Hallo Markus,
es lag nicht in meiner Absicht, unfreundlich oder beleidigend "rüberzukommen". Nachdem ich nun meinen Beitrag nochmal gelesen habe, wurde mir klar, dass er so verstanden werden kann. Ich bitte dafür um Entschuldigung.
Grundsätzlich ist alles gesagte bzgl. Bernoulli etc. korrekt und ich bin sicher, wir meinen alle prinzipiell dasselbe. Man sollte sich aber die Größenordnungen vor Augen führen.
Um es nicht zu "theoretisch" werden zu lassen habe ich mal einen Vergleich bemüht. Schauen wir uns mal einen typischen Airliner wie den Airbus 320 an. Der hat eine maximale Startmasse von etwa 77 Tonnen und eine Flügelfläche von rund 123 m². Die effiziente Reisegeschwindigkeit liegt bei etwa 840km/h, was 233m/s entspricht. Rechnen wir nun mal die Druckdifferenz zwischen Ober- und Unterseite der Tragfläche aus, die erforderlich ist, um den Flieger in der Luft zu halten, so ergibt sich gerade mal ein Druck von knapp 63 mbar. Dass das zwar stark vereinfacht gedacht ist, ist mir klar, aber selbst, wenn wir lokal die doppelte oder dreifache Druckdifferenz bekommen, dürfte meine Annahme für den Ansaugtrichter der KJ66 mit einer Druckdifferenz von 50 mbar (bei fast der halben Strömungsgeschwindigkeit) nicht völlig daneben liegen.
Julian's Aussage, dass "der statische Druck zwischen Verdichter und Einlauf _sehr_ klein ist", ist von daher zu relativieren. Auch der Vergleich mit dem Staubsauger hinkt, da die genannte Druckdifferenz nur im statischen Zustand (also kein Massenstrom - der Saugschlauch ist verschlossen) erreicht wird. Dies ist allein dem Zentrifugaleffekt des (normalerweise zweistufigen) Staubsaugergebläses zuzuschreiben. "Aerodynamisch" passiert da nicht viel. Prinzipiell sieht ein Staubsauger im Vergleich zu unserem Radialverdichter ohnehin ziemlich "arm" aus, ersterer erreicht ein Druckverhältnis von vielleicht 1,25, während unser Verdichter ohne weiteres 2,3 erreicht (allerdings auch bei einer Antriebsleistung von 24kW...). Da man diese Druckdifferenz nutzen will, um einen möglichst hohen Überdruck in der Brennkammer zu erreichen, muss man den Ansaugdruckabfall so klein wie möglich halten. Deshalb auch die abgerundete Trichterform des Einlaufs.
Zurück zu den Kräften, die auf den Turbinenrotor wirken: Die Vorderseite des Verdichters und der Turbine erzeugen eine Kraft nach hinten, während die jeweiligen Rückseiten eine Kraft nach vorne erzeugen. Den wertemäßig größten Beitrag leifert dabei die Rückseite des Verdichters, da hier eine recht große Fläche (bei der KJ66 ca. 34cm²) mit einem Druck beaufschlagt wird, der irgendwo zwischen Brennkammerdruck und Umgebungsdruck liegt. Ich würde absolut ca. 1,5bar schätzen (Reaktionsgrad 0,55). Diese Fläche trägt also mit rund 500N zum Rotorschub bei (51kg).
Vorne im Einlaufbereich haben wir absolut ca. 0,95 bar, und dann wird's schwierig, weil aufgrund der inneren Verdichtung im Laufrad dann der Druck auf ca. 1,5 bar absolut zunimmt. Gehen wir von einem radial linearen Druckanstieg aus, so erhalten wir etwa 150N vom Eintritt und etwa 210N von der Abgedeckten Ringfläche. Dazu kommen noch die 31N durch die Impulserhaltung (Umlenkung) der einströmenden Luft wirkende Kraft. Insgesamt trägt die Vorderseite des Verdichters also rund 391N an Kraft nach hinten bei.
Bei der Turbine müssen wir nun wieder etwas schätzen, da die Axialkraft sich aus der Nabe (einfach) und dem Schaufelkranz zusammensetzt. Da dieser nur eine Teilüberdeckung liefert, könen wir hier keine exakten Zahlen angebene, ich rechne daher mal mit einem Überdeckungsfaktor von 0,8 für den Schaufelkranz (effektive gesamtfläche des Turbinenrades rund 30cm²). Druck zwischen Turbinenleit- und Laufrad ist etwa 1,73 bar, hinter dem Laufrad in der Schubdüse rund 1,36bar (wenn man von einem Reaktionsgrad der Turbine von 0,5 ausgeht). Als Kräfte erhält man dann von der Vorderseite 500N und von der Rückseite 400N.
Über alles aufsummiert komme ich dann für die KJ66 bei Vollgas auf einen Rotorschub von 9N nach vorne.
Was diese "Schätzung" aber auch zeigt, ist dass wir es insgesamt mit hohen Kräften zu tun haben, die sich gegenseitig ausbalancieren. Eine kleiner Abweichung z.B. von den angenommenen bzw. errechneten Reaktionsgraden der Turbostufen kann schon zu einer Umkehrung der effektiven Kraft führen.
Was auch noch auffällt, ist, dass bei diesem Rechnmodell der KJ66 der Druck zwischen Turbinenleit- und Laufrad höher ist als derjenige hinter dem Verdichter. Dies würde für eine effiziente Lagerkühlung zwingend die Verwendung einer Abdichtscheibe und die Zuführung von Verdichterdruck vor dem verdichterseitigen Lager erforderlich machen. Möglicherweise ist aber auch der Reaktionsgrad des Verdichters zu niedrig angesetzt.
Wie dem auch sei, man "fischt" bei solchen Abschätzungen "reichlich im Trüben", da dem Amateur (und ich möchte mal behaupten auch den "Profis" im Modellturbinenbereich) normalerweise nicht die Messgeräte zur Verfügung stehen, um diese Parameter genau zu ermitteln.
Ich bitte den langen Post zu entschuldigen...
Grüße,
Thomas