Eine kleine Zeitreise in die Geschichte der Fernsteuertechnik

gero

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Hallo,

ich hoffe mal, das hier ist das richtige Forum für diesen Text. Nein, Neuigkeiten sind im folgenden Text nicht zu erwarten, eher Erinnerungen und eine kleine Geschichtsstunde.
Mein Posting basiert auf einem Artikel, den meine Frau und ich vor einigen Jahren in der "Kultur und Technik", der Mitgliederzeitschrift des Deutschen Museums veröffentlicht hatten. Das Heft (2/2018) ist möglicherweise sogar noch zu beschaffen...

Neben industriellen und militärischen Anwendern interessierten sich auch Tüftler aus dem Modellbaubereich für die Möglichkeiten dieser Technik und brachten vielfältige Ideen und Lösungen in die Technikentwicklung ein. Würde man die heutige Fernsteuertechnik mit den Augen eines Flugmodellbauers aus der Anfangszeit betrachten, würde man gewiss an Zauberei glauben.

Elektrische Funken

Ein Anfangspunkt findet sich tief im vorvergangenen Jahrhundert. Heinrich Hertz, Physiker an der Technischen Hochschule Karlsruhe hatte ein Ziel - die bisher nur theoretisch vorhergesagten elektromagnetischen Wellen künstlich zu erzeugen und zu untersuchen. Das Herzstück seiner Versuchsapparatur war eine Funkenstrecke, eine millimeterbreite Lücke in einem Stromkreis. Unter Hochspannung gesetzt, knisterten in dieser Lücke elektrische Funken. Der Empfänger bestand aus einem Metallring mit einer gleichartigen Funkenstrecke. Unter bestimmten Bedingungen zeigten sich dort ebenfalls Funken, auch wenn an dieser Funkenstrecke keine Hochspannung angeschlossen war. Beim Abschalten der Spannung am Sender verschwanden die Funken am Empfänger ebenfalls. Hertz konnte die Wirkung der Funkwellen über mehrere Meter hinweg nachweisen, auch wenn die Fünkchen am Empfänger manchmal nur mit dem Mikroskop sichtbar waren. Die praktische Anwendung der Funktechnik realisierten in den darauffolgenden Jahren Ingenieure aus verschiedenen Ländern. Vor allem um die optimale Gestaltung und Anbindung der Antenne drehten sich die folgenden Innovationen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten die sogenannten Knallfunkensender ihre praktische Einsatzreife zur Nachrichtenübermittlung per Morsezeichen bewiesen.

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Beginnen wir den Bilderreihen mit Heinrich Hertz. Hie seine Büste in der Ruhmeshalle des Deutschen Museums.

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Hier die Funkenstrecke eines Knallfunkensenders. Der Name ist übrigens Programm. Böse Zeitgenossen behaupteten, mancher der Sender wäre weiter zu hören als zu empfangen gewesen.

gero
 

gero

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Durch elektrische Lichtbögen entstehende hochfrequente Wellen sind auch heute noch Thema im ferngesteuerten Modellbau. Störungen, durch Bürstenfeuer schlecht entstörter Elektromotoren, sind ein Beispiel für unwillkommene „Funkensender“.

Nikola Tesla

Mit Funkwellen nicht nur Morsezeichen zu übermitteln, sondern auch Modelle aus der Ferne zu steuern, blieb nicht lange Utopie. Am 8. November 1898 wurde Nikola Tesla, dem berühmten Erfinder elektrischer Apparate und Verfahren, das Patent 613.809 für eine „Methode und Apparat zur Steuerung beweglicher Schiffe und Fahrzeuge“ erteilt. Ein damit ausgerüstetes Boot führte er im gleichen Jahr im Rahmen einer Ausstellung im New Yorker Madison Square Garden einer staunenden Öffentlichkeit vor. Das Herz seines Fernsteuerempfängers war eine Schaltmechanik. Tesla konnte damit nicht nur Ruder und Antriebsmotor des vier Fuß langen Bootes drahtlos steuern, sondern auch noch verschiedene Beleuchtungseffekte.


