Eine neue Messreihe F3F – Teil 2
Nachdem in Teil 1 die Vorgehensweise für die Erfassung der F3F-Messdaten beschrieben wurde, soll es jetzt an die Auswertung dieser Daten gehen.
Die Aufbereitung erfolgte nach der im ersten Beitrag dieses Themas beschriebenen Vorgehensweise:
- Mit „DataExplorer“: Selektion der relevanten Sensordaten und Zuschneiden des Betrachtungszeitraums von Einflug bis Ausflug aus der 100m langen F3F-Strecke (dies nur abgeschätzt über die Flughöhe)
- In „Excel“: „Taggen“ der Datensätze mit den jeweiligen Modelleinstellungen, Filtern und Glätten der Datenreihen, Ermitteln des Auftriebsbeiwerts und schließlich Darstellung mit Pivot- und Tabellengrafiken
Zunächst soll eine statistische Betrachtung der Daten erfolgen. Die Zeitachse spielt hierbei keine Rolle. Von Interesse ist hierbei vor allem, wie häufig sich das Flugzeug in einem bestimmten Flugzustand, beispielweise Geschwindigkeit und/oder Beschleunigung, befunden hat.
Es ist nicht ganz einfach, manchmal auch „gefährlich“, aus den gewonnenen Daten bzw. Darstellungen zu schnell Erkenntnisse ziehen zu wollen. Zum einen ist die Grundmenge des Datenmaterials noch relativ gering, zum anderen werden bei den Messungen weitere wichtige Einflussfaktoren nicht berücksichtigt. Beispielsweise bewegt sich das Modell dynamisch in dem (bewegten) System des Hangaufwinds. Unter anderem bemisst sich dadurch der Energiezustand des Modells nicht nur durch seine Höhe (Potentielle Energie) und seine Geschwindigkeit (kinetische Energie) sondern auch durch seine „Position im Hangwindsystem“ …
Daher werde ich im Folgenden meine vorsichtigen Folgerungen aus den jeweiligen Ergebnissen in
kursiv schreiben und damit gerne zur Diskussion einladen.
Nun aber genug der Vorrede und rein in die Ergebnisse!
Geschwindigkeitsverteilung zweier Flüge
Eine erste, einfache Betrachtung der Geschwindigkeitsverteilung während eines Fluges eignet sich ganz gut zum Warmwerden für die späteren etwas diffizileren Betrachtungen.
Zunächst zwei Flüge, die mit den gleichen Vorgaben und Einstellungen geflogen wurden:
(Die Grafiken werden im Folgenden immer nur als Vorschaubild angezeigt, um den Beitrag kompakter zu halten)
(Erläuterung: Der Datenpunkt mit (29m/s, 26%) sagt aus, dass 26% der Flugzeit zwischen 28,5 und 29,5m/s geflogen wurde)
Für mich hier erstaunlich zu sehen, mit welcher Konstanz Christian die beiden Flüge geflogen ist.
Welcher Flug war am Ende schneller? Es war Flug #0011, bei dem der Pilot häufiger mit 31 und 32m/s unterwegs war. Am Ende summierte sich das auf ca. 2s kürzere Flugzeit
Geschwindigkeitsverteilung bei gesetzten Klappen
Bei dem niedrig verwölbten Profil JX-GS entspricht eine Klappenposition von 0 Grad der Speedstellung, 1 Grad für schnelles Cruisen und 4 oder mehr Grad sind die „Thermikstellung“.
Das Messergebnis überraschte dann doch – und doch nicht – da Christian bei den Flügen mit Speed-Stellung sagte „It’s faster!“. Die drei Flüge mit den 3 Klappenstellungen ergaben als ungefähre Zeit für Speed: 43s, für Cruise: 41s und für Thermik: 50s
Oh!
