BZFrank
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Aktueller Stand der Früherkennung von Defekten in Lithium-Zellen
Viel wurde hier in letzter Zeit über Lipo-Sicherheit geschrieben. Darunter auch was man im Vorfeld unternehmen kann um sich gegen Lipobrände abzusichern, z.b. sichere Lagerbedingungen, abgeschlossene (jedoch nach aussen gelüftete), feuerfest Behältnisse u.v.m. Wenig wurde jedoch über etwas anderes geschrieben und ich möchte es in diesem Thread etwas beleuchten - die Früherkennung von defekten Lipo-Akkus.
Mit 'Früherkennung' ist eine Detektion gemeint die es ermöglich zeitlich möglichst weit vor dem eigentlichen katastrophalen Versagen ("Lipobrand") nicht-offensichtliche Defekte in Zellen zu erkennen. Darunter nicht nur ein Versagen während der Ladung/Entladungsphase, sondern auch während der Lagerung.
Kann man das zuverlässig? Forschungen dazu laufen noch (nach der Boeing-Dreamliner Problematik verstärkt) aber ich möchte hier kurz einen kleinen Überblick geben auf was man achten kann und auch zu weiteren, eigenen Untersuchungen und Kommentaren aufrufen.
Zuerst sollte man eingrenzen - wir betrachten hier exothermes Versagen durch 'Thermal Runaway' ursächlich hervorgerufen durch Fehler in der Zelle:
- magelhaftes Design (chemisch/mechanisch)
- Fertigungsfehler
- Zellmisshandlung (elektrisch, thermisch, mechanisch)
- Fehlerhafte Ladung/Entladung/Lagerung
Untersuchungen (1) zeigen das diese Fehler meistens über Zwischenschritte zur letzlichen Versagen führen. Der übliche Versagensweg beginnt mit einem lokalisiertem (Mikro-)Kurzschluss in der Zelle. (Schritt 1 "Auslöser"). Dieser Kurzschluss sorgt für eine lokale Erwärmung der Zelle, auch durchaus über einen längeren Zeitraum (z.b. gemessen wurde ein lokalisierter Anstieg von nur 0.2 Grad Celsius / Minute).
Kann die Wärme nicht abgeführt werden, so kommt es zu einer übermässigen Erwärmung an dieser Stelle bis ab ca. >60 Grad C° der SEI-Layer der Anode angegriffen wird. Dadurch kommt diese in direktem Kontakt mit dem Elektrolyten. Das sorgt für weitere exotherme Reaktionen und eine verstärkte und nun zellweite Aufheizung (Schritt 2 "Beschleunigung") bis schliesslich der Thermal Runaway Punkt erreicht wird.
Ab diesem zerfallen Anoden und Kathoden weiter und (Kathode) auch unter Sauerstoffbildung wobei schliesslich eine solche Wärmemenge produziert wird das der Separator versagt und damit die Zelle auch. (Schritt 3 "Runaway").
Interessanterweise kann die langsame Erwärmung zu stark verzögertem Auslösen führen, so wurde in Versuchen in (2) nach Auslösung eines Mikro-Kurzschluss bis zu 23 Stunden später erst die Beschleunigungs-Phase erreicht, wobei ein noch weitere verzögertes Erreichen durchaus möglich erscheint.
Zellen die solche Mikro-Kurzschlüsse aufweisen verhalten sich im normalen Betrieb oft relativ unauffällig und das auch viele Zyklen lang. Ein Mikro-Kurzschluss kann selbstlimitierend sein - ist der Schluß klein und kann die dadurch auftretende Wärme problemlos abgeführt werden - insbesondere auch in kalten Umgebungen - so fällt er nicht auf. Jedoch kann ein Mikro-Kurzschluß auch anwachsen oder durch weitere in der unmittelbaren Umgebung entstehende beeinträchtigt werden.
Bevor das Kind in den Brunnen fällt...
