Vitoria-Gasteiz

Die Ente kackt am Schluss!


Wie man mit 600 g Ballast 24er Zeiten fliegt.

André Austen

Schon seit längerem berichteten Inaki und andere Spanier mir immer wieder ganz begeistert von einem sagenhaften Fluggebiet namens „Vitoria“. Deshalb war ich gleich Feuer und Flamme, als ich kürzlich eine Einladung von Inaki bekam, dort mal fliegen zu gehen.
Ideal wäre es, über Lissabon nach Vitoria zu kommen. Dort könnte ich dann an einem kleinen spanischen F3F-Wettbewerb teilnehmen. Es kam jedoch noch besser als erwartet. Der Wettbewerb von Asturien konnte dieses Jahr nicht mehr stattfinden und Inaki beschloss daher, keinen kleinen Wettbewerb, sondern einen World-Cup durchzuführen.

Redaktion schrieb:
Vitoria-Gasteiz ist die Hauptstadt der spanischen Autonomen Region Baskenland und der Provinz Araba. Sie hat 242.082 Einwohner, die in der Mehrzahl spanischsprachig sind. Wikipedia

Nach einem kurzen Kontakt mit Inaki war klar, dass ich an diesem Wettbewerb teilnehmen musste.
Am Dienstag vor dem Wettbewerb war es endlich soweit. Ich flog von Frankfurt nach Bilbao, wo Inaki mich erwartete. Wir beschlossen, sofort zum Hang zu fahren, um den restlichen Tag auszunutzen. Von Bilbaos Flughafen ist Vitoria etwa 40 km entfernt. Bis zum Hang sind es aber dann noch weitere 25 km. Nach vielen Kurven und Spitzkehren kamen wir endlich an, aber wo ist der Hang? Inakis Navihöhenmesser zeigte zwar 1100 m Höhe über Meeresspiegel an, aber bis auf flache Berge konnte ich nichts entdecken, was nach einem für Hangflug geeigneten Gelände aussah. Inaki beruhigte mich und zeigt auf einen kleinen Anstieg, den wir noch zu Fuß bewältigen mussten. Nach 15 Minuten Fußmarsch war es geschafft, ein sagenhafter Hang erstreckte sich vor uns mit einem unglaublichen Ausblick und etwa 700 m Hanghöhe. Das ist doch mal was.

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Inaki startete sein Modell und was ich jetzt erlebte, habe ich in meiner 10-jährigen F3F-Zeit noch nicht gesehen. Der Jazz von Inaki durchschnitt die dünne Luft mühelos und ich schätzte die Flüge auf tiefe 30er Zeiten und das bei ca 8m/s Wind. Ich scharrte schon mit Füssen und wollte auch endlich fliegen. Inaki zeigte mir noch wie und wo man landet, hier zeigte sich noch ein weiteres Schmankerl, man konnte beim Landen noch richtig Gut DS fliegen, was für ein Gebiet. Endlich war es soweit, nach den schnellen Flügen von Inaki packte ich gleich mal bestes Pferd aus dem Stall aus, mein Jazz Taiwan Edition und lud gleich mal 2 kg Ballast rein. Inaki bremste mich gleich, maximal 400g, wie bitte? 400g, o.k. wenn der Lokalmatador dies sagt, also wieder 1600g raus. Los geht’s, wowwww der Flieger steigt sofort innerhalb 20 sek auf ca. 150m. Und rein in die Strecke nochmal woooow, ich wiederhole mich, das habe ich in meiner 10 jährigen F3F-Zeit noch nicht erlebt, Mein Jazz durchschnitt mühelos die dünne Luft und nach ersten gestoppten Zeiten die Überraschung bis zu 27er Zeiten, und das so mühelos, das liegt an der dünnen und ruhigen Luft.

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Nach zwei Stunden Fliegen packten wir zusammen und fuhren zu Inakis Apartment, das mitten in der Altstadt von Vitoria lag.

