Wieso so dicke Profile?

Hi Werner,
Gut beobachtet! Deswegen erlaube ich mir die eine oder andere Konstruktion aus den 70ern sehr kritisch zu hinterfragen…
Bei Motorfliegern arbeite ich als Richtgrösse mit der Gleichung - denn im Landeanflug sollen meine Flieger bei höherem Anstellwinkeln vernünftig beherrschbar sein, ohne spontanen Abrisse.
Die Re-Zahlen sind schon gerne bei 130-150000.
Rechne mal die Re-Zahlen nach…

Gruss
Stefan
 
Naja, alte Baupläne sind oft so eine Sache. Fliegen tut viel, gut fliegen ist aber eine andere Frage. Früher (60er bis 90er) muss man einfach den ganzen Kontext sehen. Die Motoren waren deutlich schwächer, die Fernbedienungen klobig, schwer und nicht immer zuverlässig. Wenn man fliegen wollte musste man zuerst monatelang bauen um oft dann in wenigen Sekunden das Werk zu zerstören. Dabei war häufig genug nicht der Flieger sondern mangelndes Flugkönnen die Schuld. Einfach weil es damals insgesamt schwieriger war, das Fliegen zu erlernen und Flugstunden "zu fressen". Häufig startete man seinen Trainer, flog in 50m Höhe mit Vollgas zehn Minuten hin und her und war dann stolz wie Bolle, wen die Fuhre in einem Stück gelandet ist.
Entsprechend war die Mentalität bei der Konstruktion: meist auf Gutmütigkeit getrimmt, dickes Profil für Stabilität und Auftrieb, Runde Nasenleiste für gute Stall-Eigenschaften, hohe Ewd und große V-Form für Eigenstabilität, robuster Aufbau für den Ringelpietz usw..
Fliegen tut das also meist ohne Probleme aber nicht mit modernen Maßstäben vergleichbar. Beispiel so ein klassischer Funflyer aus den 80ern der damals als "extrem quirlig und sportlich" was für Fortgeschrittene war habe ich heute als Relax-Feierabendflieger zum chillen. Mit einer modernen Kunstflugmaschine nicht zu vergleichen.
Man kann aber häufig aus diesen alten Konstruktionen einiges herausholen. V-Form etwas reduzieren, Ewd auf ein "normales" Maß verringern, Quer und eventuell Flaps einbauen und dann staunt man, was die können. Hab ich z.b. mal mit einer Charter gemacht. Der Flieger fühlte sich auf einmal richtig Erwachsen an und ging durch die Figuren auf Schienen wie eine Extra 300.
IMG-20180620-WA0005.jpg
 

Merlin

User
Das Verhältnis von lang und schmal heißt Streckung und hat eine aerodynamische Bedeutung.
Was die Profildicke angeht, so kommen auch statische Aspekte zum Tragen, will heißen, der Flügel muss die geplante Belastung auch ertragen können. Wenn das Profil (vor allem innen am Rumpf) zu dünn ist, kann es sein, daß man den Holm gar nicht mehr bauen kann, da die Belastbarkeit (vereinfacht gesagt) von der Holmhöhe abhängt. Somit kann es also sein, daß ich eine bestimmte Profilhöhe sogar benötige. Wen,n ich z.B. einen Holzholm vorsehe, wird der völlig andere Abmessungen haben, als ein Holm aus Verbundwerkstoff (bei gleicher Belastbarkeit).
Heute geht der Trend (wenn man´s bauen kann) schon zu dünneren Profilen, aber wie gesagt, da gibt es viele Aspekte zu berücksichten.

/Bernd
 
Ja Rainer, das behaupten viele - ist aber nicht so! Mit ausreichend Spannlack gestrichen ist die Oberfläche noch zu glatt. Vor ca. 7 Jahren habe ich den Versuch mit der Beta gemacht, Folie und Turbulator. Fliegt ausgezeichnet, beste Abreisseigenschaften.
Kai's Beta mit den gleichen Einstellungen, Papier bespannt, hatte immer noch die üblen Abreisseigenschaft.
Das änderte sich erst mit einem Turbulator!
Und schwups, das Verhalten änderte sich signifikant zum Positiven!
Derartige Versuche hatten wir bereits Ende der 70er Jahre gemacht.
 

steve

User
Das Verhältnis von lang und schmal heißt Streckung und hat eine aerodynamische Bedeutung.
Was die Profildicke angeht, so kommen auch statische Aspekte zum Tragen, will heißen, der Flügel muss die geplante Belastung auch ertragen können. Wenn das Profil (vor allem innen am Rumpf) zu dünn ist, kann es sein, daß man den Holm gar nicht mehr bauen kann, da die Belastbarkeit (vereinfacht gesagt) von der Holmhöhe abhängt. Somit kann es also sein, daß ich eine bestimmte Profilhöhe sogar benötige. Wen,n ich z.B. einen Holzholm vorsehe, wird der völlig andere Abmessungen haben, als ein Holm aus Verbundwerkstoff (bei gleicher Belastbarkeit).
Heute geht der Trend (wenn man´s bauen kann) schon zu dünneren Profilen, aber wie gesagt, da gibt es viele Aspekte zu berücksichten.

