Hortenauslegung mit „Nurflügel“ von Frank Ranis

Hortenauslegung mit „Nurflügel“ von Frank Ranis

Uwe Heuer

(Reloadet aus Magazin-Archiv. Erstveröffentlichung: 26.08.2010)

Hortenflugzeuge polarisieren. Sie beschränken sich auf das Minimale und bestehen bis auf die für den Flugbetrieb unbedingt notwendigen Anbauteilen nur aus einem Flügel. Für viele gelten sie deshalb als das ideale Flugzeug. Andere kritisieren den hohen Leistungsverlust, die schlechte Steuerbarkeit und die extrem aufwändige Auslegungsarbeit, die man für die Schönheit in Kauf nehmen muss.
Ich beschäftige mich seit 1995 mit Hortenmodellen. Besonders in den letzten drei Jahren hat mir die Auslegung verschiedener Modelle mit dem Programm „Nurflügel“ viele neue Erkenntnisse gebracht, die es mir ermöglichten, das Handling und die Flugleistung dieses Flugzeugtyps erheblich zu verbessern.


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Ich möchte in diesem Beitrag vereinfacht und schrittweise erklären, wie man mit dem Programm „Nurflügel“ von Frank Ranis (Nachfolgend „Ranis“ genannt) ein klassisch ausgelegtes Hortenmodell entwerfen kann. Klassisch heißt hierbei, dass am Innenflügel ein „tragendes“, also gewölbtes Profil verwendet wird, am Außenflügel jedoch ein symmetrisches Profil. Die Zirkulationsverteilungskurve entspricht der Funktion sin³, das ist die berühmt berüchtigte „Hortenglocke“. Nach diesem Prinzip waren auch die manntragenden Originale ausgelegt, deshalb die Bezeichnung „klassisch“. Es gibt auch andere Profilkombinationen die gut fliegen, aber dazu gibt’s im Forum oder vielleicht später einmal an dieser Stelle mehr Informationen.
Ich möchte meine Vorgehensweise am Beispiel der Horten Xc zeigen, einem fußstartfähigen Starrflügel-Hängegleiter, der zumindest von den Gebrüder Horten nicht gebaut wurde. Es gab aber in jüngerer Zeit Nachbauversuche. Eine Zeichnung des geplanten Originals (mit kleinen Seitenleitwerken) gibt es z. B. hier: http://www.nurflugel.com/Nurflugel/Horten_Nurflugels/ho_x_piernifero/ho_x_c.jpg.

Das Modell dieses Flugzeugs ist nicht zu exotisch, denn Streckung und Zuspitzung des Flügels sind noch moderat und die Leistungen mit dem verwendeten MH 45-Strak sollten gut sein, jedenfalls relativ für die klassische Methode. Die Auslegung habe ich für einen amerikanischen Hortenfreund gemacht, der das Modell allerdings bisher noch nicht gebaut hat. Es gibt somit keine Erfahrungen, ob die Auslegung in der Praxis so gut funktioniert, wie sie in der Simulation aussieht. Da ich bei der Planung keine Experimente gemacht habe, ist das Risiko einer Fehlauslegung nahe Null. Am besten nimmt man zum Nachvollziehen dieser Anleitung einen einfachen, fiktiven Grundriss oder ein vorbildgetreues Beispiel, um die Auslegungsschritte wiederholen zu können, dann ist es nicht so trocken.

Zunächst ein paar Grundinformationen zum Programm: Frank Ranis, ein nurflügelbegeisterter Modellflieger, hat das Programm entwickelt und es dankenswerterweise als Freeware allen zur Verfügung gestellt.
Damit hat er eine Evolutionswelle bei den Nurflügeln ausgelöst. Endlich war es möglich, viele Parameter der Nurflügelauslegung schnell und relativ einfach mit Hilfe eines Programms zu berechnen. Es wird inzwischen von Herbert Stammler verwaltet und die aktuellste Version kann auf der auch sonst interessanten Nurflügelseite von http://www.Zanonia.de kostenlos heruntergeladen werden: http://www.zanonia.de/ranis.php

Obwohl es hier in der Hauptsache um die Auslegung von Hortenmodellen geht, habe ich noch ein paar Hinweise zur Auslegung von Brettnurflügeln und Wingletpfeilen ergänzt.