Zuvor erhielt ich von Siggi einen Anruf, dass seine Fliegerbox von einem Stapler überfahren wurde und alle drei Modelle zerstört worden sind. Ich bot Ihm einen von meinen Fliegern an, jedoch versicherte Inaki, er könne von ihm einen Jazz zum Fliegen bekommen.

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Die Reste!

Nach dem Frühstück unternahmen wir eine kleine Tour durch Vitoria, dank der guten Lage des Apartments konnten wir dies zu Fuß tun. Ich war überrascht - Vitoria ist eine wunderschöne Stadt, die viel Flair hat.

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Mittags kehrten wir ein Restaurant ein und genossen das Menu des Tages, leider ohne Rotwein, da der Hang uns schon rief. Gegen 14 Uhr kamen wir an den Hang und flogen bis etwa 19 Uhr, dann konnten wir aber auch nicht mehr, die hohe Geschwindigkeit forderte sehr hohe Konzentration und wir waren völlig fertig.

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Der Lokalmatador an seinem Hang.

Obwohl wir restlos kaputt waren, gingen wir noch in Vitoria Pintxos essen, im anderen Teil Spaniens als Tapas bekannt. In der Stadt finden richtige Pintxosevents und Wettbewerbe statt. Ich kann nur sagen, es ist ein kulinarischer Genuss. Wir besuchten mindesten drei Pintxos-Bars.

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Inaki mit seiner Frau beim Genießen von Pintxos.

Am Freitag war es dann endlich soweit, der Wettbewerb konnte beginnen. Aber wie war das nochmal mit Murphys Gesetz? Leider heute Südwind statt des erhofften Nordwinds! Das bedeutet Thermik und zwar viel davon. Zum Glück flogen wir nur zwei Runden, da der Wind doch noch auf Nord drehte.

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Am Südhang beim Aufbau der Strecke.​

Nach einem kurzen Testflug mit meinem leichten Jazz rauschte ich nur so an der Kante entlang. Jedoch wie üblich, im Wettbewerb gab's die Thermik nicht. Ich schaffte nur 2 x 55er Zeiten, die Bestzeiten waren jedoch 45er und da hatten wir noch Glück, die richtig schnellen Zeiten wurden durch Verwender geblockt. Ab 17 Uhr konnten wir dann am Nordhang fliegen und hier galt es. Trotz der schiefen Windrichtung von 45° flogen wir unter 40er Zeiten. Gerado hatte wieder richtig Glück mit guter Luft, die ihm schon am Südhang zur Verfügung stand. Er flog 35er Zeiten und entfernte sich immer mehr, am Ende des Tages führte er mit rund 400 Punkten. Siggi war am Ende des Tages auf Platz 9 und ich auf 10, da hatten wir uns trotz aller unter 40 geflogenen Zeiten nur mühsam genähert. Inaki hatte richtig Pech, er hatte meist schlechte Luft und landete nur auf Platz 5. Jeder sah Gerado mit seinem Vorsprung schon als Sieger, doch ich meinte nur: „Die Ente kackt am Schluss“. „Was soll das heißen?“ wollten alle wissen. Das werden aber alle noch erleben, was diese Worte eines weisen Mannes (Barny) bedeuten.

Am Samstag ging es zum Glück gleich an den Nordhang und wir konnten viele Runden fliegen. Leider war aber wenig Wind und daher die thermischen Einflüsse groß. Gerado hatte diesmal kein Glück mehr mit seiner Luft und landete am Ende des Tages auf Platz zwei und Alvaro übernahm die Führung. Inaki konnte sich auf den dritten Platz hocharbeiten und die Punktabstände vorne waren sehr eng. Siggi arbeitete sich, wie ich, mühsam immer weiter nach vorne. Meine mühselig erzielten Punkte wurden jedoch durch zwei Verwender eliminiert. Aus!

