Tagesgangwetter die zweite - diesmal mit Bise
Nach der kleinen Störung vor ein paar Tagen haben wir wieder das übliche sommerliche Schönwetter mit kleinen Cumuli - eben das "Tagesgangwetter". Die Talwind-"Pumpe" sieht praktisch identisch aus wie beim Fliegen auf der Erbalp (siehe ein paar Beiträge weiter oben):
Immer mittags springt der Windmotor schlagartig an und der Wind dreht von SSW auf NNO: der nächtliche supersanfte Bergwind hat ausgedient und der garstige Talwind hat eingesetzt.
Trotzdem bin ich heute ans Brämabüel an einen NO-Hang - und nicht wieder auf die Erbalp mit ihrem SSW-Hang. Warum?
Ob man an einem Hang fliegen kann, wird von drei Winden und der Labilität bestimmt:
- der übergeordnete grossräumige Wind: Föhn (S), Nordföhn (N), Bise (Ost bzw. Nordost-Wind) oder Westwindlage (W). Diese Winde sind die Herrscher der oberen Hänge, bei uns also oberhalb der Baumgrenze auf den Alpen (Erbalp, Brämabüel)
- der Talwind: er ist der Herrscher des Tals, und wenn er sehr mächtig wird, reicht er bis zu den Gipfeln. Er ist unglaublich durchsetzungsfähig und nur schwer zu zerstören. Bei uns fängt er früh am Vormittag unten im Rheintal bei Landquart an und gewinnt, da er eher in Richtung des meist vorherrschenden Westwindes läuft, zügig an Fahrt, bis er um die Mittagszeit bei uns eintrifft. Kurz vor Davos erfuhr er beim Wolfgangpass noch eine heftige Kursänderung um 90° nach rechts. Wie schon mal erwähnt, kann man bei Talwind das Fliegen an den talparallelen Hängen (wie auch die Erbalp) vergessen. Es geht nur an (mächtigen!) Hindernissen, die dem Talwind quer im Weg stehen. Talwinde schleichen 1000x lieber auf gleicher Höhe ein komplettes Tal entlang als dass sie sich ungezwungen 10m anheben. Wenn im Sommer der Talwind fehlt, muss etwas spezielles im Gang sein: Entweder ihm wird entgegengeblasen, oder (Spätherbst bis Spätwinter) ist die Luftschichtung dermassen stabil, dass er keine Chance hat, sich langsam das Tal hochzuarbeiten. Beim Fliegen auf der Erbalp war ersteres der Fall: ein Föhn blies von Süden her dem ankommenden Talwind entgegen (das war mir um 11°° aufgefallen, weswegen ich spontan auf die Erbalp fuhr) und damit ziemlich gut direkt auf die Erbalp. Aber ab 15°° siegte der Talwind doch... Die Situation bei stabiler Luft werde ich dann im Spätherbst mal zeigen. Heute war jedoch kein Hindernis, sondern der Talwind blies volles Rohr.
- Der Hangwind. Also der Wind den Hang entlang nach oben, wenn der Hang sich in der Sonne aufheizt. Er entsteht eigentlich nur, wenn die beiden anderen Winde fehlen, bzw. bevor sie gegen Mittag einsetzen. Trockene Hänge (oder im Winter bei uns: trockene scheinbar schwarze Waldgürtel) können sich unglaublich aufheizen, so dass sie die Hangwinde durch mehrere hundert Meter dicke ultrastabile Inversionsschichten durchblasen können!
- Die Labilität: Das ist sozusagen die Willigkeit der Luft, uns Thermik zu schenken. Ohne sie kann man zwar bei starkem Talwind oder grossräumigen Wind in der dünnen, am Grat angehobenen Luftschicht "dynamisch" die Kante polieren, aber man kommt nicht weg bzw. wenn man draussen absäuft, ist es so gut wie sicher, dass man nicht wieder zum Startplatz zurückkommt. Hangflug ist i.d.R. eigentlich Thermikflug mit bequemem Einstieg in vorgelagerte Bärte in einer Höhe in der sie schon gut ziehen. Hier hat sich einfach gezeigt, dass 1° pro hundert Höhenmeter ein Minimum für einen guten Flugtag sind. Es gibt nicht viele Orte, bei denen man bequem Messwerte und Prognosen für den Gebirgsort und für den Gipfel bekommt, aber in Davos ist das der Fall.
