Go Ahead - GA 250 - Weird Bird: Evolution eines Flügels

Hier sehen wir dreimal denselben Flügel:

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Go Ahead (Abfluggewicht 280g)

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GA 250 (Abfluggewicht 250g)

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Weird Bird (Abfluggewicht 208g)

In diesem Beitrag geht es um die Anpassung eines bestehenden Konzepts an geänderte Rahmenbedingungen, konkret die Beseitigung von ca. 40g Übergewicht, um die Halbpfund-Grenze einzuhalten, und in letzter Konsequenz die Optimierung “alles was geht“.
 
Vom Go Ahead zum GA 250

Den Go Ahead habe ich hier schon ausführlich vorgestellt. Zum Zeitpunkt seiner Entstehung gab es noch keine 250g Grenze, und die Zelle wog ohne Akku etwa 240g. Das hat den Flugeigenschaften nicht geschadet, und für 400 Flüge war alles im Lack.

Dann kam die Neuzeit, und über Nacht war der Go Ahead ohne Kennzeichnung illegal.
Den in der Hangarecke verschimmeln zu lassen, wäre sehr schade gewesen, denn die Flugeigenschaften sind ohne Fehl und Tadel. Also war der Plan, die überschüssigen Grämner wegzumodifizieren, damit dieses Charaktertier wieder im aktiven Hangar mitfliegt.

(Natürlich könnte man auch die e-ID draufkleben. Aber weil er so knapp drüber war, war die Rückkehr zur sub-250 Anarchie durchaus realistisch.)

Als Gewichtstreiber des ursprünglichen Modells wurden drei Baustellen identifiziert:
1. Das Folienfinish
2. Die drei 9g-Servos
3. Der 30g Motor

Angefangen habe ich bei Punkt 1. Die Tatsache, dass mir der Vogel inzwischen buchstäblich zu bunt geworden war, führte zu folgender Maßnahme:
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Nachdem das Plastikzeug weg war, bekam die Balsa-Oberfläche zwei schichten Clou Schnellschleifgrund, die mit 1000er Körnung geschliffen wurden. Danach sah das Ding so aus:
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Im zweiten Schritt wurden die Servos für HR und SR durch 4,3g Exemplare ersetzt und deren Anlenkungen von 2mm Stahldraht auf 0,8mm Bowdenzüge geändert:
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Das QR Servo samt Anlenkung habe ich erstmal unangetastet gelassen, und stattdessen einen 3S450mAh Akku reingelegt und Alles auf die Waage gestellt:


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Siehste, Punktlandung.

Somit konnte der Antriebsstrang (siehe Punkt 3) drin bleiben und hat erwartungsgemäß mit dem um 36g leichteren Modell buchstäblich leichtes Spiel. Immerhin sind mehr als 19% Gewicht weg.

Wie immer ist das leichtere Modell auch das bessere. Bei unveränderten Flugeigenschaften ist die zur Verfügung stehende Leistung noch satter und die Landegeschwindigkeit noch etwas geringer als vorher.

Die Anpassung an die Neuzeit ist also mit relativ wenig Aufwand gelungen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vom GA 250 zum Weird Bird

Nach einigen Flügen brachte das kollabierte QR-Poti im Sender den GA 250 zum Einschlag. Die Fläche war praktisch unbeschädigt, aber das Rumpfvorderteil hat es schwer erwischt.

Der Bruch war so, dass ich beschlossen habe, den Rumpf nicht zu reparieren. Stattdessen nahm in meinem Kopf ein neuer Rumpf für den vorhandenen Flügel Gestalt an. In diesen sollten die in den sechs Jahren seit dem Erstflug des Go Ahead gesammelten Erkenntnisse einfliessen, damit er sowohl leichter, als auch deutlich stabiler wird.

Ausserdem konnte ich auch Punkt 3 aus dem ersten Post angehen. Den langsam laufenden 30g Motor mit dem absurd grossen 7“ Prop ersetzt zukünftig ein Pichler 15g mit 2000/min/V, der einen Propeller um die 5 Zoll dreht.

