Modellfliegen in der Ukraine, Teil 1: an der Grenze beim Zoll

Als ich am letzten Samjstag, 11.6.16 mal wieder in die Ukraine fuhr ( (Ungarisch-Ukrainische Grenze - ich bin dort seit über 2 Jahren regelmäßig privat), hatte ich ein Modellflugzeug dabei. Ist ja eigentlich nichts außergewöhnliches, dachte ich erst mal. Ich hatte ja letzten Herbst, als ich in den Ukrainischen Karpaten war, mit einem Elektrosegler auch kein Problem, warum also jetzt. Vor allem, vor 5 Wochen (war da auf der Rückreise von der Ukraine) hatte ich mich an genau diesem Grenzübergang nach evtl. Formalitäten erkundigt. Der Zoll sagt mir, es gibt kein Problem, evtl. muss ich das Modell im Pass deklarieren.

So, nun hatte ich eine Extra 330SC dabei, 2,2m Spannweite, mit Boxermotor etc. Halt gut ausgerüstet und etwas teurer als ein E-Segler aus Holz.

Ich kam um 2:00 Uhr morgens an die Grenze, und die Herren vom Zoll staunten nicht schlecht. Ich durfte rechts ranfahren, und sofort standen 6 Zollbeamte an meinem Auto. Sie haben alles über die Extra wissen wollen, einer der Zöllner meinte sogar, man könnte da auch eine Bombe einbauen und dann in Menschen fliegen. Sagte der Dame und den Herren vom Zoll aber, das ich nicht in die Ostukraine fahre, sondern nur privat für 10 Tage in die Nähe von Kiew, wo ich regelmäßig bin. Zur Info, im Osten der Ukraine ist Krieg, auch wenn bei uns nicht mehr darüber berichtet wird.

Das interessante an der Grenze war, der Schlagbaum war unten, kein Auto wurde nach mir mehr abgefertigt, denn die Zöllner waren ja alle bei mir.

Dann kam irgendwann der Chef vom Zoll, er war wirklich freundlich und so richtig angenehm. Ich glaube, er fliegt in seiner Freizeit, denn er hatte echt Ahnung von Flugzeugen, wie sich in dem Gespräch herausstellte. Er wollte alles sehen, also Kabinenhaube runter, er war richtig interessiert.
Er wollte auch unbedingt eine Dokumentation von der Extra sehen, also Laptop hochgefahren, Konstruktion gezeigt, Fräsen von Urmodellen und Formenbau gezeigt, und noch ein paar Fotos und einen kleinen Film von der Extra.
Da war er zufrieden, gab mir meinen Pass und wünschte mir erholsame Tage beim Modellfliegen in der Ukraine. Die Abfertigung dauerte im gesamten trotzdem eine Stunde.

Als Tipp für die Zukunft meinte er, ich soll vorher bei der Botschaft, z.B. in München, das Modellflugzeug anmelden, am besten mit Fotos und techn. Daten , dann gibt es angeblich kein Problem. Man würde dann ein Dokument bekommen, das man nur beim Grenzübertritt vorlegen braucht. Werde das dann mal im August probieren, ob das wirklich funktioniert.

In der Ukraine ist meines Wissens 2,4 Ghz noch nicht zugelassen, aber es ist kein Problem, damit zu fliegen. Es wird eh nicht kontrolliert, wie mir einer der Hersteller von F3-J Seglern versichert hat.

Wie es mit dem Fliegen war, schreibe ich in den nächsten Tagen, auf jeden Fall ein sehr guter „Modellflugplatz“ oder besser Platz zum Modellfliegen, ein sehr großes Areal. Film und Fotos kommen noch, falls Interesse besteht.

Ernst
 
Hallo Ernst,

als wir Mitte der Achtziger - der eiserne Vorhang war noch dicht - einige Male in Bratislave zum Internationalen F3A Wettbewerb waren, da war das alles noch um Klassen interessanter, oder besser: bescheuerter ...

Rainer
 
Modellfliegen in der Ukraine

Modellfliegen in der Ukraine

Hallo Ernst,

als wir Mitte der Achtziger - der eiserne Vorhang war noch dicht - einige Male in Bratislave zum Internationalen F3A Wettbewerb waren, da war das alles noch um Klassen interessanter, oder besser: bescheuerter ...

Rainer

Hallo Rainer, das mit Bratislava in den 80ern kann ich mir gut vorstellen.


