In Memoriam Manfred Pick †

Go fast, turn left!

von Manfred Pick †

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Dies ist ein Rückblick aus meiner ganz persönlichen Sicht. Ich habe meine besten Jahre der Modellfliegerei mit dem Fliegen von Rennmodellen um drei bzw., seit ein paar Jahren, um zwei Pylone gewidmet. Eine tabellarische Aufzählung von Ergebnissen erfolgt nicht. Auch stimmt die zeitliche Abfolge der Ereignisse nicht immer hundertprozentig.

Sollte ich in diesem Bericht jemandem zu Nahe treten, so ist das Absicht, ich entschuldige mich aber im Voraus. Um gegenüber den Weggefährten dieser schönen Jahre fair zu sein: Ihr wart alle prima Kumpel! Manchmal hattet ihr, genau wie ich, gewisse Macken, einige wenige vielleicht ein paar mehr.





Wie fing alles an?

So um 1960 gab es die ersten Proportionalfernsteuerungen für uns Modellflieger. Das Zeitalter der Bang-Bang-Fliegerei war damit beendet. Jetzt konnte man sein Modell mehr oder weniger präzise durch die Luft steuern. Damit wuchsen auch die persönlichen Ansprüche an die eigene Fliegerei. Bis dahin war es nur möglich, mit einem schnellen Daumen einen einigermaßen runden Looping in den Himmel zu zaubern. Doch nun nahmen die Möglichkeiten, Modelle präzise zu steuern, gewaltig zu.
Man war im Verhältnis zu heute noch bescheiden und erfreute sich am Kunstflug der Herren Bosch, Kraft, Brooks und noch einiger anderer Spezialisten der damaligen Zeit.
Da ich nicht einer der schlechtesten Modellflieger war, glaubte ich, dort ein wenig mitmischen zu müssen. Bald erkannte ich aber, dass dabei noch ein paar andere Umstände im Spiel waren, die mir überhaupt nicht passten.
Eines Tages tauchten in einem Modellmagazin einige kleinere Berichte über Rennen mit Modellflugzeugen auf. Wo immer sich eine Chance bot, Informationen darüber zu bekommen, sammelte ich diese und so ganz langsam reifte in mir der Gedanke, das wär's doch! Mich begeisterten die Modelle, dazu kam, dass ich schnelle Modelle mochte.
Mir gefiel, dass die Rennfliegerei reell war. Weder die Schönheit der Flugdarbietung noch die Gunst der Jury waren entscheidend, sondern das schnellste Modell mit dem besten Pilot war der Gewinner. Einfach und simpel!
Sehr schnell gab's auch die ersten Versuche, in Deutschland solche Rennen durchzuführen. Die Heilbronner veranstalteten seinerzeit eine Art Aerolympics, neben Kunstflug sollten auch Pylonrennen geflogen werden. Aber statt sich an den Erfahrungen der Amerikanern zu orientieren, versuchte der Veranstalter seine eigene Vorstellung vom Pylonrennen durchzusetzen, was ein totaler Schuss in den Ofen wurde. Wenig später klinkte sich der „Frankfurter Verein für Luftfahrt“ ein. Zumindest den Rennkurs hatte man aus Amerika importiert. Jedoch wurde die Startreihenfolge auf Grund von Scalepunkten vergeben. Irgendwie waren die Resultate nicht befriedigend. Richtige Rennen, auf die alle heiß waren, wurden durch die Reglementierung der Veranstalter verhindert. Es musste etwas passieren, sonst würde das gerade erwachte Interesse für’s Pylonrennen schlagartig erlahmen. Das erschien mir so sicher wie das Amen in der Kirche.

Damals schrieb ich zahlreiche Artikel in der Zeitschrift "modell", die erstaunlicherweise eine große Resonanz hatten. Es war, als hätten viele Modellflieger nur darauf gewartet, dem alltäglichem Modellfluggeschehen zu entfliehen. Meinen damaligen Verein konnte ich dafür gewinnen, zunächst mal nur ein Rennen durchzuführen. Nach diesem Rennen trafen sich die teilnehmenden Piloten und es wurde beschlossen, zur weiteren Förderung des Pylonrennens, eine Interessengemeinschaft zu gründen.
Anfangs waren es 15 Piloten, die der Interessengemeinschaft der Pylonflieger (IPF) angehörten. Aber schon nach kurzer Zeit stieg die Zahl der Mitglieder kräftig an. Mit Rennen in Münster, Hannover, Schwabmünchen, Augsburg und Bad Wörrishofen weckten wir das Interesse für unseren Sport in der ganzen Bundesrepublik.
Geflogen wurden damals fast nur Eigenkonstruktionen, die fast ausnahmslos die Formel-1 Rennflugzeuge aus den USA zum Vorbild hatten.
Meine Lieblingskonstruktion war der Rivets, aus heutiger Sicht denkbar schlecht für’s Rennen geeignet. Mit seinen fast dreieckigen Tragflächen befand sich das Modell immer am Rand eines Strömungsabrisses. Von Streckung sprachen wir damals noch nicht.
Die Drehzahlen der Motoren lagen bei ca. 15.000 U/min (Drehzahlmesser waren unbekannt). Entsprechend sahen die Geschwindigkeiten und die Rundenzeiten aus.
Wenn damals ein Pilot für die 10 Runden weniger als 110 s brauchte, wurde kräftig Applaus gespendet.

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1971 flog ich mit diesem Modell in Babenhausen die Fabelzeit von 96 s!
Man beachte, ohne den steifen Hut.​



Die lieben Funktionäre
(Funktionäre = funktionieren? Das war nix!)

Günter Hoppe, damals F3A-Spitzenpilot, hatte uns zu einem Rennen in den Raum Hannover eingeladen . Hier flogen wir abwechselnd mit den Kunstfliegern unsere Rennen. Ich erwähne diese Begegnung, weil sie eine Art Schlüsselereignis für die weitere Entwicklung des Pylonrennens in der Bundesrepublik Deutschland war.