Zur Orientierung dient wieder eine Handskizze:
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Es sollte also diesmal ein Schulterdecker werden, denn zuletzt hatte ich mehrere Tiefdecker gebaut.
Für bestmögliche Festigkeit ist vorgesehen, alle Rumpfteile ohne Unterbrechung von Nase bis Ende auszuführen, also Rumpfwände und Stringer (Eckleisten).
Der Motor soll möglichst sauber in die Struktur integriert sein, aber ohne separate Motorhaube.
Da bei einem Schulterdecker kein Turtle Deck funktioniert (an das QR-Servo muss man von unten ran), wird der Rumpf zunächst als vollständig geschlossener Kasten aufgebaut, aus dem alle notwendigen Öffnungen für Akkuwechsel und RC-Zugang nachträglich ausgeschnitten werden.

Die Umsetzung der Handskizze in einen nachvollziehbaren Plan ging so:
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Alle Hebelarme wurden vom Go Ahead unverändert übernommen, weil die Flugeigenschaften keine Modifikation nahelegen.
 
Flügel

Ein neuer Rumpf macht nur Sinn, wenn die Tragfläche die Trennung vom alten Rumpf überlebt, also fangen wir damit an.

Nachdem die Fläche aus dem Rumpf gemetzgert war, sah sie so aus:
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Ziemlich viele unnötige Löcher, aber ansonsten intakt. Die waren schnell mit 1mm Balsastücken verschlossen:
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Die rote Farbe ist deshalb weg, weil ich die Fläche umgedreht habe. Das ergibt für den Schulterdecker leicht negative V-Form, und ausserdem bin ich so beim Farbschema frei.

Der Flügel liegt also bereit, los geht's mit dem Rumpf.
 
Rumpf 1

Die Seitenteile sind schnell ausgeschnitten:
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Die beiden Spanten bestehen aus 3mm Balsasperrholz. Einstellwinkel von Fläche und Leitwerk liegen jetzt schon fest und brauchen später nicht mehr umständlich herbeigemessen zu werden.

Die vorgesehenen 6x6mm Stringer sollen ja am Stück von vorne bis hinten gehen, lassen sich aber um die Bögen in der Rumpfkontur nicht einfach so biegen - sie brechen dann. Eine gängige Methode wäre das Einkerben der Leisten an diesen Stellen, aber dann sind sie nicht mehr durchgehend und nehmen keine Zugkräfte mehr auf.

Und nu?
So:
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Der Werkstatt-Wasserkocher liefert gezielt heissen Dampf, mit dem die Leisten den Umrissen der Seitenteile angenähert werden, und zwar ohne die Faser zu zerstückeln:
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So können die Leisten problemlos am Stück mit den Seitenteilen verklebt werden. Nächster Schritt ist das Einkleben der beiden Spanten.
 

Dix

User
Ja, das Wässern und Biegen habe ich auch vor, mal zu machen.

Aber schäften geht ja auch.

Oder im Knickbereich mit einem runden Dings auf der Leiste rumrollern, das knautscht und krümmt auch ein wenig.

Und danke für den Bericht über Oldschool-Analog-Spreisslflieger bauen!
 
Rumpf 2

Ausgerichtet an einer aufgemalten Mittellinie wird der Rumpf an vier Punkten mit seiner ebenen Oberseite aufs Baubrett gezackt:
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Vorne wird der Rumpf 30mm breit, was hier mit der Schraubzwinge simuliert wird. So kann die Breite an der Stelle ermittelt werden, wo später der Motorspant sitzt. Der ist auch schon auf einem 2mm Flugzeugsperrholz Brettchen aufgerissen.

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Mit angeschraubtem Motorhalter sieht das so aus. Mit provisorisch aufgestecktem Motor kommt der Spant jetzt an seine Position:
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So ist auch ein sauberer Anschluss vorne am Rumpf sichergestellt, der Motor verschwindet später vollständig in der Nase. Der Motorhalter verbleibt einfach am Spant und muss nicht mehr entfernt werden:
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Der Rumpf bekommt jetzt noch das komplette untere Bodenbrett und kann dann vom Baubrett getrennt werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi Dirk,
ja, schäften geht, ist aber wesentlich umständlicher. Zudem bleibt wegen des sanften Bogens später in jedem Fall eine dünne Stelle im Stringer, und die wollte ich nicht.
 
