Hallo zusammen,
dieser Thread ist ein wirklich sehr guter Einstieg in den Bau von Formen per 3D Drucker! Vielen Dank dafür.
Damit man nicht immer nur konsumiert, hier ein bisschen Rückmeldung, wie ich derzeit den Formenbau angegangen bin.
Zunächst die Geschichte mit der 3D-CAD-Konstruktion...
Ich habe mir die kostenlose Lizenz von Fusion 360 herunter geladen und sehr viel probiert. Am Ende habe ich den von mir eingeschlagenen Weg in dem angehängten PDF dokumentiert. Vielleicht ist für Anfänger in 3D CAD die eine oder andere Idee dabei, von der man profitieren kann.
Dann die Geschichte mit dem 3D Druck...
Nach den vielen Erfolgsstories, die man so ließt, dachte ich mir, schnell einen Drucker gekauft und dann geht's los. Die Wahrheit ist aber:
1. Man kann locker 4-6 Wochen erst einmal üben und viele Mülleimer mit Testergebnissen füllen
2. Wenn die erste Schicht beim Drucken nicht 100% richtig ist, gleich stoppen und noch einmal neu
3. Ein 3D Druck einer Form für einen 4m Segler auf einem 500€ Drucker dauert seeehr lange (ca. 900h!) und braucht viel Filament (ca. 500€)
4. Aber die Ergebnisse nach 4 Wochen Üben sind so gut, solche Genauigkeit habe ich mit Styro-Abachi niemals geschafft
Ich bin folgendermaßen vorgegangen:
1. Drucker Creality Ender 5 Plus, Bauraum von 350 x 350 x 400mm, Druckbett wird nur in Z Richtung bewegt, gut für hohe dünne Bauteile
2. Filament BASF PLA PRO1 Tough, teuer aber preis-wert, man braucht ca. eine 4.5kg Rolle pro Form-Viertel
3. Slicer Cura 4.6
4. Druckgeschwindigkeit 80 (!) mm/sec bei 212°, nur so bleiben die Druckzeiten im Rahmen und die Genauigkeit ist mehr als okay
5. kein Retraction (Gewackel in Z Richtung) aber Combing gegen Stringing
6. Wandstärke 1.2mm (3 Schichten bei 0.4mm Nozzle) , Schichtdicke 0.2mm
7. Infill 10mm (12%) 3D-Cubes, das wird sehr stabil. Da ich die Bauteile im Drucker in 45° positioniere, ergeben sich vertikale Stege im Bauteil
8. Brim von 8mm Breite für bessere Heizbett-Haftung, Heizbett-Temp. zuerst 65°, dann 55° - es gibt trotzdem etwas Warping (ca. 1mm)
9. Seam immer schön in eine Kante legen, wo man es nicht so sieht
10. Formkanten ca. 2mm runden, richtige 90° Winkel führen zu etwas konkaven angrenzenden Wänden
Man könnte evtl. auch mit 0.8mm Wandstärke und 10% Infil auskommen, aber bei den Materialmengen wollte ich kein Risiko eingehen. Lieber etwas zu stabil als später alles in die Mülltonne.
Ich habe Teststücke gedruckt und bei 0.6bar im Unterdrucksack malträtiert - es passiert rein gar nichts dabei. Nichtsdestotrotz habe ich die Form für zwei Varianten des Absaugens gebaut:
1. die Form komplett in einen Vakuumsack stecken und absaugen
2. in der Speiss-Rinne mit Acryl ringsum abdichten und nur eine Folie gegen die Formoberfläche absaugen.
Für die zweite Variante habe ich die Formteile zunächst mit angedicktem 24h Harz verklebt (8mm Passdübel, Nasenleiste auf geraden Tisch) und danach auf zwei 30x30x2mm Alu-Rohre geklebt. In die 6 Absauglöcher in jedem Formviertel habe ich 6mm Aluröhrchen eingeharzt, die bis in die Alu-Vierkantrohre gehen. Wenn man die Alu-Vierkantrohre vorne und hinten verschließt, sind die nicht nur Versteifung der Form, sondern auch Vakuumverteiler. Die 6mm Passdübel ringsum die Form gehen seitlich an den beiden Alu-Vierkantrohren vorbei, damit man die Passdübel (6mm Stahl) später vorsichtig ausschlagen kann oder auch alternativ hier Gewindestangen zum Verschrauben der Form einsetzen kann.
Nachdem der Randbogen mit ca. 250mm Höhe sehr gut geworden ist, habe ich mich getraut, die volle Bauhöhe von 400mm im Drucker auszunutzen. Dafür musste ich in Cura erst einmal die Bauraum-Höhe auf 400.1mm erhöhen, sonst zickte das herum. Jeder Druck dauert so ca. 2 Tage.
Die Oberflächenbehandlung nach dem Drucken und Fügen lief ganz klassisch:
1. Trockenschliff mit 80er Papier bis die 3D Druck Riffeln nur noch ganz zart sichtbar sind - nicht das schöne Profil verschleifen, konvexen Schleifklotz für konkave Stellen der Form nehmen, schön systematisch im Kreuzschliff arbeiten
2. Spachteln mit Polyester-Spachtel (igitt) oder 24h Harz mit Baumwollflocken und Microballons
3. Trockenschliff mit 180er Papier
4. 2k Acryl-Filler mit der Rolle dick auftragen
5. Nassschliff mit 180er Papier
6. 2k Acryl-Filler mit der Rolle dünn auftragen
7. Nassschliff mit 240er und 400er Papier
8. 2k Acryl-Lack (ich nehme Ludwig Autolack) auftragen (endlich kommen die ollen Farben weg, die man nicht mehr braucht)
9. Nassschliff ganz vorsichtig mit 800er, dann 1200er und (optional) mit 2000er
10. Polieren ist m.E. evtl. gar nicht nötig, ich arbeite mit Grundierwachs und PVA, das gleich die leicht matte Oberfläche aus.
Beim Formenbau oder Modellbau generell muss man jetzt immer daran denken, ob man Sachen nicht schneller mit dem 3D Drucker erzeugt. Heute z.B. wollte ich die Enden der o.a. Alu-Vierkantrohre verschließen. Also schnell 8 Stück auf dem Drucker ausgedruckt, passt sofort saugend.
Viel Spaß beim Nachmachen und weiter optimieren ;-)
Christoph