Die Kräfte am Leitwerk sind aber meines Wissens nicht gleichbleibend einseitig, so daß ein Leitwerk im normalen Flugzustand ohne Ruderbewegung abwechselnd "zieht und drückt" und so das Flugzeug in der Flugbahn hält. Der Anstellwinkel (der Fläche) hat damit nichts zu tun.
Da ist Dein Wissen falsch. Die Luftkraft wandert bei zunehmendem oder abnehmenden Anstellwinkel. Am normal gewölbten Flügel mit zunehmendem Anstellwinkel vor, mit abnehmendem zurück. Das führt dazu, dass sie praktisch nie genau das Gewicht kompensiert. Gewicht und Auftrieb bilden vielmehr zusammen ein Kräftepaar, das ein Moment auf das Flugzeug ausübt. Dieses Moment muss das Leitwerk ausgleichen. Ausser im Spezialfall, wo der Druckpunkt genau über / unter dem Schwerpunkt liegt, bleibt immer ein solches Restmoment, dessen sich das Leitwerk annehmen muss. Das von Dir beschriebene Regelungspendeln ist zwar auch da (Deswegen die Phygoide als Flugbahn, von der Du vielleicht auch schon gelesen hast), aber es pendelt nur in Ausnahmefällen um 0.
Wenn ein Modell unter- oder überschneidet, oder nicht mehr abfängt, dann ist die Auslegung falsch, oft das Leitwerk zu klein.
Ja, mit einem grösseren Leitwerk kann man den HLW immer die nötigen Reserven verschaffen. Die anderen beschriebenen Effekte können aber der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Ein Flugzeug so auszulegen, daß es in normalen Flugzustand mit 1° angestellten Leitwerk (in Flugrichtung gesehen) geradeaus fliegt, bzw. fliegen soll, macht meiner Meinung nach keinen Sinn.
Das macht man auch nicht mit Vorsatz so. Vielmehr wählt man ein Profil nach seiner Polare aus, wobei nur sehr gewiefte Füxe dabei auch auf den Momentenbeiwert schielen. Dann wählt man einen Arbeitspunkt für das Profil (oder vielmehr den ganzen Flügel). In diesem Arbeitspunkt greift der Auftrieb an einem ganz bestimmten Druckpunkt an, den man IDR dann aber auch noch nicht anschaut. Jetzt rechnet man den Neutralpunkt und wählt ein Stabilitätsmass, legt den SP an die Stelle, die das SM vorgibt. Und erst jetzt, so man das denn überhaupt tut, berechnet man, welchen Anstellwinkel das LW haben muss, um das resultierende Moment auszugleichen. Wer diese Rechnung nicht macht, stellt nach Erfahrung und allgemeiner Empfehlung 0.5..1.5° EWD ein und geht Einfliegen. Bein Einfliegen ändern sich SP und EWD noch einmal. Und es muss mit sehr viel Zufall hergehen, wenn das Resultat dieses Prozesses ein Flugzeug ist, dessen HLW im Arbeitspunkt mit genau 0° angestellt ist.
Mit den heute üblichen Konfigurationen, die sich alle ähneln, kommen aber auch keine dramatischen Anstellwinkel am Leitwerk heraus. Man kann aber durchaus solche Auslegungen machen. Vor allem wenn der Werdegang über Freiflug-Parameter ging, haben Flugzeuge oft dramatisch hohe EWDs, grosse SP Vorlagen und damit auch relativ hohe Leitwerkslasten im Arbeitspunkt. Wenn jemand so eine alte Konstruktion genauer analysiert kommen deswegen immer wieder ungläubige Fragen.
PS: lt letzter Skizze müsste das Flugzeug nach rechts fliegen (Pfeilrichtung) und wär damit ne Ente.
Der Pfeil ist die Anströmrichtung, da nach der mehrfach gefragt wurde.