Das Thema erwischt mich kalt vor dem Aufstehen... In der Schweiz gibt es eine berühmt-berüchtigte Behörde, die KESB = "Kinder&ErwachsenenSchutzBehörde". Wenn Du Glück hast, bist Du direkt tot - wenn nicht, blockiert sie alles Verwertbare um Deinen Zombiestatus möglichst lange aufrecht zu erhalten: die KESB "schützt" eben dein (Zombie-)Leben. Es gibt hier eine regelrechte Untergrundindustrie aus Publikationen (von kostenlos im Internet bis 12mm dick {!!} gedruckt fü 60€ als Paperback) über Vorträge bis zu spezialisierten Rechtsanwälten... Mit "irgendwas" das "irgendwer" beglaubigt ist es hier nicht getan.
Der Tod ist ja nicht das Problem, sondern das Sterben: der allgemeine Tenor ist ja, dass das Sterben externalisiert und unpersönlich gemacht wird (via Altersheim/Pflegeheim/Krankenhaus) - früher war ja alles besser, als man noch "im Kreis der Familie" gestorben ist. Ich würde es ja gerne glauben, wenn ich nicht das Pech gehabt hätte, das Gegenteil zu erleben: Schwiegermutter, die verschimmelte (! - kein Scheiss) weil der mit ihr symbiotisch lebende Sohn (mit durch seine eigene hypoxische Geburt reduzierte Erkenntnisfähigkeit) in einem Ausmass überfordert war, dass er nicht einmal erkannte, dass er das war... Dann die Schwiegermutter meiner Schwester, die Jahrzehnte im Flur (!) des von ihrem Sohn "übernommenen" Hauses deponiert wurde... Und das ist nur der Anfang meiner Stories zu dem Thema, da war z.B. noch unsere ältere Nachbarin, die ihren wesentlich älteren Gatten überlebt hatte: Sie war lange seine "Putze", aber offenbar netter als seine Frau - als diese starb, heiratete er sie. Seine Kinder (aus erster Ehe natürlich) waren sauer und haben es irgendwie geschafft, sie als unzurechnungsfähig in ein Heim einliefern zu lassen - damit sie ihr fürstliches Erbe antreten können. Der "Unzurechnungsfähig"-Grund war: sie war Messie. Messies lassen i.d.R. nur ein, maximal zwei andere Personen ihr(e) Wohnung betreten - und meine Mutter war eine ebendiese. Ich staune noch heute, mit was für einer Verve sie es geschafft hat, die schon "weggeschlossene" Nachbarin wieder aus der Zwangspflege zu befreien - und die sich schon auf ihr vorzeitig anzutretendes Erbe freuenden Kinder aus der ersten Ehe in die lange Röhre schauen zu lassen.
rcn-Leser dieses Beitrages von mir, die noch nicht ca. 55 Jahre alt oder älter sind, mögen sich gerne wegklicken. Aber bevor sie das tun, mögen sie eines bedenken: es gibt Taktik, und es gibt Strategie. Das erste ist für die nächsten 10 Jahre, das zweite für die Zeit danach. Deswegen beschäftige ich mich im "Junggebliebenen"-Alter (also früher hiess das "ausgemusteterer Rentner") naturgemäss jetzt wieder mit der Strategie - mit der die ich 1989 festgelegt hatte, mit Ehe, Ehevertrag incl. der Möglichkeit des Scheiterns, der Debilität, des Pflegefalls. Meine Ehe hat es nicht bis heute geschafft, aber wir begegnen uns heute noch freundlich (was ich dazu beigetragen bzw. die Arschbacken zusammengekniffen habe ist ein anderes Thema - aber das haben wohl beide). Meine Strategie für meine Vortodeszeit hatte ich damals natürlich noch nicht in Beton gegossen, und mit einer wohlwollenden Ex und einem einzelnen Erben ist der Drang das zu regeln nicht so wirklich drückend... Das Erbe regeln die Gesetze in einer Form, die uns dann Toten plusminus egal sein kann, die "letzte" Zeit davor allerdings nicht - oder überraschend anders: In der Schweiz sind Bestrebungen im Gange, dass man als Frischgestorbener völlig als Transplantatspender ausgeschlachtet werden darf, ausser man widerspricht dem zu Lebzeiten. Und wie so oft: wer muss wann und wo wie Einspruch erheben? Passierschein 38a lässt grüssen...
Tja, die Übergangszeit vom halbwegs noch normal empfundenen Leben bis zum Tod kann gnädig kurz sein, aber manchmal auch unerträglich lang. Woran wertet man eine Gesellschaftsform? Nach meinem Wissen verteidigen alle Wirbeltiere ihre Jungen, aber keine ihre Alten gegen Angriffe von Raubtieren (evtl. ausser bei Elefanten, die ja auch als zweite Art ausser uns Friedhöfe haben). Was sind wir nun? Kümmern die anderen sich um unseren Vor-Tod oder müssen wir selber das tun?
In den seltsam verschlungenen Schleifen meines Lebens hat es sich ergeben, dass ich für die Nachfahren der Steinmetze (also derjenigen, die die gothischen Kathedralen erbaut haben) nicht nur als Meister dienen durfte, sondern eigentlich schon letztes Jahr einen "Bauriss" ( = Vortrag) über genau dieses Thema der Patientenverfügung halten wollte - was aber durch den Corona-Tsunami verhindert wurde∴
Ich fände es schön, wenn sich hier in der Folge einige interessante Links zum Thema "es gibt ein menschenwürdiges Leben vor dem Tod" finden würden. Unter-50-Jährige dürfen diesen thread gerne auf die ignore-Liste setzen - ausser sie interessiert der Unterschied zwischen Taktik und Startegie...
LG Bertram