Nach (2) könnte ein solcher Zelldefekt u.U. dennoch frühzeitig erkannt werden und zwar durch
- Verstärkte Zellentladung beim Lagern, insb. wenn eine Zelle im Akkupack nach unten 'wegläuft'.
- Längere CV-Ladezyklen, insb. wenn eine Zelle noch läd während alle anderen schon balanciert werden.
- "Rauschen" in der Lade/Entladestromkurve
- Zellerwärmung, insb. während der CV-Phase der Ladung.
- Unterschiede in der Lade/Entladestrommenge der Zelle.
Insbesondere den dritten Punkt ("Rauschen") finde ich interessant, besteht hier doch vielleicht die Möglichkeit während der Ladephase durch das Ladegerät eine grobe Einschätzung der Zellgesundheit vornehmen zu können. Das Rauschen entsteht anscheinend wenn Bereiche mit Mikro-Kurzschlüsse sich durch das ansteigende/annehmende Potential der Zelle sprunghaft ändern ("formation of transient micro-shorts").
Erkennungskriterien NASA
Die NASA hat inzwischen auch Testkriterien aufgestellt (3) um Lithium-Zellen vor/während dem Einsatz statisch (Lagerung) und dynamisch (während Entladung) zu prüfen. Li-Polymer-Zellen werden dort u.a. in Weltraumanzügen eingesetzt.
Der dort verwendete statische Test zur Feststellung von Mikro-Kurzschlüssen läuft wie folgt ab:
Die (37Ah Li-Polymer) Zelle wird geladen und im Anschlussmit einen sehr geringen Strom (125mA) auf 3V/Zelle entladen (typ. 12 Tage aus 100% SOC) Im Anschluss wird die Spannung der Zelle über weitere 21 Tage beobachtet. Zellen deren Spannung zwischen Tag 14 und Tag 21 noch weiter absinken werden als defekt aussortiert.
Der Hintergrund ist das sich Mikrokurzschlüse bei grossen Zell-Kapazitäten statisch am besten bei niedrigem SOC (Ladezustand) erkennen lassen.
Weiterhin wird eine dynamischen Zellselektion mit Vibrationstest eingesetzt:
Zellen mit 30% SOC werden 1 Minute lang typischen Vibrationen (entsp. typ. „Launch“-Belastung) ausgesetzt während sie mit 2A entladen werden. Angeschlossen ist ein Oszilloskop mit Trigger auf +/-12mV Änderung der Zellspannung. Findet während dieser Entladung ein Sprung der Zellspannung von mehr als +/-12 mV statt so wird die Zelle als defekt aussortiert.
Das dynamische Verfahren hat dabei eine gewisse Ähnlichkeit zur 'Rausch'-Messung aus (2). Wie man sieht spielt hierbei die Frequenz der Ereignisse bei der Detektion keine Rolle, sondern die Übergänge (Sprünge in der Zellspannung) selbst werden erkannt.
Ausblick
Möglicherweise besteht also eine Möglichkeit das auch im 'Consumer'-Bereich Ladegeräte zukünftig schon früh vor versteckten Zelldefekten warnen können, so das solche pot. kritischen Zellen rechtzeitig aus dem Verkehr (und Hobbykeller/Satteltasche des Elektrofahrrads) gezogen werden können.
Die Frage ist dann nur noch ob das vom Anwender auch so gehandhabt wird (schliesslich erscheinen die detektierten Zellen meist als noch voll funktionsfähig).