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Das Programm heißt "Nurflügel" und die hier gezeigte Version ist die 2.26 vom 11.07.2008. Wenn man das Programm öffnet, sieht man zunächst eine leere Benutzeroberfläche.
In der Programm-Menüzeile links oben öffnet man zunächst "Datei" und klickt beim Neuentwurf auf "Neuer Flügel". Brauchbare Zwischenstände speichert man am besten immer unter einem neuen Namen ab, andernfalls überschreiben die Veränderungen den vorherigen Stand. Wenn man fertig ist, kann man die Zwischenschritte wieder löschen. Die Dateigrößen der entstehenden *.flg-Dateien halten sich aber im Rahmen.

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Wenn man "Neuer Flügel" gewählt hat, erscheint zunächst ein ungepfeilter rechteckiger Grundflügel mit 1 m Spannweite, 0,2 m Flügeltiefe, 1 kg Gewicht und einer ebenen Platte als Profil, der nun mit den Eingabefeldern zu einem Hortenflügel umgestaltet werden soll. Zunächst erkläre ich die Eingabefelder für die Parameter der Geometrie, die durch das Vorbild oder den vorbildlosen Entwurf gegeben sind und nun in das Programm eingegeben werden müssen. Die Flügelgeometrie wird im Wesentlichen über die Pfeilung an der Nase, die Spannweite, die örtlichen Flügeltiefen mit den dort verwendeten Profilen und Verwindungswinkeln definiert. Die Eingabefelder mit den Funktionen werden anschließend erklärt. Zu Anfang muss man immer noch etwas suchen. Aber das legt sich schnell, wenn man mit der Oberfläche vertrauter ist.

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Etwa in der Mitte wird die Spannweite eingegeben, hier 3,7465 Meter. Jede Eingabe wird mit "Enter" bestätigt. Die Pfeilung wird links in der Mitte eingegeben, hier 21°. Manchmal macht das Programm kleine Rundungsabweichungen, wenn man den Flügel stark verändert. Wird für die Spannweite ein vergrößerter Wert eingegeben, ändern sich auch die Flügeltiefen, so dass die Grundrissform gleich bleibt. Am Anfang werden alle Werte symmetrisch eingegeben, also die Grundeinstellung "Eingabe" "symmetrisch" in der linken unteren Mitte nicht verändert.

Der Flügel wird von „Ranis“ als Vieleck dargestellt und berechnet. Wenn Rundungen vorhanden sind, müssen so viele Knick- bzw. Stützstellen eingegeben werden, bis die Form angenähert ist. Am besten man macht sich schon früh klar, mit welchen Rippen- oder Segmentabständen das Flugzeug gebaut werden soll und orientiert sich zum Setzen der Knickstellen an der Rippenteilung.
Die Knickstellen selbst werden eingegeben indem man links bei "Balkenposition Y" den Abstand zur Mittellinie des Flügels eingibt und „Enter“ drückt, daraufhin springt der Y-Achsenbalken in die entsprechende Position. Anschließend gibt man die Pfeilung ein (alternativ kann man auch die X-Koordinate im entsprechenden Feld rechts neben der Balkenposition eingeben). Rechts von der Pfeilung wird die Flügeltiefe der Stützstelle/Rippe eingeben. Wenn man sich dabei immer nach rechts begibt, müssen nur positive Werte eingegeben werden. Sind die Daten der Stützstelle drin, dann drückt man den Button "Knickstelle" "setzen". Somit ist die Zwischenrippe definiert und es geht zur nächsten.

Damit ist die Geometrie der Horten Xc in ihren Grundzügen mit noch wenigen Stützstellen eingegeben. Nun kommen die Profile hinzu, was bei einem Hortenentwurf relativ früh geschieht.

„Standard-Horten-Profile“ sind innen das HM50 und außen am Flügel das HM50t. Es sind aber auch andere Kombinationen mit Innenprofilen um cm025 ~ 0 und gutmütigen symmetrischen Außenprofilen möglich. Das NACA 0010 ist zum Beispiel für außen ebenso verwendbar und erprobt wie SD 8020 und S8025. Das HM50t hat für ein symmetrisches Profil einen relativ hohen Maximalauftrieb und trotz 13 % Dicke eine gute Re-Zahltoleranz. Damit ist es besonders gutmütig. Die anderen genannten Kandidaten sind dafür etwas leistungsfähiger. Innen haben sich das HM50, S5010, TL54 und das MH60 bewährt. Das hier verwendete MH45 ist auch gut geeignet.

