Ein Modell, wie vom anderen Stern
von Jürgen Rosenberger.
von Jürgen Rosenberger.
Es ist Winterzeit. Else, der Hausvorstand, beschließt, von der vorweihnachtlichen Zuckerbäckerei genervt, etwas am heimischen PC herum zu chillen, was so viel bedeutet, sie filzt meinen E-Mail-Account.
Bevor Ihr, liebe Leute, ob des Folgenden mich nun als tumben Pantoffelhelden belächelt, sollt Ihr wissen: Die üblichen Vorkehrungen der PC-Hygiene, wie Löschen heimlicher Modellbaubestellungen, Leeren des Papierkorbes und so weiter, hatte ich selbstverständlich getroffen. Wie soll man sich aber gegen gerade eintreffende Mails schützen, wenn Madame Controlletti am Schirm lauert?
Die Ereignisse nahmen ihren Lauf: Ein plötzlicher Schrei hallte durchs Haus:
„Hab ich’s doch gewusst!“ Den Auslöser der Erregung erfuhr ich umgehend: Bruno Schiffler, Verkaufsrepräsentant von Jaro Müller, mailte mir, dass die EGIDA, ein vor Monaten bestelltes Elektromodell, eingetroffen sei. Mein erster Gedanke: "Hat der keine Ehefrau?!"
Nach einem ersten Kontakt mit einer Ellipse vor vielen Jahren hatte ich immer wieder den Kauf eines Modells aus der slowakischen Qualitätsschmiede in Erwägung gezogen, aber der nicht unerhebliche Kaufpreis, mittlerweile > 1300 €, stand letztlich immer wieder dagegen. Nachdem ich mich nun allen Bedenken zum Trotz zu einer Bestellung durchgerungen hatte, versuchte ich mich nun gegenüber meiner Finanzministerin in schwammiger Wortwahl Nebelkerzen setzend, zu erklären, natürlich ohne Erfolg! Als kurz darauf die Postfrau 3x klingelt, „das Paket“ übergibt, verschwindet die Neuerwerbung unausgepackt im hintersten Winkel der heimischen Werkstatt, man ist schließlich Diplomat!
Das Premiumgefühl
Stellt Euch vor, liebe Modellbaugemeinde, Ihr betretet das Autohaus einer deutschen Premiummarke und nehmt im Volant eines dieser Edelgeschöpfe Platz. Das Leder duftet, die Sitze sind anatomiegerecht, das Lenkrad umschmeichelt Eure Handinnenflächen. Ingenieurskunst, Qualität und Funktionalität suchen in der Welt ihresgleichen. So etwa müsst ihr euch meine erste Inaugenscheinnahme der EGIDA vorstellen.
Zuerst fällt mir der günstige Gewichts- und Festigkeitsquotient auf.
Der extrem widerstandsgünstige, 1,62 m lange Rumpf, weist in der Mitte etwa 5 cm im Durchmesser auf, verjüngt sich nach vorne und hinten auf das gerade noch erforderliche Mindestmaß. Es wird konsequenterweise nur so viel Material verwendet, wie es Alltagstauglichkeit und Flugbetrieb erfordern.
Schiebt man das V-Leitwerk auf, so zeigt sich eine Passgenauigkeit im Submillimeterbereich. Zwei Inbusschrauben verschwinden in präzis angelegten Einsenkungen. Hebt man die Leitwerke an, sind diese trotz hoher Verwindungsstabilität federleicht. Selbstredend mit spaltfrei angeschlagenen Rudern. Mit höchster Präzision passt die vordere CfK-Kabinenluke. Ein sicherer Sitz ist garantiert: Vorne mittels Draht und hinten durch einen keilartig wirkenden Schnappverschluss. Mit Hilfe eines angeklebten Fadens kann man sie durch Hochheben problemlos entfernen.
Eigentlich ist die Überschrift unzutreffend. Die EGIDA in der Elektroversion wird so gut wie fertig geliefert, will sagen, der Bauaufwand, besser gesagt der Einbau der Technik, bis zur ersten Flugerprobung liegt irgendwo zwischen drei und sechs Stunden.
Die Baubeschreibung besteht im Wesentlichen aus selbst erklärenden Bildern. Es versteht sich, ein solches Highend-Produkt muss mit qualitativ hochwertigen Komponenten bestückt werden. Eine Bitte: Die Hersteller von Motoren sollten eine Bohrschablone mitliefern. Die Platzierung der Bohrlöcher ist knifflig, Fehlversuche nicht selten programmiert.