Aus heiterem Himmel maulten mich damals Funktionäre des DAeC nach dem Motto an: "Ihr seid der Untergang der Modellfliegerei! Bei uns nie!"
Man stelle sich einen Zeitsprung von ca. 20 Jahren vor, die Herren wären vor Schreck in alle Mauselöcher verschwunden.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir über eine Verbandszugehörigkeit noch keine Gedanken gemacht. Naiv wie wir waren, wollten wir eigentlich nur Fliegen und uns nicht mit Funktionären herumschlagen.
Damals befand sich der DMFV im Aufbau. Der amtierende Präsident Schrader hatte den organisatorischen Aufbau vorangetrieben und Winfried Ohlgart war beauftragt worden, den Fachbeirat aufzubauen. Nach einem fruchtbaren Gespräch mit Winfried stand fest: Wenn der DAeC uns nicht will, dann fliegen wir eben unter der Flagge des DMFV.
Eine vorausgegangene Anfrage beim DAeC, was denn nun mit der Pylonfliegerei beabsichtigt sei, wurde erst gar nicht beantwortet. Auf meinen Hinweis, dass die FAI zu diesem Zeitpunkt die Pylonklasse F3D etabliert habe, beantwortete der Herr Sekretär mit den Worten, dass er eine Belehrung nicht brauche.
Damit war die Richtung klar, wir flogen unter der Flagge des DMFV und jahrelang konnte man von Seiten der DAeC-Funktionäre vernehmen, dass nichts Besseres passieren konnte. Man war sich da mit den österreichischen Nachbarn einig. Die hatten ihren Mitgliedern das Pylonrennen gleich ganz verboten.
Anscheinend konnte man das mit den österreichischen Kollegen machen.

Nach all’ den Jahren, in denen ich mit und für den Modellflugsport arbeite, bin ich heute noch felsenfest davon überzeugt, dass der damalige Anschluss an den DMFV die beste Entscheidung für das Pylonrennen war. Noch heute trägt der DMFV zur Existenz des FAI-Pylonrennes bei (unglaublich aber wahr!).



Mach’mer was Gescheit’s, gemma fliege!

Verwendet wurden Motoren aller Hersteller, die 6,5 cm³ Motoren produzierten.
Webra und auch OS waren die am häufigsten eingesetzten Motortypen. Mit aus heutiger Sicht teilweise abenteuerlichen Ansichten versuchten wir, diese Motoren zu "tunen", was oft genug deren Existenz in der Mülltonne enden ließ.
Die Krone setzte dann damals ein Dr. .... in einem Modellmagazin der Angelegenheit auf.
Schrittweise wurde hier erklärt, welche Maßnahmen zu den gewünschten Leistungssteigerungen führen sollten. Treu und brav haben wir das alles nachgemacht, nur um dann zu der Einsicht zu gelangen, dass alles Humbug war, was da verzapft worden war.

Bei einem unserer Rennen tauchte eines Tages ein bis dahin Unbekannter auf, besah sich unsere „Motorenkunst“ und erklärte mir, dass wir wohl so nicht weiter kämen. Der "Besserwisser" war Arno Wamper, seines Zeichens Speedflieger bei den Fesselfliegern. Mit dieser Begegnung wurde, was die Motoren anging, alles anders:



Sie verloren ihre Unschuld!

Bei Arno lernte ich die Grundprinzipien der Motoren kennen. Hörte das erste Mal etwas über Steuerzeiten und wie beispielsweise die Kompression gemessen wird. Vor allem aber, dass die Leistung des Motors nur durch beste Komponenten gesteigert werden kann, die miteinander als Ganzes abgestimmt werden müssen. Wer von uns hatte damals schon eine Ahnung, wie die Kugellager zu tauschen sind bzw. welche Toleranzen diese haben mussten.

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Arno Wamper als Caller
Vor allem lernte ich, das Leistungssteigerung nichts mit Polieren der Übergänge und sonstiger raffinierter mechanischen Schaubearbeitung zu tun hat.
Arno präparierte mal einen Motor für einen Kollegen, den dieser natürlich sofort öffnete aber vergeblich nach Tuning-Maßnahmen durchsuchte. Er fand keine, also konnte der Motor nichts taugen. Dass der Motor aber aus ausgesuchten Einzelteilen zusammengebaut war, bei denen die Steuerzeiten an der Kurbelwelle und an der Zylinderbuchse verändert waren, konnte der Kollege nicht erkennen.

Einer der besten damaligen Piloten war der Schwede Göran Carlsson. Ich habe ihn und seinen Caller bei mehren internationalen Wettbewerben bewundert. Göran stand beim Fliegen zwischen den beiden hinteren Pylonen und flog mit einer damals bei uns unbekannten Präzision seine Runden.
Eine Klasse für sich war sein Caller. Ich behauptete damals, wenn der das Modell beim Start hinausschleudert, dann würde das Gerät auch mit stehendem Motor noch zwei Runden fliegen. Die zwei Meter große Gestalt konnte sich auf ein Minimum zusammen ziehen und explodierte dann auf mehr als 3 m Länge. Göran war dann schon beim Start vorne weg.

Eigenwillige Kollegen waren die Gebrüder Netzer, Bernhard und Adalbert (Bernhard Netzer ist 2019 verstorben).
Sie entwickelten damals eine Modellqualität, die den Modellen der Konkurrenten in jenen Tagen weit voraus war. Sie bauten eines der schönsten und fortschrittlichsten Modelle dieser Zeit, ausgerüstet mit einem Kunststoffrumpf, in Gummi gelagerter Motoraufhängung und präzise gearbeiteten Tragflächen. Der verwendete Motor war ein 6,5 cm³ Webra, der in langen Versuchen in der heimischen Werkstatt getunt worden war.

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Die Gebrüder Netzer bei der Startvorbereitung​

Leider waren sie nie in der Lage, diese Qualität bei den Wettbewerben umzusetzen, meistens versanken ihre Bemühungen im Chaos. Wenn dann aber mal ein Flug problemlos gelang, dann konnten alle sehen, was für ein Potenzial in ihnen schlummerte. Leider verunglückte Adalbert später mit einem selbstgebauten Hängegleiter.

Dann waren da noch die „Republikflüchtlinge“ Ernst Waltscheck aus Österreich und Victor Casutt von den Eidgenossen. Beide hatten keine Chance, in ihren Ländern Rennen zu bestreiten, waren aber begeistert von der Rennfliegerei. Victor war lange Zeit ein erfolgreicher Konkurrent, der mehrere internationale Rennen gewinnen konnte. Ernst war nicht ganz so erfolgreich aber dafür ein um so besserer Weinbauer, dessen Weine uns Gott sei Dank auch heute immer noch bestens munden.

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Die Senioren aus dieser Zeit, Günther Lindemann als Helfer von Otto Christmann. Wer erinnert sich noch an Ottos " Biene Maja"?

