Reynolds Problem
Reynolds Problem
Hallo zusammen,
ein paar Sätze noch zu dem Szenario des einseitigen Motorausfalls.
Die Comet ist wegen ihrer sich stark vergüngenden Flügeloutline naturgegeben ein riskanter Flugzeugtyp. Im Vergleich mit dem Original kommt bei einem Modell erschwerend das sog. Reynolds-Problem, auch als Scale-Effekt o.ä. bezeichnet, dazu. Jeder engagierte Flugmodellbauer hat schon davon gehört oder gelesen!
Kurz gesagt liegt das Problem darin, dass eine flüssige oder gasförmige Strömung Objektoberflächen umso schlechter folgen kann,
a) je kleiner sie sind und
b) je langsamer sie umströmt werden.
So beträgt bei der Original-Comet die Flügeltiefe an der Stelle, an der die Queruder (außen) enden, immerhin noch 68 cm. Unserem Modell im Maßstab 1:5 bleiben folglich traurige 13,5 cm! Desweiteren leistet die Stömungsgeschwindigkeit ihren Beitrag zu unserem Re-Problem. Unser Modell fliegt eben 5x langsamer. Allein bezüglich der beiden der Vollständigkeit halber noch zu erwähnenden Einflussgrößen Luftdichte und kinematische Viskosität nehmen sich Original und Modell nichts, denn sie fliegen ja durch die gleiche Luft. Der sog. Re-Faktor errechnet sich näherungsweise übrigens zu 68459 x Fluggeschwindigkeit x Tiefe der betreff. Flügelsektion.
Als würde das noch nicht reichen spielt auch der Effekt der Induktion noch gegen die Auftriebsstärke der ohnehin schon schmalen Flügelenden. Sie sorgt dort für eine weitere Verminderung des Auftriebs. Eigentlich muss man sich wundern, dass diese Kiste überhaupt fliegt...
Es gibt aber Maßnahmen, die Modellbauer anwenden, um das Reynolds-Problem wenigstens ein bisschen zu entschärfen. Erstens klappt das mit der Luftströmung besser, wenn sie nicht allzu glatten Oberflächen zu folgen braucht; man setzt z.B. Turbulatoren auf die Bereiche der Tragflächensektionen (hinter der dicksten Stelle), an denen die Krümmungsstetigkeit am geringsten ist, sich der Oberflächenverlauf also "schnell" ändert oder man bespannt den Flügel mit Gewebe. Zweitens kann man die EWD herabsetzen, je näher man der Flügelspitze kommt; die bekannte geometrische Verwindung (landläufig Strak genannt). All das erfolgt mit dem Ziel, die Strömung zu längerem Anliegen zu zwingen, denn nur dann kann der Flügel Auftrieb erzeugen und - ganz wichtig - können die Querruder wirken.
Weshalb diese Story hier? Nachzulesen übrigens in M. Simmons: Model Aircraft Aerodynamics, sehr empfehlenswert .
Was passiert theoretisch (und auch praktisch) in dem Moment, in dem einer der beiden Motoren ausfällt?
Das Modell erfährt schlagartig ein Moment um die Hochachse. Dem folgen in Sekundenbruchteilen Momente um die anderen Achsen. In Summe führt das zu einer abrupten Veränderung der Richtung der die Tragfäche anströmenden Luft. Besonders die dünnen Außenflügel mögen das aus den erwähnten Gründen gar nicht; die eben noch anliegende, auftrieberzeugende Strömung verabschiedet sich nun plötzlich. Dummerweise passiert das genau da, wo die Querruder sitzen, mit denen wir das Malheur am Knüppel gerne kompensieren würden. Nur - sie wirken eben nicht mehr.
Man kann jetzt trefflich diskutieren, ob ein vergrößertes Seitenruder Abhilfe schaffen könnte. Persönlich schätze ich, nicht wirklich, da wir dem Motorabsteller mit unserer Ausgleichsreaktion am Seitenruder(!)-Knüppel vermutlich erst zu spät werden folgen können. Für die Fälle, in denen das Modell allerdings noch eine große Flughöhe hat, könnte es nach dem Strömungsabriss und dem glücklichen Wiederherstellen des stabilen Flugzustandes durchaus gelingen, das Moment um die Hochachse per Seitenruder zu kompensieren.
Meine Idee war, auf diese Maßnahme zugunsten der Scaleoptik zu verzichten. Stattdessen hoffe ich mit der konstruktiven Verlängerung der Querruder nach innen etwas mehr "Regelbarkeit" - insbesondere in den Flugzuständen sich abrupt verringernder Fluggeschwindigkeit oder Anstellwinkel - bewahren zu können. Ich denke, die längeren und Dank der sich erhöhenden Flächentiefe in Richtung Rumpf auch breiteren Querruder sind für den Scalemodellbauer gerade noch akzeptabel. Wie bei kurzflügeligen Jets haben sie aber ihre Wirkung.
Die etwas zu niedrige Rotationsgeschwindigkeit beim Start (Erstflug) meiner Comet, und die dann folgende erfolgreiche, hektische Knüppelei am Querruder haben belegt, dass ich mit der Entscheidung zumindest nicht falsch lag .
Viele Grüße,
Christoph.
