Kurbelwelle gebrochen DLE 170

Gast_13782

User gesperrt
Wenn es sich bei den einzelnen miteinander verpressten Kurbelwellenteilen aus Kosten/Stückzahlgründen um offenen Stahlguss aus Sandformen handelt, was ich anhand der Bilder mit den Anschnittresten/Oberfläche vermute, wird es schwierig mit einem höherem Anteil an Al in der Schmelze zu arbeiten.

Du liegst mit Deiner Vermutung komplett falsch: Kurbelwellen werden nicht im "offenen Stahlguss aus Sandformen" hergestellt, sondern werden im Gesenk geschmiedet (bei größeren KW) oder aus Stangenmaterial hergestellt. Und Alu ist, wenn überhaupt, im Stahl nur in Spuren vorhanden.
Alu ergibt auch keinen Sinn im Stahl, weil er, im Gegensatz zu Stahl, im hexagonalen Gittertyp erstarrt und keinerlei Verbindung mit dem Stahl eingeht (alleine schon, weil Al wesentlich leichter als Stahl ist und schon bei wesentlich niedrigeren Temperaturen erstarrt als Fe).
 

Kafo

User
Hallo Guido, die Idee mit dem Aluminium stammt nicht von mir. Der Gedanke von Akafly war wohl, wenn ich das richtig verstanden habe das Al beim nitrieren AlN bildet. Er vermutete ja einen Nitrierstahl. Also Al als die günstige Alternativ zum Vanadium.
Bei den Kurbelwellen aus Sandguss handelt es sich z.B. um Teile für PKW Motore bei denen die Kurbelwangen Hohlräume aufweisen die mit Zerspanung nicht herstellbar sind. Die Oberfläche der Kurbelwelle aus dem DLE 170 sieht für mich nach einem Gussteil aus. In Gussschmelze dient Al hauptsächlich als Desoxidationsmittel und wird mit der Schlacke entfernt.
Gruß Kafo
 

akafly

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Querschnitt am hinteren Ende des vorderen Lagersitzes (vgl. Bild #145), Metallographie: Der Riss der Bruchfläche reicht weiter bis unter den Lagersitz, das Randgefüge macht selbst mehrere mm hinter dem Bruch einen zerütteten Eindruck:
Riss-ausen_010613-0003.jpg

Der Riss reicht unterm Lagersitz fast bis zur Querschnittsmitte:
Rissende-netrumsnah_010956-0004.jpg

Das Gefüge ist sehr fein und im ganzen Querschnitt ähnlich, wahrscheinlich Zwischenstufengefüge. Die harte Randschicht zeichnet sich lediglich etwas dunkler ab. Hier eine Aufnahme bei 0,8 mm Randabstand im Übergang von harter Schicht (oberhalb) zum weicheren Kern hin (unterhalb):
Uebergang-09mm-rein_011455-0006.jpg

Für den Kohlenstoff brauche ich nun leider noch eine weitere Probe, das geht aber erst nach dem Lockdown.

Als ich die Welle in die Hände bekam hatte ich recht bald eine Vermutung. Bis jetzt scheint diese aufzugehen, denn die bisherigen Untersuchungen bringen noch keinen Hinweis auf eine andere Schadensursache (ist leider ein langwieriges Ausschlussverfahren).

Gruß Rene
 

akafly

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Hoffentlich geht auch das noch....: Wäre es noch möglich, den Querschliff per Nital anzuätzen, um eine wenigstens gleichmäßige Lager der verbliebenen gehärteten Randschicht zu kontrollieren?
Hallo Dominik, 3 Minuten mit 3%igem Nital geätzt. So wie im dritten Bild der Übergang von hart zu weich erscheint, geht es um den ganzen Umfang des Querschnittes gleichmäßig herum.

An diese Stelle nochmal ganz allgemein, bis jetzt gab es an der DLE-Welle nichts auszusetzen!
 
Hölle, Hölle, lese den Kurbelwellen-Tatort einigermassen sprachlos mit.
Wobei ich fragen darf, what kind of language are you talking:
Im Gesenk geschmiedet, hexagonaler Gittertyp, Zwischenstufengefüge, Randschicht, etc...? 😬
Gruss Dietmar
 

akafly

User
In diesem Forum gibt's Rubriken wo Profilpolaren gewälzt werden, in anderen Programmcodes ...und hier braucht man mal die Werkstoffwissenschaften.

Ich würde gerne einen Meinungsaustausch mit Modellkollegen anstreben die Fachspeziefisch Ahnung haben. Meine Kollegen behaupten das das ein Dle Problem sei. Habe jedoch diesbezüglich keine Infos. Ergoogeln können ...um hier zu sehen was für Ursachen vermutungen etc. angestrebt werden.

