Grüß euch,
Christian hat in seinem ersten Beitrag ja schon sein Pflichtenheft vorgestellt:
- 3 m Spannweite: Ein klein wenig mehr als die oft üblichen 2,9 m. D.h. in Richtung „tragend, F3B, …
- 23 cm Wurzeltiefe: Ich möchte zukünftig aus den Formen auch gekürzte Flächen machen und von daher wird dies bei der Streckung helfen, im Gegensatz zu durchaus auch üblichen 24 cm Wurzeltiefe.
- Wölbung ca. 1.7%: Auch hier mehr in Richtung „tragend“.
- Dicke des Tragflächenprofils (Wurzel) ca. 8%: Als Kompromiss zwischen Widerstand und tragbarer Bauweise für den Hobbyisten. Z. B. um nicht nur mit HM Materialen arbeiten zu müssen oder auch halbwegs vernünftige Einbaumaße/Steghöhen zu erhalten.
- Dicke des Leitwerksprofils (Wurzel) ca. 8%: Hier war vor allem ein Einbau von Servos direkt im Leitwerk angedacht.
Meine Aufgabe war es, dazu eine passende Tragflächen- und Leitwerksauslegung zu machen.
Ich persönlich nutze dazu nach wie vor in erster Linie XFLR5 und Profili2 fürs Grobe und dann in weiterer Folge den Profile-Editor von Frank Ranis und Jochens Airfoil-Editor für die Kür, sprich das smoothen der Profile. Als Ausgangsbasis für die ARTEMIS diente mir einer der Entwürfe, die ich seinerzeit für den VANTAGE gemacht, aber dann doch nicht verwendet hatte. Dieser Entwurf war schon recht auftriebsstrak, weshalb er mir für die ARTEMIS ganz gut passend vorgekommen ist.
Für die Profilauslegung sollte man sich grundsätzlich mal überlegen, in welchem Re-Zahl- und cA-Bereich wir unterwegs sein wollen. Im Falle der ARTEMIS habe ich hier den Re-Zahl-Bereich 300.00 - 500.000 (
Re√ca-Bereich von 130.000 bis 180.000) an der Wurzel angenommen. Das Auslegungs-cA sehe ich im Bereich 0.15-0.4.
Das alte Basisprofil ging ja schonmal in die gewünschte Richtung, leider hatte es für den geplanten Wettbewerbseinsatz zu viel Widerstand, weshalb es seinerzeit dann auch beiseite gelegt wurde. Bei der ARTEMIS ist das aber nicht ganz sooo wichtig. Dennoch musste hier etwas nachgearbeitet werden. In den letzten Jahren hat sich bei den Profilen doch so einiges getan. Vor allem Jochen (
@Jojo26 ) hat mit seinem JX-GS Strak eine neue Benchmark für die schnellen F3f-Profile gelegt.
Profile haben meiner Erfahrung nach, in der Regel das sehr angenehme Verhalten, sich ihre Eigenschaften zu teilen, wenn man sie untereinander mischt bzw. kombiniert. Wenn man nun also beispielsweise ein eher schnelles Profil wie das JX-GS-15 mit einem eher auftriebsstarken mischt, bekommt man in der Regel ein Profil, welches nicht ganz so widerstandsarm wie das eine und nicht ganz so auftriebsstark wie das andere ist. Aber man erhält "Strakprofil", welches die Eigenschaften im entsprechenden Mischungsverhältnis in sich vereint. Genau das habe ich beim ARTEMIS-Strak auch gemacht und siehe da, die cd-Werte des ausrangierten Vantage-Profils kamen plötzlich in einen akzeptablen Bereich. Darauf konnte ich nun Schritt für Schritt weiter aufbauen. Die Dicke musste zunehmen; die Wölbung war durch den Mix und das hoch gewölbte Basisprofil schon im passenden Bereich. Damit einhergehend konnte auch das Gleiten und -was mir besonders wichtig war- der maximal fliegbare Anstellwinkel verbessert werden. Damit sind nicht nur enge Wenden im "Türklapp-Stil" möglich, sondern das ganze Abrissverhalten wird entspannter, was sich natürlich auf das Handling bzw. die Gutmütigkeit auswirkt.
Nach ein paar Tagen hatte ich ein Ergebnis, mit dem ich sehr zufrieden war: Ein -zumindest in meiner Theorie- tolles Allroundprofil für den alltäglichen Einsatz am Hang und der gelegentlichen Wettbewerbsteilnahme im F3f/b/g.
Voller Freude habe ich also Christian darüber informiert und ihm auch ein paar Screenshots mit Vergleichspolaren geschickt, bis ich irgendwann auf die Idee gekommen bin, auch mal
@Jojo26 JX-GT Strak in den Vergleich mit aufzunehmen. Das hat mir dann leider einen ziemlichen Dämpfer verpasst, denn im Vergleich sehen sich die beiden Polaren (zumindest Artemis_Root und JX-GT) zum Verwechseln ähnlich. Einerseits hat mir die Arbeit viel Spaß gemacht und offensichtlich kocht auch der Partikelschwarm nur mit Wasser. Andererseits aber hätte man sich die Mühe auch sparen können und das wirklich exzellente JX-GT verwenden können. Ich brings leider nicht besser zusammen... Christian hat aber trotzdem in mich vertraut und sich gegen den bereits erprobten JX-GT Strak und für meinen Entwurf entschieden.
Wurzel-/Hauptprofil Re√ca ~160.000
Das Hauptprofil der Artemis in Rot hat eine Dicke von 8.00% und eine Wölbung von 1.72%. Hier im Vergleich das etwas dünnere und weniger gewölbte Hauptprofil des Vantage in weiß-punktiert und das ebenfalls dünnere Hauptprofil des neuen Vantage.race in grün-punktiert.
