher sehr einfach aufbauen.
Wichtig ist auch, dass ich bei dieser Berechnung Turbulatoren berücksichtige und auch später baulich ausführe! Das schadet eigentlich nie und hilft im Zweifelsfall immer.

Die Flächensteckung wird zwischen die Holme gesetzt und die Fläche bekommt eine V-Form von 6° je Seite, die ich durch einen gebogenen 5 mm Federstahl erreiche. Um Gewicht zu sparen, habe ich mir einen Titanverbinder gebogen. Ursprünglich hatte Graupner 10° je Seite vorgesehen. Das ist mir definitiv für den ferngesteuerten Flug zu viel des Guten und auch nicht nötig.

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Alle Teile sind fertig vorbereitet – die Rippen wurden einzeln ausgeschnitten, die Wurzelrippe aus 2 mm Sperrholz.

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Der Aufbau der Fläche ist simpel.

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Anpassung der Steckung

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Balsa-Füllklötzchen für die Flächenschrauben

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Aufbringen der Nasenbeplankung
Wichtig für die RES-Version sind die Störklappen. Die habe ich aus 25 x 5 Endleistenmaterial hergestellt, ein Kohlerohr als Lagerung und einen 2 mm Kohlestab als Achse. Diese Ausführung hat sich bereits bei anderen Modellen sehr gut bewährt.

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Der Rumpf ist eine schlichte Kastenkonstruktion mit wirklich viel Balsa im Nasenbereich. Die Seitenwände bestehen jetzt aus 4 mm Balsa mit einer 0,8 mm Birkensperrholzverstärkung im vorderen Bereich. Ergänzend habe ich für alle Kanten 5 x 5 mm Balsa-Längsgurte vorgesehen. Damit lässt sich der Kastenrumpf später gut verrunden.

Auf jeden Fall ist der Rumpf gewaltig, 170 mm hoch und 1300 mm lang.
Die Kabinenhaube besteht aus Vollbalsa. Das Gewicht stand hier nicht im Vordergrund! Befestigt habe ich die Haube mit einem kräftigen Neodym-Magnet, das hält.

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Da sehen die Servos, der Empfänger und der Akku sehr verloren aus.

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Der Rumpf vor und nach dem Verschleifen.

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Das Höhenleitwerk hat ebenfalls ein S3021. Zum besseren Transport ist es mit einer M 4-Kunststoffschraube abnehmbar ausgeführt.

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Der Hilfsholm soll das Einfallen der Bespannung verhindern.


Der Motoraufsatz

Manchmal kommt es vor, dass der Wind auf unserem Platz aus der falschen Richtung weht. Ein Auslegen des Hochstartgummis ist ohne Beschwerde des Landwirtes kaum möglich. Für diesen Fall habe ich einen altmodischen Retro-Motoraufsatz vorgesehen. Nein, nicht mit einem 0,8er Brüll-Cox, sondern abgasfrei und brushless mit 1650 U/V x min. Das ergibt zusammen mit einem 6 x 4 Propeller und einem dreizelligen Akku fette Drehzahlen und eine Geräuschkulisse – fast wie früher. Die Leistung beträgt fast 200 W und ist für die 1,2 kg ausreichend. Ich weiß, das ist kein Optimum, aber es wirkt!

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Das Finish

Da ich kein Hardcore-Retro-Typ bin, verändere ich Modelle, wenn es mir notwendig erscheint. Beim Finish ist es das Gleiche. Diese Arie mit Spannpapier und Spannlack ist mir mittlerweile zu stinkig. Bevorzugt nehme ich heute Bügel- und auch Klebefolien mit all' ihren Vorteilen. Selbst am Sonntagabend beim Abendfernsehen kann ich in Ruhe den Flieger fertigstellen, ohne dass sich jemand über den Geruch empört.

Also wird die Folie ausgepackt und losgelegt. Ein paar Stunden später ist der Modell fertig, einschließlich der Zierstreifen. Die Aufkleber habe ich mir von einem Designstudio plotten lassen. Mit Wasser und Rakel aufgebracht, geben sie dem Modell den letzten Schliff.

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Einfliegen

Den Schwerpunkt habe ich dem Bauplan entnommen und mal nicht berechnet.
Mit diesem Wert geht jeder Segler in die Luft. Allerdings müssen, den persönlichen Steuergewohnheiten geschuldet, immer noch Korrekturen vorgenommen werden. Im Moment liegt der Schwerpunkt 10 mm hinter der von Graupner empfohlenen Position – aber bitte, der BEGINNER war als Freiflugsegler für Anfänger gedacht und damit sollte er auch sicherlich einen höheren Stabilitätsfaktor haben.
Die Gleitleistung ist nun mit Rückverlegung des Schwerpunktes über die anfänglichen 10 mm hinaus auch zunehmend besser geworden.
Alle nachfolgenden Bilder sind von meinem Sohn auf unserem Fluggelände in Stockelsdorf „geschossen“ worden.