Reynolds Problem
Hallo zusammen,
ein paar Sätze noch zu dem Szenario des einseitigen Motorausfalls.
Die Comet ist wegen ihrer sich stark vergüngenden Flügeloutline naturgegeben ein riskanter Flugzeugtyp. Im Vergleich mit dem Original kommt bei einem Modell erschwerend das sog. Reynolds-Problem, auch als Scale-Effekt o.ä. bezeichnet, dazu. Jeder engagierte Flugmodellbauer hat schon davon gehört oder gelesen!
Kurz gesagt liegt das Problem darin, dass eine flüssige oder gasförmige Strömung Objektoberflächen umso schlechter folgen kann,
a) je kleiner sie sind und
b) je langsamer sie umströmt werden.
So beträgt bei der Original-Comet die Flügeltiefe an der Stelle, an der die Queruder (außen) enden, immerhin noch 68 cm. Unserem Modell im Maßstab 1:5 bleiben folglich traurige 13,5 cm! Desweiteren leistet die Stömungsgeschwindigkeit ihren Beitrag zu unserem Re-Problem. Unser Modell fliegt eben 5x langsamer. Allein bezüglich der beiden der Vollständigkeit halber noch zu erwähnenden Einflussgrößen Luftdichte und kinematische Viskosität nehmen sich Original und Modell nichts, denn sie fliegen ja durch die gleiche Luft. Der sog. Re-Faktor errechnet sich näherungsweise übrigens zu 68459 x Fluggeschwindigkeit x Tiefe der betreff. Flügelsektion.
Als würde das noch nicht reichen spielt auch der Effekt der Induktion noch gegen die Auftriebsstärke der ohnehin schon schmalen Flügelenden. Sie sorgt dort für eine weitere Verminderung des Auftriebs. Eigentlich muss man sich wundern, dass diese Kiste überhaupt fliegt...
Es gibt aber Maßnahmen, die Modellbauer anwenden, um das Reynolds-Problem wenigstens ein bisschen zu entschärfen. Erstens klappt das mit der Luftströmung besser, wenn sie nicht allzu glatten Oberflächen zu folgen braucht; man setzt z.B. Turbulatoren auf die Bereiche der Tragflächensektionen (hinter der dicksten Stelle), an denen die Krümmungsstetigkeit am geringsten ist, sich der Oberflächenverlauf also "schnell" ändert oder man bespannt den Flügel mit Gewebe. Zweitens kann man die EWD herabsetzen, je näher man der Flügelspitze kommt; die bekannte geometrische Verwindung (landläufig Strak genannt). All das erfolgt mit dem Ziel, die Strömung zu längerem Anliegen zu zwingen, denn nur dann kann der Flügel Auftrieb erzeugen und - ganz wichtig - können die Querruder wirken.
Weshalb diese Story hier? Nachzulesen übrigens in M. Simmons: Model Aircraft Aerodynamics, sehr empfehlenswert .
Was passiert theoretisch (und auch praktisch) in dem Moment, in dem einer der beiden Motoren ausfällt?
Das Modell erfährt schlagartig ein Moment um die Hochachse. Dem folgen in Sekundenbruchteilen Momente um die anderen Achsen. In Summe führt das zu einer abrupten Veränderung der Richtung der die Tragfäche anströmenden Luft. Besonders die dünnen Außenflügel mögen das aus den erwähnten Gründen gar nicht; die eben noch anliegende, auftrieberzeugende Strömung verabschiedet sich nun plötzlich. Dummerweise passiert das genau da, wo die Querruder sitzen, mit denen wir das Malheur am Knüppel gerne kompensieren würden. Nur - sie wirken eben nicht mehr.
Man kann jetzt trefflich diskutieren, ob ein vergrößertes Seitenruder Abhilfe schaffen könnte. Persönlich schätze ich, nicht wirklich, da wir dem Motorabsteller mit unserer Ausgleichsreaktion am Seitenruder(!)-Knüppel vermutlich erst zu spät werden folgen können. Für die Fälle, in denen das Modell allerdings noch eine große Flughöhe hat, könnte es nach dem Strömungsabriss und dem glücklichen Wiederherstellen des stabilen Flugzustandes durchaus gelingen, das Moment um die Hochachse per Seitenruder zu kompensieren.
Meine Idee war, auf diese Maßnahme zugunsten der Scaleoptik zu verzichten. Stattdessen hoffe ich mit der konstruktiven Verlängerung der Querruder nach innen etwas mehr "Regelbarkeit" - insbesondere in den Flugzuständen sich abrupt verringernder Fluggeschwindigkeit oder Anstellwinkel - bewahren zu können. Ich denke, die längeren und Dank der sich erhöhenden Flächentiefe in Richtung Rumpf auch breiteren Querruder sind für den Scalemodellbauer gerade noch akzeptabel. Wie bei kurzflügeligen Jets haben sie aber ihre Wirkung.
Die etwas zu niedrige Rotationsgeschwindigkeit beim Start (Erstflug) meiner Comet, und die dann folgende erfolgreiche, hektische Knüppelei am Querruder haben belegt, dass ich mit der Entscheidung zumindest nicht falsch lag .
Viele Grüße,
Christoph.