WESTMARK III



Hans-Reinhard Mette​

WM (1a).jpg Zwei Oldtimer beeindruckten mich immer wieder. Wenn ich auf der Wasserkuppe und den Hängen in der näheren Umgebung weilte, faszinierte mich die WESTMARK 1. Wenn ich abends in Wüstensachsen im 'Haus zur Wasserkuppe' einkehrte, erging es mir ebenso beim Anblick des dort unter der Decke hängenden ARCHAIOS.Archaios-1.jpg

Die WESTMARK 1 wurde 1942 von Hermann Runkel konstruiert und sehr viel später von Volkmar Tröbs für den RC-Betrieb angepasst. 2004 veröffentlichte Franz-Wilhelm Hefner in den FMT-Heften 2 und 3 seinen Bauplan zum ARCHAIOS. Der Bauplan Nr. 3201268 ist immer noch beim Verlag für Technik und Handwerk erhältlich. So etwas wie diese beiden Entwürfe wollte ich unbedingt bauen. Doch es dauerte noch eine Weile, bis ich dieses Vorhaben in die Tat umsetzen konnte. In der Zwischenzeit gingen mir immer wieder Ideen durch den Kopf, wie ich einen Oldtimer entwickeln könnte, der Konstruktionselemente beider Flugzeuge enthalten würde.


Als ich diese Fragen für mich geklärt hatte, kristallisierte sich heraus, dass Grundlage meines Modells die WESTMARK 1 sein sollte und ich den hervorragenden Fräßsatz von Dr. Christian Baron mit der Profilmodifikation HS16 nutzen wollte. Zu meinen Überlegungen trug auch Rainer Retzke mit vielen Hinweisen und Ratschlägen bei. Der Einfluss des ARCHAIOS auf meine Planung war der Tragflügel mit seiner mehrfachen V-Form, die ich dann auch bei meiner WESTMARK eingesetzt habe. Ein weiteres Ziel meiner Überlegungen war, diesen Oldtimer so zu gestalten, dass er auch in der Ebene einsetzbar ist.

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Die früheren Hochstartmethoden schieden aus, da es kaum noch Fluggelände gibt, wie wir sie jetzt mit diesen Startmöglichkeiten nutzen könnten. Also blieb nur der E-Antrieb. Doch ein Oldtimer mit dieser Antriebsvariante? Da ich nicht darauf verzichten wollte, entwarf ich einen abnehmbaren Wechsel-Rumpfkopf; den einen wie im Plan vorgesehen und den anderen für die Elektroversion. Den E-Antrieb ergänzte später mein Vereinskamerad Wilfried Holland mit den notwendigen Komponenten für eine verlängerte Motorachse. Mittels dieser beiden Rumpfköpfe kann ich nun entscheiden, wie und was ich fliegen möchte.

Vor dem Baubeginn meines WESTMARK-ähnlichen Oldtimers überlegte ich, wie ich dieses Modell nennen könnte. Irgendetwas mit ARCHAIOS schied aus; die Übernahme der V-Form war einfach zu wenig für diesen Namen. Bei WESTMARK war das anders. Konstrukteur Runkels Namensgebung entsprang wohl dem Zeitgeist der 1940er Jahre. Er hatte sicherlich einige Modelle entworfen, darunter vielleicht auch eine WESTMARK 2 oder ein anderer Modellflieger hat eventuell diesen Namen bereits benutzt. Ich setzte daher diese imaginäre Namensreihe fort und taufte mein Modell WESTMARK III.

WM (7).jpgNach Klärung dieser Vorgaben begann ich mit dem Bau, den ich nur insoweit schildere, als meine Neuerungen und Abwandlungen eingeflossen sind. Der erste Schritt war die Herstellung einer Rumpfhelling, auf die die entsprechende Schablone zum Auffädeln der Spanten geschraubt wurde. Dieses erste Gerüst wurde dann gemäß Plan entsprechend komplettiert. Nur der Rumpfkopf musste noch hergestellt werden.

WM (27).jpgDiesen Kopf verleimte ich als Quader aus mehreren Lagen Sperrholz und durchbohrte ihn in Längsrichtung für die spätere Aufnahme der Motorwellenverlängerung. Vom Kopfspant hatte ich ein Duplikat angefertigt mit allen Bohrungen für den Motor und dessen Befestigungsschrauben sowie die Löcher für die spätere Rumpfbefestigung. Diese Bohrungen nutzte ich, um den Kopfspant am Holzklotz über 5 Gewindeschrauben zu befestigen. Weiter simulierte eine Gewindestange die spätere Position der Motorachse. Der angeschraubte Hilfs-Motorspant ermöglichte es mir nun, den Übergang vom Rumpfkopf zum Rumpf passgenau herzustellen. Nachdem der Kopf fertig war, entfernte ich den nicht mehr benötigten Spant und schraubte in die Bohrungen der 5 Gewindeschrauben etwas längere Gewindebolzen. Auf diese erfolgte später vom Rumpfinneren her die Befestigung des kompletten Rumpfkopfes mittels Muttern.