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Victor Casutt und ich mit unseren Rennmodellen. Damals waren 45 dm² Tragflächeninhalt und eine Profildicke von 38 mm vorgeschrieben.
Kurz vor einem internationalen Rennen in Schweden meldete sich ein junger Mann bei mir mit dem Wunsch, dort mitfliegen zu wollen. Sein Name war Lothar Steinbiss. Er war zwar schon bei einigen Rennen mitgeflogen, hatte aber leistungsmäßig bis dato noch nicht viel geboten. Die Schweden konzentrierten sich mit aller Kraft darauf, uns Etablierte nur ja nicht gewinnen zu lassen. So bekam ich mehrmals einen Cut angerechnet, der ganz sicher keiner war. Den bis dato unbekannten Lothar hatten sie jedenfalls nicht auf der Rechnung und am Ende waren alle aus dem Häuschen, als Lothar im Finale auftauchte. Die langen Gesichter unserer schwedischen Kollegen habe ich bis heute noch nicht vergessen, als Lothar dann auch noch als Sieger aus dem Wettbewerb hervorging.
Ab diesem Zeitpunkt waren Lothar Steinbiss und ich für mehrere Jahre ein Team. Wohl eines der erfolgreichsten in diesen Jahren.

Einer der leistungsstärksten Motoren dieser Zeit war der von Bugel konstruierte Hirtenberger Motor. Mittlerweile hatte die FAI das Resonanzrohr im F3D-Reglement zugelassen und seit dem war Arno in seinem Element. Die Leistung der Motoren ging nach oben, die Flugzeiten für die 10 Runden nach unten. Die 100 s waren bald Geschichte und es ging so langsam in Richtung 90 s.

Die Modelle dieser Zeit hatten gemäß FAI-Reglement 45 dm² Gesamtfläche und eine Profildicke an der Rumpfseitenwand von 38 mm.
Dem Scalelook hatte man auch Ade gesagt, eigentlich entgegen den Bestimmungen.

In Lakehurst/USA wurde ein Wettbewerb als Vorbereitungswettbewerb für die in Zukunft beabsichtigten Weltmeisterschaften durchgeführt. Bob Violett tauchte dort mit seiner TOMCAT auf, einem Modell, das mit der Scale-Idee nichts mehr gemein hatte. Den Begriff "Zweibeinfahrwerk" interpretierte er mit zwei Rädern in Tandemanordnung in einem schlanken, bis zum Boden reichenden Rumpf. Nachdem dieses Modell akzeptiert wurde, verschwand auch der Begriff „scalelike“ aus den Regeln. Lächerlicherweise wurden aber die Maße für das Cockpit beibehalten, obwohl es nur auflackiert sein muss, egal wo es positioniert ist.

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Lothar Steinbiss mit seiner Erfindung: Luftschraube steht still, das Modell dreht mit 18.000 U/min.

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Bilder mit den Gefährten vergangener Tage. Oben die Männer aus BY, Elmar Schmitt und Ernst Wiedemann, das Modell “MISS DARA“. Daneben Bruno Stükerjürgen mit seinem “GOON“.
Darunter Vater und Sohn Reinicke und Günther Bonengel als mein Caller.

Die Modelle dieser Zeit hatten fast alle Kunststoffrümpfe und Styropoor-Tragflächen und -Leitwerke. Da war Selbstbau angesagt, für eine industrielle Fertigung war der Bedarf nicht groß genug. Manfred Topp versuchte zwar mit einigen Modellen auf den Markt zu kommen, hatte jedoch wenig Erfolg. Diese Modelle genügten unseren Ansprüchen nicht, meistens waren sie zu schwer und mit wenig geeigneten Profilen ausgestattet.

Eigenartigerweise wurden bisher nur wenige Motoren aus südlichen Gefilden in unseren Rennflugzeugen verwendet. An Rossi und seinen Konkurrenten OPS traute sich keiner heran. Eines Tages waren dann die Leistungen der Motoren ziemlich weit oben angekommen, die Drehzahlen erreichen den 20.000 U/min-Bereich und damit waren die Gehäuse der Motoren letztlich überlastet. Es konnte passieren, dass wir während eines Rennens nach jedem zweiten Lauf den Motor wechseln mussten. Das konnte so nicht weitergehen, zumal Hirtenberger sich weigerte, nur für uns das Gehäuse zu verstärken, eine verständliche Reaktion.

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Achim Schaller, noch etliche Jahre jünger, darunter Samson und Norbert Hesse mit " MR. SMOOTHY"​

Damals gingen Arno und ich auf Hamsterfahrt nach Italien. Mailand lag näher als Bologna und deshalb landeten wir bei OPS und nicht bei Rossi. Es war erstaunlich, mit welcher Zuvorkommenheit uns die OPS Leute empfingen. Jedenfalls verließen wir später das Werk mit einer großen Schachtel Einzelteile. Nicht geschenkt, jedoch war der Preis akzeptabel.

Der erste Einsatz des OPS bei einem Wettbewerb schockierte die Konkurrenz und setzte einen Run in Richtung Italien in Gang. Innerhalb kürzester Zeit verschwanden die heimischen Produkte aus den Flugzeugen der Pylonpiloten. Aber, wie das nun mal so ist, auch diese Motoren waren nur für einen bestimmten Leistungsbereich ausgelegt worden, und irgendwann war die Leistungsgrenze wieder einmal erreicht. Ein Spiel, das sich über Jahre immer wiederholt hat und auch in Zukunft immer wiederholen wird.
Der DMFV hatte zu einem internationalen Rennen eingeladen und, kaum zu glauben, es hatten sich sogar einige Amerikaner angemeldet. Die Jungs hatten’s drauf und erteilten uns eine Lehrstunde in Sachen Technik und Modellbau.

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Zwei der Teilnehmer aus USA mit ihrem LITTLE TONI​

Wir waren wohl damals die schnellsten Schrauber der Nation. Winfried Ohlgart kam aus dem Staunen nicht heraus als er mitbekam, in welch kurzer Zeit wir einen Motor wechselten. Und das war auch bitter nötig, denn mehr als drei oder vier Rennen hielt auch der OPS mittlerweile nicht mehr durch.

Die amerikanischen Kollegen flogen, putzten, prüften die Kerzen, tankten und flogen wieder. Dabei fiel uns der Tankvorgang auf. Im Gegensatz zu den in unseren Modellen gebräuchlichen Pendeltanks, verwendeten die Kollegen die bei uns bis dato unbekannten Bubbless-Fueltanks. Die Motoren waren von Henry Nelson (USA) umgebaute Super Tigres.
Mein Freund Günter Bonengel und ich schauten uns die Modelle ganz genau an, und im nächsten Frühjahr standen unsere Modelle mit den gleichen Komponenten ausgerüstet da.
Natürlich machte das Beispiel Schule. Unsere Kollegen sahen den Erfolg und brauchten nicht erst überzeugt zu werden, was für den Erfolg nötig war. Henry kam mit seinen Lieferungen kaum nach, zumal ihm die Super Tigres ausgingen. Damals entschloss er sich, einen eigenen Motor auf den Markt zu bringen.
Mit dem Wechsel auf diese Motoren war natürlich erneut ein Leistungssprung nach oben verbunden. Flugzeiten von 75 s waren ab diesem Zeitpunkt keine Seltenheit mehr.