Ganz allgemein verwendet man an Winglet-Pfeilnurflügeln Profile mit geringem negativem oder leicht positivem Nullmomentenbeiwert. Typische Vertreter für Pfeilnurflügelprofile sind z. B. MH 45, MH 64, S5010, S5020, E182, E228, HM50, PW51, PW75, PW98, Sipkill, usw. (weitere Profile mit Anwendungsempfehlungen findet man auf der Seite http://www.aerodesign.de).
Bei Brettnurflügeln verwendet man Profile mit einem Nullmomentenbeiwert von 0 oder leicht positiv für schnelle Modelle und mit stark positivem Nullmomentenbeiwert für Thermikbretter. Typische Vertreter der Brettprofile sind Phönix, EMX07, jwl065, jwl097, PW51, PW75, PW98, PW106, PW 1211, HQS....
Bei Brettern sollte wegen drohender negativer Re-Zahleinflüsse auf die Stabilisierung eine Flügelaußentiefe von ca. 150 mm nicht unterschritten und eine Streckung von 12 nicht überschritten werden.

Im nächsten Bild sind für unsere Horten bereits einige Stützstellen ergänzt, die am besten an markanten Punkten gesetzt werden wie Querruderanfang, Querrudermitte und irgendwo zwischen Flügelanschluss und Querruderanfang. Man spart sich einiges an späterer Anpassungsarbeit, wenn man die Rippenabstände für den Nachbau früh festlegt und die Stützstellen auf die späteren Rippenpositionen setzt.

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Unten in der Mitte ist das Feld für die Profileingabe und wenn man auf den Button "Profil" klickt, dann erscheint folgendes Fenster:

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Im unteren Teil des Fensters ist links das Profil aufgeführt, das derzeit an der aktuellen Knickstelle eingebaut ist. Das Profileingabefenster muss zur Profileingabe nacheinander für jede Knickstelle separat geöffnet werden. Zu Beginn ist als Profil die "ebene Platte" mit ihren Profildaten aus dem Grundflügel zu sehen. Das zweite Fenster von links gibt den Pfad zur Profildatenbank auf dem lokalen Computer an. Für das Arbeiten an Auslegungen sollte man sich eine Profildatenbank anlegen und dazu im Netz Profile im Format *.dat suchen und sammeln. Wenn man beim Öffnen des Datenbankordners zunächst ein Profil durch anklicken im 3. Fenster von links markiert, erscheint dessen Bild rechts in der Mitte und die Werte im ganz rechten Fenster. Sofern das gewählte Profil das Gewünschte ist, braucht man nur noch oben in der Mitte den Button "gewähltes Profil in Flügel einbauen" zu drücken und das Fenster schließt sich, das Profil an der Knickstelle ist damit eingegeben. Will man das Profil an der Knickstelle nicht verändern, schließt man das Fenster über den entsprechenden Windows-Button rechts oben in der Fensterecke, dann verändert sich nichts.
Bei Hortens wird normalerweise irgendein Profil-Strak für die Tragfläche verwendet. Die Strakprofile berechnet das Programm als absoluten Strak. Die Erklärung des Unterschieds zwischen relativem und absolutem Strak findet man z. B. bei Raimund Sonst: http://www.das-nurfluegelteam.de/.

Für die Ho Xc habe ich mir folgenden Strak überlegt:
Innen, an der Flügelwurzel, das MH45 in einer auf 15% aufgedickten Variante. Das dicke Innenprofil soll den Scale-Eindruck unterstützen und genügend Platz für die Einbauten bieten. Dieses dicke Innenprofil wird zugunsten der Flügelstatik sanft auf ein 11% aufgedicktes MH 45 bei etwa 1/3 der Halbspannweite gestrakt. Damit sind die in diesem Bereich besonders hohen Torsionsmomente besser in den Griff zu bekommen. Die Zwischenrippen sollten manuell eingestrakt werden, obwohl das Programm selbständig Zwischenrippen berechnet. Hat man aber vergessen, eine Profileingabe für einen Strak heraus zu nehmen, dann erhält man falsche Werte ohne es zu merken. Deshalb bitte immer von Hand durchstraken und das funktioniert so:

Innen wird, wie beschrieben, das 15 %-Profil eingefügt. An der Trennstelle folgt das 11%ige MH45. Dann geht man mit dem Trennstellen-Markierungsbalken "Balkenposition Y" auf die erste Zwischenrippe, geht in das Profileingabefenster und drückt den Button "Strak (Zwischenprofil) in den Flügel einbauen" Damit schließt sich das Fenster wieder und die Zwischenrippe ist eingerechnet.

