© Hubert Abeln
Das etwas andere Segelflugzeug
von Hubert Abeln.
Seit über 30 Jahren betreibe ich nun Modellsegelflug am Hang. Die ersten Hänge habe ich im Siebengebirge bevölkert, bin dann oft in die Eifel gefahren und treibe mich ab und an auch im süddeutschen Raum und in Frankreich in den Vogesen rum.
Dank der vielen Aufenthalte in den Vogesen habe ich enge Freundschaften mit Modellfliegern aus dem Raum Colmar geschlossen.
Entweder lag es an der guten Luft in den Vogesen oder aber wir hatten abends zu viel Zeit als wir von unseren Ideen geträumt haben. Ab und zu machten wir von Colmar aus Abstecher in die Schweiz zum Hahnenmoospass und zum Einkaufen beim Kindler in Niederbipp . Beim Kindler konnten wir damals auf drei Etagen eine Unmenge von Modellrümpfen und Tragflächen begutachten. Aber ich habe nie das gefunden, was meinen Wünschen entsprach. Es sollte ein Kunstflugsegler sein. Spannweite zwischen 4 und 5 m. Gute Transporteigenschaften stellte ich mir vor und es sollte ein richtiger Klotz und Hingucker sein. Der musste auch nicht jedem Geschmack und jeder Mode entsprechen, eventuell durfte es sogar ein Unikat sein.
Gedanklich habe ich mit einer MÜ28 in dieser Größenordnung gespielt und dann doch noch gewartet. Einen ASW19 Rumpf mit 2,70 m Länge und einer Spannweite von 4,50 m habe ich mal als Kunstflugsegler eingesetzt. Die Flächenbelastung lag bei 125 g/dm². Mit einem HQ 2,0-10 ergab das eine tolle Grundgeschwindigkeit. Damals, vor 17 Jahren, war das Modell allerdings noch nicht mit Wölbklappen ausgestattet. 60 cm lange Störklappen und Querruderanlenkungen mit Torisionsgestängen hatte sie. Pro Querruder verrichtete ein Selbstbauservo seinen Dienst. Die Stellkraft der Servos betrugen bescheidene 2 kg, so in etwa. Aber dennoch hat das Modell alles im Kunstflug mitgemacht.
Nach all diesen Jahren habe ich dann Ende Mai 2005 beim Urlaub in den Vogesen von einer französischen Internetseite erfahren www.planet-soaring.com. Dort habe ich sehr viele interessante Beiträge und Dokumentationen entdeckt. In einem dieser Beiträge stieß ich dann Anfang Juni 2005 auf DAS Modell – TOONS! Vom TOONS war ich sofort infiziert.
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Aber wie kann so ein Modell überhaupt in der Luft bleiben? Die Frage wurde oft gestellt. Jedoch nach dem Fliegen nicht mehr!
August 2002: In den Bergen um Briancon findet der Erstflug eines neuen Flugmodells statt. Nach 18 Monaten Entwicklungszeit und hunderten Stunden Überlegungen wird es an einem Hang mit 800 m Höhenunterschied seinem Element übergeben.
TOONS, so haben die Erbauer Ihr Modell genannt. Dieses Modell hat einen kleinen Bruder, den VOLTIJ. Der Maßstab zum Voltij ist 2:1.
Viele kleine (car)TOONS schmücken auch eines der ersten Modelle. Insgesamt wurden aus der ersten, einfachen Form sechs Modelle gebaut.
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Erbauer der ersten TOONS sind Benjamin Claramon und Jerome Bobin. Pierre Rondel hat dann die schönen Bilder vom TOONS und die Entstehungsgeschichte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Hier der Internetlink auf die Anfänge: http://pierre.rondel.free.fr/images/3d_4m/index.htm .
