Calvados
Calvados
Hallo liebe RCN-Gemeinde und “Calvados-Interessierte”,
Ich habe nun seit einer Woche meinen Calvados im Einsatz und kann ein wenig über die Maschine berichten.
Es dauerte eineinhalb Urlaubstage und einen ausgedehnten Abend um das Flugzeug fertigzustellen.
Bis alles durchdacht an Ort und Stelle im Rumpf eingepasst, verlötet und eigestellt war vergingen also etwa 20 Arbeitsstunden. Der Flieger ist von Jiri Baudis eigentlich als „ARF“ fertiggestellt, doch eben noch so neu, dass viel Zeit für’s „Austüfteln“ bei diesem ersten Serienexemplar draufging.
Gut Ding will bekanntlich Weile haben. Ich denke mit diesem Wissen und einer Anleitung, welche wohl von Baudismodell auf dieser Grundlage noch erstellt wird, schafft es ein durchschnittlich begabter Modellbauer den Calvados an 2-3 gemütlichen Abenden fertigzustellen.
Werkseitig ist der Kabelbaum für den Rumpf fertig gelötet, die Rumpfservos und die Anlenkungen für das Leitwerk installiert.
Die Tragflaeche wird mit einem sehr robusten, von Baudismodel selbst entwickelten Aluminium-LDS ausgerüstet und auf Wunsch gleich flugfertig mit Kabelbaum und Servos ausgerüstet.
In meinem Fall verrichten im Flügel 4 KST X-10 Servos ihren Dienst an Wölbklappen und Querrudern.
Im Rumpf kommen kraeftige MKS HV747 zum Einsatz.
Der Rumpf wird im Schlauchblasverfahren hergestellt und ist bis zur Tragflügelnasenleiste aus Glasfasern hergestellt um sowohl der 2.4GHz Empfangsanlage, als auch den GPS-Antennen zur Navigation im GPS-Triangle-Wettbewerb Rechnung zu tragen. Hinten besteht der Rumpf komplett aus Hochmodul-Kohlefaser (nicht UHM!!!) und ist sehr steif und fest.
Der Tragflügel der „GPS-Version“ wird als Spreadtow Doppelcarbonschale aufgebaut mit einem sehr massiven Holm aus Torayca M40J (HM) Fasern, um bei der dünnen Tragflügelproflierung auch genügend Biegesteifigkeit zu erreichen. Die Leitwerke sind aus leichten Kohlefasergelegen laminiert.
Die Einzelgewichte im Lieferzustand waren wie folgt:
Rumpf (inkl. Kabelbaum, Motorspant, Verschraubung, 2 Servos und Anlenkungsteilen): 805gr.
Seitenleitwerk: 73gr.
Höhenleitwerk: 84gr.
Tragflügelmittelteil (inkl. Verkabelung, Ballastrohren, Servos und LDS-Anlenkungen): 1412gr.
Aussenflügel links (inkl. Verbinder, Servo und LDS-Anlenkung): 572gr.
Aussenflügel rechts (inkl. Verbinder, Servo und LDS-Anlenkung): 565gr.
Sehr erfreulich war die Tatsache, dass ich zum Einstellen des Schwerpunktes (113mm) keinerlei Blei gebraucht und ein Abfluggewicht (ohne Ballast) von 4400gr. erreicht habe.
Das Mittelstück kann bis zu 2600gr Messingballast aufnehmen und somit das für GPS-Triangle erlaubte Maximalgewicht von 7000gr erreichen.
Das entspricht einer Tragflaechenbelastung in der Spanne von 47 – 75gr/qdm und somit einem grossen Spielraum für Anpassungen an die Wettergegebenheiten.
Um den Antriebsstrang kompakt zu halten, so dass zum einen der Schwerpunkt eingehalten werden kann und zum anderen möglichst viel (nicht „kontaminierter“) Freiraum für die GPS-Anlage und Antennen zu bewahren kam ein Lehner Antrieb von Schambeck (
www.klapptriebwerk.de) zum Einsatz.
Der Powerline 1930.11-Antrieb verrichtet seine Arbeit an 6s 1800mAh Lipo-Zellen, für den nötigen Schub sorgt eine GM 18x13 Luftschraube, welche den Calvados leer mit 14m/s und voll ballastiert mit 9m/s in den Himmel zieht.
Sichere Handstarts sind damit, und Dank des sehr gut zu greifenden Rumpfes auch ohne Gegenwind und mit voller Flaechenbelastung sehr einfach machbar! Der Stromverbrauch für einen Steigflug auf 450m belaeuft sich dabei auf 750 – 950mAh, je nach Tragflaechenbelastung.
Nun noch ein paar Worte zum Auslegungskonzept des Calvados.
Die noch junge GPS-Triangle Sportsclass zieht nicht nur Piloten, sondern, wie in den Diskussionen hier im Forum zu erkennen, auch Designer und Modellbauer an.
