Hallo René,
du hast dich ja offensichtlich schon etwas schlau gemacht und bist zu Werten für die Schildkröte gekommen, die man öfter mal als Empfehlung liest.
Ich tue mich etwas schwer mit allgemeinen Empfehlungen. Die passen vielleicht für ein einziges RG 65 Allroundsegel. Aber, wenn man so eine Schildröte baut, will man damit vielleicht auch mal kleinere Starkwindsegel machen oder ein Leichtwind A oder ein Segel für ein kleineres, langsameres Boot oder ein Scale-Boot oder einfach nur etwas rumprobieren.. Und meistens baut man sowohl ein Vorsegel als auch ein Großsegel, die unterschiedlich angeströmt werden und deshalb nicht unbedingt gleich profiliert sein müssen.
Häufig wird nur über Profiltiefe und Position der tiefsten Stelle gesprochen. Nach meiner Erfahrung hat der Winkel, in dem die zwei Hälften der Schildkröte angeordnet werden, fast noch mehr Einfluss auf die spätere Profiltiefe des Segels, als die Tiefe des Schablonenprofils selbst.
Ich würde deshalb versuchen, mir eine Schildkröte zu bauen, die etwas Flexibilität zulässt. Damit meine ich erstens, etwas größer als nötig, damit man beim Verkleben etwas Platz hat, um die Position der größten Profiltiefe etwas verschieben zu können. Und zweitens würde ich die Schildkröte so aufbauen, dass ich unter eine Mittelrippe und unter die äußeren Rippen wahlweise Distanzen legen kann, um den Winkel zu verändern. Je größer der Winkel ist, desto stärker bildet sich das Profil im Segel ab. Nochmal etwas anders ausgedrückt: Ein 3,5% Profil, das mit wenig Winkel verklebt wird kann ein flacheres Profil ergeben, als ein 2,5% Profil mit mehr Winkel.
Damit kann man dann z.B. die Vorsegel etwas tiefer machen oder die oberen, kürzeren Bahnen etwas tiefer machen und damit ausgleichen, dass kurze Verklebungen weniger Profil erzeugen, als lange.
Man kann den tiefsten Punkt beim Vorsegel etwas mehr nach vorne schieben oder sogar von der untersten zu obersten Bahn eines Segels die tiefste Stelle verändern und damit den Verlauf (besser Twistverlauf) des jeweiligen Achterlieks beeinflussen. Man kann – man muss nicht.
In der Summe ergeben sich aber zusätzlich zum eigentlich gewählten Profil der Schildkröte sehr viele Kombinationsmöglichkeiten. Das in Verbindung mit den erforderlichen handwerklichen Fähigkeiten und gewissen Materialkenntnissen ist der Grund dafür, dass ich an verschiedenen Stellen schon mehrfach dazu geraten habe, Regattasegel zum vorne Mitsegeln besser von jemand zu kaufen, der die nötigen Erfahrungen schon gemacht hat.
Das schließt natürlich nicht aus, dass man sich brauchbare Segel selbst macht, wenn man den vielen vorhandenen Anleitungen folgt und die Herstellung handwerklich umsetzen kann. Zum Üben kann man z.B. Geschenkfolie für Leichtwindsegel oder Laminierfolie für schwerere Segel sehr günstig kaufen.
Um trotzdem noch einige allgemeine Tipps loszuwerden:
Wie Torti schon geschrieben hat, nicht selten sind selbst gemachte Segel zu tief profiliert. Bei leichtem Wind funktioniert das vielleicht noch ganz gut. Aber vor allem zu tiefe Großsegel krängen bei stärkerem Wind nur noch, laufen aber nicht. Da ist häufig ein einbahniges Groß besser, als ein tief profiliertes.
Vielleicht hilft ja die Vorstellung, dass man durch die Verklebung der einzelnen Bahnen den Profilverlauf annähernd vorgibt, aber die Tiefe mit Mastbiegung und Unterliekstrecker erreicht und nicht umgekehrt.
Ich habe zwar schon viele Segel gemacht, aber nur etwa eine Handvoll für RG 65. Torti hat da sicher mehr Erfahrung. Ich selbst würde trotzdem mein Groß wahrscheinlich eher flach bei 33% und meine Fock etwas tiefer und die tiefste Stelle auch etwas weiter vorne anlegen.
Nachfolgend noch ein paar Bildchen..
Zunächst eine Schildkröte, die ich mal für größere Segel als MM oder RG 65 gemacht habe. Meine kleineren sind aktuell in irgendeinem Umzugskarton.
Die Deckplatte ist aus ABS und flexibel genug, um sich dem nötigen Winkelbereich anzupassen. In der Mitte der Schildkröte ist eine starre, horizontale Bahn, auf der die Verklebungen stattfinden.
Von vorne sieht man den Winkel, den die 3mm Höhenunterschied zwischen Mitte und außen ergeben – ziemlich flach bei dieser großen Schildkröte. Bei einer schmaleren Schablone sehen 3mm schon anders aus. Alle Rippen sind mit Stiften geführt und werden mit je 3 Spaxschrauben nach dem Einschieben der Distanzen wieder festgezogen. Das Styropor ist an die Deckplatte geklebt und bewegt sich mit den Rippen nach oben, falls etwas unterlegt wird. (Nur nebenbei, die dargestellte Schildkröte hat vorne einen leichten Lagerschaden. Da lag etwas Schweres drauf.)
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Ich würde empfehlen, für jedes Segment eine Schablone zu machen, egal ob man nun horizontal oder wie auch immer teilt. Das hilft beim Zuschneiden und spart auch noch Material. Meine sind aus buntem Karton, den es gelegentlich bei Lidl als Block zu kaufen gibt.
Zuletzt nochmal das Boot von der MMi Seite mit einer leicht veränderten Fock.
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Viel Text, ich hoffe du kannst was davon gebrauchen.
Grüße
Ralf