Die klassische Hortenauslegung hat an der Flügelwurzel ein gewölbtes Profil, z. B. das HM 50 und außen das symmetrische HM50t und ist damit recht schnell unterwegs, weil die für den Auftrieb erforderliche Profilwölbung im Durchschnitt zwischen Innen-, Zwischen- und Außenprofilen relativ klein ist. Für eine gute Kurvengängigkeit braucht man die sogenannte Auftriebsentlastung, aber nur am Außenflügel. Die Horten Xc sollte als Nachbau eines fußstartfähigen Leichtsegelflugzeugs möglichst langsam unterwegs sein können, dafür muss der mögliche Gesamtauftrieb des Flügels hoch sein. Das soll hier erreicht werden, indem bis zur Mitte der Halbspannweite durchgehend das stark gewölbte MH 45 (mit abnehmender Dicke) verwendet und erst ab da mit dem Straken auf das symmetrische Außenprofil begonnen wird. Als Außenprofil wurde das SD8020 gewählt, weil seine Charakteristik ein guter Kompromiss aus Gutmütigkeit und Leistungsfähigkeit ist. Mit der relativ dicken Endfahne ist es auch noch gut baubar. Der Blick bei der aerodynamischen Konstruktion darf nämlich nicht nur auf die Leistung zielen, auch die Baubarkeit spielt eine zentrale Rolle. Dabei ist das MH45 mit seiner dünnen Endfahne für mich aber schon grenzwertig und erfordert Sorgfalt beim Bau und eine steife Endleistenkonstruktion.

Das bisher Gesagte ergibt also folgende Profile und Routine zum Eingeben:

  1. Wurzelprofil MH45-15% einbauen
  2. 1. Strakprofil MH45-11% einbauen
  3. 2. Strakprofil MH45 Original einbauen
  4. Randbogen SD8020 einbauen
  5. Straken der Zwischenprofile MH45-15% auf MH45–11%
  6. Straken der Flügelprofile MH45-11% auf MH45–Original
  7. Straken der Flügelprofile MH45–Original bis Randbogen
Beim Straken fängt man immer an der ersten Stützstelle neben einem Ausgangsprofil an und geht Stützstelle für Stützstelle in das Profileingabefenster und schließt es mit dem Button "Strak (Zwischenprofil) in den Flügel einbauen". Die Richtung von innen nach außen oder von außen nach innen ist dabei egal. Wenn man neue Stützstellen einfügt, strakt man am besten gleich wieder durch, dann wird’s auch nicht vergessen.

Das Ergebnis sieht im Moment ungefähr so aus:

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Im nächsten Schritt wird ein Fenster geöffnet, das "Zirkulationsvorgabe definieren" heißt. Man arbeitet in dem Programm mit einer Vorgabekurve und einer Ist-Kurve des bearbeiteten Flügelentwurfs zur Zirkulationsverteilung. Die Kurven sollen möglichst zur Deckung gebracht werden, indem man Flügelgrundriss, Profilierung und Schränkung verändert.
Die optimale Zirkulationsverteilung ist die sin^1-Kurve, die sagenumwobene elliptische Zirkulationsverteilung. Es wird auch gerne der Begriff Auftriebsverteilung verwendet. Das ist aber nicht so gut, weil das mit der Auftriebsbeiwertsverteilung verwechselt werden kann, was aber etwas völlig anderes ist.
Für ein Hortenmodell wird als Zirkulationsvorgabe die Horten-Glocke benutzt, um das negative Wendemoment zu bekämpfen und das ist die Funktion sin3.

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Damit die Kurven angezeigt werden, muss man bei den Buttons links in der Mitte oben, den sterbenden Regenwurm mit dem D darunter, anklicken, also das griechische Gamma (γ) mit dem D für "Definieren". Es geht das oben gezeigte Fenster auf und man tippt eine 3 ein und dann „Enter“.
Damit die Kurven überhaupt angezeigt werden, muss man den Button mit dem sterbenden Regenwurm und dem Maulwurfshügel darunter anklicken ("Gamma Maulwurfshügel") und dann für die Anzeige der gestrichelten Vorgabekurve zur durchgezogenen Ist-Kurve "Gamma V".