In der Geschwindigkeitsverteilung erkennt man gut, das die „Mitten-Geschwindigkeit“ bei Cruise höher ist als in der Speedstellung. Wenn’s richtig schnell wird mit über 30m/s ist wiederum die Speedstellung wiederum häufiger zu finden (die kurzen Abschnitte reichen aber nicht für den „Gesamtsieg“).
Wahrscheinlich führten diese kurzen schnellen Abschnitte für die Einschätzung „Speed is faster“. Und vielleicht spielt da auch die Psychologie mit rein …
Von der Auslegungsseite bestätigte sich das Bild, wo die 0 Grad-Stellung der Klappen erst bei Geschwindigkeiten höher 30m/s mehr und mehr Vorteile bringt.
Der Sachverhalt ist spannend genug, um noch ein wenig tiefer einzutauchen. Betrachtet man die mittlere Geschwindigkeit während 4s über die Zeitachse ergibt sich folgendes Bild bei den beiden Flügen in Speed- und Cruise-Stellung:
In der Speed-Stellung kam es rund um Sekunde 20 zu „Hängern“. Die Geschwindigkeit pendelte sich bei 28m/s dann ein und konnte nicht wieder aufgebaut werden. In der Cruise-Stellung kann dagegen eine konstante Geschwindigkeit von 29m/s gehalten werden – dafür scheut sie höhere Geschwindigkeiten. Es könnte daher eine Strategie bei ähnlichen Bedingungen sein, in Speed einzufliegen und nach 2-3 Runden auf Cruise zu gehen…
Geschwindigkeitsverteilung bei unterschiedlichen Wenden-Stilen
Die Flugaufgabe war, den Kurs mit unterschiedlichen, ausgeprägten „Wende-Stilen“ zu fliegen:
- low turn – sehr niedrig geflogene Wenden
- high turn – bewusst hochgezogen geflogene Wenden
- normal – normal geflogene Wenden des Piloten
Das Ergebnis entspricht praktisch den Erwartungen. Hoch gezogene Wenden führen zu einem breiteren Geschwindigkeitsspektrum (vor allem nach unten) – während man sich bei tiefen Wenden eher in einem konstanten, schmalen Geschwindigkeits-Korridor bewegt:
Die dazugehörigen Flugzeiten: #normal 43s, #lowturn 46s, #highturn 50s
Beschleunigungsverteilung
Dargestellt wird nun die Beschleunigung des Modells in z-Richtung (ist gleich der Hochachse). Die Beschleunigung wird als Vielfaches n von g, der Erdbeschleunigung 9,81m/s², angegeben. Für den stationären Horizontalflug gilt n = 1 (mit der Masse ergibt sich daraus die Gewichtskraft die dann in Balance mit der Auftriebskraft ist).
Im Kurvenflug erhöht sich das Lastvielfache abhängig vom geflogenen Kurvenradius (die Formeln dazu sind
hier zu finden)
Zunächst wird die Beschleunigungsverteilung bei den 2 Flügen betrachtet, die auch eingangs bei der Geschwindigkeitsbetrachtung als Grundlage genommen wurden.
Bemerkenswert sind dabei in meinen Augen 4 Aspekte:
- Die schon erwähnte Konstanz, mit der der Pilot die Flüge steuert
- Die zu erwartenden 2 Höcker in der Beschleunigungsverteilung, die sich aus Geradeausflug und Kurvenflug ergeben sollten, sind praktisch nicht zu sehen
- Das Flugzeug bewegt sich nur ganz wenig mit n=1 (stationär) – vielmehr ist es permanent im Kurvenflug unterwegs. Die Verteilungsspitze bei n=2 entspricht dabei ungefähr einem Kurvenradius von 50m.
- Mit Spitzenwerten von 6-8g geht es immer wieder richtig zur Sache
Mit Christian habe ich diesen 3. Punkt diskutiert. Er sagte, dass er bemüht ist, nach der Wende möglichst schnell an die Hangkante zu kommen, um dann gerade entlangzufliegen. Ist es „optische Täuschung“, dass nicht doch auch an der Kante ein großer Kreis geflogen wird bis dann bereits die nächste Wende eingeleitet wird?