In einem der “prähistorischen“ Rennen in Babenhausen tauchte damals ein junger Mann mit Papa und Mama auf und versuchte sich in der Rennfliegerei. Fantasievoll hatte er einen Salto in einen Pylonrenner verwandelt. Der junge Mann war Thomas Lindemann . Eigenwillig wie er selbst, waren seine Konstruktionen. Aber egal wie, mit der Zeit entwickelte er sich zu einem der erfolgreichsten Piloten der deutschen Pylonrennszene. Vielleicht war er sogar der Erfolgreichste. Er gewann jedenfalls zahlreiche deutsche Meisterschaften und internationale Wettbewerbe. Den Melnik/CSR-Cup gewann er mehrmals zusammen mit seiner Frau Babara als Caller. Sein größter Erfolg war im Jahr 1995 der dritte Platz bei den Weltmeisterschaften in den USA, womit er entscheidend zu unserem Gewinn der WM in der Teamwertung beitrug.

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Thomas Lindemann und Xaver Riesiger mit seiner "Volkerts"

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Wer ist wer auf dem Foto? Damals wurden die ausländischen Wettbewerbe noch von einer großen Zahl deutscher Teilnehmer besucht, wie hier in Mailand, wo Xaver Riesinger gewonnen hat.

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Der Europacup!
Bruno und ich konnten diesen Pokal nacheinander gewinnen.
Man beachte Brunos Lächeln rechts und links!

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Der Mann mit dem großen Herzen für das Pylonrennen.
Franco Marabelli zusammen mit Thomas Lindemann.​



Deutsch-russische Koalition

1985 bekam ich Post aus Russland. Ein Modellflieger aus Kazan/Tatarische Republik schrieb mir, er interessiere sich sehr für das Pylonrennen und bat um eine Menge Antworten auf seine vielen Fragen.
Kazan liegt 800 km östlich von Moskau an der Wolga. Etwas später flatterte mir dann eine offizielle Einladung des russischen Verbandes ins Haus. Dabei wurde ein deutsches Team zum Besuch und zu einem Rennen in Kazan eingeladen. Außerdem sollten wir in einer Demonstration unsere Modelle vorstellen. Alle Kosten innerhalb Russlands sollten übernommen werden.
Es war nicht ganz einfach, kurzentschlossene Kollegen aufzutreiben, die fachlich gut waren und sich für acht Tage davonstehlen konnten. Schließlich gingen außer mir Bruno Stükerjürgen und Günter Bonengel mit auf die Reise. Bis Moskau flogen wir mit meinem damaligen Brötchengeber, der Lufthansa. Dort wurden wir von meinem Brieffreund, Sascha Smolenzew, und unserem späteren Motorenbauer, Ravil Ibragimov, begrüßt.

Nach einem offiziellen Empfang mit Reden von beiden Seiten (ich hatte mir schon so was gedacht und mich darauf vorbereitet) begaben wir uns mit unseren Modellkisten auf die Reise in Richtung Kazan. Ich habe noch nie einen so langen Zug gesehen, endlos war die Zahl der Wagen. Bis Sascha den Unsrigen gefunden hatte, machten wir einen zünftigen Fußmarsch. Die für den Wagen zuständige Genossin verweigerte uns mit unseren Kisten zunächst energisch den Zutritt. Es sei kein Platz im Wagon, einen Gepäckwagen gab es nicht und außerdem seien unsere Kisten ein Sicherheitsrisiko.
Sascha hatte diese Situation wahrscheinlich erwartet. Er hatte uns nämlich gebeten, Zigaretten mitzubringen. Ein paar Päckchen wechselten den Besitzer und im Nu waren alle Probleme beseitigt.
Nach 12 Stunden Geratter im Zug, manchmal war es als würde dieser entgleisen, wurden wir in Kazan von einer größeren Menschenmenge freundlich willkommen geheißen. Und da keine Verständigung in deutscher Sprache möglich war, hatte unsere Dolmetscherin Jana Dauereinsatz.

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In der Tatarischen Steppe, im kniehohen Gras, sollten wir unsere Modelle vorfliegen.​

Die Demonstration unserer Modelle fand in einer Halle statt und es war für uns erstaunlich, welch weite Anreisen die russischen Kollegen auf sich nahmen, nur um unsere Modelle bewundern zu können. Selbst aus Novosibirsk waren welche gekommen, eine Reise von zwei Tagen. Später flogen wir dann auf einem Truppenübungsplatz unsere Modelle vor, jeder Flug wurde mit lautem Beifall belohnt. Zum Abschluss gab es noch ein Pylonrennen mit den russischen Kollegen, das von Bruno knapp gewonnen wurde.

Ravil führte uns die Motorenwerkstatt des Verbandes vor und so ganz langsam kristallisierte sich der eigentliche Grund unserer Einladung heraus. Motoren wollte man also bauen und über uns ins Geschäft kommen. Ravil zeigte uns Muster, die allesamt gut aussahen.

Mit unseren Nelsons waren wir bis dato voll und ganz zufrieden. Ravil versprach allerdings, das er in der Lage sei, Besseres zu liefern. Um sein Können zu testen, überredeten wir ihn znächst, uns einige AAC-Garnituren für unsere Nelsons zu liefern. Die kamen dann auch bald und waren, man wollte es kaum glauben, wirklich besser als die Originale.
Im darauf folgenden Jahr, wir hatten gerade unsere Testrunden in Melzo bei Mailand beendet, tauchte Ravil fröhlich winkend mit einem Motor in der Hand auf. Schrauben waren wir ja noch gewohnt und nach kurzer Zeit lief der erste I/R in einem unserer Modelle. Der Motor hatte einen Rohrdrehschieber und machte beim Probefliegen einen ausgezeichneten Eindruck.
Das war der Durchbruch des I/R Motors in Europa, der für Jahre die F3D-Szene beherrschen sollte. Bis…wie immer, von irgendwoher etwas Besseres kam.

Ravils Motoren waren für lange Zeit unsere Treiblinge und wir haben viele schöne Erfolge damit erflogen. An allen guten Platzierungen bei Weltmeisterschaften und auch beim Europacup war der I/R unsere Motorenmarke. Ravil hat oft in nächtelanger Arbeit, vor allem bei den WMs, unseren Motore wieder auf Vordermann gebracht.



