Hallo Tobi,
du hast recht, was die Zähigkeit von Aramidfasern (Kevlar) angeht. Nicht umsonst benutzt man sie bei der Herstellung kugelsicherer Westen. Auch die Zugfestigkeit von Aramidfasern ist außerordentlich hoch (Kevlarschnüre bei Lenkdrachen z.B.). Allerdings sind damit die sinnvollen Anwendungsmöglichkeiten von Aramidfasern auch schon fast erschöpft (na ja, nicht ganz
). Die
Druckfestigkeit von Aramidfasern, die bei Biegebelastung genauso wichtig ist wie die Zugfestigkeit (siehe Skizze weiter oben), ist hingegen völlig besch...eiden. Im Segelflugzeugbau ist der zugelassene Festigkeitswert (gültig bei 35% Faservolumengehalt) 690 N/mm² auf Zug und nur 24 N/mm² (in Worten: vierundzwanzig!) auf Druck! Macht also bei einem Biegeträger wenig Sinn. Kevlar wird im Segelflugzeugbau vornehmlich in Strukturen eingesetzt, wo das spröde Bruchverhalten von CfK nicht akzeptabel ist. Und dabei niemals alleine, sondern in der Regel als Hybrid- oder Mischgewebe zusammen mit Kohlefasern (z.B. Sitzschalen, Cockpitstruktur,...). Die Festigkeit des Aramids wird dabei bei der Dimensionierung gar nicht berücksichtigt, sondern es hat eigentlich nur die Aufgabe, im Crashfall die Bruchstücke zusammen zu halten, damit der Pilot nicht von den Kohlesplittern aufgespießt wird. Außerdem lässt sich mit Kevlar aufgrund der geringen Dichte (1,4 g/cm³) viel Wandstärke mit wenig Gewicht erzielen (z.B. bei beulgefährdeten Bauteilen, bei denen ein Sandwich schwer machbar ist). Im Modellbau kommt der Einsatz auch bei gering belasteten Teilen in Frage (ich denke da an Eikes kleinen Pylonrenner, wo der Rumpf ganze 16g wiegt).
@Frank:
Der Stabilitätsunterschied Rechteck zu Rundrohr ist 16 / (3*pi), also ca. 1,7. Das gilt auch für Rechteckstab zu Rundstab. Es macht deshalb recht viel aus, weil die zusätzliche Querschnittfläche „oben“ und „unten“ sitzt, mit langem Hebel zur Neutrallinie (~Mittellinie).
Genau das wollte ich mit der Skizze zeigen! Für das Flächenträgheitsmoment ist das Material umso wirksamer, je weiter es außen liegt (z.B. Doppel T-Träger).
Bei dem Begriff "Schubbelastung" reden wir allerdings offensichtlich noch von zwei unterschiedlichen Dingen: Eine Schubbelastung ergibt sich durch Torsion oder Querkräfte. Ich hab's nochmal in der nächsten Skizze dargestellt.
Das ist ein an der linken Seite fest eingespannter Schubfeldträger (z.B. eine hochkant stehende Platte oder ein Blech), das außen durch eine Querkraft F (rot) belastet wird. Nach dem Prinzip actio = reactio wirkt dieser Kraft an der Einspannung eine gleich große entgegengesetzt gerichtete Kraft entgegen. Diese beiden Kräfte verschieben die Querschnitte der Platte gegeneinander (durch die grün eingezeichneten inneren Kräfte dargestellt). Das meinte ich mit Schubbelastung.
Wäre das ganze jetzt kein Schubfeld, sondern ein Fachwerkrahmen, würde man gleich darauf kommen, dass das wirksamste Mittel zur Aussteifung dieses Bauteils eine (oder zwei gekreuzte) Diagonalstrebe(n) wäre, in denen dann wieder Druck- und Zugkräfte auftreten. Bei Faserverbund-Teilen macht man es nicht anders: Als "Diagonalstreben" wirken die diagonal angeordneten Fasern. Also baut man den Holmsteg (das, was zwischen den Gurten liegt) mit Diagonal-Lagen und oben und unten liegen die Gurte, die das Biegemoment mit größt möglichem Abstand von der Mittellinie in Form von Zug- und Druckkräften aufnehmen und das Schubfeld oben und unten abschließen. Erst beides zusammen ergibt einen gut funktionierenden Biegeträger.
Um jetzt auf den oben skizzierten Flügelanschluss (oder den schwimmenden Flügelanschluss) zurück zu kommen: Die Querkraftbelastung infolge des Auftriebs belastet den Holmstummel nicht mehr, da diese Kräfte schon über die sogenannten Querkraftbeschläge (bei der Solution den vorderen und hinteren Scherstift) in der Wurzelrippe abgesetzt wurden. Aber die Bolzenkräfte (oder bei der Flügelsteckung die Kräfte, die durch die Passung zwischen dem inneren und äußeren Rohr übertragen werden), belasten den Holmstummel natürlich auch auf Schub. Die Größe der Bolzenkräfte ergibt sich aus dem Biegemoment und dem Abstand der Bolzen. Und diese Querkräfte sind auch der Grund, warum ich einen UD-Kohlestab nicht für optimal bei einer Flügelsteckung halte (da fehlen einfach die "Diagonalen").
Ich hoffe, ich habe mit diesem kleinen Ausflug in die Strukturmechanik niemanden zu sehr verwirrt.
Gruß Yeti
[ 08. Juni 2002, 18:29: Beitrag editiert von: Yeti ]