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Um die Zirkulationsverteilung zu modellieren, muss man zunächst einen der Auslegungswerte rechts unten definieren und fixieren. Ich habe mir im Laufe der Zeit folgende Methode aus der Erfahrung entwickelt, die für die meisten Hortenmodelle mit Streckungen zwischen 8 und 15 zufriedenstellende Ergebnisse bringt: Ich nehme ein fixes Stabilitätsmaß und einen Erfahrungswertfaktor dazu, der mir schnelles Arbeiten ermöglicht, aber außer als Eingabehilfe sonst nicht gebraucht wird. Als Stabilitätsmaß nehme ich etwa Streckung +10. Für die Ho Xc hieße das Streckung 15 + 10 = Stabilitätsmaß 25 als Vorgabe. Ich glaube aber nicht, dass man für das Flugzeug ein solches Stabilitätsmaß braucht und habe daher mit Stabilitätsmaß 24 angefangen.
Die Werte, die nicht fixiert sind, verändern sich beim Modellieren der Zirkulationsverteilung durch das Schränken. Die Kunst ist, die Soll- und die Ist-Kurve genau bei den gewünschten Auslegungswerten zur Deckung zu bringen.
Es ist auch eine dritte Methode denkbar: Man bestimmt den Schwerpunkt geometrisch (nach der Methode auf der Seite von Raimund Sonst), trägt diesen ein und fixiert ihn. Anschließend die anderen Werte durch modellieren der Kurve wie gewünscht einstellen.

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Das Modellieren ist relativ stupide und erfolgt manuell durch eingeben von Winkeln an den einzelnen Stützstellen. Ich kann da keine schnellere Methode angeben und habe nur durch Üben und Erfahrung gelernt, welche Werte ich eingeben und verändern muss, um schnell zum Ziel zu kommen. Wenn keiner schlauer ist als ich, hilft nur probieren.

Handwerklich funktioniert das Ganze so: Links unten in der Mitte ist der Eingabebereich der Cursorbalkenposition. Man bringt den Balken mit den Pfeilbuttons zunächst auf die Rippe/Stützstelle, die man ändern will. In der Mitte über der Profileingabe ist die Winkeleingabe "Verwindung (Grad)". Hier gibt man den gewünschten Winkel ein und drückt "Enter". Ich mache es meist so, dass ich die Wurzelrippe auf 0° lasse und alle anderen Rippen darauf bezogen drehe. Damit bei unseren rückgepfeilten Nuris beim Schränken von der Drehrichtung her die Endleiste angehoben wird, muss man einen negativen Winkelwert eingeben. Auf dem Bild oben ist z. B. die Endrippe um -12° gedreht. Die inneren Stützstellen sind auch schon gedreht, denn Soll- und Ist-Kurve liegen schon recht nah beieinander. Man fängt mit wenigen Stützstellen an, vielleicht 5-6 je Halbspannweite, die innen weiter und außen enger gesetzt werden. Am besten man setzt die Stützstellen gleich auf die späteren Rippenpositionen und Ruderenden. Der ca-Wert im Beispiel liegt bei 0,505, das wäre auch schon im grünen Bereich für einen thermikorientierten Allround-Segler.

Als Anhaltspunkt, welchen ca-Wert man anstreben sollte, gelten folgende Vorschläge:
  • Speedmodelle: ca 0,10 – 0,25. Die Ruder sollten bei der geplanten Topspeed im Strak liegen, für Langsamflug und Landung muss stark gezogen werden. Dabei ist zu beachten, dass die meisten Profile nur Klappenausschläge bis etwa 15° verkraften, darüber ist die Gefahr des Strömungsabrisses sehr groß. Bei Hortenmodellen ist dafür etwa 4° Verwindung üblich.
  • Schneller Allrounder: ca 0,35-0,45. Damit müssen die Ruder zum normalen Rumfliegen etwas hochgestellt werden, dafür hat man beim schnellen Fliegen mit Rudern im Strak geringe Profilwiderstände. Übliche Verwindung bei Hortens etwa 6°-8°.
  • Normaler Allrounder: ca 0,4-0,5. Passende Verwindung etwa 8°-10°
  • Thermiklastiger Allrounder: ca 0,5-0,6. Beim langsamen Geradeausflug hat man die Ruder im Strak und beim Fliegen im Thermikkreis muss nur wenig gezogen werden. Damit fliegt man meist in der Nähe der optimalen Zirkulationsverteilung. Im Schnellflug müssen die Ruder allerdings nach unten gefahren werden. Das Profil wird damit aufgewölbt und bremst. 13° Verwindung ist dafür durchaus üblich.
  • Reiner Thermiksegler: ca 0,6-0,7. Man muss im Thermikkreis nicht ziehen und fliegt mit der optimalen Zirkulationsverteilung. Bei allen anderen Flugzuständen ist jedoch die Handbremse angezogen, diese 1-Punkt-Auslegung ist für ferngesteuerte Flugmodelle nicht zu empfehlen. Verwindung etwa ab 13°.
Jetzt gilt es, fleißig Rippen zu drehen, um die gestrichelte und die durchgezogene Kurve möglichst zur Deckung zu bringen. Wenn die Kurven sehr nah beieinander liegen und keine Verbesserung mehr zu erreichen ist, sollten Stützstellen hinzugefügt werden, dann wird es wieder leichter.
Das Ranis strakt die Zwischenrippen übrigens automatisch. Solange die Grundprofilierung nicht geändert wird, braucht man nicht mehr in die Profileingabe zu gehen.

