Prandtl-D-Wing

Hallo zusammen.

Ich habe gerade erst wieder mit dem Modellbau angefangen (15 Jahre Pause :D, siehe allgemeines Forum :D). Neben meinen alten Fliegern schwebt mir der Neubau eines Flying Wing vor - auch als Plattform für etwaige FPV-Späße.

Ich habe vor einiger Zeit einen sehr interessanten Vortrag von Al Bowers gesehen, der hat bis vor kurzem das Flight Research Center der NASA geleitet. Letztendlich ging es darum, dass er eine Erklärung dafür gesucht hat, dass Vögel komplett ohne Seitenruder auskommen, ohne dass es zu "adverse yaw" kommt. Der Trick liegt wohl darin, dass bei den Tieren sich die Flügelgeometrie zur Spitze hin verändert. An den Federspitzen ist letztendlich Überhaupt keine Flächenbelastung mehr, dennoch haben sie eine aerodynamisch wichtige Rolle.
Horton und Ludwig Prandtl hatten beide schon in den 1930er jahren einen Teil der Lösung, weshalb Vögel ohne Seitenruder auskommen und keine Stall-Probleme mit sehr schmalen Flügelspitzen haben, aber haben scheinbar nicht die letzten Schlüsse gezogen, dies braucht um das Phänomen zu beschreiben.
Durch ein Verdrehen der Flügelachse zur Spitze hin kommt es dazu, dass an der Flügelspitze kein Auftrieb mehr generiert wird, aber insbesondere im Kurvenflug eine nach vorne gerichtete Kraft, die dem "banking" entgegenwirkt. Bowers beschreibt das in seinem Paper als "proverse yaw" im Gegensatz zu "adverse yaw", was der Grund ist, weshalb wir in traditionellen Fliegern Seitenruder benötigen.

Lange Rede kurzer Sinn: Bei seinen Flügeln (ein angepasster Horten Nurflügler) postuliert Bowers eine ca 1/3 höhere Effizienz gegenüber einem traditionellem Design. Ausserdem hervorragende Flugeigenschaften.
Es ist recht schwer das ganze in eigenen Worten zu beschreiben, daher hier der link zum Original-Paper und ein Bild daraus, welches die aerodynamischen Änderungen am Wingtip zeigt:
https://ntrs.nasa.gov/archive/nasa/casi.ntrs.nasa.gov/20160003578.pdf
223046_851950945d94f5970723cf2da9417362.png

Im amerikanischen Nachbarforum hat sich schon jemand mit dem Nachbau Über ein Styropormodell versucht, den Twist exakt hinzubekommen dürfte so aber schwer werden:
https://forum.flitetest.com/index.php?threads/prandtl-d-foam-board-wing-by-foamydm.58170/
Ich hab auf einer AMA-Seite (american model association) mal ein 3D-Modell gefunden, allerdings war das wohl ein schlechter 3D-Scan vom original PRANDTL-D-Wing, der sich nicht zur Reproduktion eignet. Ich träume von einem adäquaten 3D-Modell der Nasa, welches ich Meiner CNC-Fräse füttere um die GFK-Molds auszufräsen :D. Dort war noch ein zweites Forum mit Nachbauversuchen zu finden:
https://www.amaflightschool.org/PRANDTL

Hat jemand hier im Forum schon Erfahrungen mit einem Prandtl-Wing gemacht oder vielleicht sogar schon mal einen Nachbau versucht? Die Implikationen sind gravierend, auch im Propellerbau könnte sich mit den aerodynamsichen Erkenntnissen einiges in Bezug auf Effizienz und Lärm tun. Herr Bowers erwähnt das ganz kurz am Ende eines seiner Vorträge, den ich unten mal verlinke.

vg
Tilman
 

UweH

User
Hallo Tilman,

die Form des Prandtl-D-Wing ist der Horten Xc recht ähnlich, hier habe ich beschrieben wie man die Schränkung für einen guten Kompromiss aus Leistung und Handling für Hortenflugzeuge am Beispiel der Ho Xc mit Hilfe des Programms "Nurflügel" berechnet: http://www.rc-network.de/forum/content.php/372-Hortenauslegung-mit-„Nurflügel“-von-Frank-Ranis

Das Konzept der Auftriebsentlastung des Außenflügels erfordert relativ viel geometrische und aerodynamische Schränkung, das kostet den Flügel leider viel Maximalauftrieb und ist bei aller Begeisterung für die leitwerklose Bauweise einer der ganz großen Nachteile der Hortenflugzeuge und auch des Prandtl-D.

Gruß,

Uwe.
 
Das Konzept der Auftriebsentlastung des Außenflügels erfordert relativ viel geometrische und aerodynamische Schränkung, das kostet den Flügel leider viel Maximalauftrieb und ist bei aller Begeisterung für die leitwerklose Bauweise einer der ganz großen Nachteile der Hortenflugzeuge und auch des Prandtl-D.