Die liebe Politik ließ uns dann doch nicht aus den Klauen

Wie im Märchen, plötzlich tauchte von irgendwoher eine böse Fee auf und bereitete dem fröhlichen Treiben ein jähes Ende. Quasi über Nacht waren wir, die Pylonpiloten, illegal und verstießen gegen die Sportregeln der FAI. Auf Anraten eines gewisses Herren im DAeC, der lange Zeit einen “gewichtigen” Posten in der FAI genoss, wurden wir von eben diesem Verband als die gegen die FAI-Regeln verstoßenden Modellflieger in Grund und Boden verdammt. Da wir Mitglieder im DMFV waren, durften wir nicht nach den Regeln der FAI fliegen und schon gar nicht mehr an internationalen Wettbewerben teilnehmen. Der DAeC war bis dato froh, das Pylonrennen nicht im Hause zu haben.

Trotzdem pochte man auf einmal auf einen Alleinvertretungsanspruch und, was keiner für möglich gehalten hatte, der DAeC schrieb, sozusagen als Rechtfertigung, Rennen aus, allerdings nur für DAeC Mitglieder.
Im Klartext: Man wollte dem DMFV eins auswischen.

Für mich unverständlich, vergaßen einige Kollegen von heute auf morgen wessen Brot sie bisher gegessen hatten und wechselten mit fliegenden Fahnen zum DAeC.
Damit war der bisher gepriesene Zusammenhalt der Pylonflieger futsch.
Traurig, aber leider wahr! Ob es den Kollegen wirklich viel Spaß gemacht hat, mit 8-10 Teilnehmern Rennen zu fliegen, sei dahin gestellt.

Nach eingehender Rechtsprüfung durch den Anwalt des DMFV kam es zur Klage gegen das Vorgehen des DAeC. Das Gericht gab uns zwar Recht, da in Deutschland nun mal deutsches Recht gilt und nicht die Vorstellungen der FAI.
Große Freude kam allerdings nicht auf, der ideelle Schaden war inzwischen zu groß und mit solchen Urteilen nicht aus der Welt zu schaffen. Außerdem hatten wir, genau genommen, nicht viel gewonnen.
Mittlerweile hatten in den USA Weltmeisterschaften stattgefunden und ein “Deutsches Team“ im Leistungsstandart des DAeC nahm daran teil. Die eigentlichen Leistungsträger waren von der Teilnahme ausgeschlossen.

Ich weiß, die Jungs sind mir heute noch böse, wenn ich sage: "Ihr hattet einen netten Ausflug!"
Letztlich hatte der Kampf der Anwälte dann doch noch was Gutes, man begann mit uns zu reden. Mit der damaligen Vorsitzenden der Modellflugkommission bemühten wir uns, W. Ohlgart und ich, um Schadensbegrenzung. Letztlich einigten wir uns darauf, die F3D-Wettbewerbe gemeinsam durchzuführen. Was seit diesem Zeitpunkt auch bis vor ein paar Jahren problemlos über die Bühne ging.
Der DAeC schrieb die Wettbewerbe aus, stellte den Wettbewerbsleiter (Bernhard, du warst und bist der Beste!), dafür durfte der DMFV die Wettbewerbe finanzieren. Teilnahmeberechtigt waren alle Modellflieger.
Wer allerdings in der Leistungsrunde des DAeC erscheinen wollte, musste Mitglied sein und einen zusätzlichen Obolus für die Buchführung an den Verband zahlen (Service nennt man das!)! Mehr oder weniger ist das heute, zum Zeitpunkt dieses Berichtes, immer noch so.
Zudem wurde jetzt bei internationalen Wettbewerben strikt die FAI-Lizenz kontrolliert. Eine Maßnahme, die die betroffenen Modellflieger zur Doppelmitgliedschaft zwang. Aber was tut man nicht alles für seinen Sport! Deshalb...



...zurück zum Sport

In dieser Zeit flogen wir Modelle, die einen Kunststoffrumpf und mit Holz beplankte Styroporflügel und -Leitwerke hatten. In anderen Modellflugsparten gab es schon Vollkunststoffmodelle. Rücksprachen mit Rainer Seubert und Martin Hepperle zeigten, dass, wollten wir international mithalten, etwas Entscheidendes bei den Modellen geschehen musste. Martin Hepperle hatte neue Profile, MH 22 und MH 23, veröffentlicht, die gegenüber den NACA-Profilen gewisse Vorteile boten. Allerdings war, um diese Vorteile auch nutzen zu können, erhöhte Fertigungspräzision erforderlich. Die Flügel der Zukunft mussten deshalb in einer gefrästen Form gebaut werden.

Auf der Suche nach einem guten Hersteller stießen wir damals auf Bernd Jäger, der die notwendigen Maschinen und auch das Knowhow hatte, um das neue Modell herzustellen. Finanziert wurde das Projekt von einer kleinen Gruppe, bestehend aus Pick, Stükerjürgen, und Haag, die Konstruktion kam von mir.
Ich hatte damals über Jahre und in mehreren Stufen ein Modell entwickelt, das recht erfolgreich war. Dem allen sollte nun die Krone aufgesetzt werden.

Ich habe mich immer schon für die “Dago Red” begeistern können. Eine P 51 Mustang, die durch verschiedene Modifikationen zum Rennflugzeug entwickelt worden war und mehrmals die Nationals in Reno gewonnen hatte. Außerdem wischte „Dago Red“ den lange existierenden Geschwindigkeitsrekord der Me 209 vom Tisch.

Alle meine Modelle waren der Dago nachempfunden und so war es auch bei diesem neuen Modell. Es war schon toll, was letztlich dabei herauskam, ein Quantensprung im Modellbau. In der Form lackiert, alle Teile passten, das Modell war schnell fertigzustellen und das Allerwichtigste: Ein Modell flog wie der andere, alle einmal gefundenen Parameter konnten auf das nächste Modell übertragen werden. Dadurch erübrigte sich das bisher langwierige Einfliegen des Modells und auch der unsichere Moment des Erstfluges war Schnee von Gestern.
Mit dem I/R-Motor ausgerüstet, flogen wir mit der Dago jetzt ständig um die 70 s, die Drehzahlen des Motors lagen bei 26.000 U/min und die Geschwindigkeit des Modells auf der Geraden betrug über 300 km/h. Leider gibt es keine Geschwindigkeitsangaben von den Vorläufermodellen, da eine Radarpistole erst zum Zeitpunkt der Dago angeschafft wurde.



Weltmeisterschaft 1993 in Nötsch/Österreich

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Das Deutsche Team in Österreich: M. Pick, T. Lindemann, G. Bonengel
Babara Lindemann, R. Haag, B. Stükerjürgen, H. Merschbrock​

Wie sich gleich zu Beginn der WM herausstellte, hatten die Österreicher sich mit dem Hintergedanken um den Wettbewerb beworben, ihrem langjährigen Spitzenpiloten Hano Prettner einen würdigen Abgang aus dem Wettbewerbsgeschehen zu verschaffen. Hanno hatte gesundheitliche Probleme und es war leider abzusehen, wann er zurücktreten musste. Ein löbliches Unternehmen, wenn da nicht die weniger schönen Begleitumstände gewesen wären.

