Virtuelle RCN-NikolausRegatta: Victoria - ich baue mich zum Sieg!

Cora

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Hallo!


Mein Name ist Cora, und ich habe bei der hiesigen virtuellen Regatta ein Modellboot namens „Victoria“ gewonnen. :)

Okay, richtiger: Ich habe einen Modellboot-SATZ gewonnen, das Boot muss erst noch gebaut werden. An sich ja aber kein Thema (da Anleitung Gott sei Dank inliegend), nur: Ich habe in meinem Leben noch nie etwas zusammen gebaut, was mir mehr abverlangte, als die IVAR-Regalserie von IKEA. :rolleyes:


Als erst meine „Manila“ als zweites Boot die virtuelle Ziellinie kreuzte, und sich dann der Gewinner auch noch NICHT den Modellbau-Bootssatz aussuchte, konnte Eric sich fast nicht halten vor Freude: „Schatz, über Weihnachten werden wir zusammen ein Boot bauen!“.

Halleluja.

Neben den unzähligen anderen Aufgaben, die die gewöhnliche Hausfrau über die Feiertage hinweg ausgesetzt ist, sah ich mich nun zusätzlich auch noch stundenlang in ständig schmutziger Umgebung kleine, niemals zu 100 Prozent passende Holz-, Metall- und Plastikteile in mir völlig unverständlicher Form aneinander befestigen. Welch ein Spaß. Gedanklich packte ich meinen Bücherstapel, den ich mir extra für die Feiertage aus der hiesigen Leihbücherei besorgt hatte, ganz hinten an die dunkle Seite meines Schreibtisches, noch hinter den Stapel mit der nicht-ganz-so-dringenden Bügelwäsche, denn ich kenne meinen Mann. Und ich wusste, dass es kein Entrinnen geben würde.

Pünktlich heute vor einer Woche kam dann auch das gefürchtete Paket an, liebevoll gepackt und verschnürt von Werner, dem edlen Spender (auch hier nochmal ein ganz herzliches Dankeschön an Dich, Werner!!). Mein Trick, die Türklingel zu Post-Lieferzeiten einfach auszuschalten, hatte leider nicht funktioniert... und Eric, der das Paket freudig aus den Händen des ob der Treppe bis in den 5. Stock doch ziemlich ermüdeten Postboten in Empfang nahm, packte es gleich aus.


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Leider zeigte der Inhalt des Kartons nur wenig bis gar keine Ähnlichkeit mit dem schnittigen Schiffchen auf dem Foto. Da aber Weihnachten und eventuelle damit verbundene Freizeit noch in weiter Ferne lag, kümmerte ich mich erstmal nicht weiter darum, sondern vertiefte mich stattdessen in meine jahreszeitenüblichen Vorbereitungen.


Am Samstag vor Heiligabend wollten wir beide dann unbedingt in die Stadt. Ich, damit wir noch einen in unseren Winzofen passenden Vogel ergattern konnten – und Eric, dessen hohen Ansprüchen weder der mitgelieferte Mast, noch die Segel entsprachen, um ganz dringend Segelstoff und Karbon-Stangen zu kaufen. In Eimsbüttel. Und ich könne von Glück sagen, dass wir nicht noch weiter fahren müssten, meinte er – denn z.B. der Karstadt in Hannover hätte sein Sortiment an Modellbau-Einzelteilen doch schon gehörig heruntergefahren.
Tja, gut, dass ich das erfahre. So konnte ich nämlich mein Glück kaum fassen, denn Hannover hätte sich rein zeitlich zu einem ziemlichen Problem entwickeln können. Aber so? Eimsbüttel liegt ja um die Ecke!


