der ideale Modellrumpf !?!

smunck

User
Hallo alle beisammen.
Ich möchte mal eine Diskussion zum Thema Rumpfform lostreten, die
hoffentlich rege Beteiligung findet. Bitte haltet die Aussagen allgemein und nicht
typspezifisch.

Es geht mir darum Vor und Nachteile von verschiedenen Rumpfformen zu
beleuchten: Mir ist da bisher so einiges aufgefallen.

Fange ich mal mit den IOM Rümpfen an, die es hier so weit verbreitet gibt (triple Crown, tinto, usw, usw).
Die erinnern mich immer sehr an die Formen der modernen Sportbootklasse,
speziell Benneteau 25. Der Vorteil dürfte sicherlich die möglichst minimale im
Wasser befindliche Fläche der Rümpfe sein, da sie doch sehr rund gehalten und in
der Wasserlinie schmal sind. Dies dürfte bei wenig bis mittel wind gut sein, aber bei viel Wind und Welle glaube ich das nicht. Vom klassischen Skiff besitzen sie zumeist nur
die Decksform

Bei den aktuellen M-Booten ist es Ähnlich, nur, daß die Schiffe insgesamt
länger und dadurch im Verhältnis schmaler sind.

Im Gegensatz dazu stehen sicherlich die breiten Schüsseln, mit maximaler
Breite nahe dem Heck. Dies fördert die Beherrschbarkeit speziell auf raumen
Kursen, da die Schiffe richtig breit aufliegen. Ähnlichkeiten zur Europe (offene
olympische Jolle) sind sicherlich nicht von Ungefähr. Formstabilität dürften
sie jedoch kaum besitzen, da dafür "die Kannte" fehlt.

Was ich noch nicht häufig gesehen habe sind Rümpfe, die z.b. den modernen
Jollenkreuzern ähneln, also breite und flache Rümpfe mit etwas mehr benetzter
Fläche, die aber im Heck wieder schmaler sind als die typischen Skiffs. Im
Original zeichnen sich diese Boote mit sehr gutem Raumschotsspeed aus und einer
guten am Wind Eigenschaft, da sie sich nicht wie die ganz breiten "Einhand
rund um die Welt-Rümpfe" auf die Kannte legen und dadurch den Kiel falsch
anströmen lassen. Sollte der Nachteil der etwas größeren benetzten Fläche beim
Modell so gravierend ausfallen?

Was ich ebenfalls häufig bei Modellen vermisse sind die konkaven
Bugsektionen, wie sie sich häufig auf modernen Regataschiffen (so auch bei einigen Swan
oder Luffes) finden. Diese verbessern die "schnitteigenschaften" des
kreuzenden Rumpfes, besitzen allerdings weniger Auftrieb.

Naja, so weit, bin gespannt auf Meinungen und Innovationen
sebastian
 

Walter Ludwig

Moderator
Teammitglied
Moin Sebastian,

da es den idealen Rumpf bei den Großen nicht gibt, kann es ihn auch bei den Modellen aus meiner Sicht nicht geben.

Rümpfe und Yachten sind seit der Einführung der Thames-Measument-Formel immer nach den gerade herrschenden Rennformeln und den technischen Möglichkeiten und Innovationen gebaut worden. Bei Arbeitsschiffen stand der praktische Nutzen im Vordergrund und Freizeityachten sind - mit einer gewissen Verzögerung - den Entwürfen der Rennyachten gefolgt, ob die Sinn machte oder nicht. Daher gibt es ja auch dies so genannten Cruiser-Racer.

Wenn Du Dir den Rumpf einer Sonderklasse von 1911 anschaust, solche extremen Formen wie z.B. bei der 'Bibelot' von Herreshoff hat niemand vorher und nachher gebaut. Die Überhänge sind größer als selbst bei der 'Reliance', der extremsten AC-Yacht die jemals aufgelegt wurde. Weil die Länge in der Wasserlinie ein wichtiges Element in der Sonderklassen-Formel war, wurden Yachten mit kurzen Wasserlinie und langen Überhängen entworfen.