Den Bau der Leitwerke kommentiere ich nicht weiter, da er identisch mit WESTMARK 1 ist und in anderen Veröffentlichungen bereits ausführlich beschrieben wurde.
WM (55).jpgDer Tragflügelbau weicht nur im Hinblick auf die zusätzliche V-Form vom Original ab. Ich habe dazu acht weitere Rippen angefertigt, zwei für jeden Knick. In jedem dieser Bereiche baute ich Zungenkästen ein, in die später die 3 mm dicken und hochkant WM quer (57).pngstehenden Knickverbinder aus Sperrholz eingeschoben werden, um die jeweiligen Flügelteile im korrekten Winkel verkleben zu können. Nachdem die beiden Tragflügelhälften bis auf die vordere Beplankung fertig waren, musste nun dieser Bauschritt erfolgen.



WM (62).jpgBei etlichen Oldtimern hat mich an der Beplankung der Tragflügel immer gestört, dass sie in Sektionen von Rippe zu Rippe erfolgte, obwohl es sich um identische Segmente handelte. Deshalb suchte ich nach einer Lösung, die Nasenbeplankung meiner WESTMARK III in drei Stücken pro Tragflügelseite von Knick zu Knick aufzuziehen. Ich stellte dazu eine Negativform aus Styropor her, in der ich Beplankung und Rippenflügel miteinander verpressen konnte.

Das Beplanken begann zunächst mit dem Zuschneiden der sechs Beplankungsteile, bei deren Abmessungen ganz WM (61a).jpg geringfügige Zugaben vorgesehen wurden. Danach folgte das Wässern der ersten Platte des 0,4 mm dicken Sperrholzes. Hierzu benutzte ich ein an einem Ende verschlossenes Kunststoffrohr mit 100 mm Durchmesser aus dem Baumarkt. Das Rohr war lang genug, um das längste Sperrholzteil über Nacht komplett in kaltes Wasser eintauchen zu können. Nachdem das Sperrholz äußerst flexibel geworden war, konnte ich es genau dem Tragflügelbereich anpassen.









WM (64).jpgJetzt kam meine Negativform ins Spiel. Ich legte zuerst ein bis zwei Lagen stark saugendes Papier, wie es beispielsweise in Küchen benutzt wird, in die Form und danach das Beplankungsteil. Anschließend presste ich den entsprechenden Flügelbereich in die Form. War das Papier zu feucht geworden, wechselte ich es ein- bis zweimal. Am nächsten Tag nahm ich Flügel und Beplankung aus der Form und erhielt ein sehr gut der Rippenkontur entsprechend geformtes Sperrholzteil, das ich nun mit Weißleim aufbügeln konnte. Mit den restlichen fünf Beplankungssegmenten verfuhr ich ebenso.



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WM quer (73).pngErst jetzt trennte ich die beiden Tragflügelhälften an den V-Knicken und schliff die Knick-Rippen entsprechend der vorgesehenen V-Form an. Die Höhe der V-Form an den Randbögen entsprach den Vorgaben der WESTMARK 1. Nun mussten die Knick-Verbinder zunächst zur Hälfte in die Zungenkästen eingeklebt werden. Sodann steckte ich die drei Teile einer Flügelhälfte zusammen und kontrollierte alles auf
Passgenauigkeit. Dem kompletten Verleimen stand danach nichts mehr im Wege.
Abschließend wurde das Modell bespannt. Hierzu WM (74).jpgbenutzte ich das 150 cm breite Gewebe der Firma Niro Textil. Es ist sehr preiswert und lässt sich hervorragend verarbeiten. Insbesondere beim Glätten mit Föhn oder Bügeleisen schrumpft es sehr gut. Der Stoff kann ohne weitere Vorbehandlung auch lackiert werden. Ich entschied mich jedoch für den althergebrachten Spannlackauftrag.
WM quer (108).png Nachdem alle Arbeiten beendet und auch die RC-Funktionen justiert und ausprobiert worden waren, kam der Tag des Einfliegens. Am Hang herrschte ein Wind von etwa 4 Bft., genügend Auftrieb war also vorhanden. Etwas zögerlich näherte ich mich der Startstelle.
Ich habe meine und die Nase des Modells in den Wind
gehalten und mit geringem WM (118).jpgSchwung entließ ich diesen Oldtimer in sein Element. Spontan legte sich meine Nervosität, die WESTMARK III glitt dahin, als ob ich sie schon sehr lange fliegen würde. Ein ganz kurzes Nachtrimmen, später noch acht Gramm Blei temporär am Heck fixiert und ein einstündiger Thermikflug entschädigte mich für meine lange Arbeitszeit.
WM (113).jpgSpäter probierte ich in der Ebene auch den Motorantrieb aus. Auch mit dieser Unterstützung gab es überhaupt keine Probleme. Zwar ist mein Oldtimer kein Speedmodell, doch ausreichende Höhen für den Thermikanschluss gelingen immer.






