Bertram Radelow
User
hi,
Valentas Finesse Max steht seit ca. 2 Jahren auf meiner Wunschliste. Letzten Frühling konnte ich bei meinem Fliegerkollegen Rolf das erste Mal eine in der Hand halten, die er von einer kleinen Schweizer Firma relativ günstig aufbauen liess, und die Bauausführung war absolut hervorragend! Als er jedoch fliegen wollte und aufrüstete, brach die Messinggewindehülse oben an der HR-Anlenkung. Naja, kann passieren. Ich habe bis dahin schon 3x miterlebt, dass Messing-Gewindehülsen gebrochen sind und sie aus meiner Werkstatt verbannt.
Im November orderte ich eine Finesse Max bei derselben Firma für den kommenden Frühling, bekam sie aber schon jetzt. Ein Aufbau allererster Sahne, grosses Kompliment. Es war die achte Finesse Max, die er aufbaute - da weiss "man", worauf man achten muss.
Heute wollte ich sie einfliegen, aber als ich den Rumpf aus dem Auto nahm, schlackerte das Seitenruder. Ich war mir keiner ungewöhnlichen Krafteinwirkung auf das SR bewusst! Die Analyse ergab folgendes:
Ein Messingteil am hinteren Ende der SR-Anlenkung war gebrochen:
Eigentlich absurd - da entstehen absolut keinerlei Knickbelastungen, nur Druck und Zug. Die Bauweise ist allerdings interessant - ohne Aufdickung. Die GFK-Schubstange liess sich also problemlos nach vorne durch den Kanal hindurchziehen. Die Bruchstelle war genau am Beginn des Gewindes:
Das Messingteil (ich habe es mit Feuerzeug erhitzt und vom GFK-Stab abziehen können) ist eigentlich genial: der linke Teil ist hohlgebohrt und wird auf die "angespitzte" GFK-Schubstange einfach aufgeharzt. Im Prinzip super, hätte ich gerne... Kann jeder verstehen, der schon mal komplette Anlenkungen auswechseln musste. Aber die Hohlbohrung...
... ist schon recht kräftig. Gefühlsmässig würde die Wandstärke aber reichen. Aber LEIDERLEIDER reicht die Bohrung bis in den Bereich des Gewindes hinein. Und genau dort ist das Messingteil gebrochen. Wenn man das folgende Foto anschaut (die quere Bruchfläche leuchtet hell; das Raster ist 4(!)mm), ist die Wandstärke dort 60-70µm - das ist die Dicke eines menschlichen Haares!! Also in diesem Foto sieht man die geradezu riesige Mulde der Bohrung, die in den Gewindeteil (von der Zange gehalten) hineinreicht:
Die Verbesserung ist relativ einfach, wenn man darauf verzichtet, später den GFK-Bowdenzug in die eine oder andere Richtung herausziehen zu können. Die am alten Zug vorhandenen Teile werden mit Feuerzeug erhitzt und abgezogen. Übrig bleibt die GFK-Schubstange mit den angespitzten Enden, die übrigens reichlich dünn sind. Die Frage ist jetzt: kann ich das Teil verwenden, wenn ich Standard-Anlenkungsteile verwende, oder wird alles zusammen zu kurz? Glücklicherweise: man kann.
Beim hinteren Ende wird der dünne angespitzte Stengel vernichtet und eine geschlitzte Standard-Gewindehülse mit dünnem Cyanoakrylat aufgeklebt. Vor dem Aushärten den geschlitzen Teil mit einer Zange zusammendrücken:
Man schiebt die GFK-Stange dann von hinten hinein, montiert das Seitenruder, und behandelt das vordere Ende wie das hintere: verwendete Gewindehülse wegwerfen, angespitztes Ende abschneiden, neue geschlitze Standard-Gewindehülse einschrauben, alles mit eingeschaltetem RC anpassen, und wenn alles passt: Hülse mit dickem Cyanoacrylat füllen und auf die GFK-Stange aufschieben.