Ganz anders die in den 20er Jahren entstehenden Schärenkreuzer. Sie entwickelten sich zu langen, schmalen "rasenden Zahnstochern" wie Estlander seine Entwürfe einmal genannt hat, weil in der ursprünglichen Formel praktisch nur die Segelfläche berechnet wurde und Länge halt läuft.

Auch heute sind die Yachten in die Rennformeln hinein konstruiert, z.B. IACC, Minitransat, Open60 oder VOR60 und die olympischen Klassen, und sind auf ihren jeweiligen Einsatzzweck optimiert.

Gleiches gilt für Modelle, wobei ich hier von Klassenyachten spreche. Willst Du an Regatten teilnehmen, mußt Du dein Schiff hinsichtlich der zulässigen Formel und des Einsatzgebietes optimieren. Nicht umsonst besitzen einige Regatta-Freaks ja zwei unterschiedliche Rümpfe, je nach zu erwartendem Wind und Wellengang.

Bei den Rennklassen bieten die Tenrater noch die größte Herausforderung für den Konstrukteur, da sie hinsichtlich der Abmessungen die größten Freiheiten läßt. Leider sind die 10er in den letzten Jahren immer seltener geworden.

Bei freien Entwürfen richtest Du Dich nach den Einsatzzweck. Willst Du ein möglichst einfach zu bauendes Boot haben, bietet sich ein Knickspant an. Der läßt sich sogar - unter Anleitung - von 7jährigen Kindern bauen. Willst Du möglichst schnell sein, brauchst Du einen Rumpf, der möglichst ins Gleiten kommt, flach und breit. Oder eben lang und schmal um eine möglichst geringe benetzte Fläche zu haben.

Ganz anders ist es natürlich bei Scalemodellen. Hier richtest Du Dich nach dem Vorbild. Wenn Dir eine Yacht gefällt, berechnest Du, wie Du mit möglichst wenigen und unauffälligen Änderungen ein möglichst optimales Ergebnis erzielst. Die optimierung der Rumpfform hat in diesem Fall der Konstrukteur des Vorbild vorgenommen, so wie oben beschrieben nach dem jeweiligen Einsatzzweck und der geltenden Rennformel.

Die 'eierlegende Wollmilchsau' wird es auch im Modellbau nicht geben - oder frei nach dem Motto "Ein Kamel ist ein Pferd, das von einer Kommission entworfen wurde" muß man überall gewisse Kompromisse schließen.

Für mich als Modellbauer, der klassische Yachten bevorzugt, ist die Diskussion um die ideale Rumpfform im Modellbau eh 'akademisch'.

Ich werde den Tread aber aufemksam beobachten und wünsche Dir/Euch eine anregende Diskussion.

[ 10. Dezember 2003, 08:04: Beitrag editiert von: Walter Ludwig ]
 
Hallo Sebastian,

den Ausführungen von Walter Ludwig kann ich nur zustimmen. In einem Punkt möchte ich aber ergänzen, und dieses sind seine Anmerkungen zu den sog. Cruiser-Racern:
Cruiser-Racer sind moderne Fahrtenyachten, die in Anlehnung an reine Regattaschiffe gebaut werden. Bei ihnen muß ein Maximum an Speed mit dem Maximum an Komfort kombiniert werden, was bedeutet, das hier die Wohnlichkeit sehr wichtig ist. In aller Regel gibt es diese Yachten in zwei Lieferversionen , die eine davon ist dann die reine Regattaversion u.a. mit tieferem Kiel, längerem Mast und spartanischer Inneneinrichtung.

Bezogen auf den Modellbau haben Cruiser-Racer einen nicht unwesentlichen Vorteil :
Sie bieten schnelle Rümpfe, die dazu noch reichlich Raum für die Technik haben. Mit reinen Zweckmodellen wie IOM, M-Boote etc. können sie aber nicht konkurieren !

Es muß, wie bei den Originalen, jeder selbst entscheiden, worauf er vorrangig Wert legt. Das optimale Boot für jeden Zweck kann und wird es nie geben !

