Moin zusammen!
Nachdem es hier einen etwas "abenteuerlichen" Vorschlag zur Reparatur der Flügelschale eines Turbinenjets gab, wollte ich nochmal eine andere Möglichkeit vorschlagen.
Aber erstmal was Grundsätzliches: Ein fachgerecht repariertes Bauteil sollte in der Lage sein, die gleichen Lasten zu ertragen wie im Urzustand. Und das funktioniert am besten, wenn man zusieht, bei der Reparatur die Originalstruktur wieder herzustellen. Positiver Nebeneffekt: Das reparierte Teil ist anschließend nicht oder nur unmerklich schwerer als vorher.
Der Trick bei faserverstärkten Kunststoffen (FVK) ist die Faserverstärkung, wer hätte das gedacht. Die Fasern verleihen dem Bauteil eine hohe Festigkeit und Steifigkeit in Faserrichtung, die der Kunststoff alleine niemals hätte. Zwischen der Festigkeit des Kunststoffes (meist Epoxidharz) und dem faserverstärkten Kunststoff liegen Faktoren von 10 bis 20, je nach Belastungsrichtung
Nur um mal ein Beispiel zu nennen: Die Zugfestigkeit von reinem Epoxidharz beträgt etwa 60 N/mm², die Festigkeit von unidirektionalem CfK beträgt etwa 700 N/mm² (in Faserrichtung) und 50 N/mm² quer zur Faserrichtung. Bei der maximalen Schubspannung ist das Verhältnis 150 N/mm² bei CfK mit einer Faserorientierung von +/-45° zu 7 N/mm² für Klebeharz (zugelassene Werte aus dem Segelflugzeugbau).
Hier merkt man auch schon, dass die Faserorientierung im Bauteil eine nicht unerhebliche Auswirkung auf die Festigkeit hat. Da die Belastung an einem Flügel oder einem Rumpf nicht ausschließlich in eine Richtung erfolgt, müssen für die Hauptbelastungsrichtungen Fasern vorhanden sein: Ein unidirektionaler Faseranteil für die Biegebelastung (Holmgurte im Flügel oder Stringer im Rumpf) und ein diagonaler Faseranteil für die Torsions- und Querkraftbelastung.
Ist das Teil kaputt und soll repariert werden, müssen an der Bruchstelle wieder genauso viele Fasern hin, wie auch vorher da waren. Und zwar möglichst mit der selben Faserorientierung wie vorher.
Bekannt für die Reparatur, insbesondere von durchgebrochenen Rümpfen, ist die "Blätzli-Technik". Dabei werden kleine Gewebestücke ("Blätzlis") auf die angeschliffene Bruchstelle aufgelegt, in der Hoffnung, dass schon die richtige Faserrichtung dabei sein wird. Was dabei herauskommt, ist dann aber eher ein Faseraufbau, der mit der ursprünglichen Struktur nicht mehr viel zu tun haben muss.
Warum also nicht nachschauen, wie die Fasern vorher lagen und an der Reparaturstelle den gleichen Faseraufbau wählen? Bei GfK ist es nicht schwer, den Lagenaufbau zu bestimmen, wenn man ein einzelnes kleines Bruchstück hat, aus dem man einfach das Harz herausbrennt (bitte nicht im Wohnzimmer machen). Übrig bleiben dann die einzelnen Gewebelagen, an denen man auch ganz leicht die enthaltenen Faserrichtungen erkennen kann. Bei CfK oder Kevlar geht das nicht so einfach, aber auch da kann man am Schliffbild die Faserrichtungen erkennen.
A propos Schliffbild: Die Ränder der beiden zu verbindenden Bruchstücke werden zur Bruchkannte hin ausgeschliffen/ausgeschäftet. Das Schäftverhältnis sollte bei GfK-Gewebe etwa 1:40, bei CfK-Gewebe etwa 1:50, bei UD-GfK 1:60 und bei UD-CfK 1:100 betragen. Als Faustformel kann man annehmen, dass die Laminatdicke bei GfK etwa dem Flächengewicht des Gewebes in Mikrometer entspricht. Also eine 100 g GfK-Lage hat eine Dicke von 1/10 mm und die Schäftlänge wäre dann 4 mm pro Lage. Aus purer Angst im Zweifelsfall lieber etwas mehr als zu wenig.
Sind beide Bruchstücke ausgeschäftet und gegeneinander fixiert, werden mit der entsprechenden Überlappung die einzelnen Gewebelagen aufgelegt und nach dem Aushärten an den Rändern verschliffen. Bei nur einer einzigen Lage wird es natürlich nichts mit dem Schäften, hier muss man einfach mit dem Schäftverhältnis überlappen. Über das Schäftverhältnis ist sichergestellt, dass auf der Länge der Überlappung sämtliche Kräfte von der ursprünglichen Lage auf die Reparaturlage übertragen werden und somit die Reparaturstelle imstande ist, die selben Kräfte auszuhalten. Da kein zusätzliches Material hinzugekommen ist, ist eine solche Reparaturstelle auch nicht schwerer als vorher. Außerdem gibt es an einer solchen Stelle keinen Steifigkeitssprung, da ja alle Fasern wieder da sind, wo sie hingehören: Nicht mehr und nicht weniger. Steifigkeitssprünge sind schlecht für die Dauerfestigkeit, aber ob ein Modell nicht sowieso vorher eines gewaltsamen Todes stirbt, als dass das Thema Dauerfestigkeit von Belang ist, will ich mal dahin stellen.
Das heißt, ein wenig Mehrgewicht kommt hinzu, da die Reparaturstelle meist noch gespachtelt werden muss. Das ist ein prima Anwendungsfall für Spachtelmasse, z.B. Polyesterspachtel oder bei größeren Unebenheiten auch Microballons.
Wenn man sich mal vorstellt, wie eine solche Reparaturstelle nachher aussieht, sollte eigentlich klar sein, dass das was ganz anderes ist, als wenn man die Bruchstücke stumpf voreinander klebt, mit Yoghurtbechern schient oder auf noch ausgefallenere Ideen kommt. Auch Kugeln unterscheiden sich nicht nur äußerlich von Fasern, egal ob es sich um Hohlglaskugeln (Microballons) oder andere Wundermittel handelt. Nur nochmal zur Erinnerung: Zwischen der Festigkeit von reinem Harz und faserverstärktem Harz liegt locker der Faktor 10
Je wertvoller die Modelle sind, je schneller sie fliegen oder je schwerer sie sind, sollte man doch vielleicht diese Möglichkeit einfach mal in Betracht ziehen, im Falle eines Falles die Trümmer wieder zusammen zu bringen.
Oder würde ernsthaft jemand auf die Idee kommen, Stahlbeton, bei dem es die Stahlarmierung zerrissen hat, einfach mit Gips zusammenzubeppen und zu behaupten, dass das genausoviel hält wie vorher?
Gruß Christian