Giganten der Lüfte – Ein kleiner RC-Zeppelin als Freestyle Fatty

Giganten der Lüfte – Ein kleiner RC-Zeppelin als Freestyle Fatty

Als nächstes Projekt baue ich mir einen Spiel- und Spaß-Zeppelin fürs Wohnzimmer, der das Helium wesentlich besser hält als mein letztes Projekt und damit auch bessere Fahreigenschaften haben wird.

Das Konzept ist einfach: Grundlage ist ein großer Folienballon in Zeppelin-Form, Kapazität rund 117 l, Eigengewicht 43 g, Auftrieb ca. 74 g. Die genauen Maße dieses "fliegenden Hinkelsteins" gibt's unter #8 hier.

Drum herum kommt eine Hülle, ganz aus Vector boards gebaut, die schließlich in etwa so aussehen soll wie beim klassischen "Graf Zeppelin" LZ 127, das heißt silbergrau und mit konkav geformten Stoffbahnen sowie einer Buggondel, Heckflossen und – hier kommt die erste massive Abweichung vom Vorbild – nur zwei oder drei Motorgondeln, je nach verbliebenem Auftrieb.

Freestyle wird das Flugmodell deswegen, weil in diesem kleinen Rahmen und mit diesem Material die üblichen schlanken Dimensionen des historischen Vorbilds nicht machbar sind. Das liegt einmal an den Maßen meiner Gaszelle. Und ganz einfach an folgendem: je kugelförmiger das "Luftschiff", desto besser ist das Verhältnis zwischen Volumen und Oberfläche, also zwischen Auftrieb und Gewicht der Hülle.

Seine Maße: Länge 135 cm, größter Durchmesser 55 cm, Verhältnis L/D also fast 2,5 : 1. Klassische Zeppeline hatten meist 10 : 1 und mehr. Ich baue jetzt also ein Fatty-Luftschiff. 😎

Die Gewichtsverteilung im Modell ist nach Plan – mal sehen ob's klappt:

Hülle mit Heckflossen und Buggondel: ca. 47 g
2 bis 3 Motorgondeln mit Motoren: 18 bis 27 g
Trimmung/Nutzlast: ca. 12 bis 0 g

20220302_214306.jpg

Das ist der Entwurf der Außenhülle, bestehend aus 21 Längsbahnen in 14 Sektorabschnitten.

Auf Längsträger kann ich aufgrund der Festigkeit des Materials wie bereits bei meinem LZ 120 verzichten. Lediglich den Auftrieb der Gaszelle muss ich irgendwie mit (wenigen) Ringträgern und/oder Diagonalverspannungen aus Fäden oder Vector boards abfangen.

Eine Rechentabelle lieferte mir aus diesem Längen/Durchmesserverlauf die Kantenlängen der einzelnen Sektorabschnitte. Am Ende besteht die Außenhülle dann aus insgesamt 284 Polygonen mit einer Gesamtfläche von 1,8 m².
 
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Mittels Schablonen übertrage ich die Polygonmaße dann auf das Hüllenmaterial und erhalte so von der Spitze bis zum Heck Ringsektor für Ringsektor.


20220303_081906.jpg

Jeder Abschnitt wird noch vor dem Ausschneiden grau mit Wasserfarbe angemalt.

20220303_082346.jpg

Mit Klebepunkten aus Vector boards und Weißleim verbinde ich dann die einzelnen Abschnitte und verleime die Kanten. In der Firstkante lasse ich einige Abschnitte offen (sieht man beim Flug eh nich), damit ich die Gaszelle einsetzen und befüllen kann.

Zuletzt überziehe ich die Hülle mit Acryllack und bekomme so den typischen Look.
Und wenn's das Gewicht hergibt, versteife ich die Hülle noch mit einigen CFK-Rundstäben, die ich in die Hülle als Längsträger einleime.
 