Die FAI hatte damals Kunstflug, Hubschrauber und Pylonrennen zu einer Aero-Olympics zusammengefasst. Österreich musste den ganzen Block übernehmen und so kam es, dass ausgerechnet die Pylonrennen ablehnende Nation Weltmeisterschaften in eben dieser Klasse durchführen sollte. Man konnte gespannt sein, wie smart die Herren diesen Spagat bewältigen würden.

Für die WM hatten sich Bruno Stükerjürgen, Thomas Lindemann und meine Wenigkeit qualifiziert (jetzt durften wir!). Für Bruno und mich war klar, wir würden die Dago fliegen. Lediglich Thomas machte Probleme, er wollte unbedingt seine Heinkel zum Einsatz bringen. Es war damals ein hartes Stück Arbeit, ihn von seinem antiquierten Modell abzubringen. Das schafften wir nur nach langem Hin und Her und nach einem Leistungsvergleich. Thomas vertrat die Einstellung, dass alles was er flog, in seinem eigenen Stall gewachsen sein musste. Schließlich lenkte er doch noch ein und damit trat das deutsche Team bei der WM in Nötsch mit einheitlichem Material an. Leider dann doch nicht in allen Details. Den Pendeltank hatten wir Thommy nicht ausreden können. Später versetzte uns dieser Umstand einen herben Rückschlag.

Aber zurück zur Hassliebe der österreichischen Modellflugkommission zum Pylonrennen. Schon beim ersten Training gab es Probleme mit den Organisatoren und einzelne unschöne Momente. Ich verzichte darauf, diese hier in allen Einzelheiten wiederzugeben.
Als Nächstes lernten wir, dass für die nächsten Tage Frühaufstehen angesagt war. Da F3A und F3D auf dem gleichen Flugplatz stattfanden, ließen die Veranstalter die F3D-Durchgänge in aller Herrgottsfrühe stattfinden.
Ab 11 Uhr flogen dann die ausgeschlafenen kunstfliegenden Kollegen, während wir seit 4 Uhr auf dem Flugplatz standen. Unser Vorschlag, die Startzeiten mal zu wechseln, stieß auf strikte Ablehnung. Kein Mensch interessiere sich für uns und wir dürften ja sowieso nur aufgrund der FAI-Bedingungen fliegen. Der FAI-Vertreter deutscher Herkunft (genannt die „Qualle“) sah dem ganzen unfairen Treiben zu, ohne auch nur den kleinsten Finger für uns zu rühren. Auf Spesen reisen und sich einen schönen Tag machen, das waren die wesentlichen Tätigkeiten dieses Herren.
Hinzu kam, das man den Rennkurs total abgeschottet hatte. Besucher und Fans hatten keine Chance, in unsere Nähe zu kommen.
Sollten so alle WMs aussehen? Gott sei Dank nicht!

Für’s offizielle Training hatte man für alle Teilnehmer gerade mal 5 Stunden angesetzt und dann ging’s auch schon am nächsten Morgen in aller Frühe los. Etwas ungewohnt fanden wir uns mit den amerikanischen Kollegen nach den ersten Durchgängen auf den vorderen Plätzen. Eine nervliche Belastung, mit der wir am Ende einige Probleme hatten. Heute würde man sagen, wir waren einfach nicht “cool” genug. Noch nicht!
Kennzeichnend für die Situation war, dass mein Caller Günther, im Übereifer, uns in einem Durchgang zwei Cuts einhandelte, was eine Nullwertung ergab.
Thomas hatte im entscheidenden Flug einen Motorabsteller, der sich auf den von ihm verwendeten Tank zurückführen ließ. Auch die sonst so souverän fliegenden Amerikaner kamen nicht ungeschoren davon. Dub Jett erwischte den 3er Pylon voll, genau in der gefährlichen Höhe des im Käfig sitzenden Flaggenmanns. Die Einzelteile des Modells flogen um diesen herum und wie durch ein Wunder bekam er nur eine Schramme ab. Das war für den österreichischen Aeroclub natürlich ein willkommener Anlass, über das böse Pylonrennen in der lokalen Presse zu schimpfen.

Am letzten Tag flogen wir dann morgens in aller Frühe im Nebel. Unsere Motoren mochten die feuchte Luft absolut nicht und liefen einfach nicht mehr so, wie sie sollten, wodurch wir noch mal einige Plätze einbüßten. Allerdings erging es unseren Konkurrenten auch nicht viel besser, so dass wir in der Mannschaftswertung, hinter den Amerikanern, unseren zweiten Platz halten konnten. Was danach kam, die “Siegerehrung” und das gemeinsame Gourmetmenü, diese Schilderung erspare ich mir, es war genauso wie die gesamte Veranstaltung, Schwamm drüber!



Pilot + Caller, das Team

Im F3D besteht der Teilnehmer aus dem Piloten und dem Caller. Diese bilden ein Team, wobei der beste Pilot mit einem schlechten Caller nie den Erfolg haben wird, der seinem Können entspricht . Ein guter Caller hat den Überblick über’s Rennen, während der Pilot sich nur auf seine Fliegerei konzentriert. Pilot und Caller sollten schon eine Weile miteinander Wettbewerbe fliegen und jeder sollte, ohne viele Worte verlieren zu müssen, genau wissen, was in stressigen Momenten zu tun ist.
Ein guter Caller gibt das Signal zum Umfliegen des 1er Pylons (Spitzpylon), immer ein Augenzwinkern vor der Ampelanzeige, diese bestätigt nur sein Signal. Eines der besten Teams, Chris Callow (Weltmeister 2003/2005) und sein Vater, fliegen seit Jahren in dieser Konfiguration zusammen und wer sie mal beobachtet hat, weiß, warum sie fast unschlagbar sind.

Bei der WM in Nötsch fuhr beispielsweise vor dem Start das Fahrwerk bei meinem Modell nicht aus. Jetzt bewies mein Caller Günther Format. Auf meine Frage: “Was nun?”, zeigte ihm ein Blick in die Runde, dass keiner der anderen Teilnehmer was von unserem Problem bemerkt hatte. Der Motor wurde gestartet, das Modell wie beim normalen Start über den Boden gehalten und ab ging’s ins Rennen.
Manche Piloten neigen dazu, wenn es mal nicht so funktioniert wie gewünscht, den Fehler beim Caller zu suchen. Es gab und gibt Piloten, die einen regen Verschleiß an Callern haben, da sie der Meinung sind, dass es mit dem nächsten Caller besser gehen müsste. Fast immer ein Irrtum! Das Geheimnis eines guten Teams heißt: HARMONIE!