Viele Grüße
Joachim

Meine Homepage
 

smunck

User
hallo ihr zwei, da habe ich mich wohl etwas falsch ausgedrückt.
mit der disskussion wollte ich eher beleuchten, welche details einen modellrumpf schnell oder langsam, gut oder schlecht beherrschbar machen. da denke ich haben viele leute aufgrund der segelei mit verschiedenen schiffen erfahrungen.

klar sind formeln, die schiffe vereinheitlichen sollen immer ein grenzbereich, der zu "extremen konstruktionen" führt. highlight sind hier sicherlich die ac boote mit ihren langen überhängen.

gehe ich mal von geringem formelzwang aus, so führt mich dies in jedem falle zu einer max wasserlinie, also gerader vorsteven und heck auf oder knapp über wasserlinie.

weiterhin sind modelle mehr all round gefordert, also nicht wie die VO60 boote fast nur für raumschotssegeln ausgelegt. Platz wie für fahrtenyachten brauche ich auch nur seltener.

es geht mir also bei der disscussion hauptsächlich um veränderungen am rumpf (breiter vs schmales heck, überhänge vorn für welle oder doch gerader steven etc) die für maximale geschwinigkeit und kontrollierbarkeit bei modellen sorgen. klar gibt es immer verschiedene meinungen wegen unterschiedlicher einsatzbereiche, aber das gerade interessiert mich...sei es so wenig akademisch wie möglich
 

smunck

User
ich baue z.b. im moment einen rumpf in doppelt diagonaler holzbauweise. dabei habe ich den rumpf bei 1 m länge mit ca 33cm breite versehen. ein rundspant mit relativ glattem unterwasserschiff und nur 2,8 cm rocker (biegung vom bug zum heck) das heck ist mit ca 20 cm relativ schmal. ich erhoffe mir davon sehr gute angleiteigenschaften und gute segelbedingungen an der kreuz.

durch das relativ flache u-schiff bekomme ich eine"kante", auf der das schiff an der kreuz segeln soll. dadurch wird die wasserlinienbreite bei krängung reduziert und gleichzeitig eine max formstabilität erzeugt. das schmale heck sorgt dafür, daß nicht zuviel auftrieb erzeugt wird, dadurch der bug nicht in die wellen gedrückt wird. soweit meine vorstellung...

bilder, sobald der helling fertig ist.
 

Yeti

User
Hallo Sebastian.

Ich schließe mich Walter und Joachim voll und ganz an. Die "optimale" Rumpfform gibt es nicht, sondern es hängt immer von dem Einsatzzweck eines Bootes ab.

Konstruieren heißt Kompromisse finden. Vorteile gegen Nachteile abwägen, man bekommt nie etwas geschenkt.

Nehmen wir mal folgende Grundregeln: Wasserlinienlänge maximimieren (Länge läuft), umspülte Oberfläche verringern, Verdrängung reduzieren, Stabilität erhöhen.

Die Verdrängung reduziert man durch Leichtbauweise. Das senkt den Rumpfwiderstand und verringert die umspülte Oberfläche. Aber wir brauchen auch Stabilität. Entweder durch Ballast an der Kielflosse (führt wieder zu mehr Verdrängung) oder als Formstabilität. Die geringst umspülte Oberfläche im Verhältnis zur Verdrängung hat man aber mit einem kreisrunden Spantenriss. Dafür hat aber ein solcher Riss keinerlei Formstabilität.

Also was ist nun optimal? Bei schwachem Wind, bei dem das Boot ohnehin nicht ins surfen kommt, wird man mit dem schmalen Rundspanter wegen der geringeren umspülten Oberfläche schneller sein. Bei stärkerem Wind hebt sich aber ein breiterer Rumpf schneller aus dem Wasser und kommt ins surfen und fährt dem Boot, das weiterhin bei seiner Rumpfgeschwindigkeit "festklebt", davon.

Und natürlich haben die Klassenvorschriften große Auswirkungen auf die Rumpfform. Bei IOM-Yachten ist die Gewichtsstabilität limitiert (Masse der Bleibombe und der Tiefgang sind begrenzt). Zudem ist eine Mindest-Verdrängung gefordert.

Bei M-Booten hingegen gibt es keine Mindest-Verdrängung und nur die Länge der Kielflosse ist beschränkt, allerdings dürfen die Flossen viel länger sein als bei den IOM-Yachten.