Kann mir das mit der neuen KW auch passieren aufgrund eines motorfehlers? Kw, Mitnehmer Prop, kostet einiges und ist auch gefährlich.

Diese Fragen des Themenstartes helfe ich zusammen mit denen, die hier sehr wichtige Gedanken beigesteuert haben, zu beantworten. Wer was nicht versteht, kann gerne nachfragen. Wer lieber plaudert, für den gibt’s z.B. die Rubrik Cafe' Klatsch.

Ich fühle mich halt berufen. Solange mehr als ein User bei der Stange bleibt, poste ich meine Ergebnisse, wenn kein Interesse besteht, dann eben nicht.
 

Thomas Ebert

Moderator
Teammitglied
Du glaubst gar nicht, wie viele hier fasziniert mitlesen - bitte weitermachen!🤩.
Ich bin immer wieder ehrlich beeindruckt wie viel Fachwissen sich hier tummelt, und danke dass Du uns daran teilhaben lässt!
 
Du glaubst gar nicht, wie viele hier fasziniert mitlesen - bitte weitermachen!🤩.
Ich bin immer wieder ehrlich beeindruckt wie viel Fachwissen sich hier tummelt, und danke dass Du uns daran teilhaben lässt!

Bin selbst "Metallmensch" , hatte früher einen eigenen Werkzeugbau und wenn ich hier mitlesen kann bin ich wieder voll in meinem Element.Macht nur weiter so.
MfG. Lutz
 

akafly

User
Wasserstoff im Stahl? Leuna Ammoniak Synthese? Für Wasserstoff ist unser Labor blind, vielleicht unsere Chemiker, die haben andere Technik. Worauf genau möchtest du hin? Warum sollten Öl oder Benzin ihren gebundenen Wasserstoff hergeben.
 
Wasserstoffversprödung - naja, ich denke es liegt eher einfach ein Fertigungsfehler bei der Wärmebehandlung und/oder der Bearbeitung vor.
Konnte denn das Material schon eingegrenzt werden, Vergütungs- oder Einsatzstahl?

Dominik
 

flymaik

User
Auf jeden Fall weiter machen.
Ich fühle mich an meine Ausbildungszeit erinnert..... lang ist's her.
 

Kafo

User
Hallo,

Wasserstoffversprödung - naja, ich denke es liegt eher einfach ein Fertigungsfehler bei der Wärmebehandlung und/oder der Bearbeitung vor.
Konnte denn das Material schon eingegrenzt werden, Vergütungs- oder Einsatzstahl?
Dominik
Zugegeben Wasserstoffversprödung ist nur eine Möglichkeit von Vielen, die aber mit Hilfe des Ausschlussverfahrens oder "Material Tatort" beantwortet werden kann.
Der Wasserstoff kann auf vielen Wegen in den Stahl kommen u. a. auch während der Wärmebehandlung bzw. dem Induktionshärten.


Wasserstoff im Stahl? Leuna Ammoniak Synthese? Für Wasserstoff ist unser Labor blind, vielleicht unsere Chemiker, die haben andere Technik. Worauf genau möchtest du hin? Warum sollten Öl oder Benzin ihren gebundenen Wasserstoff hergeben.
Das Bild mit dem Sekundärriss der fast bis zum Zentrum der Welle läuft hat mich auf die Idee mit dem Wasserstoff gebracht. Die von dir gemessene Härte unterhalb des harten Randes der Welle von 29 HRC bedeutet umgerechnet etwa 950 MPa oder mindestens 5 % Bruchdehnung.
Das passt m. E. nicht zu dem Rissverlauf.


An diese Stelle nochmal ganz allgemein, bis jetzt gab es an der DLE-Welle nichts auszusetzen!
Das sehe ich genauso.

Gruß Kafo
 

akafly

User
Zum Advent mal ausführlichere Lektüre:

Erstmal danke für die vielen Ermunterungen zum Weiterposten! Ich habe mich bisher möglichst kurzgefasst, denn lange Fachtexte ermüden oder schrecken ab. Leider macht es diese Kürze nicht verständlicher. Ich würde deshalb im Weiteren hier und da auch mal was [erläutern].

Wie in #164 angedeutet sehe ich das hier als ein Ausschlussverfahren und bin deshalb für alle Hinweise auf andere mögliche Schadensursachen dankbar, wie z.B. Kafo‘s Wasserstoff!

