Servo - Stellmoment und Haltemoment

Hallo,

nachdem ich bei einem Händler das Midi-Servo AGF A35BHL erstanden hatte, bin ich nun in freundlicher Diskussion mit selbigem und dessen Distributor.
Es hat sich nämlich herausgestellt, dass es sich bei den in deren Shops angegebenen "Stellmomenten" im Wirklichkeit um die "Haltemomente" des Servos handelt.
Das macht nun mal leider einen großen Unterschied.

Die Angaben erschienen mir zwar schon bei der Bestellung recht hoch, jedoch dachte ich, dass wenn auch nur 2/3 davon erreicht würden, ich mehr als zufrieden sein werde. Leider ist das aber nun nicht der Fall, denn auf der Verpackung des Servos stand richtigerweise für die selben Werte "Static Holding Torque", also "Haltemomet". Ein Stellmoment ist dort überhaupt nicht angegeben.

Dass das Haltemoment für die meisten Modellbau-Anwendungen sowieso ziemlich uninteressant ist, und man bei fehlenden Stellmoment-Angaben dann nur mutmaßen kann, ist nicht gerade in unserem Sinn.

Im Prinzip ist alles gut, der Händler nimmt das Servo zurück, kein Problem.


Jedoch ärgert es mich schon, dass solche falsche Angaben immer mehr Verbreitung finden und man sich bei der Kaufentscheidung einfach nicht wirklich auf die Daten verlassen kann.


Wie kommt ihr damit klar?
 

ingoh.

User
Hallo Uli,
ich glaube die meisten verlassen sich auf die Angaben. Wirklich messen und testen werden die wenigsten. Dass da viel geschummelt wird kann ich mir gut vorstellen.
Was mich interessiert, hast Du selbst festgestellt das die Angaben nicht passen und wenn dann wie? Oder geht es nur um die verwechselten oder unterschlagenen Angaben von Stellmoment und Haltemoment?
 
Ich habe bei der ersten Begutachtung am Servotester bemerkt, dass das Drehmoment sich nicht spürbar von anderen meiner Servos dieser Größe unterscheidet. Dann habe ich ein paar Vergleichsmessungen mit Gewichten gemacht und festgestellt, dass es noch nicht mal zu den stärksten in dieser Klasse gehört. Erst dann habe ich die Angaben auf der Packung gesehen.

Dass anstatt der Stellmomente die Haltemomente angegeben werden, oder wie bei manchen Händlern erst gar nicht zwischen beiden unterschieden wird, das finde ich wirklich schwach. Darum geht es mir in erster Linie.

Man bekommt das Gefühl, als ginge es nur noch ums schnelle Geld. Und es ist unfair den Händlern und Firmen gegenüber, die ihre Produkte ehrlich anpreisen.

Und es kann meiner Meinung nach auch nicht rechtens sein, fahrlässig (oder womöglich vorsätzlich) die Kunden zu täuschen und sich einen Marktvorteil zu schaffen.
 

Meier111

User
...
Wie kommt ihr damit klar?
Meistens ignoriere ich die Angaben über das Stellmoment.
Wenn ich denke, dass ich was mit ca. 2 kg/cm brauche, dann kauf ich was mit angeblichen 4 kg/cm.
Aber irgendwann wollte ich es doch wissen.
An so einem 4m Besenstielflieger hat man doch recht große Ruderklappen, und wenig Profildicke.

Also ein Messgerät gebastelt. Aus überzähligen Teilen für die el. Schwerpunktwaage.
(https://www.rc-network.de/threads/schwerpunkt-waage-mit-arduino.674777/)

Dabei kamen recht interessante Werte raus.
Am lustigsten: ein sehr billiges und stellgenaues Servo hatte wesentlich mehr Kraft als angegeben.
Soll = 2,0 kg, haben = 2,4 kg.
gutesServo.jpg


Das Gerätchen:
ServoKraftTest.jpg

Paar Messwerte:
sollVsHabenServo.jpg
 
Meistens ignoriere ich die Angaben über das Stellmoment.
Wenn ich denke, dass ich was mit ca. 2 kg/cm brauche, dann kauf ich was mit angeblichen 4 kg/cm.
..

