otaku42
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Heute verschickt an den Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier, den Hessischen Verkehrsminister Tarek Al-Wazir, den Chef der Hessischen Staatskanzlei Axel Wintermeyer, sowie die Mitglieder des Hessischen Verkehrsausschusses:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte mit diesem Schreiben Ihre Aufmerksamkeit auf die unter Federführung von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt im Januar vorgelegte "Verordnung zur Regelung des Betriebs von unbemannten Fluggeräten" ("Drohnenverordnung") lenken:
Herr Dobrindt hat verkündet [1], das Ziel der Verordnung sei,
Tatsächlich wirksam bedient wird in der vorliegenden Fassung der Verordnung jedoch quasi nur das Ziel 1, während der Schutz der Privatsphäre geschwächt und vor allem die Sicherheit im Luftraum verschlechtert wird. Die Verordnung weist handwerkliche Mängel auf und erfüllt insbesondere das Gebot der Normenklarheit nicht. Bundesrat und Öffentlichkeit werden nicht vollumfänglich über den tatsächlichen Zweck, die Wirkung und die Folgen der Verordnung informiert.
- "der Zukunftstechnologie Drohne Chancen zu eröffnen",
- "gleichzeitig die Sicherheit im Luftraum deutlich zu erhöhen", und
- "auch den Schutz der Privatsphäre" zu verbessern.
Kurzum, die Verordnung verfehlt in der derzeit vorliegenden Fassung das vom BMVI gesteckte Ziel um Längen und schadet der Sache weit mehr als sie nutzt. Vor diesem Hintergrund sollten die Mitglieder des Bundesrates ihre Zustimmung keinesfalls erteilen, sondern vielmehr dringend auf eine Überarbeitung der Verordnung hinwirken, die alle wesentlichen Mängelpunkte beseitigt.
Zur Begründung:
* Das Beispiel Japan [2] zeigt, was mit der "Drohnenverordnung" auf Deutschland zukommt: Ende 2015 wurden dort vergleichbare Regeln erlassen, die nicht etwa restriktiv, sondern im Gegenteil befreiend für Japans Unternehmen wirkten. Der Drohneneinsatz boomt seitdem, auch und vor allem in Ballungsräumen, mit Logistik- und zahlreichen anderen Anwendungen.
Diese Entwicklung ist auch hierzulande absehbar. Sowohl die Zahl der Flugbewegungen im unteren Luftraum als auch die damit verbundene Belastung durch Fluglärm wird zunehmen und die Lebensqualität gemindert. Wie die Bevölkerung in bereits heute stark fluglärmbelasteten Regionen wie dem Rhein-Main-Gebiet dazu stehen wird, ist klar. Wohl auch deshalb hält sich das BMVI in der Öffentlichkeit mit einer ehrlichen Darstellung aller Folgen der Verordnung vornehm zurück.
* Es wird der Eindruck erweckt, die Zahl der Drohnenaufstiege solle begrenzt werden. Zitat Dobrindt: "Je mehr Drohnen aufsteigen, desto größer werden aber auch die Gefahren von Kollisionen, Abstürzen oder Unfällen" [1]. Man wolle daher die Sicherheit im Luftraum erhöhen, und auch den Schutz der Privatsphäre stärken.
Tatsächlich aber erleichtert die Verordnung den gewerblichen Einsatz von Drohnen bis 5kg Startmasse durch Entfall der bisherigen Genehmigungspflicht erheblich - diese Gewichtsklasse machte im Jahr 2015 mehr als 75% (!) der ca. 8200 bundesweit gestellten Anträge auf Aufstiegsgenehmigung aus, und die Zahl der Anträge steigt seit Jahren rasant. Für behördliche und militärische Anwendungen entfällt die Erlaubnispflicht gar bis 25kg Startmasse. Das Ziel des BMVI ist ausweislich der Präambel Teil A den von ihm als solchen erkannten "Boom-Markt" zu fördern, mithin also die Zahl der Drohneneinsätze zu steigern - und eben nicht zu begrenzen. Gleichzeitig wird der erlaubnisfrei nutzbare Höhenkorridor innerhalb des Luftraum G aber auf 100m beschränkt, und damit die Drohnendichte innerhalb dieses Höhenbandes künstlich erhöht. Das alles widerspricht - vergleiche Dobrindt-Zitat - gerade dem Ziel, die Sicherheit im Luftraum deutlich zu verbessern.