Auf meine Anfrage hin hat mir Jerome Bobin per Email mitgeteilt, dass es zur Zeit sehr schwierig ist, einen TOONS zu erwerben. Er hatte mir aber auch geschrieben, dass Alexis Marechal (AEROMOD) überlegt, dieses Modell in neuen Formen zu bauen. Kurzfristig habe ich mich dann mit Alexis Marechal in Verbindung gesetzt und von ihm die Zusage erhalten, dass er mir solch einen Rumpf herstellen kann.
Im Verein habe ich über mein neues Projekt berichtet und auch spontan zwei weitere Modellflieger begeistern können. Für den TOONS hat sogar einer der beiden seine vorgesehene Bestellung eines neuen, großen Kobuz verworfen und dies bis heute nicht bereut. Die beiden waren gerne bereit, in dieses Projekt einzusteigen. Der Haken an der Sache: Ich musste gegen Kostenbeteiligung und wegen der räumlichen Voraussetzungen auch für die beiden „Kollegen“ die Tragflächen und Leitwerke bauen. Mit der Planung habe ich umgehend begonnen, die Vorschläge zur Auslegung am Wochenende präsentiert und die Freigabe zur Ausführung erhalten. Die Abmessungen habe ich nach und nach entweder aus den Bildern umgerechnet oder aber nach vielen quälenden Fragen auch von den französischen TOONS-Besitzern beantwortet bekommen.
Nachdem nun das Konzept stand, hat Alexis Marechal den Auftrag zur Herstellung von drei Rümpfen, drei Hauben und drei Seitenrudern erhalten.
Mittlerweile hatte ich dann erfahren, dass ein deutscher Modellflieger Alexis Marechal von vielen gemeinsamen Wettbewerben kennt und sehr gut mit ihm befreundet ist. Er arbeitet ebenfalls in Frankreich bei Airbus in Toulouse. Andreas Fricke ist dann bereitwillig und gerne als Dolmetscher zwischen mir und Alexis tätig geworden.
Zu diesem Zeitpunkt haben die französischen TOONS -Piloten ihr Modell mit einer Spannweite von 4,20 m und einem Fluggewicht von rund 12,5 kg geflogen. Als Profil wurde das Ritz 1.30.10 und auch das symmetrische MG05 mit 11% Dicke verwendet. Für Thermikflüge mussten beide Profile stark verwölbt werden.
Mein Konzept wich von dieser ursprünglichen Auslegung ab:
Ich wollte den TOONS am Hang und in der Thermik in eine kunstflugtaugliche Ausgangshöhe fliegen können. Dieses ohne Schleppmaschine oder Winde, um anschließend die gewonnene Höhe im Speed- oder Kunstflug wieder abbauen können.
Als Tragflächenprofil habe ich das HQW 2,5-12 ausgewählt. Ich wollte ein Profil einsetzen, das Gewicht verträgt und auch verwölbt werden konnte. Ebenso sollte es kunstflugtauglich sein. Nach telefonischer Vorstellung des Projektes und Abstimmung mit Dr. Helmut Quabeck bestätigte er mir die Richtigkeit dieser Profilwahl.
Der Rumpf blieb unverändert, das Leitwerk wurde optisch an die Tragflächengeometrie angepasst sowie vergrößert und die Spannweite wuchs auf 4,50 m. Die Tragflächenwurzel ist 500 mm tief, der Randbogen misst 220 mm. Die Leitwerke haben je eine Spannweite von 450 mm, deren Wurzeltiefe beträgt 280 mm und der Randbogen 150 mm.
Die Rumpfhöhe im Bereich der Haube beträgt 420 mm, Seitenleitwerkshöhe 680 mm. Der Rumpf ist 120 mm breit, er ist also hoch und platt.
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Die Tragflächen und Leitwerke wurden in Styro/Abachi-Bauweise hergestellt. Insgesamt habe ich pro Tragflächensatz und für die Höhenleitwerke etwa 80 Stunden aufgewendet. Vom Herstellen der Schneideschablonen bis zum Feinschliff der Oberflächen. Diese Arbeiten wurden zwischen dem 1. Juli und Ende August 2004 durchgeführt. Und das neben der Arbeit, die mindestens eine 50-Stunden-Woche bedeutet.