Abends gingen wir in ein wunderschönes Restaurant, aßen gemeinsam und ließen die beiden Wettbewerbstage nochmal ablaufen, mit dem üblichen Fachsimpeln. Alvaro fragte mich erneut nach den Sinn des Spruchs: „Die Ente kackt am Schluss!“ „Lass Dich überraschen!“ habe ich ihm geantwortet.

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Gerado beim eleganten Werfen.

Der Sonntag war sehr durchwachsen; vom Absaufen bis zu 32er Zeiten war alles möglich, es wurde sich nichts geschenkt, es ging auf und ab. Mit einem Flug konnte man 300 Punkte aufholen und im nächsten wieder verlieren. Fernando Moro machte diese Erfahrung, als er kurzzeitig auf Platz eins war und, Pierre möge es mir verzeihen, er wurde Pierre Rondello genannt. Am Ende des Tages kam es jedoch, wie es kommen musste - Inaki gewann. Jetzt hatte jeder den Spruch verstanden. Siggis letzter Satz war: In meiner ganzen Wettbewerbszeit habe ich noch nie soooo hart gekämpft. Er hatte sich nach vielen Höhen und Tiefen, trotz fremden Fliegers, knapp 98% geholt.

Nach dem Wettbewerb mit 32 geflogenen Runden waren alle mehr als zufrieden und ich hatte noch den morgigen Tag, der mit einer großen Überraschung auf mich wartete. Inaki hat eine Führung durch eine Weinkelterei in der Nähe seines Heimatdorfes organisiert. Die Kelterei ist eine der bekanntesten Spaniens mit dem Namen Rioja, der die Bezeichnung des Anbaugebiets ist.

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Lagerung des Weins.

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Ein Hotel auf dem Gelände der Weinkelterei, sehr speziell den Farben des Weins nachempfunden.

Ein Highlight der Führung war der sogenannte Tresor, in dem sehr alter Wein seit 1876 lagert. Der geschätzte Wert etwa 17 Mio Euro.

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Der Weintresor

Die letzte Flasche wurde für den spanischen König geöffnet. Es wird jedoch bei diesem alten Wein nicht der Korken gezogen, sondern mit einem speziellen Öffner der Flaschenhalz gebrochen. Der Wein muss dann jedoch innerhalb einer halben Stunde getrunken werden, da er sonst nicht mehr genießbar wäre.

Die nächste Überraschung hatte Inaki auch schon für mich bereit. Er hatte bei einem alten Farmer einen Privatbesuch organisiert. Dies war ein besonderes Erlebnis, um das mich Moni und Franz sicherlich beneiden. Der Weinbauer stammt aus einer alten Generation seit 1890. Die Winzer haben hier viele kleine Kelterreien in die Felsen gehauen, um den Wein bei 14°C lagern zu können.

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Die alten Fässer, die aber seit 25 Jahren nicht mehr benutzt werden.

Der Winzer bemerkte meine Begeisterung für die alten Gemäuer und öffnete extra für uns eine 16 Jahre alte Flasche Wein. Das sind Momente im Leben, die man nicht bezahlen kann.

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Das alte, private Weinlager des Winzers, hier ist die Flasche her, der Geschmack war fantastisch.

Anschließend wurden wir noch zur seiner neuen Kelterei eingeladen, neuen Wein zu probieren. Es war klasse, wie urig das war.

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Hier der neue Wein, von dem wir eine Kostprobe nehmen durften.

Ich kann mich nur für die Gastfreundschaft der Spanier und hier besonders bei Inaki bedanken, der mich wieder zum Flughafen brachte. Ich kann sogar verraten, dass es nächstes Jahr wieder einen Wettbewerb geben wird und ich bin der Überzeugung, dass dann wesentlich mehr Teilnehmer da sein werden mit dem Ziel, den Weltrekord zu knacken, was an diesem Hang durchaus möglich ist.

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Weiterhin viel Erfolg beim Fliegen.
 
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