Giganten der Lüfte – Historische Luftschiffe als Modelle fürs Wohnzimmer

Hallo ihr RC-Luftschiffer!

Ich eröffne hier ein Forum rund um super kleine fernsteuerbare Luftschiffe nach historischem Vorbild.

Natürlich werde ich in lockerer Form von meinen Projekten berichten, aber ansonsten soll es hier vor allem darum gehen, wie baue ich etwas, das nicht mehr wiegt als ein, zwei Tafeln Schokolade, bringe es zum schweben, und dann schaut es auch noch so aus wie ein Gigant der Luft von vor 100 Jahren ...

Ich lade euch herzlich zum Tüfteln und kommentieren ein!

Airships up!

Ferdinand

Das Bild zeigt den Mittelteil meines LZ 120 im Bau. Gewicht 12 g.

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Und hier sind die Gondeln positioniert. Gesamtgewicht des Abschnitts 14 g.

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Plan war ein klassisches Starrluftschiff. Durch die Beschränkung auf die geringe Größe kamen aber nur die aller leichtesten Materialien in Frage, sowohl beim Gerüst als auch bei Gaszelle und Hülle. Und Schaumstoff ist nunmal nicht starr. Im Prinzip ist das nun eine Gaszelle mit "Verkleidung"... 😉
 
Die in #2 sichtbaren Motorgondeln sind komplett aus Vector boards gebaut, wie ein Papiermodell, und wiegen fast nix.
Deshalb muss man sie für den Transport des Modells abnehmen. Ich habe sie mit einem Klick-System aus Neodym-Magneten befestigt.

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Die oberen Würfelmagnete mit ca. 2mm Kantenlänge wiegen weniger als 0,08 g pro Stück. Davon brauche ich pro Gondel drei am Gestänge und drei in der Hülle, um die Gondel und 1 Motor, Akku und Empfänger (gesamt 9 g) zu tragen.
Der untere 1mm-Magnet wiegt weniger als 1/100 g. Zwei davon halten die untere lange Stütze in Position, die gegen die graue Kante drückt. Fehlt noch die Seilverspannung, die habe ich mir noch nicht überlegt.

Alles in allem kostet mich dieser Luxus (inklusive Klebstoff) ca. 1,5 g – also 1,5 Liter Helium!
Aber das isses mir wert. 😎

Kann ich mir aber auch leisten, denn mein Luftschiff hat ja auch kein schweres, starres Gerippe, sondern nur die Kunststoffhülle aus recht stabilen Vector boards und ein paar Ringträger zur Formgebung. Auf Längsträger kann ich daher komplett verzichten ...
 
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Die ebenfalls abnehmbare achtere Motorgondel. Wiegt mit Motor etc. nicht mehr als 8 g.
 
So, heute mal einiges zu: "Wie plane ich ein Starrluftschiffmodell?"

Ganz am Anfang standen die Fragen: "Wie groß/klein soll mein Modell werden?",
"Wo kann ich es lagern?", "Welches Modell will ich bauen?" und "Welche Materialien verwende ich dafür?"

Andere haben ja für so ein Luftschiff eine große Garage. Als Lagerplatz kam in meinem Zuhause aber nur ein Eckchen im Treppenhaus in Frage, somit durfte das Modell in der Länge nicht größer als 2,40 m sein.

Von allen historischen Zeppelinen war mir das erste zivile Luftschiff nach dem Weltkrieg LZ 120 "Bodensee" (Baujahr 1919) am sympathischsten und kam mir am besten geeignet vor, denn als unmittelbarer Vorläufer der riesigen legendären Luftschiffe hat es in seiner vergrößerten Fassung von 1920 viele bautechnische Vorteile: relativ kleine Heckflossen, wenige Motorgondeln sowie ein günstiges Verhältnis von Länge zu Durchmesser. Bei älteren Luftschiffen liegt dieses Verhältnis bei etwa 10 und mehr zu 1, beim "Bodensee" exakt 7 zu 1, was im Verhältnis zur Länge also grundsätzlich mehr Auftrieb verspricht.

Jetzt kommen wir schon zum nächsten Schritt, der Auftriebs-Abschätzung. Das Original fasste bei 130,8 m Länge 22.550 m³ Gas. Mein Modell durfte maximal nur 1/55 so groß werden (2,38 m), d.h. die Kapazität liegt bei ca. 22.550 m³/55³ = 0,135 m³.

Mein Modell darf also insgesamt nicht mehr als 135 Gramm wiegen, sonst hebt es nicht ab.