Bernhard Onken

Einem Mann, der es verdient hat, möchte ich hier ein paar Zeilen widmen.
Durch die gemeinsam von DMFV/DAeC veranstalteten Wettbewerbe bekamen die Rennen einen Wettbewerbsleiter des DAeC, Bernhard Onken.

Was Besseres konnte dem Sport nicht passieren. Berhard leitete und leitet noch immer die Wettbewerbe mit Routine und Umsicht, seine Entscheidungen wurden zu meiner Zeit immer von allen ohne Wenn und Aber akzeptiert. Wenn Bernhard den Beginn des Rennens auf 10 Uhr festlegte, dann gingen um 10 Uhr die ersten Modelle in die Luft. Dabei ist er fern von jeglichem Personenkult, tritt bescheiden und als absoluter Kumpel bei “seinen Pylonpiloten” auf. Er ist von der Sorte Mensch, (und Funktionär) von denen man sich mehr wünscht!

Mittlerweile tauchten neue Piloten auf, die sich mehr oder weniger erfolgreich im Rennsport versuchten. Ein besonderer Fall ist Robert van den Bosch aus den Niederlanden. Wenn man seine Anfänge mitbekommen hat, dann war absolut nicht zu erkennen, dass er einmal einer der besten Pylonpiloten der Welt sein würde.
Meistens waren seine Modelle und deren Einzelteile auf einer großen Decke am Boden verteilt. Aber irgendwie brachte er, von uns belächelt, ein Modell in die Luft und flog dann mal mehr oder mal weniger gut um ein Ergebnis.

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Robert van den Bosch​

Auch Xaver Riesinger flog damals seine ersten Rennen, wobei er anfangs nicht gleich vorne mitmischte. Aber er ließ erkennen, dass in ihm einiges an Potenzial steckte. Gute Ergebnisse ließen nicht lange auf sich warten, zumal er es verstand, sich mit seiner bescheidenden Art Freunde zu schaffen. Schnell hatte ich einen guten Kontakt zu ihm und man merkte, dass er den Informationsfluss voll umsetzte. Von mir bekam er bald die Dago und damit hatte ich mir einen neuen Konkurrenten ins Haus geholt. In den 90er Jahren, bis zu seinem Rücktritt, war er immer bei der DM auf den vordersten Plätzen zu finden. Das letzte Rennen bei Mach Aurora-Milano konnte er für sich entscheiden.

Achim Kaiser, auch heute noch einer der besten deutschen F3D-Piloten, tauchte auf einmal ganz vorne in den Ergebnislisten auf. Er war damals einer von den Piloten, die fast alles selbst machten. Vom Modell bis zur Kerze.
Dazu flog er präzise und gekonnt. Er wäre einer der wenigen Piloten, der auch heute noch bei Weltmeisterschaften erfolgreich mitfliegen könnte. Aus Vernunftsgründen macht er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch.



Weltmeisterschaften 1995 in Muncie/USA

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Nach Muncie/Indianapolis reisten Rolf Haag, Thomas Lindemann und ich mit den Callern Ernst Wiedemann, Martin Henschkowski und Xaver Riesiger.​

Mit Xaver verband mich mittlerweile eine Freundschaft, die ihn nicht lange überlegen ließ, als ich ihn fragte, ob er als mein Caller mit zur WM in die USA fahren würde. In Muncie empfing uns heißes Wetter mit Temperaturen über 40°C. Dazu lauter freundliche Amerikaner, die sich bemühten, in jeder Hinsicht zu helfen.

Rund um die Uhr konnte geflogen werden und so nutzten wir die Zeit zum Training und dazu, uns an die extremen Temperaturen zu gewöhnen. Geflogen wurde auf einem Platz, der von der AMA extra nur für den Modellflug gebaut worden ist. Da gibt es Fesselflugpisten, jede Menge freies Gelände für alle nur möglichen Freiflugklassen und für die Motorflieger zwei Startbahnen, die auch Sportflugzeugen genügen würden.
Thomas landete knapp geschlagen auf dem dritten Platz, ich auf dem 6. und Rolf Haag auf dem 8. Platz. Nachdem einer der amerikanischern Kollegen schwächelte und einen riesen Patzer fabrizierte, war das deutsche Team auf dem ersten Platz. Ich glaube, das war die Krönung unserer Modellfliegerei. Ein Triumph, mit dem wir nie gerechnet hatten, vor allem nicht in den USA, dem Heimatland des Pylonracings.

An diesem Tage wurde zum ersten Mal, und ich vermute zum einzigen Mal, die deutsche Flagge zwei mal hochgezogen und zwei mal die deutsche Nationalhymne gespielt.

Enttäuscht waren wir nur über die Reaktion unseres Verbandes. Die war nämlich gleich Null, wohingegen der DAeC uns eine Ehrung zuteil werden ließ.

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Bilder, die nicht weiter kommentiert werden müssen​



Dago Red zum Zweiten

Unser Modellproduzent Bernd Jäger ging in die Insolvenz und verschwand mitsamt Formen von der Bildfläche. Irgendwie fanden wir den Herren, aber er weigerte sich, unser Eigentum herauszurücken. Da sich aber in der Auslegung der Modelle einiges getan hatte, beschloss ich, was ganz Neues zu konstruieren. In Christian Wolf hatte ich einen vertrauenswürdigen Hersteller gefunden, der bereits in den Startlöchern stand. Im Wesentlichen unterschied sich das Modell hinsichtlich des Vorgängers im Tragflügelumriss. Da habe ich bei den elektrischen Modellen geschnuppert.

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Die WM-Mannschaft 1997 in Sumperk/CSR. Das Bild zeigt den Unterschied der alten zur neuen Dago. Thomas Lindemann und Martin Henschkowski flogen noch die alte Dago, während ich schon das neue Modell flog.

Ausgerechnet mit unseren Motoren bekamen wir kurz vor der WM in Sumperk Probleme. Wir fuhren zur WM und hatten keinen zuverlässig laufenden IR. Ravil, der mit im Team war, zuckte mit den Schultern und tat unschuldig. Aber wie sich dann später herausstellte, hatte er den Auspuffschlitz in der Zylinderbuchse vergrößert und anderes Kolbenmaterial verwendet.

Mit Ravil hatten wir des öfteren schon Schwierigkeiten dieser Art gehabt. Weil er was Neues probieren wollte, änderte er von heute auf morgen etwas, ohne uns zu informieren. Anstatt zuerst einmal einen Test zu fahren, produzierte er meistens gleich größere Stückzahlen und wollte natürlich seinen Schrott auch noch bezahlt haben. Russische Taktik!