Die Flügel - in einer anderen Liga.
Ein besonderes Highlight sind die Tragflächen. Aus GfK gefertigt, ergibt ein Gewichts- und Stabilitätsquotient vom Besten. Die sonst bei Schalentieren nicht unübliche Verletzlichkeit der Oberfläche durch unbedachtes Zugreifen der "Pilotenpranke" besteht kaum.
Besonderes Augenmerk verdienen Querruder und Wölbklappen. Sie werden jeweils über direkt an der Wurzelrippe klemmstabil eingeschobene 13 mm Miniservos betätigt. Das Zahnrad des Servos wird ohne Ruderarm im Flügel in ein aufgebohrtes Alumitnehmerrad eingeschoben und mittels Stiftschraube von oben außen fixiert. Das Rad ist mit einer Torsionsstange verklebt, die das Ruder ohne einen von außen sichtbaren Anlenkungsmechanismus bewegt. Wie dieser Kardanantrieb genau funktioniert, darüber schweigt sich der Hersteller aus. Bruno, der Verkaufsrepräsentant, begnügt sich mit dem Satz: „Auch Rolls Royce macht keine PS-Angaben.“ Damit ich richtig verstanden werde, die Anlenkung der Querruder und Wölbklappen erfolgt nicht über Schubstangen und Kugelköpfe von außen. Jaro Müller baut, Geheimnis, Geheimnis, eine innen verlaufende Klappenanlenkung, die zudem völlig spielfrei ist.
Bei der Passgenauigkeit zwischen Rumpf und Flächen über einen bruchfesten Kohlefaserstab könnte ein Uhrmacher aus Glashütte Pate gestanden haben: Saugend im Submillimeterbereich!
Das V-Leitwerk wird mit dem überstehenden CfK-Vierkantholm am Rumpf eingeschoben und über zwei exakt passende Aluminium-Torsionsstifte in der EWD gehalten. Die oben erwähnte Inbusschraube fixiert das Ganze pro Seite. Kohlefaser-Bowdenzüge werden aus dem Rumpf kurzstreckig herausgeführt und in Messingösen am Ruder eingehakt. Vorne sind sie noch abzulängen und am Servo an mitgelieferten Aluminiumscheiben zu befestigen.
Jaro Müller liefert für die Servos des V-Leitwerkes einen Lagerbock aus Sperrholz, der rumpfunterseitig von außen über zwei vorgebohrte Löcher mit Schrauben befestigt wird. Das ungeliebte Einkleben der selbst gestrickten Befestigungsbrettchen in engen Rümpfen entfällt also. Defekte Servos können schnell ausgetauscht werden.
Nicht unerwähnt bleiben sollten die als Zubehör erhältlichen Schutztaschen für Rumpf, Flügel und Leitwerke. Diese bestehen nicht, wie sonst gewohnt, aus luftgepolsterter peng-peng-Folie, sondern man liefert, fast schon in Lagerfeld-Manier, figurbetonende feinst genähte Stepp-Stofftaschen, die anwenderfreundlich durchdacht die edlen Einzelteile vor Transportschäden bewahren. Sie sind gesondert zu bezahlen.
Ein erstes Fazit.
Die vergleichende Analyse mit der 20 Jahre alten Ellipse eines Vereinskollegen zeigt: Die schon damals herausragende Fertigung erreicht bei der EGIDA eine weitere Steigerung in Qualität und Funktion.
Endarbeiten
Die unzutreffenden Schwerpunktangaben vieler Hersteller erregen immer wieder mein Unverständnis. Nicht so bei Jaro Müller. Wie die Flugerprobung zeigte, stimmte bei meiner EGIDA der vorgegebene CG auf Anhieb.
Etwas Aufwand ist bei der Auswahl des Flugakkus zu betreiben. Der bei mir vorhandene 3200 Ah Akku erwies sich als zu schwer. Ein 3S 2200 Ah von SLS bewirkt letztlich die Einhaltung des Schwerpunktes bei 93 mm hinter der Flügelvorderkante. Drehzahlsteller und Empfänger mit zwei Styrowürfeln am Verschieben gehindert, finden ohne das gefürchtete Kabelquetschen ebenfalls ihre Bleibe.