Nicht mitgerechnet ist die Zeit für den Servoeinbau und die Verkabelung in den Tragflächen. Diese Arbeiten und die Oberflächengestaltung hat jeder Pilot nach seinem Können und seinen Ideen selber ausgeführt.
Bis dahin hatte ich noch keine Angaben zum Rumpf und zum Fertigstellungstermin der neuen Rümpfe. Tragflächen und Höhenleitwerke waren also bereits vor den Rümpfen fertig.
Glücklicherweise hat dann der Formenbau recht zügig geklappt und Alexis konnte mir am 05.10.2004 abends um 20:17 Uhr die drei Rümpfe übergeben. Auf der Durchreise zum Viking Race auf Rügen hatten die französischen Modellflieger, Oliver Bordes, Pierre Rondel, Andreas Fricke, Marcel Gywang und Alexis Marechal ihre Reise in Köln unterbrochen. Alle waren freudig erregt. Ist doch klar, wir waren alle „Brothers in TOONS“.
Nachdem wir jetzt die Rümpfe, die Seitenleitwerke und die Hauben erworben hatten, konnten wir sehen, wie gut die Vorarbeiten waren. Passen Tragflächen und die Höhenleitwerke? Mit etwas Harz und Mikroballons an den Wurzelrippen wurde eine perfekte Anformung an den Rumpf hergestellt. Passt.
Die restlichen Arbeiten: RC-Anlage einbauen, Tragflächen bügeln, Dekor herstellen.
RC-Anlage einstellen, Modell auswiegen. Fertig.
In jedem Höhenruder wurde ein Servo der 5 kg-Klasse mit Metallgetriebe eingebaut, das sehe ich als untere Grenze an. Das Seitenruder wird über Seilzüge angelenkt und hat in der Dämpfungsfläche etwas Blei zur Flatterdämpfung erhalten. Der Antrieb erfolgt mit einem günstigen 24 kg-Servo oder auch mit zwei hintereinander eingebauten 5 kg-Servos, die Wölbklappen und auch die Querruder werden von je zwei 5 kg-Servos bewegt.
Zusätzlich wurde ein Rad mit Bremse eingebaut. Die Bremse betätigt ebenfalls ein 5 kg-Servo über einen langen Hebelarm. Eine Schleppkupplung ergänzt die Startmöglichkeiten.
Die Stromversorgung erfolgt durch zwei 5-Zellenakkus mit einer Kapazität von 2400 mAh und wird von einer Akkuweiche gemanagt. Damit eventuell auftretende hohe Ströme nicht die Leiterbahnen des Empfängers zerstören, habe ich eine Platine für die Stromversorgung und -verteilung aufgebaut. Von dieser Platine wird der Strom zum Empfänger und zu den Servos geführt. Die Impulsleitungen wurden auch auf dieser Platine zugeordnet.
Jetzt hieß es auf den richtigen Wind warten. Aber der kam schon am nächsten Wochenende.
Erstflug am 13.11.2005 in der schönen Vukaneifel bei NW-Wind. Problemloser Bungee-Start. Alle Ruderfunktionen und –wege haben gepasst. Durch den hohen Rumpf ist er richtungsstabil und reagiert auch auf kleinste Steuerkommandos ganz sauber. Die Wendigkeit ist mit einem F3B- oder F3F-Modell vergleichbar. Prima! So macht das Fliegen Spaß. Aber wie ist das mit dem Landen? Da ist der TOONS dank Butterfly-Stellung sauber und fast auf den Punkt zu landen.
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Gestartet werden unsere TOONS fast nur noch mit zwei parallel gespannten 14 mm Bungee-Gummis. An der Winde wie auch im Schlepp gibt es keinerlei Probleme. Sogar mehrere Handstarts haben wir durchgeführt. Bei kräftigen Wind sind sogar vom Piloten selbst Handstarts machbar. Handstarts bei leichtem Wind erfordern allerdings Mut und sind recht kraftraubend. Man meint mit gestreckten Armen gegen eine sich nicht mehr zu bewegende „Decke“ zu drücken. Zwei Handstarts bei leichtem Wind und man ist anschließend so platt wie der Rumpf.