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Die damaligen Patentunterlagen sind heute sogar online abrufbar. Das wäre doch ein Nachbarprojekt ...
 

gero

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Intelligentes Metallpulver

Bei den ersten Funkgeräten bestand die größte Herausforderung in der Empfindlichkeit der Empfänger. Dessen Herzstück war damals ein sogenannter Kohärer. Dieses Bauteil, im deutschsprachigen Raum auch als „Fritter“ bezeichnet, besteht aus einem mit Metallpulver gefüllten Glasröhrchen. Unter dem Einfluss von Funkwellen ändert sich der elektrische Widerstand dieses Bauelements, die Metallteilchen backen gewissermaßen zusammen. Leider bleibt dieser Zustand erhalten, auch wenn keine elektromagnetischen Wellen mehr wirken. Es braucht anschließend eine kleine Erschütterung des Glasröhrchens, um das Pulver „zurückzusetzen“. Praktisch geschah das durch einen elektrischen Klöppel, wie bei einer altmodischen Klingel. Heutzutage mag diese Technik primitiv erscheinen, aber immerhin war zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts damit transatlantischer Funk möglich. An Versuchen, auf dieser Basis praxistaugliche Fernsteueranlagen zu bauen, hat es nicht gemangelt.

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Hie mal ein entsprechender Empfänger aus dem Museum.
 

gero

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Es gab, bis in die 1950er Jahre ferngesteuertes Spielzeug, bei dem Knallfunkenstrecke und Fritter eingesetzt wurden. Von erfolgreich ferngesteuerten Flugmodellen ist jedoch nichts bekannt. Bei aller Begeisterung für diese historische Fernsteuertechnik, ein Einsatz dieser Geräte in der heutigen Zeit verbietet sich. Der Knallfunkensender arbeitet in einem Frequenzband, welches heute für andere Funkdienste reserviert ist und ist so breitbandig, dass zahlreiche Geräte im Umkreis gestört würden.

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Hier mal der Radicon-Bus, eines der Knallfunkengesteuerten Modelle. Daneben gab es noch ein Boot und einen Roboter.

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Die Funkenstrecke des Senders, zur Feineinstellung per Schraube einstellbar. Zur Sichtkontrolle, ob der Sender funkte, gab es darüber ein kleines Fenster.

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Auch der Fritter und der Klöppel zum "Anklopfen". Der Vorbesitzer meinte, das wäre eine Sicherung, die ich ersetzen müsste damit alles wieder funktioniert. Glücklicherweise hatte er dort nicht Hand angelegt.

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Mehrere Funktionen (Vorwärts, rückwärts, rechts, links) wurden durch ein Schrittschaltwerk realisiert.Obgleich der Zahn der Zeit gehörig genagt hatte, funktioniert die Technik heute immer noch.
 

gero

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Der nächste große Entwicklungsschritt folgte durch die um die Jahrhundertwende erfundenen Elektronenröhren. Relativ kleine, elektrisch stabile, frequenzgenaue und schmalbandige Hochfrequenzgeneratoren für Sender konnten damit realisiert werden. Auf Empfängerseite verschwand der Fritter von der Bildfläche. Röhrenverstärker verbesserten die Empfängerempfindlichkeit. Bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg war die Röhre die Basis der Funktechnik. Einzig die Bezeichnung „Funk“ erinnert noch an die knisternden oder knallenden Apparaturen der Anfangsjahre.

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Die Röhren haben dann die Flunkerei doch eine ganze Zeit begleitet.
 

gero

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Dresdener Erfolg beim Pfingstfliegen 1936

Mitte der 1930er Jahre erschien die Funkfernsteuerung von Flugmodellen für Amateure machbar. Es gab Röhren als Bauteile von Rundfunkgeräten. Vielerorts wurde mit der neuen Technik experimentiert. In Deutschland und den USA gab es die ersten Erfolge. Chester Lanzo, ein bekannter amerikanischer Flugmodellbauer aus Cleveland, der 1934 mit Knallfunkensender und Fritter für sein Motormodell gescheitert war, begann mit einer Röhrenfernsteuerung zu experimentieren. In Dresden entstand für den Rhön-Pfingstwettbewerb für Segelflugmodelle 1936 ein funkferngesteuertes Segelflugmodell. Ein Hochfrequenzgenerator stand als Sender auf der Wasserkuppe zur Verfügung, Alfred Lippitsch und Egon Sykora entwickelten innerhalb weniger Wochen einen funktionssicheren Röhrenempfänger. Weitere Mitglieder der Dresdener Modellfluggruppe bauten das dazu passende Flugmodell BF-52. Ein Nachbau dieses Meilensteins der Fernsteuergeschichte hat in unseren Tagen den Weg in das Museum auf der Wasserkuppe gefunden.