Leitwerke, erste Anprobe

Die Leitwerke sind auch auf meinem Minimal-Plan gezeichnet:
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Das HLW ist eine 1:2 Kopie des Flügels, und durch die Pfeilung der Hinterkante ergibt sich eine etwas strange Kontur des Höhenruders, weil ich eine gerade Scharnierlinie haben will.
Das SLW ist nach der TLAR Methode entstanden (that looks all right).

Hier das HLW von unten:
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In der Mitte des Ruders sitzt eine Aufdopplung aus 1mm Sperrholz:
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Und schon ist es Zeit für eine erste Anprobe:
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Rumpf 3

Die obere Rumpfschale ist drauf, und so kann die Nase jetzt vervollständigt werden.

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Ein 1mm Sperrholzring soll den Abschluss nach vorne bilden. Der wird am eingesteckten Motor ausgerichtet und verklebt:
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Nach dem groben Vorhobeln sieht das so aus:
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Vollständig verschliffen wiegt der komplette Holz-Rohbau 84g.
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Alle Teile zusammengesteckt geben einen Eindruck, was daraus wird:
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Die Pfeilung der SLW-Nasenleiste habe ich noch etwas angepassst. Die Kabinenhaube stammt vom Go Ahead, ist aber kleiner.
Zur Vorbereitung der Lackierung sind die Farbgrenzen mit Fineliner markiert.
 
Farbe

Die Lackierung besteht auch hier wieder aus 2-3 Schichten Clou Schnellschleifgrund und wasserbasiertem Acryllack. Die Farben erinnern an die wunderbare Buell S1, die es in der Kombination Nuclear Blue/Molten Orange gab.

Aber zuerst habe ich den Deckel vorne ausgeschnitten, der auch die Kabinenhaube trägt:
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Komplett lackiert wiegt die leere Zelle jetzt 92g, also nur 8g für die Lackierung!
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Das Ganze ist jetzt fertig zur Endmontage.
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Fertigstellung/RC/Antrieb

Alle Teile wurden mit Weissleim zusammengefügt, und danach noch zwei Deckel für die Servos ausgeschnitten.
Für die Anlenkung der Querruder habe ich ein 9g Servo genommen, denn die 4,3g haben keine Scheibe, sondern nur gerade Servoarme dabei. Durch die Position der Anlenkpunkte auf der Scheibe wird die ungünstige Differenzierung kompensiert, die durch die Anordnung der Ruder/des Servos entsteht:
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Zusammengebaut:
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So ergibt sich eine Anlenkung ohne Differenzierung.

Für die Leitwerksservos gibt es eine kleine Klappe oben im Rumpf hinter dem Flügel:
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Alles gut zugänglich, und die Anlenkungen sind spielfrei und steif.
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Komplettiert:
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Nase mit Motor:
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Abfluggewicht mit 3S450mAh Lipo:
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Damit hat der Motor mit einem 4,7x4“ (12x10cm) CamSpeed Propeller leichtes Spiel.

Die blauen und orangen Partien bekamen noch schwarze Zierstreifen zur sauberen Trennung, und seinen Namen trägt er auch:
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So ging es zum Erstflug.
 
Fliegen

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Erstflug 20.12.2021

Weil ich den Flügel seit 400 Flügen kannte, war das einzig spannende beim Erstflug des Weird Bird die an dem Tag denkbar tief stehende Sonne.

Wie erwartet kommen Rollen schön gerade, und das Seitenruder bewirkt fast ausschliesslich Gieren, kaum Rollen.

Eine herausragende Eigenschaft des Go Ahead waren die sehr ausgewogenen Ruderreaktionen. Wegen der Pfeilung der HLW-Endleiste ist jetzt beim Weird Bird die Ruderfläche grösser geworden, und deshalb kommt Höhe recht zackig.
Auf die Idee, zum Ausgleich das Ruder einfach nicht über die ganze Spannweite des HLW gehen zu lassen, bin ich erst nach Fertigstellung des Vogels gekommen. Und so habe ich mich einer ansonsten nicht genutzten Funktion meines brandneuen Senders erinnert: mit 20% Expo auf dem Höhenruder ist jetzt wieder die gewohnte Ruhe im Flugverhalten.