* Ausweislich §20 Abs. 4 LuftVO stellt die Einhaltung des Datenschutzes eine wesentliche Bedingung für die Erteilung einer Aufstiegserlaubnis dar, und die Landesbehörden üben diesbezüglich eine wichtige Kontrollfunktion aus - gerade für gewerbliche, aber auch für behördliche und militärische Anwendungen.
Durch Wegfall der Erlaubnispflicht für Drohnen unter 5kg (gewerblich) bzw. bis 25kg (behördlich, militärisch) in der geänderten LuftVO werden die Landesbehörden dieser Kontrollfunktion nun aber weitgehend beraubt. Eine Erklärung dafür, warum man diese plötzlich für verzichtbar hält, liefert das BMVI indes nicht. Der Schutz der Privatsphäre wird nicht verbessert, sondern geschwächt.
* Google, aber vor allem Zustellriesen wie Amazon und DHL entwickeln sogenannte Logistikdrohnen. Ihr Ziel ist, die Paketzustellung weitgehend zu automatisieren und sich dadurch Wettbewerbsvorteile im hart umkämpften Markt zu sichern. Wichtige Voraussetzung dafür ist der autonome Betrieb, das heißt der Einsatz ohne Steuerer, der die Drohne stets im Blick hat und kontrolliert. Eine sichere autonome Bewegung in hochdynamischen Umgebungen ist problembehaftet, das zeigt die Automobilbranche seit Jahren eindrücklich. Die Problemstellungen im Luftfahrtbereich sind allerdings ungleich komplexer - man bewegt sich nicht nur in drei statt nur zwei Dimensionen, sondern muss außerdem damit zurechtkommen, dass der Luftraum von Millionen von Individuen mitgenutzt wird, die weder gesetzliche Regeln beachten noch "gesunden Menschenverstand" kennen: Vögel.
* Obwohl Logistikdrohnen noch lange nicht fertig entwickelt sind, sich entsprechend noch nicht haben beweisen müssen und somit auch noch gar nicht klar ist, ob und in welcher Weise die Betriebssicherheit überhaupt gewährleistet werden kann, macht das BMVI bereits jetzt den Weg auch für solche Anwendungen frei. Dabei kann man durchaus den Eindruck gewinnen, der Amazon-Wunschkatalog [3] habe als eine Art Checkliste für die Verordnungsinhalte gedient.
* Laut Präambel Teil A hat das BMVI Rechtsunsicherheiten dahingehend erkannt, wie klassische Modellflugzeuge und Drohnen sinnvoll voneinander abgegrenzt werden können. Zugegebenermaßen ist eine sinnvolle Definition nicht einfach - aber keineswegs unmöglich. Obwohl sie für den Verordnungsinhalt ganz entscheidend ist, wurde aber auf eine solche Definition verzichtet. Das führt beispielsweise zu der absurden Situation, dass der neue §21a zwar mit "Erlaubnisbedürftiger Betrieb von unbemannten Luftfahrtsystemen und Flugmodellen" überschrieben ist, die Absätze 3 (Erteilung der Erlaubnis) und 4 (Kenntnisnachweis) sich jedoch ausschließlich auf den Betrieb von unbemannten Luftfahrtsystemen (also Drohnen) beziehen. Kann die nach Absatz 1 erforderliche Erlaubnis für den Betrieb von Flugmodellen also überhaupt erteilt werden? Und ist der Kenntnisnachweis für den Betrieb von Flugmodellen tatsächlich entbehrlich? Statt bestehende zu beseitigen, werden erkennbar neue Rechtsunsicherheiten geschaffen - und damit das Gebot der Normenklarheit verletzt.