Mit diesem Modell gelangen die ersten ferngesteuerten Modellflüge. Das Modell konnte gesteuerte Kurven im Hangaufwind fliegen und landete nach 45 Sekunden Flugzeit wenige Meter vom Startplatz entfernt. Der erhoffte Aufbruch in die Zukunft der Modellfernsteuerung wurde nach diesem Erfolg jedoch behördlicherseits schnell wieder unterbunden, zivile Funkfernsteuerungsexperimente blieben in Deutschland bis zum Kriegsende verboten.

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Bildmaterial davon ist rar. Leider geben die Fotos in der Fachpresse (Hier die Luftwacht von 1936/37) dieser Jahre nur wenig her. Auch passt nicht alles, was dazu in Museen zu sehen ist 100% zur Realität. Aber bestimmt hat jemand aus dem Forum hierzu noch mehr Informationen.
 

gero

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The Big Guff

In den USA flog das erste funkferngesteuerte Segelflugmodell im Juli 1937 beim nationalen Segelflugmeeting in Elmira. Die ersten Motorflüge zeigten die Brüder William und Walther Good im gleichen Jahr in Kalamanzoo. Ihr Modell „Big Guff“ und ein Nachbau der Fernsteueranlage können heute im Smithsonian Museum besichtigt werden.

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Vom Suff findet man im Netz allerlei Fotos, Zeichnungen und Baupläne (hier ein Ausschnitt aus einem Bauplan). Ich kann mir gut vorstellen, daß es davon auch Frästeilesätze gibt.

Die damaligen Sender waren voluminöse und schwere Gerätschaften, die in manchen Fällen beispielsweise im Kofferraum eines Autos fest eingebaut waren. Die Senderantenne war mehrere Meter hoch und wurde stationär aufgebaut. Bewegungsfreiheit für den Piloten war durch eine Sendetaste, die über ein mehrere Meter langes Kabel mit dem Sender verbunden war, erreicht.

In die Zeit vor dem zweiten Weltkrieg fällt auch die Festlegung der Fernsteuerfrequenzbänder. Da Funkwellen bekanntlich an Landesgrenzen nicht anhalten, war die Festlegung und Zuteilung von Frequenzbändern eine internationale Abstimmungsaufgabe. Für die Modellfernsteuerung wurden ursprünglich keine eigenen Frequenzen reserviert, es gab aber eine Reihe von Bereichen, die für industrielle, wissenschaftliche und medizinische Zwecke frei verwendbar waren. Am populärsten war das 27.12 MHz Band, die meisten Fernsteuerungen der frühen Jahre wurden in diesem Frequenzbereich betrieben. In diesem Frequenzband tummelten sich jedoch auch verschiedene andere Funker. Mit wachsender Popularität beispielsweise des CB-Funkes wurde das mehr und mehr zu einer häufigen Störungsquelle.
 

gero

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Bei allen Vorteilen, die die eingesetzten Röhren mit sich brachten, waren diese Bauteile extrem wählerisch, was die Stromversorgung betraf. Röhren benötigen eine Anodenspannung, die bei den frühen Exemplaren weit über 100 V liegen musste. Während ein Betrieb am Stromnetz für den Sender noch eine halbwegs praktikable Möglichkeit darstellte, waren für die Empfänger natürlich mobile Lösungen erforderlich. Meistens wurden spezielle Anodenbatterien, Trockenbatteriesätze aus -zig Einzelbatterien verwendet. Der Dresdener Empfänger wurde mit einem Gleichspannungsumformer betrieben, der die erforderliche Spannung aus Akkus erzeugte. Alles in allem führte natürlich zu sehr gewichtigen Fernsteuerungsempfängern. Der Dresdener Einkanal-Zweiröhrenempfänger brachte inklusive Stromversorgung und Ruderantrieb beispielsweise 1240 g auf die Waage, das später entstandene Gerät der Good-Brüder war nur wenig leichter.