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Nach dem Erstflug haben wir noch mit der Schwerpunktlage experimentiert. Es musste noch „etwas“ Blei in die Nase. Die Querruderausschläge wurden geringfügig reduziert, da diese doch noch zu Überraschungen führten.
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Der Transport hoch auf die Berge ist mit entsprechendem Hilfsmaterial ohne Probleme zu bewältigen.
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Ideen muss man haben. Die Lastverteilung macht man beim zweiten Transport bestimmt richtig. Hier wurden insgesamt vier Modelle, etwas Proviant, ein Wind- und Sonnenschutz sowie etwas Werkzeug transportiert. Insgesamt ungefähr 40 kg.
Heute blicken drei zufriedene TOONS-Besitzer auf sehr schöne und spektakuläre Flüge in der Eifel und in den Vogesen zurück.
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Die Erfahrung zeigt, dass diese drei unterschiedlich schweren Modelle mit 16,0 kg, 17,0 kg und 18,3 kg sehr gute Flugleistungen mit Flächenbelastungen von bis zu 114 g/dm² haben. Die Profilwahl war richtig und der Kunstflug kann mit einem enormen Durchzug geflogen werden. Sogar (leichtes) dynamic-soaring wurde geflogen. Da die Tragflächen bisher jeder Belastung standgehalten haben, werden wir in naher Zukunft auch mal im dynamic-soaring die Geschwindigkeiten erhöhen.
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Hangflug ist ebenfalls mit enormer Geschwindigkeit möglich. So wurde ein TOONS in den Vogesen von 18,3 kg auf 22,5 kg aufgebleit und wie ein F3F-Modell geflogen. Mit Snap-Flap unterstützt, wird in der Wende die Geschwindigkeit immer höher. Nervenkitzel ist da angesagt. Selbst mit sehr kleinen Ruderausschlägen erhält man schon eine sehr gute Wendigkeit. Nutzt man die kompletten Ruderwege, kann man die Kante mal richtig schrubben. Auf leichte Wölbung reagiert der TOONS sofort und unproblematisch. So sind schöne und lange Thermikflüge möglich. Aber warum soll solch ein Modell immer oben bleiben? Abrocken und mit der Masse wieder in den Himmel. Da bleiben manche hochleistungs-F3J- und -F3B-Maschinen auf der Strecke!
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Aber man sollte auch die Außenlandemöglichkeiten rechtzeitig nutzen können.
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Als Resümee kann ich festhalten, das sich die lange Wartezeit auf die Begegnung mit diesem Modell gelohnt hat. Dieses Modell zu fliegen erhöht den Spaß am Hobby.
Inzwischen hat Alexis Marechal den ursprünglichen TOONS weiterentwickelt und den TOONS in der aktuellen Voll-GFK-Version an unsere Auslegung angepasst. Zu sehen ist dies im Internet http://perso.wanadoo.fr/aeromod.concept/index_eng.html .
Jetzt ist der TOONS mit etwa 12,5 kg in einer Voll-GFK-Bauweise zu erwerben. Die Tragflächen und Leitwerke werden mit einer GFK-Waben-Schale hergestellt. Alexis Marechal hat dem TOONS auch ein neues, interessantes Design verpasst. Aber seht mal selbst auf der o.g. Website nach.
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Das MG05 ist weiterhin bei den französischen TOONS-Piloten im Einsatz. Allerdings haben diese wesentlich bessere Hangflugmöglichkeiten als wir in unseren Höhenlagen. Die Berge um das Zentralmassiv und die Pyrenäen haben doch so manchen Vorteil gegenüber unseren „Hügeln“.
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Dieser Bericht und auch weitere Bilder werden auch auf der Internetseite von Artur Blömker
www.dynamic-soaring.de als Story veröffentlicht.
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