Wenn überwiegend in der Thermik geflogen wird denke ich das sich der Flieger sehr oft in einem Ca.- Bereich von 0,6 bis 0,8 geflogen wird.
Also das ist mal eher der Auftriebsbereich um den es beim Thermikflug geht
Matthieu Sherrer hat dazu mehrere Flugzeuge vermessen und den Bericht verfasst der hier anhängt. Das Diagramm das ich als Beispiel für die Betrachtungen hier anführen möchte ist auf Seite 12. Matthieu hat als häufigst geflogenen Auftriebsbeiwert seines Thermikbeispiels cA 0,6 ermittelt.
Bedenkt man dass die voraussichtlich höhere Flächenbelastung des Scale-Perlan höher ist als die des Beispiel-Thermikmodells von Matthieu, dann wird der Perlan durchschnittlich einen etwas höheren cA-Wert fliegen, schätzen wir mal cA 0,8.
Trotzdem optimiere ich den Rumpfwiderstand über den Flugzeug-Anstellwinkel nicht auf den Thermikflug, denn wie man in der Grafik von Martin Hepperle für ein F3B-Modell sieht ist der Anteil des Rumpfwiderstands am Gesamtwiderstand im Schnellflug (kleine Auftriebsbeiwerte cA bzw. CL) deutlich höher als im Thermikflug.
(Quelle: https://www.mh-aerotools.de/airfoils/index.htm)
Insgesamt gewinnt man also mehr wenn man den Rumpfanstellwinkel auf höhere Fluggeschwindigkeit optimiert und einen geringeren Mehrwiderstand im langsamen Thermikflug in Kauf nimmt. Trotzdem sollte man den Haupteinsatzzweck nicht aus den Augen verlieren.
Bernd hatte vorne 2° Anstellwinkel vorgeschlagen, das halte ich für einen schnellen Allrounder für passend.
Mein Vorschlag ist 3° Anstellwinkel der Tragfläche zum Rumpf und damit habe ich für den thermiklastigen Allrounder Perlan 2 auch gerechnet.
Grundsätzlich sollte man im FLZ_Vortex mit den Einstellungen rechnen mit denen das Modell in den zu untersuchenden Flugzuständen nachher auch tatsächlich fliegt.
Den Schwerpunkt kann man in der Luft normalerweise nicht verändern, deshalb sollte man vor der eigentlichen Auslegungsanalyse einen passenden Schwerpunkt suchen. Das ist ohne viel Erfahrung etwas knifflig, aber dabei können die Werte aus den anhängenden Flugmessungen von Matthieu Sherrer, oder speziell für den Hangflug von Joachim "jojo26" hier bei RC-Network gut helfen:
https://www.rc-network.de/threads/flugvermessung-bei-f3f.11812891/
Wenn man mal überlegt wie man ein fertig eingestelltes Flugzeug das man gewohnt ist fliegt, dann stellt man meistens fest dass man bei Höhenruderknüppel neutral viel schneller fliegt als der größtmögliche Anstellwinkel beim Maximalauftrieb und vor allem auch schneller als beim Thermikflug, für den man dann nachher nicht nur im Kurvenflug etwas zieht. Man fliegt z.B. in der Ebene mit einem flotten Streckenflugtempo auf Thermiksuche durch die Gegend und das entspricht am Hang ungefähr langsamem Trimm wie man ihn bei mäßigem Tragen zum Höhe halten und Aufwinde suchen einstellt.
Bei den Scherrer-jojo-Flugvermessungen kann man diesem Flugzustand einen äquivalenten Auftriebsbeiwert von cA 0,4 zuordnen.
Um das Vortex-Simulationsmodell auf diesen Wert einzustellen braucht man noch weitere Erfahrungswerte.
Ich habe ja bereits weiter vorne als Faustformel für den Flügelanstellwinkel einen Wert in Grad angegeben, der dem Wert der Profilwölbung in Prozent entspricht. Ich glaube diese Faustformel in den 1990er Jahren mal beim Ex-Vereinskollegen Helmut Quabeck gelesen zu haben, bin mir da aber nicht mehr sicher.
Hier für diesen thermiklastigen Allrounder ist eine Profilwölbung von 3,5 % vorgeschlagen, Bernd hat 2° Anstellwinkel vorgeschlagen, ich habe mich aus meiner Erfahrung etwas oberhalb zwischen Bernd und die Faustformel gelegt und erst mal 3° eingestellt.
Jetzt haben wir als angestrebte Start-Einstellwerte einen cA von 0,6, einen Flügelanstellwinkel von 3°, aber um einen ersten Durchlauf zu starten fehlt noch ein Wert. Die meisten Allroundmodelle fliegen mit einer EWD von -0,5 - -1,5 ° weil sich das aus Erfahrung bewährt hat, Spezialanwendungen mal ausgenommen.