Über den Heiligen Abend mag ich kaum Worte verlieren, denn mein Gesponst verlor so gut wie keine Worte über „das Schiff“, dessen Karton immer noch, bedrohlich nahe am Weihnachtsbäumchen platziert, auf seine Öff- und weitere Bearbeitung harrte. Nur hin und wieder schweiften seine Blicke etwas ab, aber ich will nicht kleinlich sein: Wir hatten ein wunderbares, dreigängiges Weihnachtsessen, wir waren beide in saubere, ordentlich angeordnete Gewänder gekleidet, und dass Erics so selbstlos klingendes Angebot, die Küche hinterher aufzuräumen, nur dem einen Zweck diente, mich am Folgetag von allen eventuellen Ausflüchten fern zu halten, kam mir vor lauter Romantik und Kerzenschein gar nicht erst in den Sinn.


Aber auch Männer können fies und berechnend sein!

Heute, am 1. Weihnachtstag, durfte ich noch ausschlafen. Mein Vorschlag, bei strahlendem Sonnenschein doch erstmal einen schönen Elbspaziergang zu machen, wurde sofort rückhaltlos niedergebügelt: „Schiff bauen!“.
Und die Küche?
Gemacht.
Und das heutige Essen?
Wir haben Reste genug.
Also gut.
Schiff bauen.
Während ich noch schlief, hatte Eric bereits heimtückisch und hinterrücks die große Arbeitsplatte vom Speicher geholt, und so konnten wir nach dem verspäteten Frühstück gleich loslegen.


Mit dem Bootsständer legten wir los:

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Locate the die-cut plywood sheets shown in Figure 1. Apply a thin coat of 5-minute epoxy to one side of each stand "half" as shown in figure 2, then tape or clamp parts together until the epoxy cures. Hint: clothes-pins work well for this job.


Das klang doch noch einfach!
Was „Wäscheklammern“ auf Englisch heißt, war mir natürlich bekannt. „Epoxy“ dagegen war ein neues Wort, welches aber schnell Eingang in meinen Fremdwortschatz finden sollte. Und dabei blieb es nicht:

keel
ballast bulb
HM13x15 screws
hatch cover
hatch cover mount
hatch cover handle
short eyelet


Noch was Nettes für angehende Anglisten: „Locate the pushrod exit bushing and attach to the hull where indicated using ABS glue. Note the direction of the slot as shown.“ :confused:


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Immerhin war der Kiel dann irgendwann eingebaut. Ich „notete“außerdem, dass sich mein Gesponst nicht gern an die in der Anleitung angegebenen Abläufe hielt, sondern vielmehr seine Freude daran hatte, mich kreuz und quer durch die Papiere zu jagen: „Nee, das machen wir jetzt nicht. Geh mal ein paar Seiten vor, und guck mal, ob du die Teile, die mit B00-irgendwas finden kannst, denn die müssen dann später hinten ans Ruder.“


Wie schnell sich doch ein ehemals anheimelndes Wohn- und Weihnachtszimmer in eine Werkbank verwandeln kann!

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Während ich kleine Schrauben von noch kleineren Schrauben zu unterscheiden lernte, unterrichtet wurde in der Kunst, wie man Sand- und Schleifpapier am effektivsten faltete, und außerdem noch verstand, warum mein Gesponst so gern Überraschungseier mag, konnte ich nicht umhin, mir folgende Fragen zu stellen:


Warum machen Männer so ungern die Wäsche?

Sie wissen genau, welche Temperatur es braucht, damit der Sekundenkleber gut haftet, und noch dazu, dass er unter Wassereinwirkung schneller trocknet (Segeltaue).

Außerdem können sie Schleifpapier perfekt falten und anwenden!
(Gut, ich habe auch verstanden, warum „mann“ so gern geneigt ist, sich die schmutzigen Pfoten an alten T-Shirts abzuwischen, die „mann“ praktischerweise zum Modellbau trägt (meine Jeans sind auch alt, und okay, eigentlich wollte ich sie eh schon längst entsorgen).


Warum backen Männer so ungern?

Sie haben es doch im Blute, wie ein zwei-Komponenten-Kleber angerührt werden sollte – und wie man diesen am vorzeitigen Austrocknen hindert. Nicht anders ist es bei der Herstellung von Kuchen- und Plätzchenglasur!
Ist denn noch niemand auf die Idee gekommen, ihnen zu sagen, dass sie nur „Komponent A“ mit „Puderzucker“ und „Komponent B“ mit Wasser/Zimtgemisch übersetzen muss?