Wenn man typische Rumpfformen beider Klassen vergleicht, wird man feststellen, dass die M-Boote sehr viel schlankere Rümpfe haben. Stabilität erreicht man vor allem durch tief angebrachten Ballast. Durch ausgereizten Leichtbau wird die Verdrängung reduziert, so dass die Boote schneller ins Gleiten kommen.

Bei den IOM-Yachten muss der Rumpf das Gewicht von 4 kg tragen. Mehr Stabilität erreicht man nur, wenn man den Rumpf so gestaltet, dass er auch Formstabilität bringt. Um schneller ins Gleiten zu kommen, sind ebenfalls breitere Rümpfe von Vorteil.

Also zwei Klassen, zwei unterschiedliche Philosophien beim Rumpfdesign. verallgemeinern kann man das alles nicht.

In deinem speziellen Fall müsstest du also erstmal verraten, was für eine Yacht du bauen willst, ob du in einer Gegend segelst, wo es häufiger stärkeren Wind als schwachen Wind gibt, ob das Boot bestimmte Klassenvorschriften erfüllen muss, etc.

Gruß Yeti
 

smunck

User
hallo yeti. ich will ja auch nicht behaupten, daß es einen idealen rumpf gibt, aber du wirst mir zustimmen, wenn ich behaupte, daß es bessere und schlechtere konstruktionen gibt. eben konstruktionen die anderen immer überlegen sind. ganz einfaches beispiel: vergleiche mal den rumpf der pirol von robbe mit einer moderneren skalpell (beides M-Boote) ich wüsste keine bedingungen wo die pirol eine skalpel abhängen könnte...

Mein neues habe ich an den iom regeln angepasst, aber nur, weil es in meinen augen wenig sinn macht ein boot in ein meter länge zu bauen, was auf speed ausgelegt sein soll frei zu konstruieren, denn die iom bieten schon eine gute grundlage. das heißt aber nicht, daß ich später nicht vielleicht doch mit genua fahre ;o))

deinen punkten über stabilität und gewicht stimme ihc soweit auf jeden fall zu. allerdings ist auch klar, daß man das ja nur in grenzen betreiben kann. ich denke für den otto normal bauer ist ein 130cm langer rumpf mit max 300g gewicht kaum realisierbar, ebenfalls sind kielflossen von sagen wir 100cm wohl neben der schlechten handharbbarkeit und wenigen slipbaren seen eher die ausnahme.

mich würde mal interessieren, was ihr über einen konkaven bug denkt. bei den originalen ist ja die überlegung eine bessere anschnittkannte an der kreuz zu bekommen. dafür verzichtet man auf auftrieb. bei modellyachten wird ja wohl das gleiche eintreten. stellt sich mir z.b. die frage, ob dieser vorteil so groß ist, daß evtl. unterschneiden des bugs auf raumkursen (bei modellen ist das rigg ja relativ höher und damit der druckpunkt weiter oben als bei originalen) ausgeglichen wird, oder lohnt sich diese überlegung nur bis max 3 windstärken, da danach so hohe kräfte auf den bug wirken, daß er dauerhaft unter wasser fahren würde? klar kann ich das freibord erhöhen, aber mal ehrlich, die dadurch entstehenden nachteile - und ich meine nicht nur die besch... optik - sind wohl arg größer
 

smunck

User
weil bisher alle vorredner immer wissen wollten für was für bedingugen und ansprüche ich das ganze gedacht habe:
ich gehe mal von verbreiteten modellgrößen und revieren aus: das soll heißen rumpflängen zwischen 80cm und 150 cm, tiefgang zwischen 15 und 50 cm, standardmäßig lange flosse mit bombe dran, hafenbecken oder binnensee, wind zwischen 1,5 bis 6 bft.
ich denke´, daß dies die bedingungen sind, die für 90% der modellsegler vorliegen.
weiter will ich eigentlich nicht eingrenzen
 

Yeti

User
Original erstellt von smunck:
vergleiche mal den rumpf der pirol von robbe mit einer moderneren skalpell (beides M-Boote) ich wüsste keine bedingungen wo die pirol eine skalpel abhängen könnte...
Doch, mir fällt eine Situation ein: Janusz Walicki fährt die Pirol und ich die Skalpell :D

