Auch auf die Gefahr hin, dass sich manche wohl langweilen, will ich nochmal die Bewegründe für den im Link beschrieben Weg darlegen:
1. Grund: Sehr gute Lagenhaftung ohne zeitliche Probleme durch zu hochreaktive Formenharze. Das verwendete Formenharz P mit Härter EPH 573 hatte (im Konjunktiv deshalb, weil in dieser Kombination nicht mehr erhältlich) nur 15 Minuten Verarbeitungszeit (bei 20 °C und einer Ansatzgröße von 100 g), sodass größere Formen wie diese Flächenform damit nur mit vielen Teilansätzen beschichtet werden können. Dabei sind die Gelierzustände vom ersten und letzten Ansatz absolut unterschiedlich, sodass eine gute Zwischenlagenhaftung nur mittels exakt getimetem Vorgehen sichergestellt ist. Das Fenster für den Auftrag der Kupplungsschicht ist recht eng. Ich hatte damals zwischenzeitlich mit Raphael mehrmals hin- und gemailt und die Vorgehensweise mit ihm im Detail abgesprochen (das mal nur so nebenbei).
Thomas Nothdurft, für viele kein Unbekannter und ein wirklich hochtalentierter Modell- und Formenbauer, schreibt dazu:
Hallo Mario,
für mich ist es auch eine gute Alternative das Formenharz aushärten zu lassen, da ich festgestellt habe, daß eigentlich fast alle Formenharz/Härter Kombis das Problem haben, nach dem Angelieren einen Schmierfilm zu hinterlassen, wenn eine erhöhte Luftfeuchtigkeit vorhanden ist. Dieser Film bewirkt, daß der Verbund schlecht zum weiteren Aufbau ist. Ich habe dazu Versuchsplatten hergestellt, die Platten, bei denen das Formenharz ausgehärtet war, der Schmierfilm kann mit Wasser entfernt werden, wurden mit Korn 80 gut angeschliffen, dann der weitere Aufbau erstellt. Diese Platte zeigte einen hervorragenden Verbund zwischen F-Harz und Hinterbau, herkömmlich erstellte Platten waren im Verbund schlechter, das bewies ein Hammer der die Platten quälte.
Beim klassischen Naß in Naß-Verfahren, denke ich, gibt es nur bei höherer rel. Luftfeuchte die Probleme mit dem Schmierfilm ( Aminröte), das ist in meiner Werkstatt der Fall.
Die Vorteile sehe ich aber bei der Aushärtung des Formenharzes in zwei Punkten:
- der Hinterbau wird sich dauerhaft weniger markieren
- keine so langen Tage beim Formenbau
Wenn allerdings eine reine Schalenform hergestellt wird, wäre ich mir nicht sicher, daß auch wenn ein absolut symmetr. Aufbau erfolgt, sprich Formenharz zurückgebaut, die Spannungen im Gleichgewicht sind, da F-Harz der ersten Schicht nicht naß in naß mit den weiteren Lagen und der zuletzt aufgebrachten F-Harzschicht erfolgt. Bei einer Poraverform ist das egal.
Gruß
Thomas
2. Grund: Das spätere Abzeichnen der Gewebelagen an der Formoberfläche so gut es geht verhindern. Harzreiche Massen neigen zum Schwund während des Aushärteprozesses. Selbst mit einem nahezu optimalen Aufbau, kann die Gewebestruktur sich abzeichnen. Raphael wollte explizit bis 45 °C tempern, sodass die späteren Bauteile auch bessere mechanische Eigenschaften erlangen.
Dass Warmhärten nicht immer so ganz trivial ist, hat Philipp Stahl im nachfolgendem Post beschrieben:
Ich benötige Kohlefaser-Formen, die Prozesstemperaturen bis 130°C standhalten.
Der erste Versuch:
Larit F300 Deckschichtharz
Harz L/EPH161 Laminierharz
symmetrischer quasiisotroper Laminataufbau aus 6x560er Biax (2x105er Glas hinter Deckschichtharz)
im vakuumverpressten Handlaminat
mit separater RT-Härtung des Deckschichtharzes (danach angeschliffen) und des Laminats. Temperzyklus zusammen: 10K/Std Rampe auf 110°C, 15 Std Halten und langsames Abkühlen
Dieses Vorgehen führte leider zu Abzeichnungen der Nähfäden des Geleges, sowie einer leichten Durchzeichnung des 105er Glas und der Garne des Geleges.