So wie ich das verstehe erkauft man sich einen geringeren Wiederstand und bessere Manövrierfähigkeit mit einer entsprechend geringeren Auftriebsleistung und damit mit einer größeren notwendigen Spannweite und/oder strukturellen Belastung. Liege ich damit komplett daneben?
 
Lange Rede kurzer Sinn: Bei seinen Flügeln (ein angepasster Horten Nurflügler) postuliert Bowers eine ca 1/3 höhere Effizienz gegenüber einem traditionellem Design.

Hallo Tilman!

Um derartige Effizienzsteigerungen nachzuweisen, müsste man ,,traditionelle Designs" entsprechend der nötigen Größenordnungen auswählen.

Liebe Grüsse

Franz
 

UweH

User
So wie ich das verstehe erkauft man sich einen geringeren Wiederstand und bessere Manövrierfähigkeit mit einer entsprechend geringeren Auftriebsleistung und damit mit einer größeren notwendigen Spannweite und/oder strukturellen Belastung

Eine größere Spannweite vergrößert die Auftriebsleistung auch nicht, denn es ist der relative Auftriebswert der bei dem Konzept klein ist, also der Flugzeug-Auftriebsbeiwert cA.
Die größere Spannweite ist eigentlich eine höhere Streckung und die hilft gegen einen anderen Nachteil des Konzepts, den im Vergleich zur elliptischen Auftriebsverteilung schlechteren induzierten Widerstand. Der Anteil des induzierten Widerstands am Gesamtwiderstand wird mit dem geflogenen Auftriebsbeiwert größer.

Die bessere Manövrierbarkeit ist hier immer relativ zu anderen seitenleitwerklosen Konzepten zu verstehen, nicht im Vergleich zu Drachenflugzeugen. Dazu muss man sehen dass es in den USA, dem Heimatland der Prandtl-D, das Nurflügelkonzept von Jack Northrop gibt und dort sehr populär ist, das mit elliptischer Zirkulationsverteilung und Widerstandsklappen zur Hochachsensteuerung fliegt.
Gut ausgelegte Hortenflugzeuge sind dem Northrop-Konzept nach meiner Erfahrung in Handling, Manövrierbarkeit und Eigensicherheit überlegen.


Um es kurz zu machen, das Konzept hat bei Flugzeugen Vorteile die überwiegend mit kleinen Auftriebsbeiwerten fliegen, also die entweder meistens relativ schnell fliegen oder relativ leicht sind.
Das liegt daran dass der negative Wendemoment, den man mit der Auftriebsentlastung des Außenflügels überlisten will, auftriebsabhängig ist. Ist der geflogene Auftriebsbeiwert klein, dann gibt es auch nur wenig negativen Wendemoment und nur geringen inuzierten Widerstand.
Dazu kommt noch dass sich die Zirkulationsverteilung bei einem geschränkten Flügel mit dem geflogegen Auftriebsbeiwert ändert, während sie bei einem ungeschränkten Flügel annähernd konstant ist.
Ein geschickter Horten- oder Prandtl-Flugzeugdesigner kann dadurch bei großen Auftriebsbeiwerten eine glockenförmige Zirkulationsverteilung einstellen, die sich Richtung Schnellflug immer mehr der widerstandsärmeren elliptischen Zirkulationsverteilung annähert.
Ob das bei der Prandtl-D der Fall ist weiß ich nicht.

Gruß,

Uwe.
 

mipme_kampfkoloss

Vereinsmitglied
Teammitglied
Ich habe mit Faszination die Präsentation mir angesehen - sehr spannendes Thema!

Ein paar Kommentare/Fragen dazu:

- Al Bowers spricht immer von "no wingspan constraint" - wie lege ich dann die Spannweite fest? Über das Flugzeuggewicht und den notwendigen Gesamtauftrieb?
- den Übergang von positivem Auftrieb zu negativen ist immer bei ca. 75% angegeben - muss das so sein?

Weiters:
- Gibt es Profile die bei den notwendigen negativen Anstellwinkeln auch entsprechend geringe Widerstandsbeiwerte haben um den zusätzlichen Profilwiderstand zu minimieren?
(Meine Erfahrung ist, dass die meisten Profile im Bereich vom -3 bis 0 Grad ihr Widerstandsminimum aufweisen, aber nicht bei -8 oder -10 Grad...
- Für den Schnellflug wäre es wohl hilfreich, die Außenflächen drehen zu können -> elliptische Auftriebsverteilung?