Den entscheidenden Unterschied beider Boote würde ich aber nicht in der Rumpfform suchen. Die Skalpell ist um einiges leichter und hat eine viiiieeeel längere Kielflosse -> Mehr Stabilität bei weniger Verdrängung und weniger benetzter Oberfläche. Die M-Boote der alten Generation hatten eine Verdrängung von 6-8 kg, moderne Boote noch 5 kg. Möglich geworden ist das durch neue Werkstoffe und durch Ausreizen der Faserverbundbauweise. Wenn du in den Skalpell-Rumpf noch 2 kg Blei legst, säuft der Kahn entweder sofort ab (an der Kreuz habe ich ja jetzt schon Wasser auf dem Deck) oder zumindest ist der Vorteil des modernen Bootes deutlich geringer.

Ich bin mal mit meinem "Schuhlöffel" (Windstar) zusammen mit einer Pirol gesegelt. Mir ist damals aufgefallen, dass die Pirol extrem luvgierig war und der Bug recht weit eintauchte und fast eine Tendenz zum Unterschneiden zeigte. Der Pirol-Rumpf hat ja die größte Breite recht weit hinten, was dazu führt, dass sich der Verdrängungsschwerpunkt des Rumpfes in gekrängter Schwimmlage auch nach hinten verschiebt. Die Skalpell hat in dieser Hinsicht ein sehr neutrales Verhalten. Der Rumpf ist sehr schmal, die breiteste Stelle ist etwa im Bereich des Mastes, dafür ist der Rumpf in der Tiefe nach hinten noch weiter hinausgezogen.

1071057447.jpg


Bilder von der Pirol gibt es hier: http://www.kharders.de/segeln/index.html

Gruß Yeti

[ 10. Dezember 2003, 13:03: Beitrag editiert von: Christian Ückert ]
 
Hallo Sebastian,

bei allen Überlegungen zum Rumpf solltest Du auch bedenken wo das Modell benutzt wird. Ein See der nur selten Wellenbildung aufweist, und wenn dann nur eine geringe, erfordert sicherlich eine andere Rumpfform als Seen mit starker Welle. Dann kommt die Physik auch noch heftig in´s Spiel: unsere Modelle sind ja allesamt Verkleinerungen, nur die Umgebung wird nicht verkleinert. Mit anderen Worten ist es so, das Bugformen die 1:1 funktionieren, am Modell nicht zur Wirkung kommen, oder negative Auswirkungen haben. Einen ähnlichen Umstand kann man sehr gut am Rigg originalgetreuer Modelle sehen, hier muß entweder die Kielflosse verlängert, oder der Mast gekürzt werden, sonst liegt das Modell ewig platt auf dem Wasser.

Bei Schlepptankversuchen baut man die Rümpfe zwar 100% nach, und erhält auch genaue Messwerte ( trotz Mißverhältnis Rumpfgröße zu Wassermoleküle ), jedoch werden hier auch keine realistischen Segelversuche unternommen.

Es wird also immer nur dann ein optimal laufender Rumpf sein, wenn auch alle Rahmenbedingungen erfüllt sind. Da dieses nur äußerst selten vorkommt, und wir auch die Modelle nicht ständig per RC-Anlage nachtrimmen können, sind im Modellbaubereich nur Kompromisslösungen möglich.

Joachim

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Yeti

User
Original erstellt von 22848joachim:
unsere Modelle sind ja allesamt Verkleinerungen, nur die Umgebung wird nicht verkleinert.
Das siehst du vielleicht so, ich nicht. Ein M-Boot oder eine IOM-Yacht ist keine Verkleinerung eines größeren Vorbildes, sondern nur eine vergleichsweise kleine Segelyacht.

Die Randbedingungen, die Einfluss auf die Konstruktion haben, sind natürlich ganz andere und folglich sehen diese Rennziegen auch nicht aus wie verkleinerte "manntragende" Rennyachten. Bei den Modellfliegern ist das nichts anderes: Die Wettbewerbsmodelle sind eigenständige Konstruktionen, die auf einen speziellen Einsatzbereich hin optimiert sind.