Was mich wundert:
da wird über Drehmomente gefachsimpelt, es werden sogar Messungen dazu gemacht, aber die Maßeinheit des Drehmoments wird in kg/cm (!) angegeben.
Ein Drehmoment ist aber: Kraft mal Hebelarm.

Gruß
Klaus.
 

Meier111

User
Mit den zwei Tasten muss man die Länge vom Servoarm eingeben.
Der µC rechnet wie folgt:
C-ähnlich:
float GramProCm = (i * umrFaktor *(hebelArm / 10));
i = Messwert (roh), der von dem HX711 kommt...
 

S_a_S

User
Uli,
das Messgerät misst schon das Stellmoment. Weil ohne Ansteuerung ist die Kraft 0 und es wird dann die erreichbare Kraft ermittelt.
Das Haltemoment kann (z.B. durch Reibung im Getriebe) sogar größer sein - bei einem Schneckengetriebe sogar sehr hoch sein (selbsthemmend).

Mit Bewegung ist das ganze natürlich schwieriger zu betrachten. Sobald der Hebelarm sich bewegen soll, kommen Beschleunigungskräfte dazu (Trägheitsmoment), die wieder fehlen, wenn konstante (?) Drehbewegung stattfindet.

Abgesehen davon, beim Hersteller sind eigentlich klare Angaben zu finden (und da steht was von Stahl-Getriebe und nix von Titan ;) )

Grüße Stefan
 
Aus meiner Sicht ist das Moment, das ein Servo statisch aufbringt, das Haltemoment. So wie in dem obigen Aufbau zu sehen. Das Stellmoment wäre dann, was das Servo in der Bewegung schafft.
Als Faustregel kann man sagen, dass, grob über den Daumen, das Stellmoment etwa halb so groß ist wie das Haltemoment.

Soll z. B. ein Querruder um 30 Grad nach oben gestellt werden und diese Position sicher erreichen, dann darf die Windlast auf das Ruder nur so groß sein, dass das daraus resultierende belastende Drehmoment für das Servo bewältigbar ist. Dieses Moment, welches das Servo nun aufbringen muss, ist das Stellmoment. Ist es zu klein, erreicht das Ruder die 30 Grad Auslenkung nicht.
Hat das Querruder beispielsweise die 30 Grad gerade so erreicht, und steigt die Windlast am Ruder weiter an, dann kommt die Haltekraft ins Spiel. Das Servo kann dann die 30 Grad auch bei höherer Windlast halten, aber eben dann aus dieser Position den Ausschlag nicht weiter erhöhen.

Ich denke damit wird deutlich, dass das Stellmoment die entscheidende Größe für die Praxis ist.

Abgesehen davon, beim Hersteller sind eigentlich klare Angaben zu finden (und da steht was von Stahl-Getriebe und nix von Titan ;) )
Ja, das ist umso mehr verwunderlicher. Der Hersteller stellt die korrekten Daten zur Verfügung, und in den Shops stehen dann ganz andere Angaben. Und obwohl der Händler das nun weiß, wird es erst mal nicht korrigiert. Sehr komisch ...
 
Spielen wir das Ganze aus physikalischer Sicht durch.

"Halte"-moment und "Stell"-moment:

-beides sind Drehmomente, also durch eine Kraft ausgelöst, an einem gewissen Hebelarm.

Greift eine Kraft an, dann ergibt sich solange eine Beschleunigung, solange die Kraft aktiv ist. Also wird das Ruder solange bewegt, bis eine Gegenkraft ein Gleichgewicht dagegen aufbaut. Angenommen: die Windlast bringt bei 30° das Servo zum Stehen.

Nun steht das Ruder.

Wenn das Ruder durch eine größere Kraft überdrückt werden soll, dann "sperrt" sich das Ruder erstmals dagegen. Ihr nennt es "Halte"-kraft.