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Gut, da wusste ich noch nichts von den Knoten...

Als ich ein Kind war, lernte ich alles Nützliche, was ich wissen musste (soweit noch nicht durch meine Eltern erfolgt), im Kindergarten. Zum Beispiel, wie ich mir meine Schuhe zubinden musste. Zu diesem Behufe hatten die Kindergärtnerinnen aus Pappe einen Schuh gebastelt, aus dem sich zwei Schnürsenkel in die Umgebung rankten. Unsere Aufgabe war es, diese Senkel zu verbinden – und zwar so, dass sich ein Knoten ergab, der sich später allein durch das Ziehen seiner beiden losen Enden auch wieder löste – ohne dass der Halt des Knotens während des Tragens des Schuhs seine Kraft verlor. Bei Schiffen ist das anders, wie ich lernte, denn da dürfen sich die Knoten nicht mehr einfach so lösen – darum wird mein mir bekannter Knoten um eine Schleife erweitert, und die nennt sich dann „Acht“.

Aber auch diese „Acht“ löst sich wohl manchmal, und so wurde ich angewiesen, meine wunderschönen Achterknoten noch zusätzlich durch Sekundenkleber zu sichern.

Was NICHTS war im Vergleich zu der nächsten Herausforderung, die da auf Englisch lautete: „Thread the backstay/jumper/upper/middle/lower/line from the mast fitting through the upper and lower mast spreader, and end the lines with line adjusters and snap as shown in Drawing A and B.
Refer to Fig. 28, drawing C, and D.“



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Was soll ich noch berichten?
Der Kampf mit den Knoten war hart, aber noch schlimmer war der mit den winzigen, nur teilweise ausgestanzten Öffnungen am Hauptmast, durch die die Schnüre gezogen werden sollten.

Wir Frauen, hey – wir Frauen haben zu diesen Zwecken schon vor Jahrhunderten das Nadelöhr erfunden! Was wiederum erklärt, warum Männer sich so gern weigern, verloren gegangene Knöpfe wieder anzunähen, denn sie wissen nichts von dieser Technik. Oder doch? Mein Gesponst war jedenfalls erstaunlich kreativ, was seine Hilfestellung anging: Die Schnur durch kurzzeitiges Aussetzen eines Feuerstrahls (Feuerzeug) oder gar durch Kerzenwachs gefügig machen.

Gut, war ich selbst auch schon drauf gekommen.
Irgendwann musste ich ja mal 'raus mit meiner genetisch-geschlechtlich bedingten Überlegenheit. Die Schnüre sind jedenfalls heute Abend alle an ihrem Platz, und sie sind auch alle so, wie sie sein sollen.


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Meinen Kampf mit den Schnüren habe ich Eric damit erklärt, dass ich später sicherlich sehr viel zu tun haben werde mit den Spielwünschen unserer Kinder. Ja, ich sehe mich heute schon stundenlang mit lauen Bauklötzchen langweilige Türmchen bauen, aus weniger als 50 Teilen bestehende Puzzles zur großen Freude meines Nachwuchses immer wieder zusammen zu fügen, die gleichen, profanen Witze immer wieder neu zu erzählen, über die ich selbst als Kind schon nicht lachen konnte, und auch immer wieder die Lieder zu singen, die mir selbst die letzten dreißig Jahre erspart geblieben sind – aber von denen ich weiß, dass nicht nur meine Kinder sie lieben werden, wenn ich sie ihnen singe.

Ich habe heute etwas sehr Wichtiges für mich verstanden: Nicht unbedingt, dass Modellboote bauen jetzt ein Hobby für mich wird, und auch nicht, dass ich in Zukunft Eric darin Konkurrenz machen möchte (obwohl ich es vielleicht könnte!).