@Franz: Für den nächsten RES-Dart wohl kein Konzept, oder!? :D
 

UweH

User
- Gibt es Profile die bei den notwendigen negativen Anstellwinkeln auch entsprechend geringe Widerstandsbeiwerte haben um den zusätzlichen Profilwiderstand zu minimieren?
(Meine Erfahrung ist, dass die meisten Profile im Bereich vom -3 bis 0 Grad ihr Widerstandsminimum aufweisen, aber nicht bei -8 oder -10 Grad...

Bitte nicht Einstellwinkel und Anstellwinkel durcheinander werfen. Ein durch die Schränkung mit stark negativem Einstellwinkel zur Wurzelrippe eingebautes Profil kann trotzdem einen positiven Anstellwinkel haben....und hat es bei den Prandtl-Horten-Konzepten in den allermeisten Flugzuständen auch.


- Für den Schnellflug wäre es wohl hilfreich, die Außenflächen drehen zu können -> elliptische Auftriebsverteilung?

Dazu muss man den Außenflügel nicht drehen, das geht auch mit Klappen. Es gibt aber tatsächlich mehrere gebaute Hortenmodelle mit drehbaren Außenflügeln, bei den manntragenden wurde es bei einer Horten III mal gebaut, aber nicht geflogen.

Gruß,

Uwe.
 
- den Übergang von positivem Auftrieb zu negativen ist immer bei ca. 75% angegeben - muss das so sein?


@Franz: Für den nächsten RES-Dart wohl kein Konzept, oder!? :D

Hallo Kampfkoloss!

Wenn das so sein müsste, könnte man die Geschwindigkeit nur über Temperatur, Luftdruck, Höhe usw. oder einen Morphing-Wing beeinflussen.

Beim Res-Dart schafft man das mit den 75 % bei entsprechender Trimmung und Schwerpunktlage natürlich auch. Leistung ist dann halt eher :cry:.

Lg
Franz
 

UweH

User

mipme_kampfkoloss

Vereinsmitglied
Teammitglied
Danke für die Erklärungen!

Das mit Anstell- vs. Einstellwinkel ist mir klar.

Das ändert aber nix an der wesentlich größeren Spanne an Anstellwinkeln für die Profile - wo diese natürlich möglichst gut sein sollten.
Also wenn ich eine Schränkung von ca. 13 Grad brauche, dann fliegt ja einmal das Innenprofil mit 0 und außen mit -13 grad und dann wieder anders rum.
Das sind Profilanstellwinkel die weit außerhalb des "Üblichen" sind, oder?
Die letzten Profile, mit denen ich gerecht habe, waren bei winkeln > 8-10 Grad im Abriss und genauso bei < -3-5 Grad.

Für mich heißt das erst mal nur, dass für Prandtl-D Auslegung andere Profile als meine Standardprofile (zB Bibliothek von Aerodesign) notwendig sind...

Was ich mich weiters frage, ob ein dermaßen stark geschränkter Flügel nicht wesentlich mehr zum Flattern neigt!? Bei den Vögeln ist das ja wohl kein Problem... :D
 

UweH

User
Naja, das mit den Profilen ist eigentlich ganz einfach, der klassische Hortenstrak hat innen ein stark gewölbtes Profil für viel Auftrieb, das seinen geringsten Widerstand bei einem relativ hohen Auftriebsbeiwert hat. Außen ist ein symmetrisches Profil weil dort wenig Auftrieb gebraucht wird und das hat seinen geringsten Profilwiderstand beim Nullauftrieb.
Dazwischen kann man modern nach Auftriebsbelastung und Re-Zahl straken, solange man die für die Flugmechanik wichtigen Randbedingungen einhält, die in meinem Hortentutorial im Link in Post#2 angerissen sind, oder man strakt klassisch von gewölbt auf symmetrisch durch, wie das die Hortenbrüder auch gemacht haben.
Übrigens gibt es das Gerücht dass die Horten II eine lineare geometrische Schränkung hatte und ich denke das entspricht auch der Wahrheit, vielleicht zeige ich an ein paar Simulationsbeispielen mal wie die Hortens damals die berühmt berüchtigte Hortenglocke auf einfachstem Weg erzeugt haben.

Man tut sich mit dem Verständnis der Profilierung übrigens viel leichter wenn man nicht in Anstellwinkeln denkt, sondern mit Auftriebsbweiwerten. Dabei "kürzen" sich einige Nebenbedingungen aus der Betrachtung raus.

Das mit dem Flattern ist wieder so eine Vorurteilsgeschichte. Die große Schränkung begünstigt Flattern, die große Zuspitzung dämpft Flattern.
Hortenmodelle haben den Ruf besonders flatterempfindlich zu sein, nach meiner Erfahrung liegt das aber meist an zu geringer Steifigkeit der Holme.
Bei den manntragenden wurde der Segler Ho II schon Ende der 1930er Jahre im Kunstflug über 450 km/h geflogen, ähnlich wie der als besonders fest viel bekanntere Leitwerker DFS Habicht.

Gruß,

Uwe.
 
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