Ich habe zunächst an ein schrumpfärmeres Laminierharzsystem als Abhilfe gedacht? Bei meinem Laminataufbau bin ich mir auch noch nicht sicher...
Hat dafür jemand ein erprobtes Setup aus Deckschichtharz, Laminierharz, Gewebe/Gelege-Layup, Herstellungsverfahren und Härte-/Temperzyklus?
Danke für die vorangehenden Beiträge in diesem Thread. Sie waren bereits sehr hilfreich.
Danke für eure Tipps!
Warum das so passiert ist, möchte ich nochmals in einem Post von mir darlegen:
"Ich habe einen signifikanten Unterschied bemerkt...wenigstens mit den Epoxydharzsystemen die ich benutze. Fast alle Teile die ich herstelle sind fertig eingefärbt. Ich habe haufenweise Versuche gemacht, um das Problem der Gewebeabzeichnung zu erkennen und zu beseitigen. Wenn man sich die Schwindungskurve anschaut, stellt man fest, dass der größte Teil der Schwindung erst gegen Ende der Aushärtung passiert. Sehr wenig Schwingung passiert während der ersten 70 % der Aushärtung. Danach steigt die Schwindung dramatisch mit jeder Phase des Härtungsfortschritts an. Die Vernetzung des Harzes verbessert sich, weil die höhere Temperatur eine höhere Beweglichkeit der Moleküle ermöglicht. Wenn das Bauteil sich noch in der Form befindet, bildet sich das Molekülgitter um die Moleküle, die an der Formoberfläche "kleben". Bei genügend langer Härtungsdauer sind keine Molekülverbindungen mehr möglich und die Oberfläche wird fest (solange die Tg nicht überschritten ist). Wenn das Bauteil nicht in der Form ist, können die oberflächennahen Moleküle sich neu anordnen und die Gewebestruktur wird sichtbar."
Übersetzung des Posts von Adam Pequette aka Wyowindworks:
http://www.compositescentral.com/showpost.php?p=41637&postcount=8
Schlussfolgerung: Das Aushärten von Formenharzen verbunden mit einem nachfolgenden mechanischen Aufrauen (Anschleifen oder Abstreuen mit Aluminiumpulver oder Quarzsand) ist nur bei sehr speziellen Anwendungen sinnvoll. Bei der gezeigten Variante war die Maßgabe, eine optimal standfeste (nicht kantenfeste) Formoberfläche im Verbund mit einem sehr verzugsarmen Hinterbau aus CFK zu kombinieren, um auch bei höheren Verarbeitungstemperaturen keine Probleme mit Gewebeabzeichnung(en) zu bekommen.
Für jeden normalen Formenbau funktioniert das ohne Probleme auch über einen reinen chemischen Verbund. Dabei sollte aber darauf geachtet, für den Hinterbau ein möglichst niedrigreaktives Laminerharz (Topfzeiten > 60 min) zu verwenden und vor dem Entformen des Urmodells bei einer ausschließlichen Härtung bei Raumtemperatur mindestens 4-5 Tage zu warten. Eine gewisse Temperaturerhöhung sorgt auch hier für einen Anstieg der Glasübergangstemperatur (Tg) / des Vernetzungsgrades, die / der gleichbedeutend mit der noch möglichen Reaktionsfähigkeit des bereits angehärteten Harzes ist. Um gänzlich spannungsfrei zu sein, müssen EP-Harze im Bereich der maximalen Tg warmgehärtet werden. Da das in den meisten Fällen auf Grund des verwendeten Materials vom Urmodell nicht möglich ist, müssen hier –zumindest im Hobbybereich– entsprechende Kompromisse eingegangen werden. Die chemische Beständigkeit steigt ebenfalls mit dem Vernetzungsgrad an, sodass selbst als sehr gut styrolbeständig ausgewiesene Formenharze deutlich an Performance verlieren, werden sie nur bei Raumtemperatur (oder noch schlechter bei < 20 °C) ausgehärtet. Grundsätzlich ist aber immer empfehlenswert, etwas über 40 °C zu gehen, um aus der Sprödphase zu gelangen, die so manchen Systemen anheim ist.