Ich habe verstanden, dass es wunderschön sein kann, zumindest hin und wieder, „once in awhile“, sich in den Neigungen seines Partners zu verlieren (wenn die Alltagsuhr nicht ganz so laut tickt!), ich habe gesehen, wie sich die Freude über einen gerade spielerisch errungenen Sieg in den Augen des Partners spiegelt, aufbäumt und erblüht. Ich habe gespürt, wie wunderbar es sich anfühlt, wenn sich beide einem gemeinsam gesetzten Ziel mit ganzer Kraft widmen – und dies über ein Paar Stunden, dem Alltag abgetrotzt, hingeben.

Die „Victoria“ ist noch ein wenig nackt und bloß. Segel werden folgen, aber die müssen erst noch bearbeitet werden. Momentan befinden Eric und ich uns noch im Disput darüber, wie wir ihre Bauch- und Rumpfgeschichte gestalten wollen. Mir selbst gefällt ja der von der Fabrik gelieferte „Victoria“-Schriftzug. Eric hat da noch ganz andere Ideen.

Fortsetzung folgt.

Stay tuned.
 
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Gast_5351

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Hi Cora

Klasse Bericht, den muss ich erstmal meiner Frau zeigen! Nur muss sie in der Küche nichts mehr umbenennen, denn das ist eh schon mein Reich :D

Schönen Feiertag und viel Spaß beim weiteren Bauen wünsche ich euch!

MfG Jan
 

arjan

User
Cora schrieb:
Ich „notete“außerdem, dass sich mein Gesponst nicht gern an die in der Anleitung angegebenen Abläufe hielt, sondern vielmehr seine Freude daran hatte, mich kreuz und quer durch die Papiere zu jagen: „Nee, das machen wir jetzt nicht. Geh mal ein paar Seiten vor, und guck mal, ob du die Teile, die mit B00-irgendwas finden kannst, denn die müssen dann später hinten ans Ruder.“

Moin Cora,

Du weißt doch wie Französen sachen lösen,
Ist wie eine Waschmaschine, die werfen alles rein,
alles geht kreutz und quer und am Ende ist es Fertig.
Da geht es in GER wie mit der Post, Erst wird alles schön aussortiert,
dann die Folge nach hingelegt und dann nach diese Folge verarbeitet
und am Ende ist es auch fertig.

Das mit dem umbenennen ist gefährlich, jetzt klebt der Kuche überall an fest und die Küche riecht wie Bastelraum.....:eek: :confused:

Bericht ist schon :cool:
 
Moin Cora,

zuerst einmal einen spontanen Ausruf männlicher Beachtung: R E S P E K T !!! :) :) :) :cool:

Ein super geschriebener Beitrag mit dem gewissen Schuss Ironie, der uns "primitiv aber glücklichen Männern" ja hin und wieder nicht ganz so glücklich und nett lesbar von der Tastatur geht :D

Töchterchen und ich haben gerade eine ganz ähnliche Aktion laufen und daher kann ich jeden Deiner Schritte genau nachvollziehen :D:D :D

Cora schrieb:
Ich habe heute etwas sehr Wichtiges für mich verstanden: Nicht unbedingt, dass Modellboote bauen jetzt ein Hobby für mich wird, und auch nicht, dass ich in Zukunft Eric darin Konkurrenz machen möchte (obwohl ich es vielleicht könnte!).
Hier ruhig noch ein bisschen mehr Selbstbewusstsein zeigen! Z.B. mit anspornenden Zielen wie:
Wenn du ihn das erste mal nicht nur virtuell überholst backt er den nächsten Kuchen. Eric soll neben dem Wasser ruhig ein wenig das Schwitzen lernen... :rolleyes:

Zunächst mal ein lautes "weiter so" an Euch, und das Eure "Queen" immer eine handbreit Wasser unterm Kiel vom Teich(g)boden trennen sollte!:p :D

Gruß und noch viele frohe Feier-/Bau-/Segeltage wünscht Euch

Ansgar
 
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