Damit beginnt die Phase der Materialsuche, bevorzugtes Werkzeug: Waage und Taschenrechner. Alle Tests und Berechnungen machten immer klarer, hier kam kaum noch Balsa in Frage, sondern nur noch Kunststoffe. Schließlich entschied ich mich für eine Gaszelle aus Abdeckfolie und alles drum herum aus EPS und dünnsten Vector boards, weil sich diese leicht bearbeiten lassen. Es stellte sich sogar heraus, dass ich damit sogar weitgehend auf ein starres Gerüst verzichten konnte, und vor allem auch auf: Farbe.

Das brachte mich zu der Rechnung: Auftrieb 135 g – Elektronik 22 g – Gaszelle 14 g = 81 g

(Das ist nur die Kurzform, der Weg dahin füllte ein Notizbuch und viele Excel-Tabellen.)

Für Außenhülle, Buggondel und Heckflossen und etwas Nutzlast (Trimmung, Kamera?) und Gasverlust während der Flugdauer blieben also nicht mehr übrig als 80 g, vom Gewicht her gerade mal so viel wie eine angeknabberte Tafel Schokolade!

Wenn man davon noch 1/5 für Klebstoff und unvorhergesehenes abzieht, durfte ich also gerade noch etwa 3 Quadratmeter Vector boards verbauen – das schien zumindest machbar.

Hatte ich noch Notanker? Ja – sehr wahrscheinlich passt etwas mehr Gas rein, eher so 140 Liter.
Notfalls kann man den achterern Motor und ein paar vordere Trimmgewichte weglassen, gemeinsam also mindestens ca. 12 Gramm weniger, das ergibt summa summarum eine Reserve von mehr als 10%, immer noch nicht üppig, aber naja ...

Und wenn alle Stricke reißen wird's halt doch "nur" ein detailverliebtes Schwebemodell ...
... über das ich hier im RC-Forum dann aber den gnädigen Mantel des Schweigens breiten würde.
 
Hallo

Da wiegt das ganze Modell weniger als der Stützakku meines Seglers, vom meiner PC-21 mit 27 kg möchte ich gar nicht reden.

Trotzdem lese ich hier gerne und fasziniert mit, wie Leichtbau in Extremis funktioniert.

Chapeau,.. hoffe auf weitere interessante Beiträge, auch wenn ich da wohl nicht viel beisteuern kann.

Gruss Rainer
 
Vor ca. 45 Jahren habe ich mal einen Artikel über ein Starrluftschiff in einer „Hobby“ Zeitschrift gelesen. Seither bin ich von diesem Thema fasziniert, konnte es aber nie umsetzen. Das damals vorgestellte Modell war glaube ich 5m lang und in Segmenten teilbar. Gerne verfolge ich das Thema hier weiter.

Beste Grüße

Robert
 
Freut mich!

Als Starrluftschiff-Modellbauer kämpft man ja doppelt: mit den Dimensionen des Vorbilds und mit den Beschränkungen des Materials.

Wenn ich auf die hier beschriebene Weise nun einen RC-Zeppelin bauen will (vielleicht L 59, das Afrika-Luftschiff), der aber stabile Folienballons mit je 70g Auftrieb verwendet und damit bessere Fahreigenschaften aufweist, dann zwingt mich allein der Durchmesser von so einer Gaszelle zu gewaltigen Dimensionen. Da sind wir im Verhältnis sofort bei 5 Metern Länge, spannend und beeindruckend ... aber das passt nicht mehr in mein Wohnzimmer.
 
Hatt schonmal jemand das ganze bei Verwendung von Wasserstoff gerechnet ? Könnte mann genug Wasserstoff kaufen oder gar selber erzeugen (Elektrolyse) ?
 
Nee, auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen, denn das bisschen mehr an Auftrieb, das man gewinnt, wenn man Wasserstoff verwendet, beträgt ja gerade mal 10%, da Wasserstoff zweiatomige Moleküle bildet, während Helium einatomig im Gas auftritt.

Gleichzeitig sind meine Modelle ja so klein, dass ich mir eine Heliumfüllung schon mal leisten kann. Andererseits kostet mich die Herstellung von Wasserstoff ja nicht nur Strom und Werkstatt-Kapazitäten, sondern auch Nerven. Wenn ich unabsichtlich Knallgas produziere, jage ich noch was in die Luft. Und beim Flug in der Halle kommt das schon gar nicht in die Tüte.

Schließlich will ich ja nicht die Katastrophe der Hindenburg nachstellen, sondern lange Freude an meinen Modellen haben.
 
Wie man's nimmt – die Luftschiffe von damals waren ja fast ausschließlich mit Wasserstoff unterwegs!

Die erste Luftfahrtgesellschaft feierte damit Erfolge, lange bevor die Flugzeuge soweit waren, auch die riesigen Superzeppeline des ersten Weltkriegs ... man stelle sich das mal vor, als Maat, im Maschinengewehrstand auf dem First eines Luftschiffs, unter sich über 60.000 Kubikmeter brennbares Gas, und die Engländer schießen mit Brandmunition ...