Ich habe mich auch hier wieder zwischen die Randwerte gelegt und das Höhenleitwerk auf -1° Differenz zum Flächenanstellwinkel eingestellt.
Als nächstes wird der cA-Wert im Vortex auf 0,4 fixiert und die Auslegungsberechnung gestartet. Dabei erhält man mit den Profilen von Martin dieses Ergebnis:
Für mich sieht das schon recht plausibel aus, das Stabilitätsmaß ist im voraussichtlich gesunden Bereich zwischen 10 und 15 %, aber das ändert sich im realen Flug durch die Neutralpunktwanderung mit dem Flugzustand / Auftriebsbeiwert.
Jetzt wird das Simulations-Flugzeug so eingestellt wie man es fliegt, denn es ist der Schwerpunkt der sich im Flug nicht ändert, alles andere ändert sich durch die Klappenstellungen und die damit verbundenen Änderungen des Flugzustands.
Ich habe den Schwerpunt mit etwas Angstblei auf 0,0735 m vorverlegt gerundet und mit dem Button fixiert, das sieht für den Erstflug
bzw. dessen Berechnung dann so aus:
Damit habe ich alle weiteren Flugzustände gerechnet und nur die Klappenstellungen variiert um den Anstellwinkel des Rumpfs und am Ende den Abriss über die Anzeige der ca-Verteilung und des lokalen Maximalauftriebs zu überprüfen. Im Simulationsergebnis oben sieht man dass der Rumpf mit Flügelanstellwinkel 3° beim zügigen Thermiksuchflug das Heck um etwas mehr als 1,5 ° hebt und (im Screenshot nicht zu sehen) die Nase in den 3,8 ° steilen Gleitflugpfad steckt....für einen schnellen Hangflieger wäre das schon nicht mehr optimal.
Bei diesem zügigen Thermiksuchflug hebt der Perlan plötzlich die Nase aus dem steilen Gleitpfad....juhuu, wir haben Thermik gefunden
.....also erstmal Fahrt raus und Profilpolaren an den neuen Flugzustand anpassen = erstmal nur Wölbklappe setzen um zu sehen wie die Thermik im Flugraum liegt und nicht zu viel Bewegungsenergie aus dem Flieger zu nehmen. Da ich Martins Profile weder geflogen noch in der X-Foil-Simulation angeschaut habe dachte ich mir 5° Wölbklappe und Höhenruder (das ich mit 25% Klappentiefe eingefügt habe) mit 0° wären zum probieren der Thermikstellung erstmal passend.
In der Simulationsberechnung hat man dann dieses Ergebnis, der Auftriebsbeiwert ist etwa 0,6 für den flott-langsamen Thermik-Prüf-Flugzustand:
Man sieht dass sich der Auftriebsbeiwert erhöht hat, aber der Rumpf immer noch mit ca. 1,5 ° das Heck hebt. Gut um im flotteren Thermikflug nicht mit dem Hintern zu bremsen.
Beim Termikprüf-Flugzustand habe ich im Geradeausflug fest gestellt wie groß die Blase in meiner Flugrichtung ist und wo sie ungefähr im Flugraum liegt. Jetzt also Wende zurück in die Thermik und einkreisen um im langsamen Kreisflug die Blase zu zentrieren.
Dazu bleibt die Wölbklappe in Thermikflugstellung gesetzt und es wird gezogen um die Schräglage im Kreis zu halten, dabmit wird der Auftriebsbeiwert weiter erhöht um nicht in den Kreis zu fallen, z. B. auf cA 0,95. In der Simulation sind dazu -2,5° Höhenruderausschlag erforderlich.
Die absoluten Klappen-Ausschlagswerte im FLZ_Vortex kann man beim Erstflug des Perlan getrost zuhause lassen, sie sind nur als qualitative Richtwerte geeignet. Besser passen erflogene Vergleichswerte von ähnlichen Modellen.
Also, 5° Wölbklappe und -2,5 ° Höhenruder sehen im simulierten Thermikkreis so aus, die Querruder sind neutral, denn das ist ja kein Auto in der Kurve bei dem man das Lenkrad fest halten muss, Seitenruderausschlag ist nicht Bestandteil der Simulation:
Wie man sieht fängt der Hintern des Perlan-Rumpfs jetzt scheinbar an zu bremsen, er hängt bei diesem relativ hohen Flügelanstellwinkel mit fast 2° runter. Dabei sollte man allerdings bedenken dass der Flügelabwind hinter der Endleiste bei hohen Auftriebsbeiwerten auch steiler nach unten geht. Diese Betrachtung will ich aber nicht weiter vertiefen.