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Hier mal der Blick in einen typischen Handsender aus den 50er Jahren. Ausgestattet mit zwei Röhren war dieses Gerät schon ein komfortableres. Die Hochfrequenz ist Quarzstabilisiert und würde sogar heutigen Behördenanforderungen genügen, nur ist die Sendeleistung höher als erlaubt.
Die beiden dicken rot-blauen Klötze sind Anodenbatterien und bringen es zusammen auf 135V. Die beiden Monozellen heizen die Röhren.
 

gero

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Einkanalsteuerung

Die Fernsteueranlagen der Anfangsjahre waren in der Regel Einkanalanlagen. Meistens wurde zur Steuerung nur die Hochfrequenz des Senders ein und ausgeschaltet. Im Empfänger wurde damit ein elektromechanisches Relais angesteuert. Häufig betätigte das Relais direkt das Ruder in eine Richtung. Damit konnte beispielsweise eine Linkskurve gesteuert werden. Ohne Sendersignal zog ein Gummi oder eine kleine Feder das Ruder in die Gegenrichtung, damit flog das Modell dann eine Rechtskurve. Die ferngesteuerten Modelle waren durch die Gewichtsanforderungen ohnehin recht groß, und die entsprechende Masseträgheit verwandelte die gesteuerte Schlangenlinie in einen Geradeausflug.

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Hier mal ein Ausschnitt aus einer Bauanleitung von Erich Friebe aus den 50er Jahren. Veröffentlicht damals in der "Jugend und Technik"

Die ersten Fernsteuererfolge weckten natürlich die Begehrlichkeiten der Piloten. Zum einen galt es die Zahl der steuerbaren Funktionen zu erhöhen. Zum anderen versuchte man gezielt Zwischenpositionen der Ruder zu steuern.
 

gero

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Schaltsterne und fliegende Uhrwerke

Mehrere Steuerfunktionen, rechts/links zum Beispiel mit nur einem Funkkanal zu übertragen, war mit einer Schaltmechanik, ähnlich der aus dem Radicon-Bus weiter oben, möglich.
Eine elektrisch betätigte Klinke ließ die Mechanik bei jedem Fernsteuersignal um einen Schritt weiter drehen. Dabei durchlief der Ruderhebel die Steuerfolge: neutral – rechts – neutral – links. Das Weiterdrehen, und damit die Ruderbetätigung, wurde durch ein Federwerk oder einen Gummimotor, angetrieben. Das kann man schön in der obigen Bauanleitung erkennen. Im englischsprachigen Raum hat sich für diese Ahnen der Servos der Begriff „Escapement“ durchgesetzt. Das Wort bezeichnet auch die Ankerhemmung in einem Uhrwerk. In Deutschland waren in den 1950er Jahren, die von Friedrich Tröger aus Fürstenfeldbruck entwickelten Schaltsterne, sehr populär. Die Steuertechnik mit diesen Fernsteueranlagen erforderte einige Konzentration, ein Gegenlenken gegen eine zu steile Rechtskurve des Modells verlangte beispielsweise zwei kurze Steuerimpulse. Pfiffige Technikpioniere entwickelten dafür spezielle Kommandogeber in Steuerknüppelform, die die Rechts- oder Linkskommandos in die entsprechenden Steuerimpulse umsetzten. Eine größere Verbreitung fanden solche Gerätschaften jedoch nicht.

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gero

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Tonkanäle

Der Weiterentwicklung der Einkanaltechnik waren enge Grenzen gesetzt.

Mehrere Fernsteuerfunktionen erforderten einen größeren Aufwand. Das Tonkanalverfahren ermöglichte die Übertragung verschiedener, voneinander unabhängiger Steuerkommandos. Es ähnelt dem Multifrequenzwahlverfahren beim Telefon - den einzelnen Steuerkanälen sind unterschiedliche Tonfrequenzen zugeordnet. Die Hochfrequenz des Senders wird mit diesen Tönen moduliert. Empfängerseitig ist eine Schaltung vorhanden, die beim Empfang der verschiedenen Töne die zugeordnete Steuerfunktion schaltet.