Bevor alle Rippen drin sind, kommen wir zum interessantesten Thema von Hortens im Ranis, die Ruder müssen rein, um das negative Wendemoment zu überprüfen. Diese Simulation bestimmt letztlich das Stabilitätsmaß, das, bei optimaler Hortenglocke, zum Schluss über die Schwerpunktrücklage eingestellt werden soll und bei dem das Programm leider schrecklich ungenau ist.

Die Eingabe erfolgt über die Buttons links unten.

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Über die Pfeilbuttons wird der Cursorbalken zwischen die zwei Stützstellen bewegt, zwischen denen ein Stück Ruder eingebaut werden soll. Dann wird der Button "setzen" gedrückt und schon ist je ein Ruderstück mit vordefinierter Tiefe von 25% in jede Flächenhälfte eingefügt. Die Rudertiefe wird entsprechend der gewünschten Geometrie in % an der Stützstelle links und rechts eingegeben.

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Um die Ruder getrennt ausschlagen zu lassen, muss ihnen eine Gruppe zugeordnet werden. Dafür ist der Button "Gruppe" da. Aber damit die Ruder von linker und rechter Fläche getrennt ausschlagen, ist vorher im Feld oberhalb der Rudereingabebuttons die "Eingabe" auf "asymmetrisch" umzustellen. Bitte nicht vergessen, nach der Rudergruppenzuordnung wieder auf "symmetrisch" zurück zu stellen, sonst sind später neu eingegebene Stützstellen nur auf einer Flügelseite vorhanden.
Im Feld "Gruppe" entspricht eine eingegebene Zahl einer Farbe und definiert die Rudergruppe. Alle Ruderabschnitte mit gleicher Farbe schlagen mit dem gleichen Wert aus.
Mit dem kleinen Button "w" sieht man, welche Zahl welche Farbe bedeutet, damit man geschmacklich passend auswählen kann.
Wenn die Ruder eingegeben sind, sollte das so ähnlich aussehen:

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Jetzt werden Ruderausschläge simuliert, um das negative Wendemoment auszuloten. Ich nehme immer symmetrische Querruderausschläge von +/- 2°, wobei der negative Wert einen Ausschlag nach oben bedeutet. Jetzt kommt noch der Button dazu, der die Wenderichtungen angibt. Er ist links im oberen Buttonfeld und zeigt einen gerundeten Pfeil. Diesen Button drücken.

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Jetzt müsste so eine Anzeige kommen, die Pfeile geben Roll- und Gierrichtung an. Die Richtungen sollten dem Sinn nach dem simulierten Ruderausschlag entsprechen.

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Hier verwende ich eine Methode aus meiner Erfahrung. Leider weiß ich nicht, wie das andere machen. Ich verringere den Wert für das Stabilitätsmaß in 1%-Schritten bis der Pfeil für das Gieren verschwindet bzw. gerade in die falsche Richtung zeigt. Dies sollte eigentlich das minimal fliegbare Stabilitätsmaß sein. Die Auslegungswerte und die Hortenglocke sollten bei diesem Stabilitätsmaß = Schwerpunktlage die gewünschten Parameter zeigen. Leider ist hier das „Ranis“ viel zu optimistisch und ungenau!
Die tatsächlich fliegbaren minimalen Stabilitätsmaße liegen bei kleinen Streckungen bis 12 etwa 3% im Stabilitätsmaß höher, bei größeren Streckungen über 12 dann 4%-6%-Punkte des Stabilitätsmaßes. Diese Werte müssen zum Stabilitätsmaß der Giermomentumkehr absolut dazugezählt werden. Verschwindet der Gierpfeil beispielsweise bei 15% Stabilitätsmaß, sollte die Glocke bei kleiner Streckung auf 18% Stabilitätsmaß eingestellt werden. Zuspitzung, Optimalität der Hortenglocke, Profildicke und vor allem Querruderform und Querruderlänge beeinflussen das Ergebnis. Bei dicken Profilen über 10%-12% wird die Sache auch viskositätsbedingt nicht mehr zuverlässig mit dem „Ranis“ berechenbar.
Für die Ho Xc verschwindet der Gierpfeil bei 17% Stabilitätsmaß.