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Überrascht hat mich die Geräuschkulisse des Weird Bird: anscheinend bewirkt der versenkt eingebaute Motor mit den beiden Entlüftungslöchern in den Rumpfseiten einen ganz eigenen Klang, sehr ähnlich einem Impeller. Er ist nicht laut, aber präsent und charakteristisch.

Der 3S450mAh Akku reicht für sieben Minuten Kunstflug, denn Vollgas wird nur selten benötigt. Das Flugbild ist dank der geänderten Leitwerksgeometrie sehr stimmig, während der Go Ahead mehr in der Kategorie interessant unterwegs war.

Der Neubau des Rumpfes war die richtige Entscheidung, die Flugeigenschaften des ursprünglichen Entwurfs wurden um deutlich gesteigerte Performance und nochmal verbesserte Langsamflugeigenschaften erweitert. Gegen den leichten Patzer bei der Gestaltung des Höhenruders hilft die moderne Elektronik (das Zeug muss ja auch mal zu was gut sein).

So ist der Weird Bird schnell zu einem normalen Hangarbewohner geworden, der bei allen äusseren Bedingungen raus kann.
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Aerodynamik...

Das Bild vom Weird Bird im Schnee hat mich an einen Flugtag Ende Februar '22 erinnert.
Bei -3°C und Sichtweite um 30m waren die Tragflächen nach 8 Minuten Nahbereichsfliegen mit dicken Eisklumpen bedeckt. Gemerkt habe ich das aber erst nach der Landung, denn weder die Flugeigenschaften, noch die Landegeschwindigkeit waren beeinträchtigt:
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Unterseite

Ob da von den NACA0009 Koordinaten noch viel übrig war?
Jedenfalls ein weiterer Hinweis auf die Bedeutungslosigkeit des Profils, zumindest bei kleinen Modellen.

Die Go Ahead/Weird Bird Fläche war auf alle Fälle vor sechs Jahren die letzte, die ich mit einem “richtigen“ Profil gebaut habe. Seitdem verwende ich stark vereinfachte Profile, ohne bislang irgendwelche Nachteile dadurch zu haben.
 
Bei Fuss...oder Schulter;)

Auf meiner Fliegewiese versuche ich immer möglichst wenig rumzutrampeln und deshalb in meiner Nähe zu landen.
Heute war die Wiese kurz vor dem ersten Mähen, so dass ich das mit der Nähe noch etwas enger gesehen habe. Ausserdem war es etwas böig, und deshalb war der erste Anflug heute noch knapper, als geplant. Weird Bird streifte (schon gut ausgehungert) meine linke Schulter und lag drei Meter weiter auf dem Rücken im Gras. Den einzigen Schaden habe ich noch auf dem Flugfeld mit UHU hart repariert, denn ich hatte vier Modelle dabei und somit genug Zeit zum Trocknen:
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wieder angeklebter SLW-Randbogen

Ein Hoch auf F-250: ein Fullsize-Modell hätte
a) dort garnicht fliegen können
b) vielleicht weh getan und sich
c) beim anschliessenden Aufprall selbst zerstört.

So bleibt nur ein Schmiss, den der Weird Bird für den Rest seiner Tage erhobenen Hauptes spazieren fliegen wird.
 
Alltagsmodell

Seit anderthalb Jahren ist der Weird Bird jetzt im Hangar und hat sich als voll alltagstauglich erwiesen. Auch kleinere Blessuren steckt er einfach weg:

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Da war beim Landen ein Grasbüschel im Weg, so dass es das Modell nach dem Aufsetzen umgedreht hat. Beim rückwärts Einparken war dann eine Distel stärker, als das Höhenruderblatt, was sich aber im Flug nicht ausgewirkt hat: das Ruder ist ohnehin zu gross.

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Der Schaden liess sich mit Weissleim spurlos beheben:

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