"Be-ne-detto …" Soll das ein Witz sein?

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Papst lässt Spiel wiederholen
Nach dem Skandal beim Halbfinale Deutschland gegen Italien gestern Abend beugt sich die Fifa der Entscheidung des Vatikans und setzt die Halbfinalpartie für Samstag neu an
Noch in der Nacht tagte das Fifa-Exekutivkomitee auf Antrag sowohl der italienischen wie auch der deutschen Delegation, die beide eine Annullierung des Spiels gefordert hatten. Zunächst wollte die Fifa das skandalöse Geschehen auf dem Platz als Tatsachenentscheidung werten und das Ergebnis von 1:0 für Italien offiziell anerkennen. Doch selbst den Italienern war das Resultat und das Tor des mexikanischen Schiedsrichters Benito Archundia in der 90. Minute zu peinlich, sodass auch sie eine Wiederholung der Partie forderten. Erst als sich deutsche, italienische und Fifa-Unterhändler auf den Papst als Vermittler in der verfahrenen Situation einigten, kam man einer Lösung näher.

Papst Benedikt XVI. hatte das Spiel im Quirinalspalast auf seinem Schwarzweißfernseher aus den Siebzigerjahren verfolgt, wie Georg Gänswein, der Privatsekretär des Papstes, gegenüber dem Osservatore Romano bestätigte. So wurde der Papst gemeinsam mit dem Millionenpubikum vor den Bildschirmen Zeuge einer überaus ängstlich geführten Partie beider Teams. Nur zwei schwache Chancen während des gesamten Spiels steigerten die Verärgerung des Publikums ins Unermessliche. Von der 70. Minute an quittierten die Zuschauer die äußerst langweilige Begegnung mit einem gellenden Pfeifkonzert.

Die brutale Verweigerungshaltung der Profis muss den mexikanischen Schiedsrichter zutiefst getroffen haben. Señor Archundia jedenfalls hatte offenbar andere Vorstellungen von einer Partie zweier Weltklasse-Mannschaften, während der zweiten Halbzeit wurde er offensichtlich immer wütender. So teilte er an immer neue Spieler, die seine Laufwege kreuzten, Gelbe Karten aus, obwohl es nicht einmal zu Fouls gekommen war. Schließlich reichte es Archundia anscheinend in der 90. Minute. Kurz vor Bekanntgabe der Nachspielzeit stoppte er plötzlich den Ball in der Nähe des deutschen Strafraums, stürmte in Richtung Tor und beförderte die Kugel mit einem satten Spannstoß ins Netz. Jens Lehmann hatte keine Chance.

Totenstille lag über dem Stadion. Ungerührt wies der Mexikaner auf den Anstoßpunkt und lief in die Mitte des Spielfelds, wo die nur zögernd jubelnden italienischen Spieler ihn schnell umringten, um ihn vor den nun wütend heranstürmenden Deutschen zu beschützen. Kühl, aber gestenreich versuchte Archundia allen Beteiligen zu erklären, dass der Schiedsrichter laut Regelwerk wie eine Eckfahne Luft sei, das Tor deshalb hundertprozentig gelte. Nach einem minutenlangen Gerangel pfiff Archundia die Partie gar nicht erst wieder an und verschwand schleunigst in den Katakomben des Dortmunder Stadions.

Das völlig verblüffte Publikum gewann erst langsam die Fassung wieder und weigerte sich, das Stadion zu verlassen. Die meisten der über 65.000 Zuschauer harrten bis in die Morgenstunden auf den Tribünen aus. Zum Glück ergriff der Stadionsprecher, um eine Katastrophe zu verhindern, die Initiative und berichtete im Stile eines Radioreporters von allen Geschehnissen hinter den Kulissen.

Dort sträubte sich die Fifa noch lange gegen die Spielannulierung. Es werde so ein unzulässiger Präzedenzfall geschaffen, erklärte Fifa-Präsident Joseph Blatter: "Gespielt ist gespielt!" Auch könne das WM-Turnier nicht endlos weitergeführt werden. "Irgendwann ist Schluss - selbst wenn der Schiedsrichter das Tor schießt", sagte Blatter. Erst als der Ehrenvorsitzende des DFB, Egidius "Pater" Braun, den Papst als Vermittler ins Spiel brachte, konnte die angespannte Lage fürs Erste entkrampft werden. Etwaige Vorbehalte, dass der deutsche Papst zugunsten der WM-Gastgeber entscheiden könne, wurden nicht einmal bei den Italienern artikuliert. Der Papst schließlich habe, erklärte der alte Fuchs Egidius Braun listig, so wenig Ahnung vom Fußball, dass er nichts anderes als ein neutrales und gerechtes Urteil fällen könne.

Mit Spannung harrte die Fußballgemeinde in Dortmund und der gesamten Welt auf Nachrichten aus dem Vatikan, der zum ersten Mal seit ungefähr dem Dreißigjährigen Krieg das Weltgeschehen maßgeblich beeinflussen sollte.

Tatsächlich aber war der Papst während des müden Kicks vor dem Fernseher eingeschlafen und hatte den Skandal verpasst. Dennoch nahm Benedikts Sekretär Gänswein den Anruf Joseph Blatters entgegen, weckte den Papst und schilderte dem Schlaftrunkenen den verzwickten Fall. Mit aller Güte des körperfernen Geistesmenschen entschied Benedikt endlich: "Ja nun, dann macht's halt noch mal!"

Als dann heute früh um drei Uhr dem Dortmunder Publikum die weise Entscheidung des Papstes über die Lautsprecher mitgeteilt wurde, fielen viele Menschen auf die Knie und skandierten spontan: "Be-ne-detto …" Vor allem, als sie hörten, dass ihre Tickets auch für das Wiederholungsspiel am Samstag gelten sollten. Das erneute WM-Halbfinale wird wohl als das "Papst-Spiel" in die Fußballgeschichte eingehen. Diesmal wird Benedikt XVI. auf Einladung der Fifa persönlich das Spiel von der Ehrentribüne aus überwachen. Benito Archundia allerdings wird die Partie wohl kaum pfeifen. Er soll sich bereits auf dem Weg nach Rom befinden, wo ihn ein hochnotpeinliches Verhör durch den für Fußballangelegenheiten zuständigen Inquisitor des Vatikans erwartet. MICHAEL RINGEL

taz vom 5.7.2006, S. 16, 181 Z. (TAZ-Bericht), MICHAEL RINGEL

http://www.taz.de/pt/2006/07/05/a0195.1/text
 
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