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Die ersten Tonfrequenzanlagen verwendeten dazu ein Zungenrelais. Im Wirkungsbereich eines Elektromagnets sind verschieden lange Metallstreifen angeordnet. Ähnlich einer Stimmgabel beginnt nur die Metallzunge zu schwingen, die der entsprechenden Tonfrequenz zugeordnet ist. Hier ein Beispiel einer der ungezählten Eigenbauanlagen dieser Zeit. Ausgestellt auf dem Fluggelände der IFM München.
 

gero

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Die Zuverlässigkeit der Fernsteueranlagen dieser Zeit stellte einige Anforderungen an den Piloten. Einige der eingesetzten Bauelemente alterten mit der Zeit, waren temperaturempfindlich oder änderten ihre Eigenschaften bei fallender Batteriespannung. Der nichtmetallische Abgleichschraubenzieher war damals ein unverzichtbares Utensil auf dem Modellflugplatz. Häufig musste die Anlage, die auf dem Basteltisch noch einwandfrei funktioniert hatte, vor dem Start des Modelles noch einmal nachgestimmt werden. In den meisten Röhrensendern war ein entsprechendes Messgerät eingebaut, manchmal flog sogar ein Instrument mit, weil das Entfernen aus dem Stromkreis die ganze Anlage wieder verstimmt hätte.

Halbleitertechnik

Wenig später waren die ersten Transistoren für Amateure verfügbar. Diese neuen Bauelemente eröffneten für die Fernsteuertechnik viele neue Möglichkeiten. Hans Schumacher aus München war einer der ersten, der das Zungenrelais durch Transistorschaltstufen ersetzte. Sein Patent für ein „Über einen Schwingkreis gesteuertes elektrisches Relais“, datiert vom Januar 1959, ist die Basis vieler Tonkanalschaltstufen dieser Zeit.

Weil die Hochfrequenzeigenschaften der frühen Transistoren noch recht unbefriedigend waren, findet man in Sendern und Empfängern, bis weit in die 1960er Jahre hinein, immer noch Röhren. Die bekannten Metz Mecatron-Handsender hatten beispielsweise eine Hochfrequenzröhre. Die Röhren dieser Zeit durchliefen inzwischen ebenfalls eine rasante technische Entwicklung. So entstanden in dieser Zeit beeindruckende Miniempfänger.

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Nur noch für die Hochfrequenz fliegt eine Röhre mit, der Rest des Empfängers ist hier schon "Mini". Der Abgleichschraubenzieher ist aber immer noch ein unverzichtbares Utensil auf dem Flugplatz.

Fortsetzung folgt ...
 

gero

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Die elektronischen Schaltstufen brachten den Durchbruch der Mehrkanalanlagen, 8 oder 10 "Kanäle" waren in den 70ern keine Seltenheit. Wobei "Kanal" bei den Tonkreisanlagen meistens nur eine "halbe" Steuerfunktion bedeutete. Also z.B. "Ruder rechts". Oder eben "Ruder links" 8 Tonkanäle ermöglichten also die Steuerung von 4 Funktionen. Nebenbei waren diese Anlagen typischerweise einfach erweiterbar. Ein zusätzlicher Tonkanal erforderte am Sender meistens nur einen Schalter und einen Widerstand oder Kondensator und auf Empfängerseite eine zusätzliche Schaltstufe. Logisch, daß die Anlagen dann "modulbar" waren und mit den Anforderungen oder dem Geldbeutel mitwuchsen. Nicht nur die bekannten "Varioton" / "Variophon" Anlagen waren so aufgebaut, sondern z.B. auch diese kleine "Junior" Tonkreisanlage hier.

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gero

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Die ersten Tonkanalanlagen konnten immer nur eine Funktion zu einem gegebenen Zeitpunkt steuern. Findige Entwickler lösten dieses Problem indem mehrere Tonfrequenzen schnell hintereinander gesendet werden konnten, quasi "gleichzeitig". Diese "Simultan"-Steuerungsmöglichkeit fand man dann später sogar im Hersteller- oder Produktnamen wieder.

Eine andere Begrenzung der Tipp-Fernsteueranlagen war damit noch nicht überwunden. Die Steuerkommandos bedeuteten empfängerseitig immer Vollausschlag. Die Rudermaschinen waren inzwischen auch immer kleiner und leistungsfähiger geworden. Zwei grundsätzliche Bauformen setzten sich durch. Bei federneutralisierten Servos drehte der eingebaute Elektromotor den Servoarm bis zum Anschlag und lief weiter. Eine kleine Rutschkupplung verhinderte das Blockieren des Motors. Nach Ende des Steuerkommandos drehte eine Feder den Ruderhebel wieder in die Neutralposition.