Ich glaube auch, dass Sebastians Frage nicht darauf abzielt, welche Probleme es bei einer maßstäblichen Verkleinerung vorbildgetreuer Rennyachten gibt, sondern welche Rumpfform bei einer 1 - 1,5m langen Rennyacht Vor- oder Nachteile hat. Die Strömungsverhältnisse um einen Modellyachtrumpf, die Wellenbildung und das Windprofil, das auf die Segel wirkt, sind natürlich nicht direkt übertragbar von den großen Yachten.

Gruß Yeti
 

smunck

User
ja, jetzt läuft die diskussion.

@joachim
genau nach diesen kompromissen suche ich ja, denn schluss endlich ist der ideale rumpf für ein breites spektrum ja derjenige, der idealerweise die kompromisse am besten miteinander vereint. zu dem thema wellen und wind sehe ich das übrigens ein wenig anders. wenn wir mit modellbooten unterwegs sind, dann sind die wellen schon realistisch im verhältnis, denn wenn du "kräuselwasser" hast sind das also sagen wir 1-2 cm hohe wellen. bei 10 cm bughöhe also ca 10 bis 20 prozent davon. ähnlich sieht das bei richtigen schiffen auch aus. und wenn wir von starken wellen auf einem see reden, dann musst du das beim vergleich mit den originalen auch auf 10m nordatlantikwellen beziehen

@christian genau das mit der rumpfbreite irritiert mich ein wenig. klar, daß bei der pirol der bug fast abtaucht an der kreuz, da der breiteste punkt recht weit hinten ist. ähnlich sieht es bei iom skiffs aus (z.b. ts2) hier scheint es die schiffe aber nicht wirklich zu bremsen. ist die pirol denn auf vorwindern oder raumgängen denn schneller oder gleitet durch den breiten hintern schneller an?
 

Yeti

User
Hi Sebastian!

Was du suchst, nennt man im Landmaschinenbau "Unimog". Etwas, das alles kann, aber nichts richtig (Zitat eines entfernt bekannten Landwirtes). Ich will jetzt keinen Unimog schlechtreden, aber Tatsache ist, dass es bessere Traktoren gibt, schnellere Geländewagen, bessere Zugmaschinen, etc.

Übertragen auf Modellyachtrümpfe heißt das: Man kann einen Rumpf entwerfen, der bei starkem Wind auf raumen Kursen besonders schnell ins Gleiten kommt. Dafür wird dieser Rumpf bei schwachem Wind an der Kreuz langsamer sein. Und vielleicht neigt ein solcher Rumpf auch dazu, sich in kurzen steilen Wellen festzustampfen.

OK, du suchst jetzt den "besten" Kompromiss. Aber genau da muss man sich erstmal ganz klar machen, was einem wichtiger ist und wie man die unterschiedlichen (und zum Teil widersprüchlichen) Forderungen wichtet.

Die Frage muss also lauten: Welche Abstriche an der Kreuz ist man bereit zu machen, um einen Vorteil auf raumen Kursen zu haben und umgekehrt.

Um einen Rumpf für eine Regattaklasse zu optimieren, müsste man erstmal herausfinden, durch welche Verbesserung man über den typischen Regattakurs schlussendlich schneller ist als andere Boote.

Gruß Yeti
 

smunck

User
und genau das ist es, was ich mit diesem gespräch erreichen will. kompromisse mit für und wider klären, damit dann jeder für sich entscheiden kann was er will und wie er gewichtungen settz um diese in neue konstruktionen einfließen zu lassen.

du kennst das sicherlich selbst, daß man sich einige zeit mit einem thema beschäftigt und baut und testet um dann irgendwann festzustellen, daß es eine einfachere oder gescheitere lösung gegeben hätte. eben das gespräch mit den anderen hat gefehlt.

meines erachtens wäre als alternative für den unimog übrigens ein lamborghini geländewagen oder ein hummer I zu erwägen... ;o)
 

