Fortsetzung - Aufbau in Brasilien
Fortsetzung - Aufbau in Brasilien
Poetis mentiri licet
Dazu gehört ganz sicher auch der 1953 begonnene Aufbau einer Reihe von Produktionsstätten in Brasilien. Maßgeblich waren hierbei die VW-Manager Friedrich Wilhelm Schultz-Wenk und Heinrich Nordhoff, die das Projekt mit dem für diese Jahre typischen Aufbau-Elan voran trieben.
Die Produktionsstätten wurden mit einer Ausnahme alle in der südlich gelegenen Region Sao Paulo gebaut.
Diese eine Ausnahme ist für unser Thema höchst bedeutsam.
Volkswagen baute nämlich nahe der nordbrasilianischen Großstadt Belem ein Werk, in dem Getriebe und Achsen produziert wurden. Dieses Werk lag von den südlichen Produktionsstätten circa 2500 Kilometer (Luftlinie!) entfernt. Da die handelnden Männer mit Weitsicht ausgestattet waren, muß Ihnen klar gewesen sein, dass mit dieser Entscheidung erhebliche logistische Probleme auf sie zu kamen. Die Gründe für die Wahl dieses Standortes müssen also woanders liegen. Es kann vermutet werden, daß es sich um eine politische Entscheidung handelte, die eine Folge der Verrhandlungen mit dem brasilianischen Regierungschef Juscelino Kubitschek war. Kubitschek öffnete das Land für ausländische Investoren, achtete jedoch auch auf auf eine Entwicklung in der Fläche. Offenbar wollte er auch im schwach entwickelten Norden Brasiliens einen industriellen Aufschwung herbeiführen.
Schaut man sich Belem und seine Lage zwischen Meer, Amazonasdelta, diversen Flüssen und ausgedehnten Wasserfächen an, ist klar, was passieren musste. Schon leichte Unwetterlagen machten einen Transport der in den südlichen Produktionsstätten dringend benötigten Getriebe und Achsen auf dem Landweg unmöglich.
Naheliegend war es nun, den Transport mit großen Frachtschiffen entlang der brasilianischen Atlantikküste zu organisieren. Nachdem aber 1957 zwei dieser Frachter unter ungeklärten Umständen (Anm.:vermutlich Piraterie) und mit gravierenden Auswirkungen auf die Produktion verloren gingen, suchte man nach einem Ausweg.
Diesen Ausweg fand man in einer Kooperation mit der CTA (Centro Tecnico de Aernautica), aus der später der heutige Flugzeughersteller Embraer hervor ging. Nach Beschwerden der Führung von Volkswagen do Brasil bei der Regierung über das schlechte Straßennetz wurde die CTA angewiesen, einen bereits vorhandenenen Entwurf für ein militärisches Wasser-Transportflugzeug auf die Bedürfnisse von VW anzupassen. Volkswagen stellte sogleich technische Zeichner und Ingenieure zur Verstärkung des Teams der CTA zur Verfügung. Deren Handschrift erkennt der Fachmann am Flugzeug sofort und auch dem Laien erschliesst sich der Zusammenhang bei Betrachtung der Frontpartie des VW-Bus Modell T1 und dieses Flugzeugs sofort.
Es entstand eine kleine Flotte von drei Transportflugzeugen, von denen jeweils zwei im Pendelbetrieb unterwegs waren und eines standby in der Werft lag.
Eine dieser Maschinen, die "Ciudad do Belem" ist ansatzweise dokumentiert, wird hier im Weiteren beschrieben und auch als Modell vorgestellt.
Jeweils zwei Maschinen flogen ab 1959 im täglichen Pendelverkehr zwischen Belem und Sao-Paulo. Die letzte Erwähnung in den Archiven bezieht sich auf Transporte im Jahr 1972. Zu diesem Zeitpunkt war das brasilianische Strassennetz dann bereits so gut ausgebaut, dass vermutlich die Notwendigkeit teurer Lufttransporte entfiel.
Erwähnenswert ist auch noch eine Reihe von Hilfsflügen nach Peru und Bolivien, in deren Zuge im Jahr 1963 große Mengen Impfstoff gegen Gelbfieber zur Bekämpfung einer Epidemie im dortigen Grenzgebiet abgeworfen wurden. Vermutlich verdanken tausende Menschen dieser Aktion ihr Leben.
Was aus den drei Maschinen wurde, ist leider nicht dokumentiert. In der gut und lückenlos dokumentierten Chronik brasilianischer Flugunfälle der brasilianischen Luftfahrtbehörden tauchen sie jedenfalls nicht auf, so dass von einem friedlichen Ende durch Abmustern und Verschrotten ausgegangen werden kann.