Da sind dann mal die Koordinaten des Fluggeländes (siehe Google Earth). Breite 49°47'28.69"N, Länge 30° 1'43.75"E
Es ist ein früherer Militärflugplatz, heute fliegt darauf der Flugverein von Bila Tserkva. Auf den unzähligen betonierten Flächen und zwischen stillgelegten Sheltern machen Leute Picknick, fahren Autorennen und es soll dort auch Modellflieger geben.
Habe noch keinen mit Modellflugzeug gesehen, aber einige sagten in der Vergangenheit zu mir, daß dort mit Modellen geflogen wird. Es ist dort echt gut zum Modellfliegen. Alles eben, neben der Bahn Gras (nicht gemäht), ein paar Büsche und in diesem Abschnitt keine oder nur ganz kleine Fugen zwischen den Betonplatten.
Die Betonbahn in diesem Bereich ist ca. 600m lang und 30m breit. Man kann in jede Richtung fliegen, so daß man immer die Sonne im Rücken hat. Und man braucht auf niemanden aufpassen. Nur vor dem landen schauen, ob ein paar Verrückte mit Autos unterwegs sind.

In der Nähe von der Betonpiste stehen ein paar alte MIG´S rum, an denen wird gelegentlich geschraubt. Die MIG´s sind gut in Google Earth zu sehen. Dieser Bereich ist Sperrgebiet, und wenn du 50m vom Zaun bei den MIG´s entfernt bist, taucht einer wie aus dem NICHTS mit einer Kalaschnikow vor dir auf und weißt dir freundlich den Weg zurück. Ich spreche zwar kaum Ukraina, aber das braucht man in dieser Situation auch nicht. Man versteht schon, was er zu dir sagt oder will.

Trotzalledem ist es zum Modellfliegen sehr gutes Gelände.

Diese Woche mache ich noch Fotos, Film kommt auch.

Gruß Ernst
 
"Flugplatz" in Bila Tserkva

"Flugplatz" in Bila Tserkva

Da sind nun, wie versprochen, Fotos von den MIG`S und der Startbahn. Ich muss die Startbahn mal mit dem Auto abfahren, denn die ist bestimmt länger als ich gedacht hatte.
Auf jeden Fall kann man da sehr schön fliegen.

MIG 2.jpg

Platz 1.jpg
Starbahn in Richtung Osten

Platz 2.jpg
Startbahn in Richtung Westen

Man sieht sehr gut die einzelnen Betonplatten, in diesem Bereich sind diese wirklich eng betoniert, bei 100er Rädern kein Problem. OK, zwischendurch ist mal ein kleines Loch, aber das zu treffen ist wie ein 6er im Lotto.

Gruß aus der Ukraine
Ernst (noch bis 20.6. hier)
 

UweHD

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Sieht gut aus, danke für die Eindrücke :)

...und, mal ehrlich: Bei der Lackierung konnte das an der Grenze ja nicht schieflaufen ;)
 
Sieht gut aus, danke für die Eindrücke :)

...und, mal ehrlich: Bei der Lackierung konnte das an der Grenze ja nicht schieflaufen ;)


Ja Uwe, das dachte ich mir auch mit der Farbe - kein Problem an der Grenze. Aber du hast ja gelesen. OK, letztendich war es dann kein großes Problem.
Wobei es eine Originale EA330 in fast der gleichen Lackierung gibt, nur statt weiß ist die dann silber.

Gruß Ernst, der jetzt zum fliegen geht.
 
Teil 2 Fliegen mit Ukrainern und Rückreise ohne Stress am Zoll

Teil 2 Fliegen mit Ukrainern und Rückreise ohne Stress am Zoll

So, nun geht es weiter, denn bei der tollen Resonanz warten ja wohl ein paar Leser darauf.

Bin seit gestern Nacht (21.6) wieder zurück in D, es waren wie immer sehr tolle Tage in der Ukraine. Die Rückreise war übrigens absolut problemlos. Keine Fragen mehr beim Grenzübertritt in den Schengenraum.

Bitte nicht jetzt neidisch sein, in den 10 Tagen in der Ukraine war nur ein kpl. Tag verregnet, ansonsten zwischendurch mal ein Regenschauer, aber das war es schon. Zum Wochenende hin waren dann 31 Grad an der Tagesordnung, als ich am 21.6. heimfuhr, war es morgens um 4 Uhr in Kiew schon 24 Grad warm, tagsüber wurden es dann 34 Grad. Das Klima ist dort trockener als bei uns und Sommer hat man da auch noch über einen langen Zeitraum. In D hat es zu dieser Zeit nur geregnet.