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Hier ein Beispiel einer federneutralisierten Rudermaschine. Man erkennt die Rutschkupplung auf der Motorwelle, das Getriebe mit einstellbaren Anschlägen. Die Feder sitzt unmittelbar unter der Kunststoggscheibe.

Bei elektrisch neutralisierten Rudermaschinen waren Schleifkontakte eingebaut, die den Elektromotor am Vollausschlag abschalteten und für das Rückstellen umpolten.

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gero

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Mit dem Ein/Aus-Verfahren der Tipp-Anlagen ließen sich jedoch keine Zwischenpositionen übertragen. Die Modelle waren inzwischen immer leistungsfähiger geworden. Könner steuerten Kunstflugprogramme durch blitzschnelles Tippen. Manch Fernsteuersender hatte eine Unmenge an Tastknöpfen über die gesamte Oberfläche verteilt. Andere Hersteller schworen auf Steuerknüppel, die jeweils verschiedene Mikroschalter betätigten. Der Wunsch nach einer „Proportionalsteuerung“ wurde immer größer.

Automatisches Tippen und proportionale Impulse

Eine erste Lösung wurde mit dem Proportionalimpuls- oder Flatterrelaisverfahren erfunden. Gewissermaßen wurde das permanente „Tippen“ durch den Sender ausgeführt. Die Grundidee bestand darin, dass der Sender abwechselnd in schneller Folge hintereinander Rechts- und Linkskommandos übertrug. Wenn beide Kommandoimpulse gleich lang waren, blieb das Ruder, unterstützt durch eine Neutralisierungsfeder, in der Mittellage. Wenn die „Rechts“- Impulse länger waren, drehte das Servo in diese Richtung, um so mehr, je größer die Differenz der Impulse war. Die Impulse selbst waren so kurz, dass Hin- und Herbewegungen am Servo nicht spürbar waren. Mit dem Proportionalimpulsverfahren konnte eine Fernsteuerfunktion stufenlos gesteuert werden. Die geniale Kombination des Impulsverfahrens mit den schon genannten Tonfrequenzen erweiterte die Möglichkeiten zusätzlich. Die hohe Schule dieser Fernsteuerungstechnik stellen die „Galloping-Ghost“-Systeme verschiedener Hersteller dar, die durch Kombination von Impulslänge und Impulsfrequenz zwei Proportionalfunktionen - Seiten- und Höhenruder - steuern konnten.

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Hier ein solches Servo. Ein starker Elektromagnet, der mittels dreier Anschlüsse in beiden Richtungen geschaltet wurde. Der vordere Drahtbügel dreht sich, je nach Testverhältnis in die eine oder andere Richtung. Diese Technik war natürlich alles andere als perfekt. Vor allem waren jedoch die Ruderkräfte sehr eingeschränkt. Und selbst beim Spitzengerät war nach zwei übertragbaren Steuerfunktionen (Höhe + Seite) schluß.

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Geblieben sind die Steuerknüppel, die damals (hier ein Beispiel von 1971) Einzug gehalten haben.
 

gero

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Raumfahrttechnik

Die nächste Revolution der Modellfernsteuerungstechnik hatte ihre Wurzeln in Pasadena an der amerikanischen Westküste. Doug Spreng und Jerry Pullen, zwei modellflugbegeisterte Mitarbeiter der Raumfahrtfirma JPL, bekamen die brandneue Generation Transistoren in die Finger und entwickelten damit ihre neue Fernsteueranlage. Zuerst entstand ein Servoverstärker. Die Idee bestand darin, die genaue Position des Ruderhebels im Servo zu messen und mit der Sollstellung vom Sender zu vergleichen. Eine Transistorschaltung steuert den Servomotor dann an, wenn sich beide Werte unterscheiden. Der Motor läuft so lange, bis der Ruderhebel den Sollwert erreicht hat. Anders als bei den Flatterrelais-Anlagen steht schon bei der kleinsten Abweichung das volle Drehmoment zur Verfügung. Auch für die Funkübertragung des Sollwertes gingen die beiden einen neuen Weg, sie kodierten den Sollwert in die Länge eines elektrischen Impulses. Eine Impulslänge von 1,5 ms entspricht der Servo-Mittelstellung, 1 ms bzw. 2 ms den beiden Maximalausschlägen. Mehrere solche Kanalimpulse konnten hintereinander als Telegramm übertragen werden. Mit wenigen Modifikationen ist diese Technik über mehr als 50 Jahre die Basis der Modellfernsteuerung praktisch aller Hersteller geblieben. Auf die Frage, warum er nie ein Patent auf diese Ideen angemeldet hat, antwortete Doug Spreng Jahrzehnte später: „Da steckten einfach zu viele Anregungen aus meiner Arbeit drin, mein Arbeitgeber hätte das gewiss nicht gern gesehen.“