Obwohl trotz des vorhandenen Fräßsatzes der zeitliche Aufwand noch sehr umfangreich war, komme ich ohne Einschränkungen zu folgendem Fazit:

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Alles hat sich mehr als gelohnt.
 
Hallo,
ein Projekt, welches nicht der Philosophie "höher, schneller, weiter" (man möchte heute ergänzen "teurer") folgt. Vielen Dank für den Bericht.
Eine Frage, welche Gewebeart wurde für die Bespannung genutzt und wie aufgebracht? Mit Spannlack als Klebelack oder anders?
Herzlichen Gruß, Stefan
 
Hallo,
das ist ein schöner Bericht., macht gleich Lust auf Selberbauen.
Die Motorlösung ist sehr interessant. Vielleicht kannst du ein
paar Details veröffentlichen.
Viel Spaß beim Fliegen, Falko.
 
Hallo Hans-Reinhard,
dein Bericht ist sehr informativ und stellt eine interessante Variante der Westmark dar. Beigefügt ein Bild vom Antikfliegen 2020 in der Rhön, wo dein Westmark neben meinem Prototyp lag.
Gruß
Christian
 

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Meine Hinweise zu folgenden Beiträgen ...

Stefan Siemens und Schreibfix immun:
Das Gewebe ist, wie im Bericht erwähnt, ein Polyestermaterial, das sich vorzüglich verarbeiten läßt. Ich habe die Ränder des zu bespannenden Teils mit Weißleim eingestrichen und diesen trocknen lassen. Nach dem Auflegen des Gewebes habe ich dieses an den mit Kleber versehenen Rändern mit einem Bügeleisen fixiert. Im Anschluß daran wurden Föhn und Bügeleisen zur Straffung benutzt. Auf das gespannte Gewebe kann anschließend nur Spannlack oder auch ohne diesen gleich Lack aufgetragen werden. Späteres Nachspannen des Gewebes mittels Bügeleisen oder Föhn funktioniert problemlos.

falco 1964:
Die Motorlösung kann einem der Fotos des Berichts entnommen werden. Hier ein weiteres.
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Auf der Motorachse befindet sich eine Art geschlitzte Buchse, die mit einer Madenschraube befestigt wird. In den Buchsenschlitz greift über einen Zapfen die Verlängerung der Motorachse ein, die ein Kardangelenk besitzt und an der Rumpfspitze durch ein Kugellager führt.

Christian Baron:
Im Bericht war zunächst das Profil HS 15 mit entsprechendem Link erwähnt; dies beruhte auf einer Fehlinformation. Der Link "https://www.aerodesign.de/profile/profile_hs.htm#hs0015"
funktioniert bei mir immer noch einwandfrei.
Inzwischen ist eine Korrektur des Textes auf das Profil HS 16 erfolgt, das unter https://www.aerodesign.de/profile/profile_hs.htm#hs0016
gefunden werden kann.
 
Hängt die Zugkraft des Propellers dann allein an dem Kugellager, bzw. dem Rumpfkopf? Die Zapfen/Buchsen Methode überträgt ja nur das Drehmoment und hält nicht den Propeller zurück.
 
Mit den Worten "Es tut beim Lesen so weh ..." moniert Leser TOBI einen meiner ergänzenden Hinweise.
Ich kann zwar dagegen keine Tablette empfehlen, hätte jedoch Ratschläge zur Hand.

DASS ich DAS/DASS nicht korrekt geschrieben habe,
DAS rührt von einem übersehenen Tippfehler her!
DASS ich der deutschen Sprache "einigermaßen" mächtig bin,
DAS bezeugt sicherlich mein Artikel.

Tut DAS(S) jetzt immer noch weh?
 
Ja so ein Oldie Segler dieser Machart ist extrem reizvoll - vor allem bleiben die wirklich bei schwächsten Bedingungen oben, mit den Mini Flächenbelastungen von << 20g/dm. TOP !!!

Die füllige Retro Optik ist eh legendär.
 
Liebevoller Bericht, der Lust auf mehr, vielleicht selber bauen, macht. Aber wie? Ein paar Angaben zu den Abmessungen, vor allem zu den Quellen für Plan und Frästeile wären hilfreich - oder eben auch, dass es das alles nicht mehr gibt und die Westmark 1 heutzutage mehr oder weniger ein Unikat bleiben wird.
 
Hallo Malmedy, wie im Bericht erwähnt, habe ich den Frässatz, der sich an den Maßen der Westmark 1 orientiert, von Dr. Christian Baron erstanden.
 

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