Also FLUGWETTER

Nun aber nochmals zum Modellfliegen, denn das dürfte ja das interessantere hier sein.

Am Sonntag nachmittag waren Ukrainer beim Modellfliegen. Einer mit Hubi, ca. 600mm Rotordurchmesser, er flog 3d, aber sehr sauber in seiner Flugbox. Bin zwar kein Fan von 3d, aber er hat das wirklich sehr gut gemacht. Anlage war eine Spektrum DX6. Da er nicht zu den "ärmsten" gezählt werden kann, sah man an seinem PKW.

2 weitere Modellflieger waren jedoch wesentlich interessanter für mich. Einer flog von Multiplex einen Schaumflieger, der andere, 16 Jahre alt, einen selbstgebauten Tiefdecker aus Elapor. Und da sah man den Klassenunterschied (arm-reich). Billigste Anlage von Hobbyking (120 $), Servos, die würden wir bestimmt nicht mehr verbauen, Lipos teilweise verbeult (der 16-Jährige hatte mit diesen Akkus erst einen Absturz, deshalb verbeult) aber sie funktionieren noch - ja, man könnte da vieles schreiben. Fahrwerk aus Holz-Schaschlikspießen - auf so eine Idee muss man erst mal kommen. Und zum laden hatte man ein kleines Notstromaggregat, denn 3 mal 3 oder 4 Zellen an der Autobatterie laden, dann ist wahrscheinlich schieben vom Lada angesagt, und das bei 31 Grad im Schatten.

Der ältere, Oleg heißt er, hat in Bila Tserkva eine Modellbauschule. Da werden Kinder und Jugendliche im Modellbau unterrichtet, jeden nachmittag und in den Schulferien auch den ganzen Tag. Er baut seit 15 Jahren Modellflugzeuge und hat seit 10 Jahren diese Modellbauschule.

Diese Modellbauschule wird teilweise von der Stadt Bila Tserkva gesponsort, die Kinder müssen jedoch noch etwas drauflegen. Die Fernsteuerungen für die Kinder (genau 2 Anlagen von Hobbyking) wurde ebenfalls von der Stadt gesponsort. Das hat mich natürlich neugierig gemacht, konnte die Modellbauschule dann am nächsten Tag besuchen.
Da man zur Zeit kein Balsa hat, baut man halt in Elapor, seltsamerweise scheinen CFK-Verstärkungen kein Beschaffungsproblem darstellen. Und Furnier hatten sie auch etwas, damit kann man zwar schlecht Flieger bauen, aber dafür kleine Schiffe. Balsa stellt eh ein Problem dar, entweder über irgend welche Kanäle aus China, oder über Deutschland, halt für Ukrainer sehr teuer.
Bespannt wird teilweise mit Folienverpackungen von Blumensträußen, Not macht erfinderisch.

Nachdem Balsa eine Rarität ist, wird viel mit Schaum gebaut. Balsa kommt entweder aus China oder über Bekannte aus D. In der Modcellbauschule lag genau ein Balsbrett 2mm, mehr hatten die derzeit nicht.

Ich muss sagen, was da von den Kindern und Jugendlichen gebaut wird, ist handwerklich top.
ARF etc. ist ein Fremdwort, jedenfalls hier in dieser Modellbauschule. Es gibt übrigens in Bila Tserkva noch eine weitere Modellbauschule, aber die ist für finanziell besser gestellte. Habe mir diese vor 2 Jahren angeschaut.
Viele „Modellbauer“, die sich jedenfalls mal als solche bezeichnen, wenn sie in einen ARF Flieger eine Akkuhalterung einkleben können, sollten sich da mal eine kleine Scheibe abschneiden.


Noch ein paar links zu Filmen der Modellbauschule:
https://www.youtube.com/watch?v=UaF_Pkt9r0Q - gefilmt in der Stadtmitte von Bila Tserkva. Zur Info, das Kreuz erinnert an die Toten der Maidan-Demos von 2013/2014, an der Stelle stand früher ein Lenin-Denkmal

https://www.youtube.com/watch?v=SjSAA5_rhxM - ist am Flugplatz

https://www.youtube.com/watch?v=rUIPHgVKy1Y - Hallenfliegen kein Problem, es gibt genügend Hallen

2,4Ghz ist eigentlich in der Ukraine verboten, aber um safe zu sein, fliegen alle damit.

Ich hoffe, ein paar Einblicke über Modellflug in der Ukraine gegeben zu haben, bei Fragen einfach eine Info an mich. Ein Film von mir kommt noch in den nächsten Tagen. Muss noch bearbeitet werden.