/Bernd
Hallo,
Bernd hat es auf den Punkt gebracht: Der gestreckte Flügel hat eine bessere Gleitleistung, was u.a. mit dem induzierten Widerstand am Flächenende zu tun hat. Dünner gleitet auch besser aber es muss eben auch statisch stabil gebaut werden können. Dafür braucht es je nach Einsatzzweck, Holmmaterial etc. eben eine Mindesthöhe beim Holm. Auch die Torsionsfestigkeit ist bei dicken Profilen grundsätzlich einfacher hinzubekommen. Die Kunst ist es dann, solche dicken Profile mit einem minimalen Widerstand zu gestalten.
Wenn ich die Streckung reduziere, kann ich dünnere Profile nutzen, da die absolute Bauhöhe des Holms wieder eine ausreichende Statik ermöglicht.
Wenn es bessere Materialien gibt, die geringere Bauhöhen beim Holm ermöglichen, werden auch die Profile dünner - auch bei den höher gestreckten Flächen.
Die Betrachtung über die Re-Zahl ist auch sinnvoll aber die Re-Zahl ist ein Faktor unter vielen und die Leistung der gestreckten Flächen zeigt eindrücklich, dass die Re-Zahl weder der einzige noch der einzig selig machende Faktor ist. Eine Konstruktion rein nach Optimierung der Re-Zahl macht bei der Gleitleistung die Lösung zum Problem.
Die Idee, dass dicke Profile hohe Streckungen ermöglichen, ist vom falschen Ende aus gedacht: Der Hund wedelt mit dem Schwanz und nicht umgekehrt.
VG
 
Hallo WundererM,
Der Robbe-Charter ist ein wunderschönes Beispiel:
Angeboten als Trainer bis 3,5ccm schlich man mit kreischenden Motörchen durch die Gegend!
Vor nunmehr 22 Jahren kaufte ich mir einen ARF und funktionierte ihn noch vor dem ersten Flug zum Akrotrainer um, er fliegt heute noch und ist mein liebster chill-Flieger:
OS46La liegend in die Schnauze, Rumpf oben mit 8mm Balsplatte geschlossen, Originalflügel unten so in den Rumpf, dass die gerade Unterseite des 16%-Clark-Y (?) eben lag (somit ca. 1,5Grad EW, HLW raus und ebenfalls mit 0Grad EW gegenüber Rumpfboden und Flügel(boden) wieder rein, 2,7kg Gewicht, dazu Graupner grau 12x6 (!) mit Standdrehzahl unter 10‘000, Schalldämpferverlängerung und gut war‘s! Alle Akrofiguren möglich, Rückenflug geht auch mit ordentlich drücken, richtig dynamischer Flugstiel.

Jetzt aber das corpus delicti: Originale Hochdecker-V-Form. Flügelprofil durchgehend etwas wie Clark-Y, 16%, somit 38mm grösste Dicke. im Trapezteil dito, die Holme laufen einfach weiter mit voller Holmhöhe. Die Endleiste im Trapezteil. wurde einfach linear 8mm angehoben und entsprechend oben wie unten auf die Endleiste gestrakt!! Somit resultiert im ta-Bereich ein ca 20%-Profil mit deutlicher Aufdickung, massiver Rücklage der grössten Dicke, massiver Knick in der Skeletlinie und wohl überforderter Leezone nach dem Turbulenzumschlag. aber die Kiste fliegt, die kleinen Querruder sind überraschend agil und der Vogel insgesamt äusserst gutmütig, Messerflug ist aber schwierig bei dem kleinen SLW und gegenwärtigem SP bei tm 25%.

Was beweist das nun? Fliegen tut vieles, sogar überraschend gut, wenn auch völliger aerodynamischer Murks nach oben Gesagtem und es ist kein Segler sondern eine reinrassige Motorkiste.

Meine Frage nun: Wie hast DU Dein wunderschön aussehendes Modell beflügelt? kannst Du die Eckdaten etwas beschreiben?

(PS: Ich habe die gleiche Kiste nachgebaut für 4S 3200mAh, Abluggewicht knapp 2kg, Flugzeit bis 80% im Mischbetrieb (mit Maximalleistung input 460W) bis gute 10min (UnisensE). Im Flug merkt man aber, dass im Flügel etwas nicht stimmt, eher zickig und abkippelig, ansonsten sh oben, sogar Torqueroll bis ca 5s ist möglich.
VG Werner
 

Anhänge

  • A6EA6CB1-B7A1-4300-A30A-CB0E94BF3067.jpeg
    A6EA6CB1-B7A1-4300-A30A-CB0E94BF3067.jpeg
    205,6 KB · Aufrufe: 75
Ansicht hell / dunkel umschalten
Oben Unten