Der Erinnerung nachhelfen - eine neumodische Schaltstufe für eine alte Anlage

gero

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Hallo,

bei all der Beschäftigung mit der "guten Alten Zeit" und der Fernsteuerungstechnik aus den Jugendjahren kam der Wunsch auf, es noch einmal mit einer Tipp-Anlage zu versuchen. Die 27 MHz-Technik ist ja immer noch geduldet. Und die Konkurrenz im Äther (CB-Funk, Garagentoröffner, Spielzeuge, Babyphons) gibt es ja fast nicht mehr. Es sollte doch eigentlich nichts dagegen sprechen.

Nur, die historischen Servos hatte ich in schlechter Erinnerung. Groß, schwer, stromhungrig und unzuverlässig. Wenn mich meine Erinnerungen nicht täuschen. Wie wäre es, halbwegs moderne Servos an eine Tipp-Anlage anzuschließen?

Gesagt, getan. Nach einigen mehr oder weniger ernstgemeinten Gedanken und einigen bierförmigen Ideenbeschleunigern entstand meine VarioTiny-Schaltstufe.

IMG_4507.jpg


Diese passt auf die weit verbreiteten Varioton-Empfänger. Ist aber prinzipiell auch mit jedem anderen Empfänger verwendbar. Und erlaubt den Anschluss von bis zu drei Servos oder auch anderen "Standard"-Komponenten. Wie z.B. einem Fahrregler.

Das Herz des ganzen ist ein ATTiny45-Mikrocontroller. Die Schaltung selbst ist recht simpel. Ein Spannungsregler sorgt für maximal 5V am Chip. Eine Transistorstufe passt die Empfängersignale an den Controller an. Der Rest geschieht durch Software.

IMG_4509.jpg


Mit den beiden Jumpern kann ich einstellen, woher der Empfänger seinen Saft bekommt und ob Servos und Empfänger aus einem Akku gespeist werden sollen. Das Gehäuse ist 3D-gedruckt.

Die Feinabstimmung der Tonfrequenzen geschieht durch "Lernen". Hat nichts mit KI zu tun, sondern mit einem speziellen Stecker auf einem der Servoanschlüsse schaltet die Schaltstufe in den Programmiermodus, misst die empfangene NF und speichert die Frequenz im EEPROM. Damit kann auch die Servozuordnung und Steilrichtung einfach eingestellt werden. Auch lassen sich damit andere Tonfrequenzsender einfach zuordnen. Und das ganze kann beliebig oft wiederholt werden.

Für die Motordrossel ist ein "nichtneutralisierender" Kanal mit 8 Zwischenpositionen programmiert.

Das ganze funktioniert inzwischen ganz zufriedenstellend. Nur das Fliegen damit hab ich mir noch nicht getraut. der Frühling kommt ja bald. Und es kribbelt in den Fingern.

gero
 

bendh

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Hallo Gero,
eine tolle Idee hervorragend umgesetzt. Ich gehe davon aus dass die Servos auch wie eine Bellamatik funktionieren. Wie hast du das programmiert? Wirst du dazu noch mehr veröffentlichen?
 

S_a_S

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HiHallo Gero,
sehr schönes Projekt und klasse umgesetzt.

Die 27 MHz-Technik ist ja immer noch geduldet. Und die Konkurrenz im Äther (CB-Funk, Garagentoröffner, Spielzeuge, Babyphons) gibt es ja fast nicht mehr. Es sollte doch eigentlich nichts dagegen sprechen.
Hier ist etwas auf das kleingedruckte zu achten. Es gibt eine Allgemeinzuteilung für Fernsteuerungen, die das 27MHz-Band beinhaltet. Allerdings mit der Einschränkung auf
Maximale Strahlungsleistung 100 mW (ERP) Kanalbreite 10 kHz
Alles vor der schwarzen varioprop 8S/14S FM dürfte noch mit 20kHz Kanalabstand unterwegs sein und die damaligen, befristeten Einzelgenehmigungen sind abgelaufen, also kein Bestandsschutz.

Funktionieren wird das dennoch - aus historischen (Retro-) Gründen wäre es auch schade, wenn das komplett in Versenkung gerät.

Der Risiken (möglicher Verlust des Versicherungsschutzes, weil nicht mit zugelassener Anlage oder Störungen eigener und anderer Funkteilnehmer) sollte man sich allerdings bewusst sein.