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Da bei Rolf auch die Höhenruderanlenkung "wegen nichts" gebrochen war, werde ich sie morgen ebenfalls modifizieren (und berichten).
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Das eigentliche Problem ist jedoch ein ganz anderes: Wer informiert die Piloten über diese heftige Flugunsicherheit?
Zunächst habe ich natürlich den Aufbauer meines Modells kontaktiert. Er hat sich entschuldigt und bemerkt, dass er die von Valenta als Zubehör gelieferten Teile verbaut, die er natürlich nicht bis in den letzten Winkel kontrollieren kann. Ich habe bestes Verständnis für ihn - aber es nützt nichts: Es gibt also wenigstens sechs Finesse-Kunden von ihm, die keine Ahnung haben, wie die Anlenkungen bei ihren Finessen tatsächlich aussehen (1,8mm-GFK-Schubstangen bei der ultraharten Doppelcarbonversion?? Das SR ist bei besseren Modellen das erste das flattert!). Wer sollte die Piloten informieren, dass sie eine möglicherweise gefährliche Flugbombe fliegen? Ich nehme an, dass nicht einmal Valenta weiss, dass sie Modelle ausgeliefert haben, bei denen diese -höflich gesagt:- ungeeigneten Zubehörteile mitgeliefert wurden.
Meine persönliche Meinung ist:
Wir haben die Zeiten von Amigo, Filou, Filius und Cirrus (Graupner 1969) längst hinter uns gelassen und bewegen heute schwere Geräte mit heftigem Einschlagsschadenpotential durch die Luft. Wir können solche Sicherheitsmängel einfach nicht ignorieren, wenn wir auch in Zukunft die Berechtigung behalten wollen, 25kg schwere Teile mit bis zu 360km/h (weit mehr als die 1:1-Originale) durch die Luft bewegen zu dürfen. Es gibt Rückrufaktionen bei Auto-Herstellern, Lebensmittel-Discountern und selten auch in meinem ursprünglichen Beruf. Und in der echten Fliegerei gibt es jede Menge ZWANGS-Updates. Aber es kann nicht sein, dass wir bei 5,5kg-Hochgeschwindigkeitsteilen so tun, als ob wir so eine langsame Balsa-Zigarrenkiste bewegen und "schon nichts passieren wird".
Meine Frage ist: Wie stellt Ihr Euch in so einem Fall das Procedere vor?
- persönlich: ich habe Rolf informiert und wir sind im Prinzip gleicher Meinung - er hat nach seinem HR-Bruch vorauseilend auch die SR-Anlenkung modifiziert, per Zufall gerade heute!
- Auslieferer: soll er oder muss er seine Kunden informieren? Haftet er?
- Hersteller: soll er oder muss er seine Zwischenhändler informieren? Haftet er?
Ich habe übrigens keine Ahnung, ob dieses eigentlich toll gedachte, aber gefährlich fehlerhafte Messingteil auch bei anderen Valenta-Fliegern mitgeliefert wird.
Liebe Grüsse von jemandem, der es bis heute toll findet, die Entwicklung des "Traummodells" vom Amigo zur Finesse (oder Alpina oder so) miterlebt haben zu dürfen. Die Freiheit, heute am Himmel gigantische Modelle bewegen zu dürfen, bedingt aber auch, Verantwortlichkeiten zu definieren. Der letzte Satz von mir ist wohlmeinende Scheixxe - es kommt immer nur auf eines an: Wenn Fehler passieren - wie geht man damit um? Ich bin absolut nicht stolz darauf, fehlerfrei durch mein Leben gegangen zu sein (im Gegenteil: es waren zu viele...), aber ich habe mir Mühe gegeben, mit meinen Fehlern korrekt umzugehen. Und wir als Modellflieger sollten korrekt mit unseren Fehlermöglichkeiten umgehen. Und die Hersteller, Zwischenhändler, Aufrüster auch: wer Kenntnis von einem Sicherheitsproblem bekommt, sollte alle möglicherweise Betroffenen informieren.
