Kurbelwellensitzrenovierung

Liebe Gemeinde,

hat schon mal jemand bei einem Motor mit gleitgelagerter Kurbelwelle den radialen Kurbelwellensitz renoviert? Der Rundlauf der Welle ist gut (3/100) aber das Gehäuse ist ausgeschlagen. Es läuft beim Betrieb recht ordentlich Sprit hinter dem Propellermitnehmer raus. B. Krause schreibt man kann eine gut zugearbeitete Buchse in das Gehäuse einkleben. Was nimmt man zweckmäßigerweise für ein Material? Was ist eine sinnvolle Länge? 1x Kurbelwellendurchmesser oder mehr? Der Motor: ein EGA 0,5cm³ Kurbelwellendrehschieber Selbstzünder.
Vorneweg Danke für Tipps
Grüße Südkarl
 
Hallo Südkarl,

eine neue Lagerung ist erst die halbe Herausforderung. Der Drehschieber muss auch neu abgedichtet werden. Am besten geht das mit einer langen durchgehenden Buchse mit Fenster. Als Material eignet sich Lagerbronze oder Rotguss. Eventuell könnte 3-teilig gehen: vorn und hinten Bronze, in der Mitte geht dann auch Alu. Vor und hinter dem Drehschieberfenster muss aber noch ein Stück Vollkreis stehen bleiben.

Halte uns bitte auf dem Laufenden
Andreas
 

akafly

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Hallo Südkarl,
bei meinem 1,5 ccm Moskito Diesel habe ich für bessere Tragfähigkeit beide Pleuelbohrungen und das Kurbelwellenlager mit Rotguss ausgebuchst. In der Regel verschleißt ein Kurbelwellen-Gleitlager mehr an der Kurbelwange als vorn am Wellenaustritt, also da wo die Kolbenkräfte angreifen. Da diese Kräfte von den Pleuellagern übertragen werden, müsste die Lagerfläche für die Kurbelwelle hinten an der Kurbelwange nicht viel größer als ein Pleuellager sein. Am Moskito laufen dort 9 mm Druchmesser, das ist viel mehr als am Hubzapfen und somit steigt die Tragfähigkeit des Schmierfilmes nochmal mit der höheren Gleitgeschwindigkeit. Es reicht also völlig aus nur den hintersten Bereich des Kurbelwellenlagers bis zum Kurbelwellendurchbruch auszubuchsen, in meinem Fall 5 mm Buchsenlänge, womit sich ein neuer Steuerdurchbruch erübrigt.
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Das was da geblich glänzt ist die Buchse, mehr an Tiefe habe ich nicht eingezogen.
Buchse straff eingepresst und dabei mit Epoxy geschmiert. Verwendet wurde RuG Harz L mit Härter CL, welches man z.B. bei 60° über ein paar Stunden warm nachhärten kann.
Alles kein Hexenwerk. Aber die Buchse muss zentrisch sitzen, damit beim anschließenden Nachreiben die restliche Lagerfläche nicht abgetragen wird.
Gruß Rene
 

wadwer1

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Hallo Südkarl, ich habe das vorletzte Woche bei meinem 1,7er Webra Glühzünder gemacht und erstmal bitter Lehrgeld bezahlt:
hatte auch in der Mitte im Bereich des Fensters die original Lagerung (Alu) stehen lassen und vorne und hinten je eine Buchse mit 1mm Wandstärke eingepresst. Vorher vorsichtig mit Reibahle mit konischem Anschnitt die ausgeschlagenen Bereiche der Original-Alulagerung "ausgebohrt", vorne und hinten.
Dann zwei Hülsen eingepresst, nicht mehr nachgerieben, Kurbelwelle lief spielfrei, perfekt. Aber der Motor lief nicht mehr.

Grund: der konische Anschnitt der Reibahle hat ja 2 minikleine Rillen im Alu hinterlassen - denn die neuen Buchsen waren vorne und hinten plan gedreht und haben diese schrägen Rillen nicht verschlossen.
Durch diese Rille lief auch das Fenster der KW, und prompt hat sich immer der Unterdruck abgebaut, auch als das Fenster "unten" war. Damit hat
er nicht mehr ansaugen können und lief nur noch schwach im Leerlauf.
Buchsen also nochmal raus, ne durchgehende Buchse rein, läuft perfekt. Material normales Messing, vorher wars Alu, da ist Messing schon
10 x besser.

