In dem Link, den Johannes angegeben hat, steht eigentlich alles drin, um was es geht:
http://adg.stanford.edu/aa241/highlift/sstclmax.html
Mit "Potential Flow" kann man gerade Flügel ganz gut nähern, daher ist folgender Vergleich relevant und für das Problem der Cobra ausschlaggebend:
Das zeigt im Vergleich den Auftriebsanstieg Gesamtauftrieb (Total Lift) eines Deltas gegen den Potentialauftrieb (Potential Lift) eines Deltas. Wenn man weiß, dass "Potential Lift" näherungsweise auf gerade, hochgestreckte Flügel mit nicht zu starker Pfeilung zutrifft, dann sieht man direkt, wo das Problem liegt. Die Kurve ist nur eine ganze Ecke steiler, da die Streckung höher ist, der camax usw. bleibt gleich.
Der Auftriebsanstieg ist unter Berücksichtigung des Leading-Edge Vortex deutlich größer, im Endeffekt aber immer noch kleiner als beim höher gestreckten Hauptflügel der Cobra. Das ungeschickte dabei ist nur folgendes: Hat jemand mal versucht, einen hochgestreckten Flügel mit 35° Anstellwinkel zu fliegen? Wenn ja, was ist dabei herausgekommen??? Aha, Ausgrabungsarbeiten. Ich sehe, wir verstehen uns langsam!
Also: Wenn der Nasenleistenwirbel mit seiner Arbeit beginnt, kann der Pilot die Hände vom Knüppel nehmen, denn es ist nun vorbei. Der nun folgende Überschlag ist unvermeidlich und der Mechanismus ist klar geworden. Es gibt nun drei grundsätzliche Möglichkeiten, eine Nasenleiste zu designen und das Problem zu beeinflussen:
- Nasenleiste rund wie eine Bauchtänzerin
- Nasenleiste normal
- Nasenleiste messerscharf
Variante 3 garantiert die frühestmögliche Ausbildung der Nasenleistenwirbel (Tütenwirbel). Im camax bei der Landung überschlägt das Teil genauso gern wie beim Start. Folgendes passiert: Die Auftriebslinie im Delta (t/4) liegt bei der Cobra ja
vor der des Hauptflügels. Wenn der Hauptflügel abnicken wollte, macht der Delta-Teil munter weiter und stellt den Flügel steiler in die Luft. Da der Restflügel außen nun aufgibt (Feigling!) und die Auftriebserzeugung gänzlich einstellt, freut sich der Delta-Teil immer noch höchster Auftriebe! Und das camax liegt jenseits von Gut und Böse, wie man oben sieht. Vielleicht bei camax=1,5, wenn er einen schlechten Tag hat, aber gerne auch darüber. Der Restflügel hat leider nur dann camax=1,0, wenn man sich gewaltig in die Tasche lügt.
Vergleich: Baut bitte bei euren Motorkisten die festen Vorflügel nur in der Mitte ein, es hat denselben Effekt wie dieses Delta in der Mitte der Cobra!!! Aus der Flugfigur nach dem Stall kommt man möglicherweise nicht mehr heraus, denn Vorflügel baut man genau deswegen natürlich außen hin!
NIEMAND - ich wiederhole: NIEMAND! - kommt deswegen auf die Idee, dem Innenflügel Hochauftriebshilfen zu spendieren, die den maximalen Anstellwinkel über den des Restflügels anheben!
Bei der Cobra führt diese Geometrie dazu, dass man in der Mitte eine Hochauftriebshilfe hat, die in Form des Deltas etwas versteckt ist, aber das interessiert die Flügelaerodynamik herzlich wenig, was sich der Konstrukteur dabei nicht (!) gedacht hat und genau das ist der Punkt. Sie existiert und man kann sie im Endeffekt durch keine Maßnahme sicher beherrschen! Irgendwann, bei irgendeinem Steuerfehler, einer Unachtsamkeit schlägt sie zu und nur im besten Fall wird das ein Looping, den man in einem Schuhkarton verpacken könnte und das Ding fliegt nachher weiter, als wäre nichts gewesen.
Kommen wir nun zu Punkt 2 und 3. Wir wissen, dass wir ein Anstellwinkelproblem haben, was den Außenflügel angeht. Also überlegen wir, was genau die Ursache ist: Der Leading Edge Vortex! Die Versuche mit scharfer Nasenleiste zeigen, dass dieser bei umso niedrigeren Anstellwinkeln einsetzt, je schärfer die Nasenleiste ist. Also sind messerscharfe Nasenleisten definitiv tabu. Was brauchen wir also? Eine Nasenleiste, bei der der Leading Edge Vortex verspätet einsetzt, dass sie uns genau einen Abnicker als Hinweis spendiert, bevor das Modell dank Leading-Edge Vortex in den Überschlag übergeht! Sie darf aber zugleich nicht zu rund sein, weil sie sonst einen größeren maximalen Anstellwinkel erlaubt, als der Außenflügel! Dann wird die Mitte zwar noch „klassisch“ ohne Gemeinheiten umströmt, aber dank der Vorpfeilung der t/4 Linie im Mittenberich macht die Mitte auch ohne LE-Vortex den Abriss gerne perfekt, sie kennt kein Mitleid. Ich hoffe, dass nun jedem klar geworden ist, was das Problem an der Flächenkonfiguration der Cobra ist!
Das Problem ist grundsätzlich nicht endgültig lösbar, mit Vorflügeln/Nasenklappen an den Außenflächen kann man es lediglich in den vom Piloten sicher kontrollierbaren Bereich verlagern, wenn man den Drahtseilakt zwischen zu scharfer und zu stumpfer Nasenleiste nicht erfolgreich gemeistert hat. Also zurück zur Ausgangsfrage: Warum sollte man eine solche Flächengeometrie bauen?!
Siggi
[ 31. Mai 2004, 19:39: Beitrag editiert von: Hartmut Siegmann ]