* Die Behauptung in Präambel Teil C, die präsentierte Regelung sei wegen der sonst drohenden zunehmenden Gefährdung "durch Flugmodelle und unbemannte Luftfahrtsysteme" alternativlos, ist schlicht unwahr.
In Teil A wird der klassische Modellflug doch gerade unter explizitem Bezug auf seine sehr gute Sicherheitsbilanz positiv abgegrenzt und erklärt, dass die Zunahme der Gefährdung im Luftraum und am Boden alleine Drohnen zuzurechnen sei. Von Flugmodellen ist also gerade keine Zunahme der Gefährdung zu erwarten. Eine sinnvolle Alternative zum gewählten Ansatz wäre mithin, vornehmlich solche Maßnahmen zu verordnen, mit denen sich gezielt die Sicherheitsbilanz im Bereich der Drohnen verbessern und die massive Benachteiligung der Modellflieger vermeiden ließe. Wie das BMVI selbst erklärt, ist diese Alternative jedoch wegen dann unnutzbarer Chancen für die Drohnenwirtschaft nicht gewünscht - q.e.d.
* Die in der Präambel Teil A aufgestellte Behauptung, man wolle "die Attraktivität des von vielen ausgeübten Hobbys" nicht "unangemessenen einschränken", muss entsprechend angezweifelt werden. Wie sonst wohl wäre die Erklärung in Präambel Teil F zu verstehen, dass "im Zuge der geplanten Einschränkungen des Freizeitbereichs die Nachfrage nach neuen Flugmodellen für den Freizeitbereich zurückgehen oder zumindest weniger stark ansteigen könnte als ohne diese Regelungen"? Wohlgemerkt: es wird ausdrücklich von einem Nachfragerückgang bei "Flugmodellen" gesprochen, und nicht etwa bei "Drohnen" bzw. "Multikoptern"!
In der laufenden Diskussion wurde von verschiedenen Bundestagsabgeordneten geäußert, die Interessen der Modellflieger seien mit der Möglichkeit, eine individuelle Aufstiegsgenehmigung zu beantragen, doch ausreichend gewürdigt worden. Diese Einschätzung erfolgt offensichtlich in Unkenntnis der Tatsache, dass heute etwa die Hälfte der geschätzt 190.000 in Deutschland aktiven Modellflieger keine Aufstiegsgenehmigung haben, weil sie erlaubnisfreien Modellflug ausüben, für den keine Genehmigung beantragt werden kann. Daraus folgt, dass nach Änderung der LuftVO mit Neuanträgen von etwa 700 Vereinen und mehreren zehntausend vereinsfreien Modellfliegern gerechnet werden müsste. Da der hieraus resultierende immense bürokratische Aufwand in der Folgenabschätzung in keinster Weise berücksichtigt ist, scheint man seitens des BMVI davon auszugehen, dass dieses Instrument in der Praxis wirkungslos bleibt - was wiederum das eingangs genannte Argument widerlegt.
Aus den hier genannten (und weiteren) Gründen ist eine weitreichende Überarbeitung der Verordnung dringend geboten. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Interessen aller direkt und indirekt betroffenen Gruppen ausgewogen berücksichtigt werden.
Ich appelliere an Sie, Ihren Einfluss dahingehend geltend zu machen.
Für ein persönliches Gespräch zur weiterführenden Erörterung dieser Thematik stehe ich auf Wunsch gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Michael Renzmann
Quellenverzeichnis:
[1] BMVI-Pressemitteilung "Dobrindt: Klare Regeln für Betrieb von Drohnen" vom 18.01.2017:
http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2017/005-dobrindt-neuregelung-drohnen.html
[2] Technology Review: "Post aus Japan: Der Aufstieg der Drohnen" vom 16.02.2017:
https://heise.de/-3626671
[3] Heise Online: "Drohnen: Amazon formuliert Forderungen zur Luftraum-Verwaltung" vom 04.05.2016:
https://heise.de/-3196748