Auf jeden Fall fahre ich im September zum Hangsegeln in die Karpaten.

Ernst
 

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In der Ukraine hätte ich ändere Interessen als modellfliegen :D

Aber interessant, wie viele Gedanken man sich machen muss, wenn man in andere Länder fährt.
 
Erfahrungsbericht

Erfahrungsbericht

Danke für den schönen Erfahrungsbericht aus einer Gegend in die ich wahrscheinlich nie fahren werde...

Hallo Kyrill,

warum nicht dorhin fahren? Karpaten, eine wunderbare Gegend, insbesondere ab Ende August. In den Wäldern wachsen Steinpilze, soviele kannst du gar nicht essen. Und Hangsegeln, Gipfel meist ohne Bäume, keine Steine, nur Gras. Und auf manche kann man sogar mit dem Auto direkt hinfahren. Hab da eine 800m lange Kante, geht in 2 Richtungen perfekt.
Überlegs dir.

Gruß Ernst
 
Ukraine, andere Interessen

Ukraine, andere Interessen

In der Ukraine hätte ich ändere Interessen als modellfliegen :D

Aber interessant, wie viele Gedanken man sich machen muss, wenn man in andere Länder fährt.

Hallo Karl,

ich glaube, da liegst du etwas falsch. Bei anderen Interessen (ich hoffe ich interpretiere und denke richtig) must du nach Petersburg oder Moskau. Budapest reicht auch, wäre nicht so weit. Oder früher (so vor 30 Jahren) war man, so glaube ich zu wissen, in Prag.

Na ja,

Trotzdem Gruß
Ernst
 
Hallo Ernst,

vielen Dank für den wirklich sehr interessanten Reisebericht!
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Aber ohne fundierte Kenntnisse der ukrainischen Landessprache bzw. Russisch oder Polnisch als "Fremdsprache" ist man doch aufgeschmissen, oder?

Alleine schon für die Straßenschilder bzw. Wegweiser musst du doch wenigstens das kyrillische Alphabet lesen können, denke ich mir mal.
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Ukraine

Ukraine

Hallo Jürgen,
zunächst mal danke für dein Interesse.
Man kommt mit Englisch ind der Ukraine gut durch, da doch sehr viele jungen Leute englisch sprechen, zumindest in den größeren Städten. Ist in der Schule Pflichtfach. Ältere Leute (so ab 60) sprechen teilweise etwas deutsch. Ich kann weder russisch noch Ukraina, meine Frau ist jedoch aus der Ukraine.
Ich komme deshalb natürlich gut zurecht. Und ich hatte bisher den Eindruck, das man doch sehr hilfsbereit ist, im Notfall auch jemanden sucht, der sich mit dir verständigen kann. Gastfreundschaft ist das, wer macht das bei uns? Niemand!

Auf den Straßenschildern ist alls sehr oft zweisprachig geschrieben. Die Hauptstraße E6 zwischen der ungarischen Grenze und Kiew ist gut bis sehr gut, lediglich die ersten 20km nach der ungarischen Grenze sind etwas holprig. Vorsicht ist grundsätzlich an Bahnübergäöngen nötig, denn da kannst du dein Auto ruinieren. Die sind schlechter als schlecht. Auch die Nebenstraßen sind teilweise grausam, wobei ich auch sehr gute Nebenstraßen kenne.

Radarkontrollen sind zwischen der Grenze und Kiew an 6 Stellen, diese sind fest installiert, da wird gelasert. Sind leicht zu erkennen, denn da sind Schilder 90km, 70km und dann noch 50km. Bin einmal mit 130km/h durch, habe dann 500 Grinia, umgerechnet 18 Euro, bezahlt. Kannst auch mit Visakarte bezahlen, geht problemlos. Aufpassen must du bei ducrhgezogenen weißer Linie, denn da ist Überholverbot. Und da kann es sein, daß die am Straßenrand stehen und kontrollieren. Fahrstil der Ukrainer ist teilweise grausam, aber man gewöhnt sich dran.
Tankstellen sind an jeder Ecke, und seltsamerweise irre viele Apotheken. Große Supermärkte haben 7 Tage die Woche rund um die Uhr geöffnet, kleine Geschafte meist von 8 bis 20:00 Uhr.

Am besten mal hinfahren, z.B. im Herbst in die Karpaten. Traumhafte Gegend, hangsegeln, wandern, Pilze sammeln und gleich essen. Bin gerne bei Wohnungssuche behilflich.

Gruß Ernst
 
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