Niels

User
Moin zusammen!
Doch ein superinteressanter Thread!
Schwierig wird allein schon die Beantwortung nach dem optimalen Längen-Breitenverhältnis, meist als LWL/BWL, also in der Wasserlinie gemessen.
Anscheinend ist ob schlank oder breit auch ein wenig Modesache. Eigentlich waren alle IOMs sehr schlank, bis die TS2 kam und damit wieder eine neue breitere Generation initierte. Eigentlich erstaunlich, daß ein so grundsätzlicher Parameter nicht eindeutig geklärt ist. Im Yachtdesign würde man erstmal ein paar Rechnungen durchlaufen, um dieses Verhältnis zu optimieren. ES gab mal eine australische America's Cup herausforderung, die haben sich bei LWL/BWL auf 4,5 festgelegt. Dies natürlich im Zusammenhang mit der Vermessung.
Grundsätzlich gilt:
Ein schmalerer Rumpf hat weniger Widerstand
Formstabilität nimmt ab (übrigens unabhängig von "Kanten" im Unterwasserschiff)
Mit zunehmender Breite nehmen die Momente mit der Krängung zu, d.h. das Schiff wird bei Lage luvgieriger. Genau diesem Effekt kann man mit einem schlanken Heck entgegensteuern.

Also viel Erfolg mit Deiner Konstruktion, Sebastian. Könnte ganz gut werden.
Zu den hohlen Wasserlinien im Vorschiff würde ich gerne was qualifiziertes sagen können. Neulich hörte ich die Aussage, das das ein Ergebnis der Modellierung in CAD-Programmen sei und keine Element des Entwurfs. Hmmm....halte ich nicht so viel von. Das damit das Verhalten in der Welle verbessert wird, klingt plausibel. Manches schnelle Containerschiff hat ebenfalls hohle Wasserlinien im Vorschiff.

Bei Schiffen, die sich nicht so nahe an der Rumpfgeschwindigkeit bewegen, ist es wichtig, die Breite und benetzte Oberfläche zu reduzieren.
In der Nähe der Rumpfgeschwindigkeit geht es mehr darum, die Widerstand durch die erzeugten Wellen zu minimieren. Und eventuell mehr Stabilität zur Verfügung zu haben.
Beim Gleiten wiederum gibt es noch andere Gesetzmäßigkeiten, hier ist wie schon erwähnt, ein breites Heck von Vorteil, eventuell sogar als Knickspanter.

Ich war auch überrascht, wie sehr die modernen IOMs nach Sportboat aussehen. Vielleicht muß man sich vor Übertragungen aus dem Jollenbereich hüten, weil dort andere Verhältnisse bestehen als auf einem Kielschiff, daß ja nun deutlich schwerer ist und mit Lage durch die Gegend fährt.
Bei den Jollen sind die Rümpfe von 49er bzw.29er völlig genial, eben weil sie im Bereich der Rumpfgeschwindigkeit weniger Widerstand haben. Deshalb sind sie über den ganzen Regattakurs so schnell. Wenn ein gewisser Wolfgang und ein gewisser Holger im 505er vom 29er im Training geschlagen werden, kann es sich nur um einen schnelles Boot handeln.
Bei den großen Booten ist das immer so eine Sache, weil wieder viele Faktoren mit hineinkommen, speziell die angesprochenen Formeln. Oder sie brauchen die Breite für den Wasserballast. Interessanterweise ist die Bavaria 38 Match wieder schlanker als vergleichbare Schiffe.
Um das Optimum zu ermitteln, kommt man um vernünftige Software nicht drumherum.
Generell würde ich Modellyachten schlanker halten als das Original, weil keiner auf der hohen Kante sitzt und die Stabilität allein aus dem Kielgewicht kommt. Natürlich nicht, wenn man scale bauen will :)

Ein weiterer Parameter ist der Zylinderkoeffizient, der angibt, wie "spitz" ein Schiff ist. Bei einem Schiff, das nahe der Rumpfgeschwindigkeit fährt, würde man versuchen, die Verdrängung über die Wasserlinienlänge zu verteilen, also Vor- und Achterschiff fülliger als bei einer Leichtwindkonstruktion.