In #171 stand schon was zwischen meinen Zeilen: Wegen Wasserstoffversprödung zerbarsten in Leuna anfangs die Synthesereaktoren, in denen H2 und N2 unter 300 Bar und 400°C zu Ammoniak reagierten. Dabei ist elementarer Wasserstoff in den heißen Stahl regelrecht reingedrückt worden, bis man die Reaktoren innen mit einem dichten Rohr auskleidete und die umgebende Druckröhre mit vielen kleinen Löchern versah, die den noch hindurchkommenden Wasserstoff drucklos nach außen ableiteten…deutsche Ingenieurskunst.

Ich denke Wasserstoff müsste schon frei sein [ungebunden, elementar], um Stahl zum Problem zu werden. Nur die einzelnen H-Atome sind so klein, dass sie durchs Eisengitter hindurch passen (Korngrenzen bieten schon mehr Platz). Ganze Wassermoleküle vom Härten sollten doch nicht ins Material diffundieren können? Abgesehen davon würde ich einen Stahl mit 1% Chrom besser nicht in Wasser härten [unnötige Gefahr von Härterissen]. Kein Wasserstoff, kein Wasserstoffproblem.
Aber unter Anwesenheit von Wasser bei Sauerstoffmangel kann Wasserstoffkorrosion unter Bildung atomaren Wasserstoffes ablaufen (Wikipedia). Empfänglich dafür sollen gerade höherfeste Stähle sein. Diese Möglichkeit gilt es also im Auge zu behalten, nochmals danke Kafo für die Blickrichtung.


Dominik, an einen Fertigungsfehler (Härtefehler) dachte ich auch, schon wegen der unregelmäßigen Bruchfläche. All meine Härtemesspunkte über das vordere Wellenteil zeigten Werte zwischen 52 und 57 HRC und die gleichmäßigen Werte der Querschnittsmessung habt ihr in #148. In sich gesehen sind die Härtewerte ok, bliebe die Frage, was ist die Maximalhärte des Werkstoffes [wie weit ausgereizt, wieviel Restzähigkeit blieb übrig]. U.a. deshalb die Werkstofffrage.


Das nächste Puzzlestück gilt deshalb dem Kohlenstoff. Dafür habe ich eine Probe mittels Ofenabkühlung (ca. 0,2 K/s) in Gleichgewichtsgefüge umgewandelt [ist das Gefüge das bei langsamer Abkühlung entsteht, erwarte Ferrit mit 0,02% C und Perlit mit 0,8% C]. Dann hätten wir nicht nur den Kohlenstoffgehalt des Werkstoffes, sondern auch seine Verteilung zum Rand hin und könnten zwischen Einsatz- [außen aufgekohlt] und Nitrierstahl [überall gleich] unterscheiden, so zumindest der Plan. Leider hat mein Ofen kein Schutzgas, ich hoffe der Luftsauerstoff hat den Rand nicht zu weit entkohlt. Das sehe ich leider erst nach dem Lockdown.

Makro9_Abschnitt2.jpg
war ja noch genug zum Abschneiden da ;)

Grüße an alle die dranbleiben
von Rene
 

akafly

User
Das Bild mit dem Sekundärriss der fast bis zum Zentrum der Welle läuft hat mich auf die Idee mit dem Wasserstoff gebracht. Die von dir gemessene Härte unterhalb des harten Randes der Welle von 29 HRC bedeutet umgerechnet etwa 950 MPa oder mindestens 5 % Bruchdehnung.
Das passt m. E. nicht zu dem Rissverlauf.
Der Rissverlauf bis fast zur Mitte verwundert mich auch, gehen doch dort die mechanischen Spannungen gegen null.

Weil du auf die Bruchdehnung verweist: Man muss Ermüdungsbrüche und Gewaltbrüche unterscheiden. Gewaltbrüche können durch plastische Kerbausrundung behindert werden, diese Rissspitzen-Plastifizierung (Gleitbruch) erfolgt mit der lokalen Streckgrenze [klassisches Beispiel Kerbschlagversuch]. Dauerbrüche wachsen unterhalb und mitunter weit unterhalb der Streckgrenze, ich denke da sollte plastisches Verhalten weniger nützen.
 