Gruss
Werner
 
Hallo Rene,
ist der Motor schon gelaufen? Wie dichtest du denn den Drehschieber ab? Der drückt doch jetzt immer noch jede Menge Frischgas an der Kurbelwelle vorbei. Außerdem ist der Druck des Pleuels zu vernachlässigen. Der Verschleiß am hinteren Teil der Buchse rührt von der massiven Unwucht der Kurbelwange her.
Gruß Andreas
 

akafly

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Hallo Andreas,
mein Moskito war beim Vorbesitzer wenig gelaufen. Ich habe dem prophylaktisch so einige Maßnahmen verpasst, das WK-Lager war noch das Wenigste.
Der KW-Drehschieber war also noch in Ordnung. Trotzdem habe ich die lästige Sabberei vorne abgesaugt:
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Man sieht meine Ringnut im Gehäuse und die vorn verschlossene Bohrung nach hinten zum Vergaser.
Motor läuft

und fliegt inzwischen auf einem Retrosegler.

Der Verschleiß am hinteren Teil der Buchse rührt von der massiven Unwucht der Kurbelwange her.
Nach meinen (überschlägigen) Rechnungen sind die Gaskräfte bei Modelldieseln größer als die Massenkräfte, selbst bei den schweren Graugusskolben - zumindest bei moderaten Drehzahlen. Die Auswuchtmasse der Kurbelwange ist meist kleiner als Kolben- und Pleuelmasse. Auch fand ich bisher nur ovalen Verschleiß an den KW-Gleitlagern, sodass ich den Verschleiß dort vorrangig auf die Gaskräfte, überlagert von den translatorischen Massenkräften zurückführen würde.
Gruß Rene
 
...es geht mit der notwendigen Gelassenheit und Sorgfalt also. Gute Nachricht - danke. Der Herr Krause hat beschrieben, daß ein Klebespalt 0,1...0,2mm zwischen Buxe ((x wird vielzuwenig verwendet)) und Gehäuse sein soll und die Welle dann die Zentrierung übernimmt - das habt ihr nicht so gemacht - warum?
Grüße
ich
 
Nachfrage an Rene wegen der Absaugbohrung: die geht axial durch zum Luftansaugschacht und schneidet die Rille vorne ein Stück an. Dann vorne verschlossen. So richtig?
Gruß
Südkarl
 
Hallo Rene,
die Sammelrille mit der Absaugbohrung finde ich super, sowas kenne ich sonst nur von besseren großen Glühzündern mit Wälzlagern.

Zu der Belastung der Lagerbuchse hinten, bleibe ich bei der Annahme, dass das Ausgleichsgewicht den größeren Schaden verursacht. Die Kräfte, die sich auf das Pleuel stemmen, wirken auf dem oberen Halbkreis der Unwucht entgegen, unten jedoch, also bei OT, addieren sich die Kräfte. Demnach müsste die hintere Buchse im unteren Bereich ausschlagen.

Gruß Andreas
 

wadwer1

User
Hallo Rene,

diese Rille habe ich bei meinem 1,5er Diesel Webra auch eingedreht, aber einen NBR oder Viton ORing eingelegt.
Seitdem ist da vorne auch dicht. Wie lange das hält weiss ich nicht, aber funktioniert so nun schon viele Flüge.
Zumal diese kleinen Krachmacher ja auch nicht ständig im Einsatz sind.
Aber das mit der Bohrung zum Vergaserhals ist natürlich pfiffig.....
Gruss
Werner
 

akafly

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Nachfrage an Rene wegen der Absaugbohrung: die geht axial durch zum Luftansaugschacht und schneidet die Rille vorne ein Stück an. Dann vorne verschlossen. So richtig?
Gruß
Südkarl
Die Absaugbohrung habe ich von vorne parallel zur Welle die Nut streifend und weiter bis zum Ansaugkanal gebohrt und anschließend nur ganz vorn mit Harz verschlossen. Ich muss dazu sagen, dass ich die Bohrung 2 mal vergrößert hatte, so groß wie es letztlich ging. Man braucht viel mehr Absaugquerschnitt als die Kurbelwelle durch ihre Lagerluft vorgibt, weil ursächlich der Druck im Kurbelgehäuse den Sprit vordrückt, aber nur der viel geringere Ansaugunterdruck zum Absaugen zur Verfügung steht.