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Jetzt geht es eigentlich ganz schnell dem Ende zu, zumindest bei meiner Anleitung. Aufgrund der günstigerweise kurzen und tiefen Querruder und der ungünstigerweise großen Streckung von 15 bei der Ho Xc habe ich angenommene 4% Stabilitätsmaß zu den 17 hinzugerechnet. Für die sich dann ergebenden 21% Stabilitätsmaß habe ich versucht, die Hortenglocke zu optimieren, was aber nicht gelang. Das kommt bei höherer Zuspitzung und hohem notwenigen Stabilitätsmaß öfter mal vor. Es gibt bei dieser Flügelgeometrie einfach keine saubere mathematische Funktion für eine optimale Glocke. Wenn man das Auslegungs-ca verkleinert, wird es zwar einfacher, aber es ist dann auch nicht mehr fliegbar, weil die Ruder zu stark hoch gestellt werden müssen. Ich optimiere dann für den größten möglichen Wert und das Modell fliegt dann halt etwas überglockig. Bei der Optimierung werden alle einzubauenden Flügelrippen als Stützstellen eingefügt und so die Soll- und Ist-Kurven möglichst gut zur Deckung gebracht.
Kurze Querruder wirken sich günstig auf das negative Wendemoment aus. Allerdings sollte man das nicht übertreiben, weil für den Langsamflug dann sehr große Höhenruderausschläge notwendig sind. Diese können das Profil überlasten und der fliegbare Anstellwinkel wird zu klein. Besonders bei kleinen Auslegungs-ca sollte man besser längere Quer-/Höhenruder vorsehen, andernfalls ist der Abriss im Landeanflug programmiert. Wenn eine große Schränkung für ein hohes ca z. B. bei einem reinen Thermiksegler vorgesehen ist, dann genügen kürzere Quer-/Höhenruder, das notwendige Stabilitätsmaß wird kleiner und die Leistung nimmt zu. Wegen der Roll-Gier-Kopplung sind längere Querruder besonders bei Allroundern auch für das Handling meist besser.
Wenn man sich an die Ruderlängen der Originale unter Berücksichtigung des Einsatzzwecks hält, liegt man meist richtig. Ich verwende gerne Mehrklappenflügel mit speziellen Rudermischungen. Das zu erklären führt aber hier zu weit und für das Forum soll schließlich auch noch genug Diskussionsstoff übrig bleiben.

Für die Beispiel-Horten Xc war die Optimierung für ein ca von über 0,5 für Thermikflug bei 19% Stabilitätsmaß einzustellen, das sah dann mit allen Rippen so aus:

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Fliegen sollte das Modell bei 2 % Stabilitätsmaß und da ist die Kurve leicht „überglockig“.
Für die Erstflüge sollte der Schwerpunkt aber noch ein paar Millimeter weiter nach vorne, um eventuell unbemerkte Baufehler, wie ungenaue Pfeilung oder Schränkung, auszugleichen. Eine kopflastige Horten hat schlechte Leistungen, ist aber mit Hochtrimmung fliegbar. Eine schwanzlastige Horten macht was sie will, bis hin zur Unfliegbarkeit.

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Das „Ranis“ bietet über den (alten) Eppler-Code die Möglichkeit, die Leistungswerte des Entwurfs zu berechnen. Neben der Sollkurve der Zirkulationsverteilung ist das eine weitere Möglichkeit, die Qualität des Flügelentwurfs einzuschätzen. Die ausgegeben Werte sind reibungsfrei gerechnet und deshalb deutlich zu optimistisch für das reale Flugzeug. Sie bieten aber eine gute Möglichkeit, den Entwurf zu optimieren.

Und so bekommt man die Daten:
Auf dem Eingabefeld in der Ranisoberfläche befinden sich hierfür rechts neben der Mitte drei wichtige Felder:

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Zunächst das Feld mit der Wirbelzahl. Das Ranis arbeitet mit einem Traglinienverfahren, bei dem der Flügel, wie durch einen Kamm betrachtet, in Linien unterteilt wird, die durch das Verfahren untersucht werden. Die Wirbelzahl gibt die Anzahl der Unterteilungen an, je mehr, umso genauer. Da mit den heutigen Computern die Rechenzeit auch bei der höchsten Auflösung mit 127 Wirbeln nur gering ist, sollte man normalerweise diese 127 einstellen. Bei Brettern nehme ich meist 63, weil die Schwerpunktlage sonst nicht korrekt berechnet wird.