„Was zeichnet ein GPS-Triangle Sporstclass Modell aus?“
Im Grunde ist dies einfach beantwortet. Es muss sehr gut und raumgreifend (schnell) gleiten, sowie sehr effizient in der Thermik steigen können.
Zwei Anforderungen, welche sich entgegengesetzt der jeweils notwendigen extremen Flaechenbelastungen, kontraer gegenüber stehen.
Zum Steigen waere es sinnvoll mit sehr kleiner Flaechenbelastung fliegen zu können, allerdings wird dadurch die erreichbare Gleitzahl bei hohen Vorfluggeschwindigkeiten stark negativ beeinflusst. Der bessere Weg scheint es hier zu sein, trotz hoher Flaechenbelastung noch effizient Kurbeln zu können. Die maximal erlaubte Tragflaechenbelastung von 75gr/qdm muss daher von einer Konstruktion für das GPS-Triangle-Fliegen erreichbar sein.
Die Designparameter sind im Regelwerk durch folgende Höchstwerte festgelegt:
- maximale Spannweite: 5000mm
- maximales Abfluggewicht: 7000gr.
- maximale Tragflaechenbelastung (nur Tragflügel!): 75gr/qdm
Um nun die Forderung nach maximalem Abfluggewicht und maximaler Tragflaechenbelastung auch erreichen zu können, ist der Tragflaecheninhalt stillschweigend von Anfang an schon in Stein gemeisselt.
Die Tragflaeche eines GPS-Triangle Sportsclass Modells muss um beide charakteristischen Kenngrössen erreichen zu können genau 93.33qdm gross sein.
(7000gr Fluggewicht : 75gr/qdm Flaechnbelastung = 93.33qdm)
Um den optimalen Tragflügel mit 93.33qdm Inhalt zu erhalten, wurde nun unter Berücksichtigung der aerodynamischen und strukturmechanischen Grundsaetze die Spannweite (respektive die Streckung) iterativ moduliert. Bei grosser Spannweite und Streckung sind demnach dünne Profile (welche für den schnellen Gleitflug geringe Proilwiderstaende aufweisen) aus Festigkeitsgründen nicht mehr sinnvoll einsetzbar. Der notwendige Bedarf an Kohlefasern sprengt dabei entweder schnell das Gewichtslimit oder man muss unnötig dicke Profile einsetzen.
Bei kleinen Streckungen kann man zwar sehr dünne Profile einsetzen, bei hohen Auftriebsbeiwerten (Kurbeln) verschenkt man damit aber Potential bei der Minimierung des induzierten Widerstand, welcher gerade bei diesen hohen Auftriebsbeiwerten dominant ist.
Das Optimum liegt demnach im moderaten Bereich! Für den Calvados ergab dies eine Spannweite von 4,35m (Streckung 20.3). Somit konnten Tragflügelprofile mit eher geringer Dicke (Wurzel 8.3% und Randbogen 6.9%) eingesetzt werden.
Noch ein paar Worte zur Leitwerksanordnug, da hier schon danach gefragt wurde:
Dieses Leitwerkskonzept hat sich in den letzten Jahren bei F3J, F5B, F5J und auch F3K Modellen durchgesetzt und verbindet 3 wesentliche Vorteile miteinander:
1. Die für Gierstabilitaet/Wendedaempfung (Seitenleitwerk) und Richtungsstabilitaet/Nickdaempfung (Höhenleitwerk) teils stark unterschiedlichen flugmeschanischen Anforderungen verlangen nach einem laengeren SLW-Hebelarm als HLW-Hebelarm. Dem kann bei dieser Leitwerksanordnung Rechnung getragen werden.
2. Das HLW und das SLW können, da sie unterschiedliche Daempfungsaufgaben übernehmen auch unterschiedlich (optimiert) profiliert werden, was z.B. bei einem VLW nicht möglich ist.
3. Das eine Leitwerk muss nicht das Andere „tragen“ oder „beherbergen“, was unnötiges Gewicht aus den damit verbundenen Festigkeitsanforderungen eliminiert.
Und was bleibt zum jetzigen Zeitpunkt zu den Eindrücken und Flugleistungen zu sagen?
Nunja, ich möchte hier nicht zu überschwaenglich wirken und auch nicht nur in Superlativen sprechen, aber der Calvados hinterlaesst vom Erstflug an bislang ein schönes Gefühl von grosser Zufriedenheit und macht enorm viel Spass!
Sicherlich bleibt noch etwas Raum für Optimierung bei den Einstellungen, da diese der Erfahrung nach wirklich auch sehr oft mit zunehmender Flugzeit kommen, dennoch sind bislang sowohl die Leistung, als auch die Ruderwirksamkeit und das Handling des Calvados sehr überzeugend.
Glückliche Grüsse:
Philip Kolb