Kafo

User
Hallo,
Das nächste Puzzlestück gilt deshalb dem Kohlenstoff. Dafür habe ich eine Probe mittels Ofenabkühlung (ca. 0,2 K/s) in Gleichgewichtsgefüge umgewandelt [ist das Gefüge das bei langsamer Abkühlung entsteht, erwarte Ferrit mit 0,02% C und Perlit mit 0,8% C]. Dann hätten wir nicht nur den Kohlenstoffgehalt des Werkstoffes, sondern auch seine Verteilung zum Rand hin und könnten zwischen Einsatz- [außen aufgekohlt] und Nitrierstahl [überall gleich] unterscheiden, so zumindest der Plan. Leider hat mein Ofen kein Schutzgas, ich hoffe der Luftsauerstoff hat den Rand nicht zu weit entkohlt. Das sehe ich leider erst nach dem Lockdown.
Die Idee mit der indirekten Bestimmung des Kohlenstoffgehalts über die Messung der Phasenanteile unter dem Lichtmikroskop gefällt mir sehr gut.(Kompliment)
Die Randentkohlung wird zwar da sein, aber ich vermute nur 1-2/10mm tief reichen. Damit wäre eine Aussage immer noch möglich.

ch denke Wasserstoff müsste schon frei sein [ungebunden, elementar], um Stahl zum Problem zu werden. Nur die einzelnen H-Atome sind so klein, dass sie durchs Eisengitter hindurch passen (Korngrenzen bieten schon mehr Platz). Ganze Wassermoleküle vom Härten sollten doch nicht ins Material diffundieren können? Abgesehen davon würde ich einen Stahl mit 1% Chrom besser nicht in Wasser härten [unnötige Gefahr von Härterissen]. Kein Wasserstoff, kein Wasserstoffproblem.
Aber unter Anwesenheit von Wasser bei Sauerstoffmangel kann Wasserstoffkorrosion unter Bildung atomaren Wasserstoffes ablaufen (Wikipedia). Empfänglich dafür sollen gerade höherfeste Stähle sein. Diese Möglichkeit gilt es also im Auge zu behalten, nochmals danke Kafo für die Blickrichtung.
Ja Wasserstoff diffundiert nur elementar. Das Wasserhärten wäre ungünstig, auch wegen dem Verzug der Welle. Ölhärtung wäre zu bevorzugen.

schönen Sonntag

Kafo
 

akafly

User
Hallo Jungs, die 2. Probe ist geschliffen, geätzt und dokumentiert. Das Gleichgewichtsgefüge zeigt eine gleichmäßie Aufkohlung am Rand (oben)
gegl_Rand_2x5.jpg

Das Randgefüge besteht zu 100% aus Perlit, enthält also ca. 0,8% C. Unten beginnt sich Ferrit (hell) beizumengen
gegl_Rand_x50.jpg

Im Kern sind es ca. 45% Perlit, 55% Ferrit
gegl_Kern_x50.jpg

Der Stahl hat demnach einen C-Gehalt von ~45% * 0,8% = ~0,36%. Mit den Ergebnissen aus #157 bestünde die Welle aus einem 34CrMo4 oder einem Stahl ähnlicher Zusammensetzung (Kafo #154 👍).

Es ist also kein Einsatzstahl, kein Nitrierstahl, sondern ein einsatzgehärteter Vergütungsstahl. Dass man sowas macht war mir neu, dem Kern noch etwas mehr Festigkeit zu geben als einem Einsatzstahl hat was. Nach dem Gesenkschmieden erfolgte wohl ein Randaufkohlen sowie eine gezielte Abkühlung zum Vergütungsgefüge und das wegen der C-Verteilung außen härter, innen zäher. Das hätte man dem DLE vielleicht nicht unbedingt zugetraut, aber vielleicht ist der Aufwand auch notwendig:

Mit nun endlich halbwegs bekanntem Werkstoff habe ich die Dauerfestigkeit der Welle abgeschätzt. Gegen Torsion und etwas Unwucht bleibt je nach Werkstoff und dessen Zustand und je nach Rechenvariante eine Sicherheit von 1,3 bis 2,5. Der Werkstoff ist also nicht wenig ausgelastet.
 

akafly

User
Der Querschnitt dieses 2. Schliffes liegt etwa 1 mm hinter dem 1. Schliff, in dem ja der Riss noch sichtbar war. Hier im 2. Schliff gibt’s den Riss immer noch. Nach der Gefügeumwandlung sieht man nun, dass die Rissflanken nur noch aus Ferrit bestehen [enthält 0,02%C]. Wow, wer hat da den Kohlenstoff geklaut?
gegl_Riss-Rand_2x5.jpg
gegl_Riss-Kern_2x5.jpg

Die Frage hat Kafo in #170 vorausahnend schon beantwortet, zumindest wüsste ich keine bessere Erklärung. Die Rissentkohlung spricht für eine Wasserstoffkorrosion. Vergütungsgefüge besteht u.a. aus feinst verteiltem Zementit (Fe3C). Der winzige Wasserstoff gelangt leicht ins Metallgefüge, löst C heraus und verschwindet mit ihm als Methan CH4. Der Stahl versprödet und das geschieht unter dynamischer Belastung umso schneller.
 
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