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Rudercheck…

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und er fliegt!

Herumturnen macht Spaß.
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Tiefflüge zum Genießen.
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Noch einmal Schwung holen.
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Dann geht es zur Landung – übrigens gibt es keinen Ruderspalt, ich habe Tesafilm als Scharnier verwendet.
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Fazit

Der BEGINNER ist mit den 2 m Spannweite kein Hochleistungssegler, aber durchaus als Augenschmaus zu bezeichnen, wenn man sich für die Retro-Flieger begeistern kann.
Das Projekt hat mir viel Spaß gemacht und jetzt ist der BEGINNER als gemütlicher Feierabendsegler mein treuer Begleiter.
Aufgrund seiner Auslegung ist schwachwindiges Wetter sein bevorzugter Einsatzbereich.

Hier der BEGINNER mit meinen 2 m-Seglern:
Janus-2000 – eine Eigenkonstruktion
BS1-Björn – Klinger (WIK)

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Reaktionen: tg1
Hallo,
wunderschönes Modell, der "Beginner" war nach dem "Kleinen UHU" unser zweites Modell. Die große Variante erinnert an den DANDY, ein Modell welches ich 1969 als Freiflieger baute....
 
Ein sehr schöner und gut bebilderter Bericht, Stefan!
Das regt zum selber Experimentieren an.
Bis bald wieder,
Gruß Jan
 
wunderschön,
saubere Arbeit,

der Rumpf scheint ja gewaltig zu sein - so wie sich der kleine Empfängerakku in der Nase verliert

danke für den schönen Bericht
 
Hi Stefan,
prima Bericht mit unverdient geringer Beachtung.
Das Ding macht bestimmt einen Riesenspass fernab vom schneller-höher-weiter-Hype.
Aber dass ein Artikel über Servobefestigung die doppelte Hitrate hat bringt mich schon ans Grübeln: sterben wir Holzheinis wirklich aus?
Egal, mir gefällts.
H.
 
Wirklich Klasse,
saubere Arbeit und ein schön gemachter Bericht.
Macht wirklich Freude zu lesen und anzuschauen.
Ich wünsche viele schöne Flüge mit dem besonderen Modell.
 
Stefan,

ich gratuliere Dir zu diesem schönen Modell!

Allerdings möchte ich als Kritik anbringen, dass dieser Beginner es nicht verdient hat, dass Du ihn in Steilkurven durch die Luft jagst. Eine etwas ruhigere Flugweise wäre angebracht und würde dem Namen des Modells alle Ehre machen. ;)
 
@paperflyer
Ich kann nichts Polarisierendes darin finden, mich selbst als Holzheini zu bezeichnen.
Klar sind das zwei völlig verschiedene Themen, aber gerade das macht den Reiz des Magazins aus.
Es liegt mir fern, über andere Artikel die Nase zu rümpfen. Ich stelle lediglich fest, dass die von Stefan präsentierte Art des Modellflugs vergleichsweise wenig Anklang findet.
Das sollte reichen
H.
 
Hallo Beginnerfreunde,
sehr schöne Arbeit, gut ausgeführt und:
Dass der Vogel nicht die Flugleistung einer ausgefeilten GFK-Orchidee haben kann, ist wohl auch klar. Aber wieder etwas weiter weg von der immer "schneller-höher-teuerer-Konsumidiotie/-idee.
(Nur es wird zunehmend schwieriger, zB. noch gute feingemaserte Kiefernleisten zu finden etc.)
Ich für mich würde mir noch 2 Dinge wünschen, aber das wohl in einer späteren Version/ einem 2ten Flügel:
Wie läuft das Ding mit abgesenkter V-Form und Querruder, zB. am Hang.
Wie sieht die Optimierung aus zB. auf Vortex.
Vielleicht hören wir auch noch etwas über die Bremsklappenwirkung, diese Dinger sind genial einfach gebaut!
(Ich für meinen Teil bin am vorbereiten meines 2m-Filou aus dem Graupner-Haus, war mein allererstes Modell, das ich mit 13 Jahren gebaut hatte, der Bausatz kostete 27.50SFR, ein damals stolzer Preis für so einen Haufen Preiselholz...
Herzliche Grüsse
Werner
 
Sehr schöne modellbauerische Arbeit und ein immer noch interessantes, hübsches Modell. Mir Gefällt auch Deine Lösung eines E-Antriebs im ursprünglich (von der Idee des Herstellers aus) für VB-Antriebe konstruierten Pylon - sauber gemacht. dien Modell zeigt erneut, daß es mit überschaubaren Mitteln möglich ist, ein gutes Holzmodell zu bauen, ohne dabei einen Fuhrpark teuren Gerätes zum Bau haben zu müssen. Prima, und hoffentlich eine weitere Anregung für Kollegen, es mit dem Bau von holzmodellen zu versuchen. Viel Spaß noch mit dem gelungenen Modell!
 

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