Fertig. ;)

Alle 284 Polygone der Hülle sind gezeichnet und bemalt.
Das war schon eine ziemlich meditative Tätigkeit.
15 Vector boards (0,2 x 300 x 1000 mm) brauchte ich dafür.

20220308_172729.jpg

Der zweidimensionale Arbeitsteil ist also zu 90% geschafft.
Ab jetzt folgt der dreidimensionale Aufbau, vom Bug zum Heck:
auschneiden und verkleben.
 
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Das hier war ein Klebetest:

20220308_175238.jpg

Links im Bild hält ein 4 mm breiter Klebestreifen die Bahnen zusammen. Rechts dasselbe nur ohne Klebestreifen.

20220308_175258.jpg

Von innen sieht das so aus.

Genial: Der plastisch getrocknete Weißleim hält die Bahnen wie ein Träger im richtigen Winkel aneinander, hier rechts im Bild, fast unsichtbar. Das ist erstaunlich stabil!
 
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Der Bugsektor. Der Anlegering im Bild rechts war mal die Öse eines Ostereis. :cool:

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Der zweite Ringsektor wird zusammengefügt.

20220309_174838.jpg20220309_180527.jpg

Die zu klebenden Kanten werden mit Post-its fixiert und mit Weißleim verklebt. Der Leim trocknet aber sehr langsam ab, daher experimentiere ich jetzt auch mit Express-Holzleim.
 
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Fantastische Arbeit Graf Ferdinand!
Ich kenne mich nur mit Hubschraubern aus, habe aber keine Ahnung von RC-Luftschiffen. Daher folgende Fragen: Was für eine RC-Anlage und welche Antriebe verbaust Du? Wie funktioniert die Steuerung? Mit Differentialschub? Ich bin sehr auf Dein Projekt gespannt!

Gunther
 
Hallo Gunther!

Eine erste schnelle Antwort findest du hier. Bei #15 bis #20. Details folgen etwas später, dafür dann aber ausführlich ...
 
Tja, die Steuerung ... die ist nix besonderes, keine Futaba, nichtmal Spektrum, ich habe für mein Spaß-Luftschiff einfach mehrere kleine verramschte Modelleisenbahn-Modelle samt Fernbedienung (VW-Lieferwagen, 1:87) ausgeschlachtet & zweckentfremdet, meine Jungs würden anerkennend auf denglisch sagen: gehackt.

Warum? Die sind super kompakt und leicht, passen daher in die kleinste Gondel. Leistung brauche ich Indoor kaum, weil das Modell ja bereits von allein schwebt. Und die Reichweite von 50 Metern (!) ist super. Und wenn ich sparsam bin, halten die Akkus locker über eine Dreiviertelstunde. :cool:

Den Freestyle Fatty werde ich wohl nur mit zwei Motorgondeln (Steuerbord und Backbord) betreiben, dann habe ich in jeder Gondel einen Akku, Empfänger, Motor, beide zusammen 16 g Gewicht.

Für den Freiflug wird das gasgefüllte Modell nun so getrimmt, dass es ohne Antrieb sanft sinkt. Der eine Motor (Vor/Zurück) ist kaum angestellt, funktioniert daher wie der Antrieb beim Modellauto, sorgt allenfalls für leichten Auftrieb bzw. hält die Höhe und produziert allein eine Linkskurve, wenn ich ihn in die Steuerbord-Gondel packe. Der zweite Motor (Backbord, Senderbelegung rechts/links) ist stärker angestellt und wenn ich nur ihn verwende, steigt das Modell rasch in einer Rechtskurve und sinkt noch rascher bei Fahrt zurück (Rechtskurve rückwärts).

Für echte Geradeausfahrt, enge und weite Kurven, starkes Steigen oder Sinken muss ich die beiden Motoren nun entsprechend kombinieren, und hier wird's echt spaßig, denn wegen der dicken Form wirkt das Munk-Moment (kurz gesagt, die Neigung sich quer zur Fahrtrichtung zu stellen) voraussichtlich sehr stark – das Luftschiff wird also sehr schwer geradeaus zu steuern sein und stets ziemlich herumeiern, anders als mein großes schlankes Modell von LZ 120 mit drei Motoren.