Die Technik war einmal bewährt und akzeptiert – irgendein Luftschiffkapitän wurde sogar einmal mit der brennenden Zigarre neben seinem Zeppelin fotografiert ...

Heute ist das anders. Wer sich traut, seinen Kubikmeter-Blimp privat so zu betreiben – mein Ding is das nich ...

Aber in manchen Foren liest man immer wieder davon.
 
Zuletzt bearbeitet:
Jetzt mal eine kleine Denksportaufgabe zum Wochenende ...

Die nächste zentrale Frage ist: "Wie steuere ich mein Luftschiff?"

Es gibt folgende Vorgaben:

1. Mehr als die drei Propeller der Motorgondeln sind nicht erlaubt, wegen der Optik, auch keine versteckten, also nur einer am Heck s.o. #6 und zentral einer an jeder Seite #2. Alle Propeller müssen nach hinten zeigen, nicht direkt nach unten, oben oder vorne.

2. Die Leitwerke sind nur Show. Aufgrund der geringen Fluggeschwindigkeit hätten sie eh keine Wirkung und eine Mechanik dafür wäre sowieso zu schwer oder würde das Modell zu hecklastig machen.

3. Ich will grundsätzlich in alle Richtungen steuern können, um etwas zu starken oder zu geringen Auftrieb mit Motorkraft noch auszugleichen und um bei Bedarf noch von der Hallenwand weg zu kommen ...

Meine Lösung dafür gibt's nicht vor Montag ...
... und bin gespannt wieviele andere Möglichkeiten es gibt.

Viel Spaß!
 
Die Motörchen sind alle leicht angestellt und können vorwärts als auch rückwerts laufen. Die Motoren werden dabei über eine „zweckentfremdete“ Servoelektronik angesteuert. …..Na wieviel Punkte habe ich ?😇
 
Sehr schöne Alternative! – Meine Variante gibt's am Montag.
 
Also, Robert, je mehr ich drüber nachdenke, desto eleganter finde ich deine Lösung! 99 Punkte hast du sicher. 😉

Das einzige Problem besteht allenfalls in der Aufstiegsphase, wenn das Modell zuviel Auftrieb hat, voraussichtlich 3, 4 Gramm, für ca. 30 Minuten. (Meine Gaszelle ist nämlich sehr durchlässig, und verliert Auftrieb.)

Da müsste ich, um die Höhe zu halten, ja die meiste Zeit rückwärts fahren ... ? 🤪
 
Jetzt lüfte ich das Geheimnis! Meine Luftschiffsteuerung mit drei Propellern funktioniert so:

Ich bediene das Ganze über zwei Hebel für vor/zurück und links/rechts. Der achtere Motor reagiert auf vor und zurück und ist beim Start des getrimmten Luftschiffes waagerecht. Damit sorgt der große Propeller für eine schnelle Fahrt voraus oder eine etwas langsamere zurück.
Die mittleren Propeller sind für Fahrt nach links und Fahrt nach rechts gekoppelt, indem ich gegenläufige Propeller verwende. Das heißt, der eine Motor schiebt während der andere zieht. Gleichzeitig ist der linke Motor etwas angestellt, in einer Rechtskurve hebt er also das Luftschiff etwas an. Entsprechend ist der rechte Propeller ebenfalls leicht angestellt und zieht das Luftschiff bei einer Rechtskurve in die Höhe. Das klappt auch in der anderen Richtung: bei der Linkskurve wird das Luftschiff von beiden Motoren gleichzeitig nach unten bewegt.

Der besondere Clou: je mehr Gas die Zelle verliert, desto mehr neigt sich das Heck, wodurch der Heckmotor immer stärker angestellt wird, also bei Schub immer mehr für ausgleichenden Auftrieb sorgt.

Nach dem Start mit praller Zelle muss ich gegen zu großen Auftrieb also möglichst oft Linkskurven fahren, mit oder ohne Schub. Dann erreicht das Luftschiff irgendwann den Schwebezustand und hält nach dem Stoppen seine Höhe. Rechts- und Linkskurven gleichen die Höhenänderung nach Bedarf aus. Später, wenn immer mehr Gas entfleucht und das Schiff wieder sinkt, brauche ich zum Höhengewinn wieder mehr Fahrt voraus und Rechtskurven. Soweit die Theorie. In der Praxis habe ich so meinen 110-Liter-Blimp schon durchs Wohnzimmer gesteuert. Einziger Schönheitsfehler: der schiefe Propeller der Steuerbordgondel.

FastMovers Lösungsvorschlag ist da etwas ästhetischer und dürfte auch gut funktionieren, sogar bei großem Auftrieb – man muss nur gleichzeitig mit den einen Motoren schieben und den anderen bremsen ... Ich frage mich nur, ob das Schiff in Kurven nicht zu stark ins Rollen gerät?
 
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