Grüße Stefan
 

gero

User
Das kleingedruckte ist natürlich nicht unwichtig. Meine Informationen zur "Duldung" ist inzwischen einige Jahre alt (2010), da hatte ich mein Projekt begonnen und nachgefragt. Meine Frage drehte sich damals um (Eigenbau-) Geräte, die in der DDR eine Zulassung bekommen hatten. Die Antwort war sinngemäß, "Wenn sie die aktuellen Anforderungen erfüllen". Belastbar schriftlich hab ich das leider nicht.
Die ganz alten Sender und alles ohne Quartz ist da selbstverständlich aus dem Rennen. Die neueren Tipp-Sender sind insofern nicht ganz so hoffnungslos, als daß die HF-Leistung durchaus passen kann (ist abhängig vom aktuellen Exemplar).
Wenn die passenden Kanalquarze zum Einsatz kommen ist auch die Kanalbreite beherrschbar. Die üblichen Toleranzen vorausgesetzt, bleibt ein technisch einwandfreier AM-Sender bei Tonfrequenzen bis 4kHz innerhalb des 10kHz-Kanalrasters. Das sind bei der Varioton die Tonkanäle 1-6.

Nein, das ist keine Anleitung, sich über Rechtsvorschriften hinwegzusetzen, sondern einfach eine Erklärung der Zusammenhänge. Welchen Aufwand es macht, sich eine aktuelle Einzelzulassung zu verschaffen, weiß ich nicht. Ich kann mir aber vorstellen, daß das nicht billig ist.
 

gero

User
Ich gehe davon aus dass die Servos auch wie eine Bellamatik funktionieren. Wie hast du das programmiert?
Den ATTiny45 hab ich in BASCOM programmiert, das Programm belegt 95% der 4kByte.
Die Servos verhalten sich von der Steilgeschwindigkeit fast wie die Bellamatk-Rudermaschinen.
Der Mikrocontroller generiert an den 3 Servoausgängen den üblichen Servoimpuls von 1.5ms. Und misst die Frequenz des hereinkommenden Tonsignals, wenn es zu einer (vorher gespeicherten) Frequenz passt, wird der Servoimpuls am entsprechenden Ausgang um 0.5ms vergrößert oder verkleinert. Das gilt für die Kanäle Seite und Höhe. Für die Motordrossel wird beim passenden Ton der Servoimpuls in insgesamt 8 Stufen vergrößert oder verkleinert.
Wenn nur 4 Tonfrequenzen gespeichert sind, kann man mit den Tönen 3 und 4 wahlweise ein (Höhen-)Ruder ("neutralisierend") oder die Motordrossel ("nichtneutralisierend") steuernd. Sind nur 3 Kanäle "gelernt" steuert der 3. Kanal das Servo wie ein Schaltstern. Ein mal tasten rückt das Servo in der Sequenz "Neutral - links - Neutral - rechts - neutral" weiter.

Wenn sich jemand, wider Erwarten, für die Leiterplatte / Software interessieren sollte, kann ich sie ja unter "Open-Source" veröffentlichen.

gero

Board.png
 

bendh

User
Sehr interessant. Könntest du da auch weitere Schaltstufen "erweitern", denn z.B. die Graupneranlagen hatten ja 10 Kanäle.
Ich wollte das Problem der un/zulässigen HF lösen indem ich käufliche zugelassene 2,4 GHz Module nutze, die Übertragung also digital erfolgt und dann das S-Bus Signal in jedem Baustein aufgeteilt wird, so dass jeder Baustein wieder seine 2 Kanäle ausgibt.
 

gero

User
Sehr interessant. Könntest du da auch weitere Schaltstufen "erweitern", denn z.B. die Graupneranlagen hatten ja 10 Kanäle.

Prinzipiell ja. Die höheren Tonkanäle sind dann aber über 4kHz. In den Attiny passen noch 2 weitere Tonkanäle rein, damit wären dann aber alle I/O-Pins des Controllers belegt. Eine zusätzliche Leitung auf der Leiterplatte und ggf. ein weiterer Stecker wären nötig.

Ich wollte das Problem der un/zulässigen HF lösen indem ich käufliche zugelassene 2,4 GHz Module nutze, die Übertragung also digital erfolgt und dann das S-Bus Signal in jedem Baustein aufgeteilt wird, so dass jeder Baustein wieder seine 2 Kanäle ausgibt.

Die Idee mit dem "zertifizierten" HF-Modul ist gut. Ich würde aber ein 27MHz oder 40MHz Modul verwenden. Mal drüber nachdenken...