Die Kraus'sche Variante mit dem Klebespalt hatte ich nicht mehr auf dem Schirm. Das wäre auch ein Versuch wert, mit getempertem Harz versteht sich.

@Werner, an einen O-Ring hatte ich auch gedacht, man kann ja mit der Nuttiefe die Vorspannung recht klein halten, um nicht zu viel Reibung aufzubauen. Ich wusste aber nicht wie sich NBR oder Viton auf die Dauer unter Kraftstoffeinfluss verhalten (Quellung, Verhärtung). Und da ich Sprit auch mal anders anmischen möchte, gefiel mir die Absaugvariante besser. Die Eigenschaften von Kunststoffen und Elastomeren sind über die Zeit doch recht veränderlich. Wie lange hast du den Ring, NBR oder Viton, schon dem Sprit ausgesetzt?
Gruß Rene
 

wadwer1

User
Rene, ich sage mal seit einem Jahr. In der Regel quellen ja solche Materialien, wenn es eine Unverträglichkeit gibt,
Das würde zu einem Drehwiderstand führen, den ich aber nicht feststellen konnte bisher.

Bin mir ziemlich sicher dass es NBR schwarz war, weil ich bei solchen auf Reibung belasteten Dichtverhältnissen Viton vermeide,
einfach weil es abrasiver wirkt als NBR und ein Einlaufen der KW befürchtet hatte.
Genaugenommen ist es ja nur das Petroleum, das dauerhaft auf das Material einwirkt. Der Äther ist sofort verflogen und Rizinus ist
unbedenklich.

Gruss
Werner
 

akafly

User
Zu der Belastung der Lagerbuchse hinten, bleibe ich bei der Annahme, dass das Ausgleichsgewicht den größeren Schaden verursacht. Die Kräfte, die sich auf das Pleuel stemmen, wirken auf dem oberen Halbkreis der Unwucht entgegen, unten jedoch, also bei OT, addieren sich die Kräfte. Demnach müsste die hintere Buchse im unteren Bereich ausschlagen.

Gruß Andreas
Man muss die Kräfte in der Entstehung auseinanderhalten: Gaskräfte (Verbrennungsdruck), translatorische Massenkräfte (1. und 2. Ordnung), rotierende Massenkräfte (verbleibende Auswuchtmasse). Die ersten und zweiten Kräfte wirken zyklisch vertikal, letztere konstant umlaufend. Schließlich wären alle Kräfte zu addieren. Für die hier interessanten beiden KW-Stellungen OT und UT kann man leicht die nötigen Motorparameter in die Gleichungen einsetzen:
oszillierendeKraefte.jpg

Verwende ich:
- mo = 0,006 kg (Kolben, Kolbenbolzen und Pleuelanteil)
- r = 0,006 m (Kurbelradius)
- w = 2pi*12000/60 rad/s (Kreisfrequenz aus Drehzahl)
- lambda_p = 6/20 (Pleuelstangenverhältnis = Kurbelradius / Stichmaß Pleuel)
- alpha (KW-Winkel) im OT = 0° und im UT = 180°

erhalte ich für die transl. Kraft im OT = -74 N
für die transl. Kraft im UT = +40 N.

Erreicht die Gaskraft aber beispielweise bei 50 bar und 13 mm Kolbendurchmesser = 650 N,

ergeben sich im OT: -74 N + 650 N = 576 N
und im UT: 40 N + 0 N = 40 N, jeweil als nach unten gerichtete Kräfte auf die Kurbelwelle, ganz ohne Unwucht.

Jetzt müsste man noch die Auswuchtung dazurechnen, die beträgt aber oft nur 25 ...40% der translat. Kräfte (50% wären wünschenswert), das ändert aber nichts an der Dominanz der Gaskräfte, egal ob man 10 bar mehr oder weniger Verbrennungsdruck annimmt.
Bei großen Motoren können die Massenkräfte die Gaskräfte übersteigen.