In Wirklichkeit ist es nichts anderes als der "Stick-slip-Effekt" in den Lagern und der Verzahnung, also das "Losbrechmoment", typisch für jede Anfahrbewegung in Bauteilen, die beginnen, sich gegeneinader zu bewegen.

Ist das "Haltemoment" sehr viel größer als das "Stellmoment", so ist dies in den hohen Losbrechmomenten der Bauteile begründet.

Gegenbeispiel: wäre das Losbrechmoment Null, und das Stellmoment bereits erreicht, dann würde sofort bei Ansteigen einer größer werdenden Windlast das Servo nachgeben (überdrückt werden).

Gruß

Klaus.
 
In Wirklichkeit ist es nichts anderes als der "Stick-slip-Effekt" in den Lagern und der Verzahnung, also das "Losbrechmoment", typisch für jede Anfahrbewegung in Bauteilen, die beginnen, sich gegeneinader zu bewegen.

Ist das "Haltemoment" sehr viel größer als das "Stellmoment", so ist dies in den hohen Losbrechmomenten der Bauteile begründet.

Hallo Klaus,

dem kann ich nicht zustimmen.
Ich denke dass der Haupteinfluss vom Motor kommt. Im Stillstand bei Blockierstrom hat dieser das größte Drehmoment. Bewegt sich das Servo, dann sinkt der Strom und damit die Leistung bzw. das Drehmoment.
 

alvinb

User
Da es mittlerweile sehr viele Anbieter von Servos gibt (Ich sage nicht Hersteller von Servos) muss man sich von der Konkurrenz absetzen. Einige Anbieter tun es durch Phantasieangaben (die man kaum nachmessen kann)...andere haben den Mut die Wahrheit zu sagen. Jeder soll sich bei den ersten Produkten nicht wundern, wenn nach 50/100 Flüge alles anfängt zu wackeln und die angestrebte Präzision nicht mehr vorhanden ist.
Niemanden kann die Gesetze der Physik ändern. Will Ich ein hohes Drehmoment brauche Ich einen starken Motor (mit meistens den entsprechenden Durchmesser), die richtige Spannung wobei Geschwindigkeit sowie Auflösung (extrem wichtig für dem Modellflug!) nicht vergessen werden darf.
Und man soll wissen, dass beiden den meisten Hersteller das Drehmoment nur ein berechnetes Drehmoment an der Drehachse ist.
 
...
Ich denke dass der Haupteinfluss vom Motor kommt. Im Stillstand bei Blockierstrom hat dieser das größte Drehmoment. Bewegt sich das Servo, dann sinkt der Strom und damit die Leistung bzw. das Drehmoment.

Ja, Uli, da hast Du Recht.
Diesen Aspekt hatte ich vergessen, vor lauter mechanischer Denkweise.
Das Losbrechmoment ist dennoch vorhanden, vermutlich kleiner als jenes vom Blockierstrom. Man fühlt es sehr deutlich, wenn man ein stromloses Servo aus dem Stillstand `rausdreht.

Gruß
Klaus.
 

Meier111

User
Hab ich das Foto falsch interpretiert?
Kannst du damit auch dynamisch messen? Erklär doch bitte mal kurz :)
Ich drücke nicht mit der Waage gegen das stehende Servo, sondern das Servo fährt aus einer unbelasteten Position gegen die Waage.

Am LCD links unten: die augenblickliche Kraft, die auf den Sensor wirkt.
Links oben: umgerechnet auf Gramm * Zentimeter
Rechts oben: der maximale Wert (g*cm) "eingefroren"
Linke Taste = Reset
Die anderen Tasten = Eingabe für Hebelarm-Länge in Millimeter
 

Meier111

User
Auf dem Foto nicht zu sehen: die 5V kommen von einem Labornetzteil.

Anfangs hatte ich den Strom nicht gemessen.
Wurde überrascht zu sehen, dass es Digital-Servos gibt, die deutlich weniger Strom ziehen, als vergleichbare analoge.
Bin bisher davon ausgegangen, dass die digitalen immer mehr ziehen.
Aber, das war mal vielleicht so...
 
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