J-Class Baukasten
J-Class Baukasten
Moin Olaf,
ein interessantes Projekt, dass Du da vorstellst.
Deine Überlegungen scheinen Hand und Fuß zu haben, dennoch möchte ich zu Deinen Ausführungen ein paar (kritische) Anmerkungen machen. Dabei nehme ich ganz bewusst die Position eines Modellbauers ein, der eher vorbildgetreue (semi-scale) Modelle bevorzugt. Dabei ist mir durchaus klar, dass aufgrund der physikalischen Gesetzmäßigkeiten und der exponentiellen Entwicklung von Maßen, Flächen und Volumen gewisse Abstriche bzw. Kompromisse notwendig sind. Daher auch der Einschub semi-scale.
Es sind die Linien, die Größe, die riesigen Segel, die extremen Formen, die die Menschen begeistern, die sie die J's als Schönheiten, als Königinnen der Meere, empfinden lassen. Modellbauer versuchen, diese Schönheiten in einem kleineren Maßstab aufs Wasser zu bringen. Dabei gibt es verschiedene Ansätze.
Die Amerikaner betreiben mit den J's Sport, sie fahren Regatten. Die Modelle sollen hinsichtlich des Rumpfs, mit gewissen Zugeständnissen beim Tiefgang, denen der klassischen J's entsprechen. Vorbildgetreue Aufbauten sind nicht gefordert, wären aber zulässig. Wer aber schon einmal mit einem (Semi-)Scalemodell an einer Regatta - wie z.B. am Fühlinger See - teilgenommen hat weis, wie viele Eckchen und Kanten, Häkchen und sonstige Dinge an denen sich z.B. eine Schot vertüddeln kann, so ein Modell hat. Also lassen die Amerikaner die Aufbauen einfach weg. Eine vorbildgetreue J wie ich sie verstehen würde, sind diese Modelle nicht. Dafür sind sie Sportgeräte, wie z.B. eine M-Yacht.
Du versuchst - wie bei den Großen in der Klasse "Spirit of Tradition" - eine Yacht zu entwerfen, die ein modernes Unterwasserschiff hat, aber ansonsten einem Klassiker zumindest ähnlich sieht. Dabei ist mir noch nicht ganz klar, wie weit Du Dich an der Endeavour orientierst, wie weit Dein "so gut es geht" reicht. Bisher sehe ich ein Schiff, das wie eine Endeavour lackiert ist und ein paar Aufbauten besitzt, die das Deck nicht so 'nackt' aussehen lassen. Du baust einen Tenrater mit vorbildähnlichen Aufbauten. Damit kannst Du vielleicht auf dem Wasser - bei drei bis vier Metern Entfernung - ein einigermaßen 'gutes Bild' abgeben. Bei stärkerer Detailierung von Deck, Aufbauten und stehendem Gut treten die oben beschriebenen Probleme auf.
Diese Probleme nehme ich in Kauf, wenn ich ein vorbildgetreues Modell aufs Wasser bringen will. Dann akzeptiere ich aber auch die mit der vorbildgetreue einhergehenden Einschränkungen hinsichtlich der Segeleigenschaften. Denn dann geht es eben nicht darum, möglichst schnell und problemlos zu segeln, sondern ein besonderes Modell aufs Wasser zu bringen.
Der am häufigsten verfolgte Ansatz beim vorbildgetreuem oder zumindest vorbildähnlichem Modellbau besteht darin, den Rumpf und die Segelflächen leicht zu verändern. Ein etwas größerer Tiefgang, eine etwas größere Breite, etwas weniger Segelfläche. All das sind Veränderungen, die eine ganze Menge, vor allem Volumen und damit mehr Verdrängung, bringen und auch den 'Spirit' des Originals nicht zu sehr verändern. Aber auch hier darf man es nicht übertreiben. 15 cm mehr Tiefgang sehen nicht mehr wirklich gut aus und zuviel zusätzlicher Breite auch nicht. Es ist also eine 'Gratwanderung', die der Modellbauer hier beschreitet. Die gelingt einfacher, wenn das Vorbild klein und der Maßstab groß ist. Aber bei den J's geht größer als 1:20 fast nicht.
Es hat in den vergangenen zwanzig Jahren eine Reihe von Ansätzen gegeben, Baukästen von J's auf den Markst zu bringen. Der aus meiner Sicht interessantes war ein Modellbauer aus Hannover, der alle J's - die klassischen und nicht die in den vergangenen Jahren nachgebauten - als 1:20 Modell anbieten wollte. Ich habe das seinerzeit sehr interessiert und aktiv verfolgt, da ich gern eine J, die Velsheda, gebaut hätte. Leider ist es über erste Überlegungen und PR-Maßnahmen nicht hinausgekommen. Kein einziges Modell erreichte auch nur annähernd einen Stand, auf dem man hätte aufbauen können.
Bitte verstehe meinen Beitrag nicht als Kritik, dass soll es auf keinen Fall sein. Du solltest Dir nur darüber im Klaren sein, welche Modellbauer Du mit Deinem Modell ansprechen willst. Wer so ein großes Modell bauen will - und dafür dann auch ein paar Euronen in die Hand nimmt - möchte ein besonderes Modell. Eins das aus meiner Sicht in erster Linie vorbildgetreu aussieht und nicht eins, dass wie ein Tenrater segelt. Aber wie gesagt, dass ist meine persönliche Einschätzung.
Interessant ist das Projekt aber auf alle Fälle und es wäre schön, wenn Du über den weiteren Fortgang berichten würdest.
Viel Erfolg und viele Grüße
Walter