Einen interessanten Hinweis auf diese Frage ergibt sich, wenn man sich die Beschleunigungsverteilung bei den unterschiedlichen Wende-Techniken anschaut:
Bei flach geflogenen Wenden bekommt man eher die zu erwartende Verteilung mit der Spitze bei n= 1 und einem 2. Höcker bei n = 5 durch die Wenden.
Bei den hohen Wenden kommt augenscheinlich noch die Beschleunigung durch die „Rauf-Runter-Kurven“ (ein besseres Wort fällt mir gerade nicht ein) hinzu, während die Beschleunigungsspitzen geringer sind, da im höchsten Punkt der Wende auch die Geschwindigkeit starker abgenommen hat.
Verteilung des Ca-Wertes
Wir kommen nun zu der Frage mit diese Flugvermessung begonnen hat: „Mit welchen Ca-Wert fliegen wir eigentlich?“
Der momentane Ca-Wert kann recht einfach aus aktueller Fluggeschwindigkeit und Beschleunigung und der Grundgeschwindigkeit des Modells bei Ca=1 bestimmt werden –
siehe hier.
Für die mittlere Geschwindigkeit von 29m/s und einer Flächenbelastung von 55g/dm² ergibt sich ein theoretischer Ca-Wert von 0,105 – dies als Anhaltspunkt.
Zunächst ein Vergleich der Ca-Verteilung bei verschiedenen Flugstilen. Der Kurs einmal geflogen im Soft-Stil und einmal mit richtig „Druck“:
Im Soft-Stil gut zu erkennen, wie die Kurvenvorsichtig mit Ca um 0,35 geflogen werden. Sogar ein gewisser Geradeausflug mit Ca = 01,15 deutet sich an. „Normal“ geflogen befincen wir eher wieder in einer Dauer-Kurve mit kurzzeitig richtig Druck mit Ca bis 0,85.
Dieses Ergebnis ist für mich im Vergleich zu Messungen letzten Jahres doch überraschend. Es wird deutlich, dass der Pilot (ich) vor allem im Soft-Stil unterwegs war/ist …
Verteilung des Ca-Wertes nach Wendetechnik
Vergleicht man die Ca-Verteilung bei den verschiedenen Wende-Techniken sind Ergebnisse nach Kenntnis der unterschiedlichen Beschleunigungswerte fast schon vorhersehbar …
Verteilung des Ca-Wertes – Snap Flap
Eine kleine Überraschung: Die Ca-Verteilung unterscheidet sich nur wenig zwischen einem Flug mit und ohne Snap Flap:
Die sehr hohen Ca-Werte sind bei Snap Flap etwas prominenter, aber bei Weitem nicht so ausgeprägt wie gedacht.
Ein Hinweis für den geringen Unterschied wird in der Geschwindigkeitsverteilung der beiden Flüge deutlich:
Was auf einen geringeren Widerstand von Snap Flap bei hohen Ca Werten schließen lässt. Der Pilot versuchte offensichtlich auch ohne Snap Flap ähnlich „knackig“ die Wenden zu fliegen und „bezahlte“ dafür mit Geschwindigkeitsverlust. Um diese Annahme vielleicht verifizieren zu können, müssen dann später noch die Messdaten entlang der Zeitachse betrachtet werden.
So weit die statistischen Betrachtungen
… wieder einmal habe ich den Zeitaufwand für Aufbereitung und Darstellung der Ergebnisse ziemlich unterschätzt (zum Glück war heute Regentag in Dänemark). Es gäbe sicher noch viele interessante Blickwinkel auf die summarische Betrachtung der Mess-Ergebnisse, aber ich denke, spannend sind auch detailliertere Betrachtungen über die Zeitachse eines Fluges. Dies dann im 3. Teil!
Wie bereits gesagt, würde ich mich über weitere Aspekte und Interpretationen zu den Messergebnissen sehr freuen!
Jochen