---
1) A General Discussion of Li-Ion Battery Safety, Dan Doughty und E. Peter Roth, The Electrochemical Society Interface, 7/2012
2) Detecting Li-Ion Cell Internal Faults in real time, Celina Mikolajczak, John Harmon, Kevin White, Quinn Horn, and Ming Wu Exponent Failure Analysis Asso, Kamal Shah Intel Corporation Portland, OR, USA
3) Screening Li-Ion Batteries for Internal Shorts, Eric Darcy, NASA-Johnson Space Center Houston, TX, USA
Viel wurde hier in letzter Zeit über Lipo-Sicherheit geschrieben. Darunter auch was man im Vorfeld unternehmen kann um sich gegen Lipobrände abzusichern, z.b. sichere Lagerbedingungen, abgeschlossene (jedoch nach aussen gelüftete), feuerfest Behältnisse u.v.m. Wenig wurde jedoch über etwas anderes geschrieben und ich möchte es in diesem Thread etwas beleuchten - die Früherkennung von defekten Lipo-Akkus.
Mit 'Früherkennung' ist eine Detektion gemeint die es ermöglich zeitlich möglichst weit vor dem eigentlichen katastrophalen Versagen ("Lipobrand") nicht-offensichtliche Defekte in Zellen zu erkennen. Darunter nicht nur ein Versagen während der Ladung/Entladungsphase, sondern auch während der Lagerung.
Kann man das zuverlässig? Forschungen dazu laufen noch (nach der Boeing-Dreamliner Problematik verstärkt) aber ich möchte hier kurz einen kleinen Überblick geben auf was man achten kann und auch zu weiteren, eigenen Untersuchungen und Kommentaren aufrufen.
Zuerst sollte man eingrenzen - wir betrachten hier exothermes Versagen durch 'Thermal Runaway' ursächlich hervorgerufen durch Fehler in der Zelle:
- magelhaftes Design (chemisch/mechanisch)
- Fertigungsfehler
- Zellmisshandlung (elektrisch, thermisch, mechanisch)
- Fehlerhafte Ladung/Entladung/Lagerung
Untersuchungen (1) zeigen das diese Fehler meistens über Zwischenschritte zur letzlichen Versagen führen. Der übliche Versagensweg beginnt mit einem lokalisiertem (Mikro-)Kurzschluss in der Zelle. (Schritt 1 "Auslöser"). Dieser Kurzschluss sorgt für eine lokale Erwärmung der Zelle, auch durchaus über einen längeren Zeitraum (z.b. gemessen wurde ein lokalisierter Anstieg von nur 0.2 Grad Celsius / Minute).
Kann die Wärme nicht abgeführt werden, so kommt es zu einer übermässigen Erwärmung an dieser Stelle bis ab ca. >60 Grad C° der SEI-Layer der Anode angegriffen wird. Dadurch kommt diese in direktem Kontakt mit dem Elektrolyten. Das sorgt für weitere exotherme Reaktionen und eine verstärkte und nun zellweite Aufheizung (Schritt 2 "Beschleunigung") bis schliesslich der Thermal Runaway Punkt erreicht wird.
Ab diesem zerfallen Anoden und Kathoden weiter und (Kathode) auch unter Sauerstoffbildung wobei schliesslich eine solche Wärmemenge produziert wird das der Separator versagt und damit die Zelle auch. (Schritt 3 "Runaway").
Interessanterweise kann die langsame Erwärmung zu stark verzögertem Auslösen führen, so wurde in Versuchen in (2) nach Auslösung eines Mikro-Kurzschluss bis zu 23 Stunden später erst die Beschleunigungs-Phase erreicht, wobei ein noch weitere verzögertes Erreichen durchaus möglich erscheint.
Zellen die solche Mikro-Kurzschlüsse aufweisen verhalten sich im normalen Betrieb oft relativ unauffällig und das auch viele Zyklen lang. Ein Mikro-Kurzschluss kann selbstlimitierend sein - ist der Schluß klein und kann die dadurch auftretende Wärme problemlos abgeführt werden - insbesondere auch in kalten Umgebungen - so fällt er nicht auf. Jedoch kann ein Mikro-Kurzschluß auch anwachsen oder durch weitere in der unmittelbaren Umgebung entstehende beeinträchtigt werden.
Bevor das Kind in den Brunnen fällt...
