Die legendäre CARAVELLE von Graupner
Dr. Wolfgang L. Butz
Mit freundlicher Genehmigung aus Antik-Rundschau Nr. 116
Damals, 1964 als Jugendlicher, habe ich bereits meine Nase an die Scheiben eines Modellbaugeschäftes in Freiburg gedrückt und den imposanten Baukasten der CARAVELLE bestaunt. Zu dieser Zeit war das leider für mich eine unerreichbare Größenordnung. Zu Hause hatte ich meinen von einem 0,98 cm³ HOBBY-Diesel angetriebenen und schon dutzendfach reparierten KADETT, mit dem aber nur Freiflug angesagt war. Nach einem bruchfreien Flugtag war ich damals immer ganz glücklich und träumen durfte ich ja.
Nachdem ich nun fast 10 Jahre an den Treffen der ANTIKEN mit meinem JAGUAR, dem GROSSEN WINKLER und einer nach einem Originalbauplan gebauten KWIK FLY MK3 teilgenommen habe, entdeckte ich im Internet eine ARF-CARAVELLE als Retro; für mich Holzwurm ist dies fast schon Frevel. Somit stand mein Entschluss fest: Ich baue eine CARAVELLE und zwar in Holz und mit Papierbespannung. So wie Gustav Sämann, der 1960 mit seiner CARAVELLE Vizeweltmeister in Dübendorf/Schweiz wurde. Nur einen Kompromiss wollte ich eingehen: Elektroantrieb (und natürlich eine moderne 2,4 GHz-Fernsteuerung).
Ich habe mir also die Pläne und die Baubeschreibung beim Paul Hucke-Archiv besorgt, dann die erforderlichen Materialmengen kalkuliert und bei HEERDEGEN Balsaholz bestellt. Es erfolgte eine sehr schnelle Lieferung von top Material!
Die alte Baubeschreibung konnte ich nur bedingt nutzen, da die Teile nicht, wie seinerzeit im Baukasten, gestanzt vorliegen, sondern alle Stück für Stück nach Zeichnung aus dem „Vollen“ geschnitzt werden mussten. Die Rippen für den Tragflügel habe ich mittels Wurzel- und Endrippe im Block hergestellt.
Auch die Rippen für das Höhenleitwerk wurden nach Plan einzeln ausgeschnitten.
Ebenso habe ich die Rumpfseitenteile angefertigt und dann zusammengeleimt. Das ist alles kein Hexenwerk für jemand, der es gewohnt ist, mit Holz zu bauen. Den Bug, also dort, wo ehemals der OS Max 49 arbeitete, habe ich für den Elektromotor modifiziert:
Der Motorspant blieb an seiner ursprünglichen Stelle. Ich habe eine Motorhaube aus GfK gefertigt und zwar im „Positiv“-Verfahren. Dazu wird die Rumpfspitze ganz normal aus Holz gebaut, anschließend mit Porenfüller gestrichen und dann mit Trennmittel eingepinselt. Jetzt werden drei Lagen 80 g/m²-Glasmatten mit Epoxi-Harz auflaminiert und nach 12 Stunden kann eine sehr gut passende Motorhaube ausgeformt werden.
Die Form habe ich bis etwa 1 cm hinter die Position des Motorspantes laufen lassen. Dann wird die Rumpfspitze kurz vor dem Motorspant einfach abgesägt, der E-Motor angebracht und die GfK-Motorhaube an den erforderlichen Stellen ausgespart.
Zusätzlich habe ich tiefgezogene Lufteinlasshutzen für die Kühlung angebracht.
Über das Internet konnte ich die originale Kabinenhaube und das Bugfahrwerk erwerben. Das hat mir natürlich viel Arbeit erspart. Für die modernen, teilweise sehr kleinen Fernsteuerkomponenten ist sehr viel Platz im Rumpf. Die Servos werden im hinteren Drittel unter der Flächenauflage eingebaut und sind somit gut zugänglich.
Die beiden Höhenruder (linke und rechte Hälfte) habe ich einzeln angesteuert, aber mit einem Servos angetrieben. Das geht mit jeweils einem 1,2 mm Stahldraht in einem PVC-Bowdenzugrohr ausgesprochen gut; die Stahldrähte werden kurz vor dem Servo zusammengeführt und können dort in der Länge einzeln verstellt werden. Die Flächenbefestigung erfolgt wie beim Original mit Gummiringen. Das hat bei den jüngeren Vereinskollegen beim Erstflug für mächtiges Aufsehen und Verständnislosigkeit gesorgt.
Bei der Antriebsauslegung habe ich mich wohl etwas verrechnet. Der HACKER A 50 12S V3 mit einem Prop 13X10 APC und einem Lipo 5S mit 5800 mAh bringt fast zu viel Power, ein 70 A Regler ist dabei mehr als genug. Erst im Nachhinein habe ich die ganz hervorragende Antriebsberechnung HACKER eCalc (dort Propellerantriebe) auf deren Internetseite gefunden und konnte so zumindest den Propeller noch so auswählen, dass das Programm für den gesamten Antrieb gute Betriebswerte ergab. Dieses Programm von HACKER ist ein ganz toller (kostenloser!) Service. Das Berechnungsprogramm ergab für meine Auslegung:
Belastung: | 6,5 C |
Volllastflugzeit: | 9,2 min |
Propeller: | APC 13'' x 8'' |
Drehzahl: | 8600 U/min |
Standschub: | 3655 g |
Fluggeschwindigkeit: | 95 km/h |
Steigleistung: | 9,1 m/s |
Die CARAVELLE sollte also ganz gut fliegen.
Ich habe das gesamte Modell mit Papier (21 g/dm²) bespannt, die freien Rippenfelder der Flächen sogar doppelt. Dann erfolgten drei Anstriche mit Spannlack und ein Anstrich mit Porenfüller als Grundierung. Die Farblackierung erfolgte mit einem Kunstharzlack in Seidenmatt. Bei der Lackierung habe ich nach originalen Farbfotographien gesucht, war dabei aber nicht sehr erfolgreich. Vergleiche und meine Erinnerungen haben mich dann zu einem Orange-Ton, ähnlich RAL 2004, und einem Creme-Weiß (RAL 9010) greifen lassen. Ich glaube, das sieht dem Original zumindest sehr ähnlich! Das vollständige Design (Zierstreifen und Beschriftung) ist aber noch nicht fertig, die CARAVELLE fliegt jedoch auch so schon.
Während des Baus habe ich einige Bilder gemacht. Eigentlich wollte ich bei der Saisoneröffnung in Kottspiel dabei sein. Das Wetter hat mir allerdings einen ordentlichen Strich durch die Rechnung gemacht.
Irgendwie habe ich mir einen Jugendtraum erfüllt und wieder einmal erleben können, wie schön und befriedigend der „richtige“ Modellbau sein kann. Im nächsten Winter baue ich dann bestimmt wieder einen echten Antiken aus den 30er oder 40er Jahren, mindestens aber aus einer Zeit vor meinem Geburtsjahr!
Durbach im Mai 2015