Schaltplan und BASCOM-Code ist auf Github zum Download bereit.

gero
 

S_a_S

User
Wenn die passenden Kanalquarze zum Einsatz kommen ist auch die Kanalbreite beherrschbar. Die üblichen Toleranzen vorausgesetzt, bleibt ein technisch einwandfreier AM-Sender bei Tonfrequenzen bis 4kHz innerhalb des 10kHz-Kanalrasters.
Der Quarz bestimmt die Grundfrequenz, aber die war bei den sechs Kanälen in der Anfangszeit auch schon vorgegeben.
Mit sauberer AM und 4kHz Bandbreite (=reiner Sinuston mit 4 kHz) wäre der 10kHz-Abstand technisch machbar, aber jede Nichtlinearität macht die Bandbreite größer. Dazu braucht es auch ein steilbandiges HF-Filter oder gleich Träger/Seitenbandunterdrückung (SSB), wie dann bei den späteren AM-Anlagen im 10KHz Abstand. Bestandsschutz gibt es für die bereits 1976 erteilte Allgemeinzuteilung mit FTZ-Nr. MF....

Ein Funkamateur kann da vielleicht bei der Überprüfung helfen, Spektrum-Analyzer hat aber auch nicht jeder.

Grüße Stefan

PS: ganz früher konnte auf 27MHz einer fliegen, dann waren es mit Quarz 6 gleichzeitig und mit Grundig-20kHz-Schmalband gingen bis zu 12, heute passen 18 zugelassene in D (und 32 in F und L) auf den Platz. Wenn aber einer mit dem historischen Sender loslegt, haben möglicherweise alle daneben in der Luft (oder am Boden) ein Problem.
Das ist vor allem bei (Retro)Flugtagen spannend, denn Sendermanagement (Frequenztafel, Sender einsammeln...) praktiziert ja keiner mehr.[/QUOTE]
 

gero

User
PS: ganz früher konnte auf 27MHz einer fliegen, dann waren es mit Quarz 6 gleichzeitig und mit Grundig-20kHz-Schmalband gingen bis zu 12, heute passen 18 zugelassene in D (und 32 in F und L) auf den Platz. Wenn aber einer mit dem historischen Sender loslegt, haben möglicherweise alle daneben in der Luft (oder am Boden) ein Problem.
Das ist vor allem bei (Retro)Flugtagen spannend, denn Sendermanagement (Frequenztafel, Sender einsammeln...) praktiziert ja keiner mehr.
[/QUOTE]

Heutzutage ist alles, was nicht im GHz-Bereich funkt ein Exot. Die Frequenztafeln sind folgerichtig auf vielen Flugplätzen verschwunden. Das praktische Problem der Kanaldoppelbelegung hat sich ziemlich verringert, ein spürbarer Sicherheitsgewinn der neumodischen Zeit. Ob auf Retro-Flugtagen wirklich noch viel im 27MHz-Band geflogen / gefahren wird, kann ich nicht wirklich einschätzen, die Gefahr, dass jemand sein "Ausstellungsstück" einfach mal stolz einschaltet und damit Schaden anrichtet, ist aber natürlich real.

Zum Parallelbetrieb Tipp - (AM)-Prop im 27 MHz-Band hab ich allerdings praktische Erfahrungen (aus grauer Vorzeit). Solange die Sendekanäle wirklich sauber waren (damals waren auch "Exotenquarze" gelegentlich im Einsatz), war ein gleichzeitiger Betrieb von (einer) Tipp und (mehreren) Prop-Anlagen problemlos möglich. Die Prop-Empfänger waren hinreichend schmalbannig und haben vom Tipp-Sender nichts mitbekommen. Und für den breitbannigen Tipp-Pendler waren die AM-Impulsfolgen jenseits der Tonfrequenzen. Solange der Pendler eine HF-Vorstufe hatte und nicht wild in der Gegend gestört hat. Damals war aber eh weniger los. Zumindest in der Luft. Am Boden / auf dem Wasser kann das anders gewesen sein.

gero
 
Hallo Gero,

ich finde dein VarioTiny Projekt sehr interessant und würde mir gerne so ein Teil aufbauen.
Meine Kenntnisse im Bezug auf Mikrocontroller Programmierung sind eher mager. Einen Arduino Nano
krieg ich noch hin, aber Programme mit Bascom und wie man die auf einen Attiny lädt, kann ich nicht.
Hättest du Zeit und Lust mir einen Attiny45 zu programmieren. Die Kosten werde ich dir natürlich erstatten.

Viele Grüße
Hanno
 
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