Also in der Modellkonstruktion könnte man sich so richtig austoben :) Allein schon interessante Fragestellung, ob sich übliche IOM-rümpfe noch optimieren bzgl. der Linien ließen. Bestimmt. Vor allem könnte man mal Rümpfe nehmen und im Schleppversuch testen. Es wäre ja nicht das Problem, zumindest zu vergleichenden Aussagen zu kommen. Ich sehe schon kommen, dass ich wirklich irgendwann auch mal einen Eigenbau starten muß :)

Bugformen sind generell von großen Yachten übertragbar. Probleme könnte es nur am Hinterschiff geben, wenn es dort am Modell zu Ablösungen einer laminaren Grenzschicht kommt, die es in der Großausführung nicht gibt. (müsste aber auch problemlos sein, wenn ich da mal länger drüber nachdenke.)

Angeblich kann man Rümpfe mit modernen Verfahren entwerfen, die wirklich optimal sind. Halt eben mit Eingangsgrößen wie Bootsmaße, Gewichte, zu erwartende Bedingungen, usw. Deshalb stürzt man sich im Moment auch mehr auf die Segeloptimierung, weil da noch Potential erwartet werden (hier meine ich America's Cupper und ähnliche Boote).

Ich hoffe, Ihr verzeiht mir diese Ausführungen, die auch noch die wirklich ultimativen Antworten schuldig bleiben und eigentlich nur auf Verfahren hinweisen.

Schöne Grüße aus Hamburg,
Niels
 
Hallo Sebastian,
genau das ist es. Wir müssen bei unseren Modellen ähnliche Eingrenzungen machen wie bei den Originalen:
Inshore / Offshore oder zu gut Deutsch Binnenseeyacht / hochseetaugliche Yacht

Ein Modell das häufiger bei "Kräuselwelle" fährt muß so ausgelegt werden, daß es sich in den kurzen Wellen nicht feststampft. Hier wird man dann wohl in Richtung wenig Volumen im Vorschiff tendieren. Das Modell für größeren Wellen wird mit dem Problem des Eintauchens in den Wellentäler fertig werden müssen, dem durch entsprechenden Auftrieb ( voluminöses Vorschiff ) entgegengewirkt werden kann. Da nun nicht immer zwei Boote zur Verfügung stehen, wird hier ein Kompromiss von Nöten sein.
Zur Festlegung der Rumpfkonstruktion ist es daher unabdingbar den Einsatzzweck als unverrückbare Vorgabe zu Grunde zu legen. Als zweite Komponente wird das "hauptsächliche Fahrtgebiet" festgeschrieben, und danach ist auch der benötigte Platz für Einbauten (RC-Anlage, Segelsteuerung, Genuasteuerung, Flautenschieber ) zu berücksichtigen. Dann müssen wir uns entscheiden ob eher Leichtwind- oder Starkwindeigenschaften gefragt sind ( maximale Segelfläche ). Wenn diese Punkte festliegen, dann können wir anfangen, um dieses "Grundgerüst" eine Yacht zu entwerfen.

Joachim

Meine Homepage
 

smunck

User
@niels

"Ein schmalerer Rumpf hat weniger Widerstand
Formstabilität nimmt ab (übrigens unabhängig von "Kanten" im Unterwasserschiff)"

ich hab mich mit den kanten vielleicht etwas ungenau ausgedrückt, ein beispiel hilft es zu verdeutlichen:

angenommen du besitzt einen rumpf - ich nehme mal den hauptspant - der völlig rund gebaut ist. so erlangst du definitiv keine formstabilität, egal wie breit er ist, da sich der druckpunkt bei krängung in unterwasserbereich nicht verändert.
nimmst du im vergleich dazu einen rumpf, der einen hauptspant wie ein schuhkarton besitzt, dann kommt es bei krängung zum tieferen eintachen des knicks, wodurch theoretisch eine volumenverschiebung statt findet, die den rumpf zwingt sich in seine ausgangsposition aufzurichten.
die übergänge von absolut rund bis eckig sind ja flüssig zu gestalten, wodurch es bei den meisten booten trotz rundspant zu relativ steilen bordwänden bei flachem unterwasserschiff kommt.
dies meinte ich ursürünglich mit kante.
je stärker du den winkel dieser kante gestaltest und je breiter das boot dabei wird, desto mehr kannst du bei entsprechendem wind das boot auf diese kante drücken und dadurch die wasserlinienbreite reduzieren bei gleichzeitig steigendem tiefgang des rumpfes (vom kiel ist heir nicht die rede)
sehe ich doch richtig oder?
sebastian
 
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