Aber da freu ich mich schon drauf! Das erfordert viel Fingerspitzengefühl und allein das stille Schweben ist ja schon klasse. Sportpiloten mögen dem vielleicht wenig abgewinnen. Der schwedische Flugpionier Petersson sagte über Zeppeline einstmals (vor hundert Jahren) sehr ungalant, sie seien "Flugzeuge für Behinderte und Frauen.“

Achja, meine Gaszelle, den fliegenden Hinkelstein, habe ich übrigens auch schon mal als rasenden Blimp betrieben, indem ich irgendwelche ausgebauten Helikoptermotoren drangehängt habe. Macht auch Spaß ...

(Und Gunther, bezüglich Differentialschub und Profi-RCs: Die Kollegen von der pfeilschnellen Freiluft-Fraktion arbeiten ja mit viel mehr Power, frag dazu doch vielleicht mal unseren Moderator Johannes Eissing ...)
 
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Vielen Dank für Deine sehr ausführliche Erläuterung Graf! Sehr schön auch das Zitat von Petersson. Ich antworte darauf mit einem Zitat, das angeblich von den Gebrüdern Wright stammt: "Ein Hubschrauber schafft mit viel Anstrengung nur das, was eine Ballon mühelos kann."

Ich finde es genial auf jedes Gramm zu achten und konsequenterweise eine superleichte H0-Fernsteuerung zu verwenden! Minimalistisch und trotzdem jede Menge Flugspass! Das würde mich auch sehr reizen, aber ich kann jetzt nicht auch noch Luftschiffe bauen. Dafür werde ich Deinen Baubericht umso aufmerksamer verfolgen.

Ich wünsche Dir weiterhin viel Spaß und Erfolg!
Gunther
 
Achso ja, wo bekommt man eigentlich das Helium her? Ich könnte es natürlich googlen, aber wie läuft das in der Praxis?
 
Gibt's im Baumarkt. Zur Zeit hole ich mir die roten Gasflaschen (Linde) mit ca. 0,4 m³ zu 40 Euro, da kommt man mit 10 Cent pro Liter reines Helium gut weg.

Da Helium ja bei der Ölförderung anfällt, werden auch hier die Preise vermutlich krass anziehen ...

Vorsicht: solote schon Helium sein, Ballongas ist manchmal unrein ... (such mal hier im Forum.)
 

Johannes Eissing

Moderator
Teammitglied
Gibt's im Baumarkt. Zur Zeit hole ich mir die roten Gasflaschen (Linde) mit ca. 0,4 m³ zu 40 Euro, da kommt man mit 10 Cent pro Liter reines Helium gut weg.

Da Helium ja bei der Ölförderung anfällt, werden auch hier die Preise vermutlich krass anziehen ...

Vorsicht: solote schon Helium sein, Ballongas ist manchmal unrein ... (such mal hier im Forum.)
Bei Ballongas muss man darauf achten dass 99% Reinheit garantiert wird (z.B. das von Linde Gase, oder "Freelium"). Sonst bekommt man einen undefinierbaren Mix, der recht schwer sein kann.
Beispielrechnung mit Luftdichte 1.2kg/m³ und Heliumdichte 0.2kg/m³:
Bei 5% Luft im Gemisch macht das pro m³
0.95m³*0.2kg/m³ + 0.05m³*1.2kg/m³ = 0.25kg
also 50 Gramm pro m³ mehr Gewicht.
 

Ragnar

User
Man könnte auch die reinen Gase von Linde ausweichen.
Da hat das Helium eine Reinheit von 5.0.
Das heisst, die 5 Stelle nach dem Komma gibt den Prozentsatz an Verschmutzung an.
Das Gas ist dann natürlich deutlich teurer.
 
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