Das Abfluggewicht der Maschine beträgt mit Akku 2089 g. Fast schon triumphierend stellte ich fest, dass die linke Tragfläche mit Servos 585 g wog, sie war damit 36 g schwerer als die rechte. Die Stromaufnahme beträgt am Boden 36 A, rein rechnerisch ergibt das mit einem 2200 mAh-Akku bei 75% Ausnutzung eine Motorlaufzeit von 2,7 Minuten. Gehe ich von einem geringeren Stromverbrauch in der Luft von 30 A aus, kann ich mit 3,3 Minuten rechnen.
Flugerprobung
„Scio nescio“
Diese lateinische Redensart bedeutet frei übersetzt: „Jetzt weiß ich endlich, dass ich keine Ahnung habe!“, oder in kölscher Mundart " ...ze blöd, ne Emmer wasse ömzeträdde" diese Allegorie fällt mir ein, wenn ich an den ersten Flugtag mit Bruno Schiffler denke.
Das Juwel, so verabredeten wir es beim Kauf als Serviceleistung, soll von Bruno, dem Profi und Kenner der Materie, eingeflogen werden.
Nach bestem Wissen stellte ich zu Hause alles ein. Des Meisters erster Blick in das Innere des Rumpfes löste die pure Verachtung aus. Akku- und Reglerkabel zu lang: "Wie kannst Du so viel Gewicht verschwenden?". Tadelnd fährt er fort: „Den Empfänger legt man nach hinten vor die Servos, dort besteht ein kohlfaserfreier, die Antennen nicht abschirmender Raum!“ Die neue Anordnung, der Akku befand sich nun zwischen Empfangsanlage hinten und Drehzahlsteller vorne, ist einfacher über den Kabinendeckel erreichbar, der vorher ausgewogene Schwerpunkt blieb unverändert.
Jetzt Probelauf des Motors mit Vollgas, ein dumpfes "Blob" und der Spinner flog, natürlich ohne EGIDA, ins benachbarte Feld. Der vielsagende Blick des Coaches zum Himmel war meinem Seelenheil wenig dienlich. Zu diesem Zeitpunkt hätte mich der Befehl, einmal quer über das Flugfeld zu robben, kaum verwundert.
Irgendwann, ich hatte gerade vom Kummer gestählt die vielsagende Frage: "Ist das eine Bau- oder eine Flugstunde?" über mich ergehen lassen, war es dann endlich soweit. Moidemoiselle EGIDA wurde zum Erstflug dem Element übergeben. Sprinterstart mit Abwerfen unnötig. Aus dem Stand ein leichter Schubs genügt, dann steigt die Maschine im 45°-Winkel zügig nach oben. Nach wenigen Sekunden war eine Ausgangshöhe erreicht, in der man einen 3,62 m Segler noch gut sichtbar steuern konnte. Es herrschte Kaiserwetter, ein leichter Wind schob auf eine links von uns liegende Anhebung, die EGIDA mündete in einen Thermikbart und stiegt stetig. Einziger Schönheitsfehler: Eine nicht aktivierte Motorbremse. Doch auch mit drehendem Propeller machte das Modell weiter Höhe. Der Schwerpunkt stimmte, Kurve groß, Kurve klein, Strecke fliegen, superb! Die Landung war bilderbuchmäßig. Das Modell wurde unter fraktionierter Butterfly -Anwendung aus größerer Höhe geholt, um dann in Bodennähe ohne Bremsklappen nur mit Höhenruder im Schritttempo aufzusetzen.
Aber keine Angst der Meister hatte das Meckern nicht verlernt. So handelte ich mir einen weiteren Rüffel ein, weil der Spinner den Rumpf um 1 mm überragt.
Originalton: "Warum macht sich Jaro Müller die Mühe, einen schönen Rumpf zu gestalten, wenn du mit dem Spinner die Aerodynamik vernichtest?"