Bertram
Valentas Finesse Max steht seit ca. 2 Jahren auf meiner Wunschliste. Letzten Frühling konnte ich bei meinem Fliegerkollegen Rolf das erste Mal eine in der Hand halten, die er von einer kleinen Schweizer Firma relativ günstig aufbauen liess, und die Bauausführung war absolut hervorragend! Als er jedoch fliegen wollte und aufrüstete, brach die Messinggewindehülse oben an der HR-Anlenkung. Naja, kann passieren. Ich habe bis dahin schon 3x miterlebt, dass Messing-Gewindehülsen gebrochen sind und sie aus meiner Werkstatt verbannt.
Im November orderte ich eine Finesse Max bei derselben Firma für den kommenden Frühling, bekam sie aber schon jetzt. Ein Aufbau allererster Sahne, grosses Kompliment. Es war die achte Finesse Max, die er aufbaute - da weiss "man", worauf man achten muss.
Heute wollte ich sie einfliegen, aber als ich den Rumpf aus dem Auto nahm, schlackerte das Seitenruder. Ich war mir keiner ungewöhnlichen Krafteinwirkung auf das SR bewusst! Die Analyse ergab folgendes:
Ein Messingteil am hinteren Ende der SR-Anlenkung war gebrochen:
Eigentlich absurd - da entstehen absolut keinerlei Knickbelastungen, nur Druck und Zug. Die Bauweise ist allerdings interessant - ohne Aufdickung. Die GFK-Schubstange liess sich also problemlos nach vorne durch den Kanal hindurchziehen. Die Bruchstelle war genau am Beginn des Gewindes:
Das Messingteil (ich habe es mit Feuerzeug erhitzt und vom GFK-Stab abziehen können) ist eigentlich genial: der linke Teil ist hohlgebohrt und wird auf die "angespitzte" GFK-Schubstange einfach aufgeharzt. Im Prinzip super, hätte ich gerne... Kann jeder verstehen, der schon mal komplette Anlenkungen auswechseln musste. Aber die Hohlbohrung...
... ist schon recht kräftig. Gefühlsmässig würde die Wandstärke aber reichen. Aber LEIDERLEIDER reicht die Bohrung bis in den Bereich des Gewindes hinein. Und genau dort ist das Messingteil gebrochen. Wenn man das folgende Foto anschaut (die quere Bruchfläche leuchtet hell; das Raster ist 4(!)mm), ist die Wandstärke dort 60-70µm - das ist die Dicke eines menschlichen Haares!! Also in diesem Foto sieht man die geradezu riesige Mulde der Bohrung, die in den Gewindeteil (von der Zange gehalten) hineinreicht:
Die Verbesserung ist relativ einfach, wenn man darauf verzichtet, später den GFK-Bowdenzug in die eine oder andere Richtung herausziehen zu können. Die am alten Zug vorhandenen Teile werden mit Feuerzeug erhitzt und abgezogen. Übrig bleibt die GFK-Schubstange mit den angespitzten Enden, die übrigens reichlich dünn sind. Die Frage ist jetzt: kann ich das Teil verwenden, wenn ich Standard-Anlenkungsteile verwende, oder wird alles zusammen zu kurz? Glücklicherweise: man kann.
Beim hinteren Ende wird der dünne angespitzte Stengel vernichtet und eine geschlitzte Standard-Gewindehülse mit dünnem Cyanoakrylat aufgeklebt. Vor dem Aushärten den geschlitzen Teil mit einer Zange zusammendrücken:
Man schiebt die GFK-Stange dann von hinten hinein, montiert das Seitenruder, und behandelt das vordere Ende wie das hintere: verwendete Gewindehülse wegwerfen, angespitztes Ende abschneiden, neue geschlitze Standard-Gewindehülse einschrauben, alles mit eingeschaltetem RC anpassen, und wenn alles passt: Hülse mit dickem Cyanoacrylat füllen und auf die GFK-Stange aufschieben.