Das nur als Beispiel, ich will niemanden belehren, wollte nur den Hintergrund posten, für den den es interessiert.

Gruß Rene
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo !

Also die Ölabsaugung ist schick gemacht. Habe mir aber gedacht, dass gerade beim Gleitlager es auch von Vorteil sein kann, dass das Öl vorn rausdrückt, da so Schmutzpartikel ausgespült werden. Gerade hinter dem Propmitnehmer hat man ja doch oft viel Schmutz, der ins Lager eindringen kann.
 

wadwer1

User
Ja lieber Semmel und dann verteilt der Prop das Öl wunderbar übers ganze Modell, und da eben so kleine Motörchen oft in
Retro-Modellen mit Vlies oder Gewebe bespannt eingebaut werden, saugen die Öltröpfchen sich da wunderbar rein.
Deshalb gilt es zu vermeiden, dass der Prop das Öl in die Hände bekommt.

Bei meinen Motoren ist die Stelle hinter dem Propellermitnehmer eher die sauberste Stelle am ganzen Modell, da gibts noch keinen
Schmutz vom Fahrwerk, keine Mücken, nichts.
Also ich finde die Absaugtunnellösung genial.

Gruss
Werner
 
Das, was vorn rausdrückt ist sehr wenig im Vergleich zu dem, was aus dem Auslass kommt. An sich kommt man nicht drum herum, das Modell ordentlich zu versiegeln..
 

wadwer1

User
Das, was vorn rausdrückt ist sehr wenig im Vergleich zu dem, was aus dem Auslass kommt. An sich kommt man nicht drum herum, das Modell ordentlich zu versiegeln..
Du sprichst vom Neuzustand - da bin ich dann bei dir. Aber schlecht gewuchtete Props, Missbrauch von Startern und sonstiger Verschleiss lassen eben genau in der Kubikklasse so um 1,5 ccm die KW-Lagerung schnell aussschlagen, und dann geht die Dusche los.

Das ist dann die Stelle wo die Absaugbohrung oder der O-Ring Sinn machen. Aber Beides, muss man auch offen sagen, geht nicht ohne
Drehmaschine oder Fräsmaschine, und die hat nicht jeder zuhause rumstehen.

Mir tut es in der Seele weh, einen leicht gebauten Kapitän mit der Zweikomponenten-Extron-Klarlack Suppe zuzuschmieren, um die erforderliche Versiegelung zu erreichen. Da schaue ich lieber, dass der Motor dicht ist.
Geschmackssache eben.

Gruss
Werner
 
Meistens reicht es schon, so viel Porenfüller oder Spannlack zu verwenden, bis das Papier richtig getränkt und die Oberfläche dicht ist.
Dann braucht man auch kein 2k-Lack, der ist eigentlich nur bei Synthöl nötig.

Zur erneuerung der KW-Bohrung selbst - Für die Hülse reicht ja 0,5 bis 1mm Wandstärke - wenn man da ein auf die KW passendes Messingrohr findet, kann man den alten Sitz aufreiben und das Rohr mit Locktite einkleben. Den Steuerdurchbruch kann man danach mit dem Dremel und Schlüsselfeile auf maß bringen..

Da braucht man zwar eine Verstellreibahle aber noch lange keine Drehmaschine..
 

wadwer1

User
Du findest aber eben kein Präzisions-Messingrohr mit genau der richtigen Passung für die Kurbelwelle, einfach so im Baumarkt oder
Schrottcontainer. Auch diese Bohrung muss erstmal sauber gerieben werden damit später kein Spiel fühlbar ist.

Punkt zwei, wie willst du den alten Sitz aufreiben ohne den Motor vorher genauestens ausgerichtet zu haben, idealerweise mit Messuhr?
Dazu wäre eine Drehe oder Fräse prädestiniert.

Es mag auch am Schraubstock mit ner Standbohrmaschine gehen, aber wenn du dann leicht winklig aufreibst wird das Pleuellager auf
Dauer ausschlagen. Steuerdurchbruch mit Dremel, kein Problem.
Gruss
Werner
 
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