Als nächstes ist das Feld "Profilwiderstand" wichtig. Ich mache hier mein Häkchen immer bei "mit Blasenberechnung", denn wenn Ablöseblasen schon berücksichtigt werden, brauche ich den Entwurf nicht schönzurechnen.

Jetzt kommt die wichtige Aktion im zweiten wichtigen Feld "Profilwiderstand":
Jedes Mal, wenn der Entwurf auf seine Leistungsfähigkeit hin überprüft werden soll, ist der Button "manuell" unter "Profilwiderstand" zu drücken. Dann läuft eine Rechenroutine ab und das Programm benutzt das Eppler-Profilberechnungsverfahren, um die Grunddaten des Flügelentwurfs zu berechnen.
Wenn jetzt der Button "berechnete Werte" als drittes wichtiges Feld gedrückt wird, geht ein neues Fenster auf, in dem in der rechten Spalte allerhand Werte zum Flügelentwurf standardmäßig aufgeführt sind. Wichtig sind hierbei Streckung, Flächenbelastung, die aerodynamischen Bezugspunkte, Widerstandsbeiwerte, Flügelgüte(!) usw.

Nicht standardmäßig sind die Auswahlpunkte der linken Spalte aufgeführt.
Um die Leistungswerte abzufragen, ist in der linken Spalte das Häkchen ganz unten bei "berechnet Flügelpolare" zu setzen. Damit werden die Werte der rechten Spalte um die mit dem Eppler-Verfahren berechneten Leistungswerte ergänzt.
Diese Werte sind zwar viel zu optimistisch, sie sind dennoch sehr hilfreich, weil z. B. bei der Berechnung der Flügelgüte nicht die komplette Eppler-Routine durchläuft. Damit kann eine vermeintlich schlechtere Flügelgüte bessere Leistungswerte sowohl in der Berechnung als auch in der Praxis erbringen, weil die Flügelgüte nicht genau genug ermittelt wird. Das gilt vor allem für dickere Profile > 10%. Bei Profilen > 12% sind alle Werte mit Vorsicht zu genießen.

Hier die Werte aus dem „Ranis“ für die Horten Xc

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Mit dieser Anleitung sollte man in der Lage sein, eine flugfähige Horten im „Ranis“ zu entwerfen.
Der Bau wartet allerdings noch mit ein paar heftigen Tücken auf. Zum Beispiel durch die nicht lineare Verwindung wird die Ruderachse nicht automatisch eine Gerade, wie bei einer linearen Verwindung. Man muss die Verwindungswinkel durch drehen der Rippen um die Ruderachse einbauen, um aus dem Ruder keinen „Knackfrosch“ zu machen.
Beim Drehen bewegt sich zwangsläufig die Rippennase nach unten und es entsteht oft ein unschöner Nasenleistenverlauf, der über die V-Form korrigiert werden kann.
Die V-Form für Hortenmodelle kann nicht allgemeingültig angegeben werden. Sie liegt zwischen 1° und 5° je Seite. Für diese Festlegung ist Erfahrung notwendig, denn das „Ranis“ berücksichtigt die V-Form gar nicht und mit den Ergebnissen anderer Simulationsprogramme war ich bisher nicht zufrieden.

Für alles, was ich vergessen habe, entschuldige ich mich hier, aber es lässt sich z. B. im Forum von RC-Network.de erfragen. Diese Kurzanleitung kann und soll keine Fachliteratur ersetzen, weil vieles stark vereinfacht wurde. Wer selbst eine Horten auslegen will, sollte wegen der vielen Details, die den Rahmen dieser Anleitung sprengen würden, den Entwurf im oben erwähnten Forum zur Diskussion stellen. Wer glaubt, eine schöne Glocke nach dieser Anleitung ergibt automatisch ein gut fliegendes Modell, der irrt, ebenso wie ich früher oft irrte. Die sin3-Glocke ist nur ein Erfahrungskompromiss zwischen Flugleistung und Handling. Eine Horten stabilisiert aber mit Pfeilung und Schwerpunktvorlage. Alles, was an den berechneten Flügel angebaut wird, beeinflusst die Fliegbarkeit. Also wenn die nach dieser Anleitung entworfene Horten wie ein welkes Blatt vom Himmel fällt, halt’ ich es mit Homer Simpson: "...ich nicht, der da ist schuld!"

RC-Network-Erstveröffentlichung 26.08.2010
 

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