Den Schnellflugzustand der nach so einem schönen Thermikflug kommt habe ich in der Simulation nicht überprüft weil er bei diesem Thermiksegler nicht Gegenstand der Kritik war, ich hab das rumheizen einfach so genossen
Als letztes habe ich den Maximalauftrieb angeschaut den man zum landen braucht und mit dem die vorherigen Perlan-Simulationsdateien mit den eingestellten Winkeln rumgeflogen wären sobald man Höhe gezogen oder viel Wölbklappe gesetzt hätte. Immerhin ist es zum landen nach dem Ausschweben hilfreich zu wissen ob der Abriss einseitig kommt oder man den Knüppel ungestraft bis zum Bauch ziehen kann.
Also Wölbklappe immer noch in Thermikstellung damit der Maximalauftrieb höher und dadurch der Flieger langsamer wird, Simulations-Höhenruder - 4,75° heißt in der Praxis ziehen bis der Perlan mit dem Flügel im Abriss in Flughöhe 20 cm das Heckrad auf den Boden setzt. Der Flieger ist dabei noch voll steuerbar weil Martin mit seiner Profilwahl den bereits gutmütigen Flügelgrundriss nicht voll ausgenutzt hat, die Querruder haben noch gesunde Umströmung wenn die kompletten Wölbklappen bereits Totalabriss haben, das beruhigt.
Wie bereits oben mehrfach geschrieben steht ist das FLZ_Vortex nicht gut geeignet um die Flugleistung über die Simulation zu optimieren, dafür ist der integrierte Teil der Profilaerodynamik mit dem relativ einfachen Eppler-Code viel zu ungenau.
An dem oben gezeigten Schaubild von Martin Hepperle sieht man wie viel Anteil am Gesamtwiderstand der Profilanteil hat, um diesen Anteil zu optimieren braucht man viel Know-How und entsprechende weitere Software.
Einen guten Überblick worum es dabei geht gibt das Vorlesungsskript von Dr. Thorsten Lutz an der Uni Stuttgart:
https://docplayer.org/51331797-Prof...rlesung-und-seminar-dr-ing-thorsten-lutz.html
Wenn man mit dem FLZ_Vortex rum spielt und versucht mit dem variieren der Einstellungen und den daraus berechneten Werten die Flugleistung des Modellentwurfs zu optimieren, dann sollte man aufpassen dass man flugmechanische Effekte der Simulation nicht mit tatsächlichen Leistungssteigerungen verwechselt.
Es ist wichtig immer im System zu bleiben und für die Simulation zuerst ein Flugzeug"modell" zu verwenden das so auch tatsächlich in allen notwendigen Flugzuständen flugfähig wäre. Beim Vergleichen sollten man immer gleiche Randbedingungen der Simulation verwenden und dort Änderungen vornehmen wo sie auch Einfluss auf das Simulationsergebnis auf gleiche Flugzustände des flugfähigen Modells haben.
Mit dem FLZ_Vortex kann man sehr gut und zuverlässig flugmechanische Parameter wie Schwerpunkt, Gutmütigkeit=Abrißverhalten, Einstellwinkel usw. überprüfen und optimieren. Über das Variieren von Hebelarmen und Flügelgeometrien kann man für Neuentwürfe auch ganz gut den Teil der Leistungsoptimierung über den induzierten Widerstand machen, aber bei einem gegebenen Flügelgrundriß eines Scale-Modells sind diese Möglichkeiten stark begrenzt, dazu braucht man mehr Know-How und weitere Software als das das an sich tolle Programm von Frank Ranis bietet.
Ich habe jetzt absichtlich nicht mit den 4,5 ° Anstellwinkel des gedruckten Urmodell-Rohbaus von Sascha gerechnet. Ich hoffe genug Infos gepostet zu haben damit Sascha das selbst machen und selbst beurteilen kann ob er mit den Ergebnissen aus seiner Simulation leben kann oder das Urmodell noch mal auf die von mir empfohlenen 3° oder einen selbst gefundenen neuen Wert ändern möchte.
Da man in der Flugzeugentwicklung bei Aerodynamik und Flugmechanik oft mit Vergleichszahlen rechnet kann man vorhandene Modell mit denen man besonders zufrieden oder besonders unzufrieden ist vermessen und deren Geometrie als Vergleichsdaten nutzen um eigene Optimalitätsparameter zu bekommen.
Irgendwas habe ich noch vergessen zu schreiben, aber jetzt bin ich so müde dass ich das auch wieder vergessen habe.
Ich hoffe ein bisschen geholfen haben zu können und wünsche gutes Gelingen für Saschas Perlan-Projekt.
Gruß,
Uwe.