Nach (2) könnte ein solcher Zelldefekt u.U. dennoch frühzeitig erkannt werden und zwar durch
- Verstärkte Zellentladung beim Lagern, insb. wenn eine Zelle im Akkupack nach unten 'wegläuft'.
- Längere CV-Ladezyklen, insb. wenn eine Zelle noch läd während alle anderen schon balanciert werden.
- "Rauschen" in der Lade/Entladestromkurve
- Zellerwärmung, insb. während der CV-Phase der Ladung.
- Unterschiede in der Lade/Entladestrommenge der Zelle.
Insbesondere den dritten Punkt ("Rauschen") finde ich interessant, besteht hier doch vielleicht die Möglichkeit während der Ladephase durch das Ladegerät eine grobe Einschätzung der Zellgesundheit vornehmen zu können. Das Rauschen entsteht anscheinend wenn Bereiche mit Mikro-Kurzschlüsse sich durch das ansteigende/annehmende Potential der Zelle sprunghaft ändern ("formation of transient micro-shorts").
Erkennungskriterien NASA
Die NASA hat inzwischen auch Testkriterien aufgestellt (3) um Lithium-Zellen vor/während dem Einsatz statisch (Lagerung) und dynamisch (während Entladung) zu prüfen. Li-Polymer-Zellen werden dort u.a. in Weltraumanzügen eingesetzt.
Der dort verwendete statische Test zur Feststellung von Mikro-Kurzschlüssen läuft wie folgt ab:
Die (37Ah Li-Polymer) Zelle wird geladen und im Anschlussmit einen sehr geringen Strom (125mA) auf 3V/Zelle entladen (typ. 12 Tage aus 100% SOC) Im Anschluss wird die Spannung der Zelle über weitere 21 Tage beobachtet. Zellen deren Spannung zwischen Tag 14 und Tag 21 noch weiter absinken werden als defekt aussortiert.
Der Hintergrund ist das sich Mikrokurzschlüse bei grossen Zell-Kapazitäten statisch am besten bei niedrigem SOC (Ladezustand) erkennen lassen.
Weiterhin wird eine dynamischen Zellselektion mit Vibrationstest eingesetzt:
Zellen mit 30% SOC werden 1 Minute lang typischen Vibrationen (entsp. typ. „Launch“-Belastung) ausgesetzt während sie mit 2A entladen werden. Angeschlossen ist ein Oszilloskop mit Trigger auf +/-12mV Änderung der Zellspannung. Findet während dieser Entladung ein Sprung der Zellspannung von mehr als +/-12 mV statt so wird die Zelle als defekt aussortiert.
Das dynamische Verfahren hat dabei eine gewisse Ähnlichkeit zur 'Rausch'-Messung aus (2). Wie man sieht spielt hierbei die Frequenz der Ereignisse bei der Detektion keine Rolle, sondern die Übergänge (Sprünge in der Zellspannung) selbst werden erkannt.
Ausblick
Möglicherweise besteht also eine Möglichkeit das auch im 'Consumer'-Bereich Ladegeräte zukünftig schon früh vor versteckten Zelldefekten warnen können, so das solche pot. kritischen Zellen rechtzeitig aus dem Verkehr (und Hobbykeller/Satteltasche des Elektrofahrrads) gezogen werden können.
Die Frage ist dann nur noch ob das vom Anwender auch so gehandhabt wird (schliesslich erscheinen die detektierten Zellen meist als noch voll funktionsfähig).
---
1) A General Discussion of Li-Ion Battery Safety, Dan Doughty und E. Peter Roth, The Electrochemical Society Interface, 7/2012
2) Detecting Li-Ion Cell Internal Faults in real time, Celina Mikolajczak, John Harmon, Kevin White, Quinn Horn, and Ming Wu Exponent Failure Analysis Asso, Kamal Shah Intel Corporation Portland, OR, USA
3) Screening Li-Ion Batteries for Internal Shorts, Eric Darcy, NASA-Johnson Space Center Houston, TX, USA