Sein erster Integralmotor, den er mir zu Testzwecken gab, hatte eine konstruktive Schwachstelle. Es stellte sich heraus, das er gleich 20 Stück gebaut hatte, ohne den Motor selbst vorher zu testen. Leider gab es bei Ravil noch öfter solche typische Ausfälle, zwar ein genialer Motorenbauer, aber leider fehlte ihm jegliches kaufmännisches Denken. Da halfen auch alle Vorträge meinerseits nicht viel, er hatte eben seinen russischen Dickschädel.

In den letzten Jahren meiner F3D-Fliegerei funktionierte es dann wieder. Ravils Treiblinge waren wieder zuverlässig und gingen sehr gut. Nur war mittlerweile schon sein geschäftlicher Untergang eingeleitet.
Die niederländischen Gebrüder Metkemeijer hatten die anfänglichen Schwierigkeiten bei der Entwicklung eines Motors für das Pylonrennen überwunden und präsentierten nun einen zuverlässigen Topmotor.

Eine andere Geschichte, über die ich hier berichten möchte, soll den Sportgeist aufzeigen, den es Gott sei Dank immer wieder gibt. Es hieß, für Sumperk hätte auch ein chinesisches Team gemeldet. Es stellte sich dann heraus, dass eine Gruppe Modellflieger aus Hong Kong angereist war. Deren Modelle entpuppten sich nach eingehender Besichtigung als alles andere, nur nicht als optimal.

Da wir unseren Teamchef Rolf Haag entbehren konnten, stürzte er sich in die Arbeit. Die Modelle wurden auseinander genommen, alles sauber wieder zusammengebaut, die Motoren eingestellt und dann von Rolf eingeflogen. Flogen die Geräte dann endlich so, wie sie sollten, durften die Eigentümer mit ihnen starten.

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Das Bild zeigt mich mit unseren Freunden aus Hong Kong
Mit Frank, sein richtiger Name ist Wong Wing Fai, verbindet
mich heute noch eine Freundschaft (rechts im Bild).​

Von Sumperk gibt es nicht viel zu berichten. Wir belegten Plätze unter den ersten zehn und landeten in der Teamwertung auf dem 3. Platz.

Leider passierte dann während des Rennens etwas ganz Trauriges. Der langjährige Freund und Caller Dave Shadels, Jimmy Shinohara, erlitt mitten auf dem Platz einen Herzinfarkt, von dem er sich nicht erholte und vierzehn Tage später in Sumperk verstarb. Ob das so sein musste, sei dahin gestellt. Die Ambulanz brauchte jedenfalls 30 Minuten bis zum Eintreffen auf dem Platz. Die Reaktion des Organisators kann ich hier nur als kopflos bezeichnen, aber das hilft Jimmy jetzt auch nicht mehr.

Die Drehzahlen der Motoren waren in der Zwischenzeit, frei nach dem Moto mehr bringt mehr, weiter gestiegen. Gestartet wurde mit ca. 28.000 U/min, die durchschnittlichen Flugzeiten der guten Piloten gingen langsam auf die 65 s zu.

Zwei Jahre nach Sumperk folgten die Weltmeisterschaften in Schweden und später dann noch die in Australien. Dies war meine letzte WM. So ganz langsam ging die Luft und die Lust aus. Die F3D-Fliegerei erforderte einen immer größeren Einsatz von Material und verursacht damit immense Kosten. Ähnlich wie in anderen Sportarten, brauchten wir einen finanzkräftigen Sponsor, der ist aber weit und breit nicht zu entdecken.



Auf nach Down Under

Trotz der 22stündigen Flugreise nach Bundaberg war Australien noch mal eine Reise wert. Xaver Riesinger, Martin Henschkowski und ich waren die Teilnehmer. Dass die Australier von den seinerzeit importierten Sträflingen abstammen, konnten die Organisatoren nicht leugnen. Da es eine lange und kostspielige Reise war, waren wir mit einem Minimum an Personen unterwegs. So war ich Pilot, Caller und Teamchef in einer Person, deshalb forderten die Aussis gleich mal die dreifache Startgebühr von mir. Erst massive Drohungen konnten David Axon auf den Weg der Vernunft zurück bringen.

Toll war der Flugplatz, ein in den Busch hinein geschlagenes Viereck, ca. 800 mal 800 Meter groß, mittendrin eine Betonplatte zum Starten. Geflogen werden konnte nach allen Seiten, egal woher der Wind kam. Probleme, d.h. größere Suchaktionen gab's, wenn ein Modell diesen Bereich verließ und im Busch landete. Zuschauende Kängurus gab`s gratis dazu. Leider wurden wir hier im letzten Moment in der Mannschaftswertung von den Franzosen auf den zweiten Platz verwiesen. Xaver und ich waren immer noch mit den R/I-Motoren unterwegs, doch so langsam mussten wir einsehen, dass die MBs besser waren.

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Chris Callow, der Weltmeister aus Down Under​



Dago Red Innovation

Christian Wolf hatte viele Modelle in den Formen gebaut, und diese wurden dadurch nicht besser. Wir einigten uns dahingehend, wenn schon etwas neu gemacht werden musste, es auch ein neues Modell sein sollte.

Die Dago bekam eine größere Streckung, unter dem Rumpf wurde Platz für eine größeres Resorohr geschaffen und auch sonst wurden noch einige wichtige Details verbessert.

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Nach der Saison 2003 war dann endgültig Schluss. Nach über 30jähriger Jagd nach Geschwindigkeit, war ich an einem Punkt angekommen, wo es innerlich bei mir nicht mehr weiter ging. Wenn die Kollegen sich nach dem Motorcheck über 30.000 Umdrehungen freuten, dann fing ich an, das Gejaule mehr und mehr zu hassen. Ich stellte mir immer öfter die Frage, ob dieses ins Extreme gehende Leistungsdenken sein muss, um Spaß an der Modellfliegerei zu haben. Dazu kam, das nur wenige in der Lage waren, die notwendige Technik zum Fliegen eines F3D-Modells zu beherrschen. Newcomer haben beim heutigen Stand in dieser Wettbewerbsklasse keine Chance.

Mein Abschied wurde von den Kollegen mit unterschiedlichen Reaktionen aufgenommen. Ich weiß, es ist nicht immer alles so gelaufen, wie es hätte laufen sollen. Nicht nur von meiner Seite, sondern auch von der Seite meiner Gegner, die ich jetzt auf einmal hatte. Aber wie das nun mal der Lauf der Zeit mit sich bringt, stellten sich mit zunehmenden Abstand zum damaligen Streit wieder Ruhe und Gelassenheit ein. In diesem Sinne...Tschüss!

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Wenn du weißt, wer du bist, kannst du sein wie du willst.
Wenn du nicht weißt, wo du bist, dann musst du sehen,
wo du bleibst.


Ersterscheinung beim DMFV
 

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