Während der ersten Flüge versteckte ich mich als Photograph hinter der Telekanone. Nun ist es an mir, mich dem Schätzchen als Pilot zu empfehlen. Leicht in die Luft gestoßen, Steigflug wiederum in 45°, nach wenigen Sekunden war die Sichtgrenze erreicht. Bruno, im Fluggelände heimisch, wies mir den Weg zum vermuteten Thermikfeld. Der Segler gewann mal in größeren, mal in kleineren Kreisen in langsamem Versatz gegen den benachbarten Berg an Höhe. Nach ~ 30 Minuten war meine Kondition im Niedergang, ich setzte zur ersten Landung an. Intermittierender Butterflygebrauch, daran muss ich mich zunächst gewöhnen. Die Maschine toleriert bei maximaler Klappenstellung zwar einen sehr langsamen Vortrieb, dennoch gelten physikalische Gesetze des Strömungsabrisses! Man ist in Bodennähe gut beraten, Bremsmechanismen gegen Null laufen zu lassen und das Modell nur mit Höhenruder aufzusetzen. Im Verlaufe der folgenden Flüge bekam ich zunehmend mehr Gefühl für das Spiel mit der Butterfly-Funktion.
Gegen Ende des Flugtages verabschiedete sich Bruno mit den Worten: „Glaube jetzt bitte nicht, du kennst die Maschine, du weißt gerade, sie fliegt links und rechts rum. Mindestens 60 weitere Flüge sind notwendig, damit du das eigentliche Potential unter Nutzung der verschiedenen Funktionen kennen lernst. Einen Sportwagen musst du auch erst erfahren.“
Mittlerweile sind Jahre vergangen, ich habe wunderbare Flüge in dreistelliger Zahl absolviert, tue das auch weiterhin, sammele Erfahrung mit verschiedenen Flugzuständen und Klappenstellungen: 2 mm Verstellung der Wölbklappen und Querruder nach oben, lassen aus dem langsamen Gleiter einen im 15°-Winkel der Erde entgegenstrebenden Schnellzug werden. Die umgekehrte Thermikstellung mit Abwinklung aller Klappen um 2 mm nach unten erlaubt ein behäbiges Einkreisen in aufsteigende Luftschichten. Besondere Faszination empfinde ich, wenn ein in Nähe kreisender Raubvogel den Weg weist. Die EGIDA war primär auf Wettbewerbsbedingungen ausgelegt, heute bietet sie auch dem weniger anspruchsvollen Hobbypiloten durch ihr gutmütiges Flugverhalten ein weites Betätigungsfeld.
Ich möchte ein weiteres Positivum nicht verschweigen: Im Laufe der Zeit fielen zwei größere Reparaturen an. Einmal stellte ich auf dem Sender ein falsches Modell ein. Abwurf mit laufendem Motor, Quer- und Tiefenruder verlaufen genau gegensätzlich zu den beabsichtigten Steuerbefehlen, die EGIDA kracht zu Boden, eine Tragflächenhälfte zerbricht. Ein Ersatzflügel wird problemlos geordert, allerdings zum Preis um die 400 €. Später dann ein Antennendefekt an der Anlage: Absturz! Ein neuer Rumpf war fällig, Auch diesen kann man separat nachkaufen! Ein Service, den man nicht unterschätzen sollte. Jaro Müller setzt hier einen Kontrapunkt zu manch anderem Hersteller.
Fazit: Die EGIDA ist beim Erwerb keine Schenkung, aber von erlesener handwerklicher Qualität. Langzeiterprobt fliegt sie fast anfängertauglich gutmütig und verfügt dabei über eine ungeheuere Leistungsbreite. Eine in unserem Verein seit nahezu 20 Jahren bei Wind und Wetter geflogene Ellipse aus der gleichen Schmiede bestätigt die Robustheit der Produkte.
Technische Daten: EGIDA | Einheit | |
---|---|---|
Spannweite | mm | 3625 |
Länge | mm | 1620 |
Flügelfläche | dm² | 64,2 |
V-Leitwerksfläche | dm² | 6,5 |
Flächenbelastung | g/dm² | 27-30 |
Gewichte, flugfertig bestückt | ||
Rumpf + Leitwerke | g | 846 |
rechter Flügel | g | 549 |
linker Flügel | g | 585 |
Flächenstab | g | 109 |
Weitere Angaben | ||
Profil | JM8,7/2,0-7,5/18 | |
Motor | Polytec 480-27S 4,4:1 Getriebe | |
Drehzahlsteller | Control 45-18 Pro-Regler | |
Luftschraube | 16 x 8 Freudenthaler | |
Spinner | 38 mm Carbon | |
Akku | SLS ultra 2200 Ah |
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