Es muss nicht immer Folie sein!
Hartmut Siegmann
Erstveröffentlichung 27.11.2002
Hartmut Siegmann
Erstveröffentlichung 27.11.2002
In Zeiten, in denen hauptsächlich mit Folie bespannt oder lackiert wird, geht leider manches vom alten Wissen verloren. Aus diesem Grund werde ich die Vorgehensweise beschreiben, wie man ein Modell perfekt mit Papier bespannt.
Papierbespannung "Classic"
- Tapetenkleister mit warmem Wasser anrühren, leicht zähflüssig. Etwa 1-2 Stunden ziehen lassen.
- Tapetenkleister mit Pinsel dünn auf Holz auftragen.
- Trockenes Bespannpapier auflegen, zuschneiden, andrücken und um die Kanten ziehen, wie man es von der Bügelfolie her kennt. Die Oberfläche muß bei diesem Arbeitsgang mit 8-12g Papier bereits glatt und perfekt gespannt sein, bei 21g Papier dürfen hier noch leichte Wellen vorhanden sein. Ober- und Unterseite müssen bei diesem Arbeitsgang zugleich aufgezogen werden.
- Das Bauteil muss immer symmetrisch bearbeitet werden, weil Bespannpapier ganz enorme Spannkräfte entwickelt. Ober- und Unterseite beim Flügel sind immer gleichzeitig feucht, trocken oder werden lackiert. Beide Seiten müssen beim Trocknen immer gleichgut belüftet sein.
- Jetzt 12h trocken lassen. In keinem Fall darf der Flügel flach auf dem Baubrett aufgespannt werden! Er muß beidseitig exakt identisch belüftet werden, sonst spannt sich das krumm. Leichte Verzüge dürfen hierbei entstehen, sie verschwinden beim nächsten Arbeitsgang.
- Die Bespannung mit dem Blumensprüher der Lebensabschnittsgefährtin einsprühen. Nicht vergessen den Blumensprüher in einem unbeobachteten Moment wieder an den angestammten Platz auf der Fensterbank zurückzustellen, gibt sonst Ärger! Nicht über die zornigen Wellen und Falten im Gesicht der Lebensabschnittsgefährtin wundern, wenn man es vergißt. Über die jetzt entstehenden Wellen im Papier bitte ebensowenig wundern, die gehen alle wieder raus, wenn das Papier trocken ist. Singles verwenden zum Einsprühen ihre alte Zahnbürste. Papier darf im feuchten Zustand nicht berührt werden! Nun etwa 24h trocknen lassen.
- Verzüge können nach der Trocknung mit der Airgun (Fön) korrigiert werden. Die Restfeuchte im Holz wird genutzt, um letzte Korrekturen vor dem Spannlackauftrag vorzunehmen. Vor dem Spannlackauftrag alle Verzüge herauszuföhnen ist eine wichtige Maßnahme.
- Verdünnten Spannlack auftragen (Aceton als Verdünnung verwenden
- Anm. der Redaktion: Gefahren- und Sicherheitshinweise beachten!).
Unverdünnter Spannlack spannt filigrane Rippenflügel (unter 1,5mm Rippen, ohne Aufleimer) zu stark, die Rippen brechen unter der Spannung! Der Flügel muß vor dem Spannlackauftrag knochentrocken sein. Wer hier zu eilig war, bekommt weiße Flecken beim Trocknen des Spannlackes zu sehen! Gleiches gilt für Arbeit an regnerischen Tagen: Wenn es zu feucht ist, gibt es weiße Flecken! Diese Flecken sind kaum noch zu entfernen, auch ein erneuter Spannlackauftrag kann nur bedingt helfen. Also Vorsicht! - Spannlackauftrag nur nach Bedarf wiederholen, wenn Spannkraft nicht ausreichend ist.
- Finishlack auftragen, sofern gewünscht. (Zaponlack, Bootslack oder sonst ein Lack) Der Finishlack macht das Bespannpapier wesentlich feuchtigkeitsunempfindlicher und die Oberfläche glatter, was speziell bei Staubfängern (Standmodellen) sehr wichtig ist. Der Flieger wird sonst sehr schnell grau und unansehnlich.
- Hinweis zum Thema Standmodelle: Manche 12g Papiere neigen dazu ein scheckiges Aussehen anzunehmen. Kann man mit einem Probestück prüfen, was man mit Tape irgendwo aufspannt und testweise mit Spannlack bepinselt.
- Alles ist fertig - aber oh Schreck - ein leichter Verzug hat sich nun doch eingeschlichen. Keine Sorge, wir nehmen die Airgun ganz vorsichtig und tun so, als hätten wir einen Folienflügel. Sämtliche Verzüge lassen sich so auch noch nach Jahren entfernen. Neu lackieren oder Flügel befeuchten muß man im Normalfall nicht, denn Spannlack ist im Endeffekt auch nur ein Kunststoff, der sich unter Wärmeeinwirkung wie ein Thermoplast verhält und Korrekturen zuläßt.
- Zeitaufwand etwa 2-3 Tage.
Papierbespannung "Express"
- Holz mit Porenfüller oder unverdünntem Spannlack einpinseln. Alternativ kann auch Uhu-Hart zum Aufkleben des Papiers verwendet werden, dann entfällt der nächste Arbeitsschritt.
- Das Papier wird grob zugeschnitten aufgelegt und mit einem Aceton durchtränkten Lappen festgeklebt. Das Aceton löst den zuvor aufgetragenen Lack an und verklebt das Papier mit dem Untergrund. Bei einigen Grundierungen kann man das Papier sogar aufbügeln, hier ist also Raum für unkonventionelle Experimente.
- Trocknen des aufgeklebten Papiers mit einer Airgun (=1500W Werkstattfön, zur Not auch Haarfön). Nicht zu dicht dranhalten, sonst gibt es braune Stellen oder Brandlöcher und die wollen wir nicht.
- Mit Wasser einsprühen.
- Gleichmäßiges Trocknen mit Airgun. Verzüge mit Wasser einsprühen und dann mit Airgun korrigieren. Airgun so lange draufhalten, bis der Flügel leicht dampft. Dann warten. Wenn Bespannung weißlich wird, aufpassen! Jetzt nur noch kurz draufhalten, der Spannvorgang setzt schlagartig ein, wenn es trocken ist!
- Spannlack siehe "classic"
- Finish siehe "classic"
- Zeitaufwand ca. 1-3h.
- Entscheidender Nachteil: Es gibt leicht eine etwas fleckige Oberfläche beim Aufkleben des Bespannpapiers. Daher ist diese Methode speziell für Flugmodelle mit farbigem Finishlack geeignet. Dennoch geht diese Methode natürlich auch für Modelle im Klarlook, denn sie sollen ja fliegen und hübsch aussehen kommt erst an zweiter Stelle.
Fazit
Die Methode "Bespannung Express" ist für Flugmodelle ideal und bringt schnell ordentliche Ergebnisse. Von der Torsionssteifigkeit ist ein solcher Flügel absolut top, bei zugleich geringem Gewicht. Beides Punkte, die man bedenken sollte, wenn man ein folienbespanntes Modell mal wieder im Notabstieg mit flatternden Flügeln heruntergeholt hat. Mit Papier flattert da nichts!!!
Für Standmodelle im Klarlook ist die Methode "Express" absolut ungeeignet, weil das optische Ergebnis für ein solches Modell in den allermeisten Fällen nicht zufriedenstellend ist. Gut Ding will Weile haben und für solche Modelle sollten wir uns die Zeit für die klassische Methode nehmen.