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Hier einmal der Servoimpuls auf dem Weg zum Höhenruderservo. Im Prinzip genau so wie vor 50 Jahren.
 

gero

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Weitere Innovationen gab es auf der Hochfrequenzseite. Die Sender waren, bereits seit den 50er Jahren, meistens quarzstabilisiert. Die gesendete Hochfrequenz war so schmalbandig, dass mehrere Sender störungsfrei gleichzeitig benutzt werden konnten. Bei den Empfängern jedoch war immer noch Einfachheit Trumpf. Die am häufigsten eingesetzte Schaltung dieser Jahre war der Pendelempfänger. Eine einzige Röhre, später ein Transistor, ermöglichte mit nur wenigen weiteren Bauelementen eine hervorragende Empfindlichkeit. Nachteil des Pendlers war nicht nur die vergleichsweise geringe Trennschärfe, sondern vor allem eine von ihm ausgehende Störstrahlung. Ein Parallelbetrieb mehrerer einfacher Pendelempfänger war damit nicht möglich. Mit Transistoren konnten ungleich aufwändigere Schaltungskonzepte auf kleinstem Raum realisiert werden. Der Super, so bezeichnete man das trennschärfere neue Empfänger-Schaltungskonzept, machte in den 1960er Jahren den Weg frei für funkferngesteuerte Rennatmosphäre. Damit begann die Zeit der Frequenzmarken und Quarzpärchen.

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In diese Zeit fällt auch der Weg in ein anderes Frequenzband. Die 27.12-MHz - Frequenzen durften neben der Fernsteuertechnik für allerlei andere Zwecke genutzt werden. Von Medizintechnik bis zum Garagentoröffner. Nicht zu vergessen der CB-Funk. "Störung" war damals meistens keine Ausrede. Die Impulsfolgen der Proportionalfernsteuerungen waren deutlich anfälliger für Störimpulse aller Art. FM, die Frequenzmodulation, erwies sich als unempfindlicher. Aber gerade beim Steuern von Flugmodellen waren Störungen nicht nur ärgerlich, sondern auch gefährlich. Ein Sicherheitsgewinn wurde durch das Ausweichen in andere, ausschließlich für die Fernsteuerung von Flugmodellen reservierte Frequenzbänder erreicht. In Deutschland war dafür das 35 MHz-Band reserviert. Die bittere Pille für die Flugmodellsportler war die dafür zu zahlende Gebühr.
 

gero

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Immer kleiner und leistungsfähiger

In den 1970er und 1980er Jahren wurden immer mehr Transistoren in Sender und Empfänger eingesetzt, bald kamen die ersten Integrierten Schaltkreise dazu. Die Möglichkeiten der Elektronik wurden für die Piloten in Form von Mixern, Modellspeichern, Timern, Kennlinien und Stoppuhren augenscheinlich. Die Servoelektronik (ein paar Jahre zuvor hießen diese Bausteine noch Servoverstärker) war immer kleiner geworden und findet heute in den Gehäusen der Servos ihren Platz.

Die aktuelle Entwicklung in der Fernsteuertechnik profitierte maßgeblich von der Revolution in der Mobilfunktechnik. Funkverbindungen zur Datenübertragung finden heute buchstäblich jederzeit und überall statt. Mit den aktuellen 2.4 GHz-Systemen hat diese Technik auch in der Funkfernsteuerung Einzug gehalten. Aber das ist eine Geschichte für sich…

(c) der Fotos Beatrix Dargel

Ich würde mich über Ergänzungen und Kommentare freuen.

gero
 
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