Der direkte Vergleich von unterschiedlich dicken Profilen ist etwas unfair. Ich habe diesen Weg aber bewusst gewählt, weil es zu diesen Profilen tatsächliche Erfahrungswerte gibt und man so schon einen Anhaltspunkt aus Praxis hat:
Man sieht hier sehr schön die Unterschiede der drei Modelle. Der Vantage ist als Spezialist für die langsamen F3f-Zeiten gedacht gewesen und funktioniert da auch sehr gut. Der neue Vantage.race wird die Ergänzung hin zu schnellen F3f-Zeiten mit besonderem Augenmerk auf die Wendeperformance. Die Artemis liegt als Allounderin irgendwo dazwischen.
Strakprofil Re√ca ~100.000
Natürlich wird nicht ein und dasselbe Profil am ganzen Flügel eingesetzt, sondern es kommt ein Strak aus drei Profilen zum Einsatz. Das ARTEMIS-Strakprofil (d=7.92% w=1.68%) in rot. Wieder zum Vergleich eines der Strakprofile des Vantage in weiß und des Vantage.race in grün:
Auch hier sieht man gut die Allround-Auslegung im Vergleich. Bei kleineren Re-Zahlen hinkt sie zwar dem Spezialisten Vantage hinterher, zieht dann aber schnell mit ihm gleich. Beim alpha_max liegt die Artemis hier über den beiden anderen. Dem Handling wirds freuen...
Außenprofil Re√ca ~50.000
Der dritte im Bunde kommt ganz außen. Mit einer Dicke von 7.50% und einer Wölbung von 1.61% ist auch das letzte Profil (deutlich) dicker als seine Vergleichspartner. Dennoch schlägt es sich überraschend gut:
So ganz außen am Flügel zu sitzen ist für ein Profil ein ziemlich undankbarer Job... Kleine Re-Zahlen, Randwirbel, 3D-Effekte,... alles ziemlich deppat.
@Jojo26 hat irgendwo mal geschrieben, die Aufgabe des Außenprofils sei schlicht und ergreifend zu "überleben". In meinem Verständnis heißt das, dass die Polare so halbwegs mit dem Rest des Flügel mithalten können muss und das es möglichst hohe Anstellwinkel abkönnen muss um bösartige Abrisse im Langsamflug bzw. engen Wenden möglichst zu vermeiden. Da das beim Vantage schon echt gut funktioniert, sollte es bei der Artemis wirklich gut funktionieren.
Die Profile stehen somit fest. Fehlt noch die Geometrie der Fläche. Das mache ich ganz einfach im CAD, indem ich einfach mal eine Nasen- und Endleiste zeichne, die mir optisch zusagt. Ich hab das bisher bei allen meinen Konstruktionen so gemacht, auch wenn es aus aerodynamischer Sicht vielleicht besser gegangen wäre. Aber das Auge fliegt mit und mir -und in diesem Fall auch Christian- muss das Modell halt auch einfach gut gefallen.
Die so gezeichnete Geometrie habe ich ins FLZ-Vortex übertragen und die oben vorgestellten Profile an ihre vorgesehenen Positionen gesetzt. Ich schau mir dann immer zuerst das Abrissverhalten an:
Der Abriss kommt zuerst in der Mitte der Fläche und wandert dann nach außen. Das ist gut, denn so gibt es in der Regel kein böses abkippen auf eine Seite bzw. plötzliches eindrehen.
Leitwerk
Beim Leitwerk wollte Christian die Option haben, die Servos direkt ins Leitwerk einbauen zu können. Dazu muss das Profil entsprechend dick sein. Für die Liberty von CCM habe ich vor einiger Zeit die Leitwerksprofile für die V und K-Version gemacht. Diese Profile sind sehr dünn und kommen direkt hier nicht in Frage. Aber das Seitenleitwerksprofil der K-Version hat als Basis für die Artemis herhalten müssen. Ich habe mehrere Dicken-Varianten gemacht und Christian zur Kontrolle der Einbausituation geschickt. Am Ende konnten wir eine Dicke von 7.60€ fixieren. Hier nun wieder die Polaren im Vergleich zu Vantage und Vantage.race:
Beim Leitwerksprofil kommt es drauf an, dass das Profil auf eine Änderung des Anstellwinkels mit einer Änderung des Auftriebs reagiert, um so das Modell zu stabilisieren. Passiert das nicht bzw. nur in unzureichendem Maße, spricht man vom "Deadband". Das sollte man tunlichst vermeiden und sogar im Gegenteil ein möglichst große Auftriebsänderung erreichen. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass sowohl das Vantage-Leitwerk, wie auch das Vantage.race Leitwerk diese Aufgabe sehr gut meistern. Die Artemis-Profilierung ist hier ebenbürtig. Man kann das ganz gut im CL(alpha)-Diagramm erkennen. Beim Widerstand liegt das Artemis-Profil aber aufgrund der höheren Dicke etwas zurück.
So, abschließend hoffe ich, eine Auslegung gemacht zu haben, die Christians Wünsche, Vorgaben und Erwartung erfüllt und das er mit seiner Artemis richtig viel Spaß hat. Ich freu mich auch schon drauf, selber mal eine Artemis fliegen zu dürfen. Die Profile und alle Veröffentlichung drum herum von Jochen hatten auch hier Einfluss und ich ziehe vor Jochen und ganz besonders seinem exzellenten JX-GT-Strak meinen imaginären Hut.
Liebe Grüße,
Mario