Heute morgen war also folgende Situation:
- der grossräumige Wind (Bise) bläst aus Norden bis Nordosten genau gegen das Brämabüel -
gut!
- der Talwind baut sich schön auf und bläst gegen das Brämabüel -
gut!
- der Brämabüelhang wird im Sommer in den Morgenstunden aufgeheizt und liefert Hangwind als Grundstock -
gut!
Die Labilität sehen wir hier:
Zwischen Davos und WFJ (1100m höher) sind bis zu 11° Unterschied zu erwarten -
sehr gut!!!
Man sieht es: kalt in der Höhe ist immer gut. Tatsächlich habe ich mir heute im blasenden Wind an der Kante echt einen abgefroren. Handschuhe und Faserpelz wären gut gewesen... Umgekehrt: wenn man im September auf gut Glück mit einer Bergbahn nach oben fährt und es ist oben fast so "schön warm" wie unten, kann man eigentlich in der Gondel sitzenblieben.
Gestern Abend war ich nicht sicher, ob ich heute oder morgen fliegen sollte, aber der Blick auf diese Prognose macht alles sofort klar: heute.
Es ist ja nicht so, dass ich unser Wetter hier perfekt beherrsche. Aber ich lerne ja langsam dazu und heute hat es tatsächlich zu 100% gepasst! Um 11°° blies bereits deutlich der Talwind durch Davos. Die Bahn auf's Jakobshorn, von dem aus man üblicherweise zum Brämabüel traversiert, war aber nur in der unteren Hälfte in Betrieb (obere wird gerade revidiert), so dass vor das Flugvergügen ein knackiger 45-minütiger steiler Aufstieg angesagt war:
nach nur 20min schon an der oberen Baumgrenze,
und man wird von der Sonne gegrillt...
Die restlichen 25min nach oben sind aber dann doch
etwas heftig. An sieben Schneekanonen muss man vorbei:
es sind aber nur 560m - mit über 29% Durchschnittssteigung...
Der Mühe Lohn...
keine Gleitschirmflieger, keine Wanderer...
keine Mountainbiker, und keine Beerliwiiber:
500kg Heidelbeeren in den umliegenden 10m verteilt...
Ich war heute mit den beiden ungleichsten Schwestern unterwegs:
Snipe 2 - 150cm - 220g
Sunbird - 150cm - 1300g ...6x so viel
Ein F3F oder so wäre sicher auch gegangen, aber ich fliege gerne sehr unterschiedliche Modelle. Die Snipe 2 war heute zu leicht, aber sie wäre auch bei 0 Wind oder erst drei Stunden später einsetzendem Wind geflogen. Und die Sunbird war genau richtig... netter Flitzer.
Um 12°° am Brämabüel angekommen blies mir schon ein hübscher Wind entgegen. Zunächst kam die Snipe2 dran, die ich anfänglich 65g fetter machte, später um 14°° dann mit 100g verbleite - da machte sie direkt Spass. Der "Hausbart" 100m vor der Kante blies dann schon sehr ansprechend nach oben; zum Kurbeln habe ich nicht mal mehr die Speedstellung verlassen.
Nicht das beste Bild, aber ich war heute wieder ohne Spiegelreflex unterwegs.
Um 15°° machte die Snipe2 dann schon regelrechte Hüpfer im Bart, da kam dann die Sunbird dran. Allerdings kann ich dieses Geschoss nicht selber beim Fliegen fotografieren, und nur mit dem Handy schon gar nicht.
Insgesamt ein schöner Flugtag und ausnahmsweise war es fast perfekt so wie ich es aus den Wetterdaten zusammengereimt hatte. Wie schon gesagt: Das klappt noch längst nicht immer...
Hier ein Gesamtüberblick:
Hinten beim Wolfgangpass wird der talaufwärts blasende Wind aus dem Prättigau Richtung Davos umgeleitet,
zufällig genau auf das Brämabüel, dass
zufällig von der Bise in der Höhe angeblasen wird, und dessen Hang
zufällig von der Morgensonne vorgeglüht wurde...
Zusammenfassung:
- Ob es gut geht, sagt mir die Labilität.
- Wo es gut geht, sagt mir die Ananlyse der drei Winde (natürlich in Bezug auf die möglichen Flughänge).
Priorität hat der Grosswind vor dem Talwind vor dem Hangwind.
LG Bertram