Warum immer diesen Widerspruch heraufbeschwören? Klar hast Du, Kurt, Recht damit wenn Du sagst, dass die breite Masse dazugekommen ist.
Aber das impliziert ja nicht, dass Mathias mit seiner Behauptung (handwerkliche Fähigkeiten auf dem absteigenden Ast) falsch liegt. Es ist ja dermaßen offensichtlich in vielen Threads, dass das tatsächlich der Fall ist. (Man lese sich da nur mal manche Fragen durch, die da auftauchen. Mathias hat ja schon Beispiele genannt.)
Aber das passt doch zusammen und ergibt ein stimmiges, logisches Gesamtbild: Mehr Leute kommen neu hinzu (als reine Modellflieger/ Konsumenten) und von dieser neuen, erhöhten Grundmenge sind dann die Leute, die selber konstruieren und/ oder nach Plan bauen eben prozentual weniger als noch, sagen wir mal vor 20 - 30 Jahren.
Man muss aber auch nicht gleich den Teufel an die Wand malen. Als ich 2004 in unseren Verein eingetreten bin, da wurde bei uns in der Werkstatt viel in der Jugendgruppe gebaut. Und daran hat sich auch die folgenden Jahre wenig geändert. Libelle, Amigo usw. das übliche halt. Und in der Flugsaison wurde auch immer regelmäßig geflogen. Hier haben zumindest wir echt gute und engagierte Jugendleiter. Ich nehme an, dass es in vielen anderen Vereinen noch ähnlich aussieht.
Außerdem sind die Selbstbauer auch noch, oder gerade jetzt wieder sehr aktiv. Kleine CNC Fräsen, die sich Leute auch leisten können, haben in der Hinsicht zu einer Renaissance der Holzbauweise bei Privatprojekten und Kleinserien geführt, habe ich den Eindruck. Schaut mal bei den Nuris rein, oder was sich gerade in der RES-Klasse tut. Nuri-Klaus ist da doch z.B. sehr aktiv. Und man muss ja bedenken, dass das hier im Forum gezeigte immer nur die Spitze vom Eisberg ist. Es gibt ja noch mehr Leute, die selber was bauen und halt nur nicht in Foren angemeldet sind, oder zwar vll. einen Account haben, aber kaum was von sich mitteilen. Außerdem geht heute im FVK Bereich viel was Eigenkonstruktion und Selbstbau angeht. Auch da hat der "CNC Boom" einen wesentlichen Anteil, weil sich jetzt Urmodelle von hoher Güte fräsen lassen. Dann sind noch mehr oder weniger ältere Urmodelle und Formen über den Gebrauchtmarkt im Umlauf und gelangen so im Laufe der Jahre in viele verschiedene Hände. So entstehen vielerorts in kleineren Gruppen bzw. einfach als Privatprojekte verschiedene Schalenflieger. Energija 1, Drops, Donnerlotte, Biest, Eagle (Baubericht von Tofo hier irgendwo im Forum), Viper (Baubericht von Vanquish), Spirit, Matrix, X1 und Quickstep (Threads im Hangflugforum), usw. ... Und das waren nur die, die mir so aus dem Stegreif eingefallen sind.
Was mir aber auch auffällt: Scheinbar sind sich viele beim Umgang mit den verwendeten Materialien bzw. bei eigenen Projekten bei der Auswahl der Materialien und Festlegung der Abmessungen für bestimmte Bauteile immer unsicherer. Es wird auch gefragt wie man Holz biegt, hobelt, Leisten sägt, Teile aus Balsabrettchen ausschneidet. Sowas sind einfach Basics, das ist es, was eigentlich schon den Kids in den Jugendgruppen der Vereine beigebracht werden sollte! Die können sich dann ja gerne immernoch nen Easyglider oder was anderes aus Schaum kaufen. Aber je jünger, desto besser prägen sich die Dinge ein. Und irgendwann brauchen die das Wissen! Nämlich dann, wenn sie mal was reparieren wollen (ja, das gibt es auch. Nicht alle treten den Flieger sofort in die Tonne, schon garnicht teurere Modelle. Nur wie soll das jetzt gehen, wenn das nötige Wissen nie vermittelt wurde?)
Ich bin bei uns in der Familie der einzige Modellbauer und Modellflieger, die Faszination für die Fliegerei hab ich von meinem Onkel, der zu Lebzeiten in Schwäbisch Hall manntragend geflogen ist. Als ich mit 2 Jahren oder so zum ersten Mal bei Besuchen mit auf dem Flugplatz war, hat das halt Eindruck hinterlassen. Bei mir war es dann ein langer, steiniger Weg mit vielen Rückschlägen, der schon im Kindergarten mit dem ersten Flieger angefangen hat (aus den Brettchen von einem Mandarinenkistchen, ist natürlich nicht geflogen). Aber schon in der 3. Klasse waren erste Wurfgleiter mit ganz passablen Flugleistungen dabei. Mich hat eben meine total riesige Faszination für die Fliegerei die ganze Kindheit und Jugend über unaufhörlich angetrieben auf diesem Weg. Und so hab ich mich halt z.B. selber herangetastet und gesehen, was EWD, V-Form, Schwerpunkt usw. alles bedeutet (auch wenn mir als Kind die Fachbegriffe für diese Dinge natürlich größtenteils nicht bekannt waren) und wie man Holz bearbeiten kann. Habe z.B. selber irgendwann bemerkt, dass es sich längs der Maserung schwerer biegen lässt als quer und habe mir das bei der "Konstruktion" zu Nutze gemacht (gewölbte Flächen bei kleinen Wurfgleitern anstatt ebener Platte als Profil).
So sollte das eigentlich laufen bei der Beschäftigung mit Werkstoffen:
1. sehen, verstehen, einprägen, was passiert wenn man was macht (Krafteinwirkung unterschiedlicher Größe und Richtung auf einen Werkstoff, wie verformt sich das Teil, wie versagt es?)
2. Schlüsse daraus ziehen und insbesondere die Eigenarten und Eigenschaften der Werkstoffe beim Basteln und besonders beim Konstruieren berücksichtigen, bzw. sich zu Nutze machen.
Nicht falsch verstehen, das Forum ist natürlich auch für einfache Fragen da, aber wenn mehr Leute mehr Eigeninitiative und Durchhaltevermögen an den Tag legen würden, dann würde das Forum nicht in dem hohen Maße mit den immer und immer wieder gleichen Fragen - ich sag jetzt mal bewusst etwas provozierend und salopp - "zugemüllt" werden! In 99% solcher Fälle hätte die Suchfunktion nämlich schon geholfen.
Gruß
Jochen