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Da bei Rolf auch die Höhenruderanlenkung "wegen nichts" gebrochen war, werde ich sie morgen ebenfalls modifizieren (und berichten).
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Das eigentliche Problem ist jedoch ein ganz anderes: Wer informiert die Piloten über diese heftige Flugunsicherheit?
Zunächst habe ich natürlich den Aufbauer meines Modells kontaktiert. Er hat sich entschuldigt und bemerkt, dass er die von Valenta als Zubehör gelieferten Teile verbaut, die er natürlich nicht bis in den letzten Winkel kontrollieren kann. Ich habe bestes Verständnis für ihn - aber es nützt nichts: Es gibt also wenigstens sechs Finesse-Kunden von ihm, die keine Ahnung haben, wie die Anlenkungen bei ihren Finessen tatsächlich aussehen (1,8mm-GFK-Schubstangen bei der ultraharten Doppelcarbonversion?? Das SR ist bei besseren Modellen das erste das flattert!). Wer sollte die Piloten informieren, dass sie eine möglicherweise gefährliche Flugbombe fliegen? Ich nehme an, dass nicht einmal Valenta weiss, dass sie Modelle ausgeliefert haben, bei denen diese -höflich gesagt:- ungeeigneten Zubehörteile mitgeliefert wurden.
Meine persönliche Meinung ist:
Wir haben die Zeiten von Amigo, Filou, Filius und Cirrus (Graupner 1969) längst hinter uns gelassen und bewegen heute schwere Geräte mit heftigem Einschlagsschadenpotential durch die Luft. Wir können solche Sicherheitsmängel einfach nicht ignorieren, wenn wir auch in Zukunft die Berechtigung behalten wollen, 25kg schwere Teile mit bis zu 360km/h (weit mehr als die 1:1-Originale) durch die Luft bewegen zu dürfen. Es gibt Rückrufaktionen bei Auto-Herstellern, Lebensmittel-Discountern und selten auch in meinem ursprünglichen Beruf. Und in der echten Fliegerei gibt es jede Menge ZWANGS-Updates. Aber es kann nicht sein, dass wir bei 5,5kg-Hochgeschwindigkeitsteilen so tun, als ob wir so eine langsame Balsa-Zigarrenkiste bewegen und "schon nichts passieren wird".
Meine Frage ist: Wie stellt Ihr Euch in so einem Fall das Procedere vor?
- persönlich: ich habe Rolf informiert und wir sind im Prinzip gleicher Meinung - er hat nach seinem HR-Bruch vorauseilend auch die SR-Anlenkung modifiziert, per Zufall gerade heute!
- Auslieferer: soll er oder muss er seine Kunden informieren? Haftet er?
- Hersteller: soll er oder muss er seine Zwischenhändler informieren? Haftet er?
Ich habe übrigens keine Ahnung, ob dieses eigentlich toll gedachte, aber gefährlich fehlerhafte Messingteil auch bei anderen Valenta-Fliegern mitgeliefert wird.
Liebe Grüsse von jemandem, der es bis heute toll findet, die Entwicklung des "Traummodells" vom Amigo zur Finesse (oder Alpina oder so) miterlebt haben zu dürfen. Die Freiheit, heute am Himmel gigantische Modelle bewegen zu dürfen, bedingt aber auch, Verantwortlichkeiten zu definieren. Der letzte Satz von mir ist wohlmeinende Scheixxe - es kommt immer nur auf eines an: Wenn Fehler passieren - wie geht man damit um? Ich bin absolut nicht stolz darauf, fehlerfrei durch mein Leben gegangen zu sein (im Gegenteil: es waren zu viele...), aber ich habe mir Mühe gegeben, mit meinen Fehlern korrekt umzugehen. Und wir als Modellflieger sollten korrekt mit unseren Fehlermöglichkeiten umgehen. Und die Hersteller, Zwischenhändler, Aufrüster auch: wer Kenntnis von einem Sicherheitsproblem bekommt, sollte alle möglicherweise Betroffenen informieren.
Bertram
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