Tiller Sharpie-65
Spaßmacher für Zwischendurch
Klaus Bartholomä
Spaßmacher für Zwischendurch
Klaus Bartholomä

Hochseesegeln 2019, jede Menge Boote haben den Weg auf den Asitz gefunden
Mein Tiller Sharpie habe ich in SchiffsModell 07/2017 vorgestellt. Es macht richtig Spaß beim Segeln und ist einfach zu bauen. In der Folge sind inzwischen mindestens 10 Sharpies und ein recht lebhaftes Forum auf

Erste Berechnungen ergaben, dass es grundsätzlich möglich wäre, das Sharpie deutlich zu verkleinern. Das erfordert dann aber absoluten Leichtbau, da der Rumpf sehr schlank ist und wenig Auftrieb liefert. Depron ist für Leichtbau in dieser Größe die erste Wahl. Mit einem Cutter-Messer sind die auf dem Kopierer verkleinerten Bauteile schnell aus dem weichen Schaumstoff geschnitten. Wie beim großen Sharpie werden die Spanten zunächst auf die Bodenplanke geklebt. Diesmal allerdings mit UHU POR und nicht mit Weißleim, was zwar auch ginge, aber weniger flexibel ist. Die Seitenwände ergeben die Form. Damit man noch peilen und richten kann, hefte ich die Seitenwände zunächst provisorisch mit Papierklebeband. Das kann man lösen und alles so lange korrigieren, bis der Rumpf gerade ist. Erst dann wird geklebt, in diesem Fall mit mittelflüssigem Sekundenkleber. Aber Vorsicht, es darf nur der verwendet werden, der für Styropor geeignet ist!
Abweichend vom großen Sharpie ist bei meinem Kleinen, um Gewicht zu sparen, die Kielflosse nicht abnehmbar. Keine Angst vor Transportproblemen, es passt immer noch in einen kleinen Wanderrucksack! Auch die Flosse besteht aus Depron, das mit CfK Flachprofilen verstärkt ist. Im Nachhinein hätte ich die Flosse aber auch aus wasserfestem Sperrholz machen können. Der Aufwand wäre noch geringer gewesen, weil sich die Platte durch das Einkleben der CfK-Profile verzogen hat und erst wieder mühsam gerade geschliffen werden musste. Zudem ist es wenig sinnvoll, unter Wasser an Gewicht zu sparen, schon gar nicht in der Kielflosse, aber ich wollte es halt mal probieren und schlussendlich hat es auch geklappt.

Die Kielflosse wird mit 3 x 0,5 mm Kohlefaserprofilen verstärkt,…

…die ins Depron eingelassen und mit Sekundenkleber verklebt werden.
Wegen des Platzbedarfs der Kielflosse rutschte bei meinem kleinen Sharpie die RC-Anlage etwas nach hinten. Auch das hätte ich besser nicht gemacht, denn dadurch ist mein Sharpie ein wenig hecklastig, so wie ein Starboot. Das sieht ungewöhnlich aus, hat aber ungeahnte Vorteile beim Segeln, aber dazu später. Ein Rückgrat aus Sperrholz verhilft dem kleinen Boot zu enormer Steifigkeit, so dass auch große Riggkräfte aufgenommen werden können. Wanten braucht das Modell keine, was weitere Verstärkungen im Rumpf unnötig macht. Ein Nachteil von Depron ist, dass man sich schon beim Bau überlegen muss, wo Beschläge hinkommen, denn in Depron hält keine Schraube. Außerdem ist es schwierig, scharfe Kanten hinzubekommen, weshalb ich den Spiegel ebenfalls aus Sperrholz gefertigt habe. Zudem habe ich das Cockpit weggelassen und stattdessen lieber den Ruderkoker bis auf das Deck verlängert. Das spart Gewicht und Bauzeit.

Der Mastfuß muss sauber ausgerichtet und mit Epoxi verklebt werden.

Der Sperrholzstreifen nimmt alle Kräfte des Riggs auf. Gut zu sehen ist auch das Röhrchen für die Schotführung, das schon jetzt eingeklebt werden muss.
Das Deck erhielt eine Lage 40 g/m²-Gewebe, das ich zunächst auf eine gewachste Plexiglasplatte laminiert habe. Noch vor dem Abbinden des Harzes habe ich 2 mm Depronplatten draufgelegt und das Ganze gut verpresst. So entsteht ein super glattes Deck, das nur noch auf den Rumpf geklebt und mit ihm bündig verschliffen werden muss. Nachdem alle Kanten, außer der Deckskante und dem Spiegel, etwas gerundet waren, habe ich den Rumpf mit einer Lage 80 g/m²- und einer Lage 40 g/m²-Glasgewebe laminiert. Beim Schleifen von Depron ist, ebenso wie beim Schneiden, ausschließlich absolut scharfes Werkzeug zu verwenden. Dann reißt nichts und es ergeben sich sehr glatte Schliffe und Schnitte. Nach dem Aushärten des Laminats wurde das ebenfalls laminierte Schwert eingebaut und mit Epoxidharz verklebt. Als Ballast habe ich die Standard Bleibombe der Micro Magic von Graupner verwendet.

Das Laminieren des Rumpfes ist obligatorisch, denn das Depron ist zu empfindlich für den tägliche Einsatz.

Die RC-Anlage sitzt auf einem Brettchen, das nach der Komplettierung im Rumpf flächig verklebt wird.
Nun folgt des Modellbauers Lieblingsbeschäftigung: Spachteln und Schleifen. Depron ist sehr empfindlich gegen Lösungsmittel, also ist es am besten, man verwendet wasserlöslichen Feinspachtel und grundiert mit Acrylfarbe. Ich nehme gerne Duplicolor Basic als Grundierung. Die greift das Depron nur an, wenn sie direkt auf das Material aufgetragen wird. Aber wir haben ja eine GfK-Schicht dazwischen, das funktioniert prima. Vor der Endlackierung wird noch der Ausschnitt für die RC-Anlage geschnitten. Der Ausschnitt wird mit einer ABS-Platte beklebt, die etwas über die Ränder übersteht. Die Ränder des Decks werden mit dünnen Holzstreifen verstärkt. So entsteht ein wasserdichter Deckel, der alleine durch seine Klemmkraft an Ort und Stelle bleibt. Ich hatte auch unter heftigsten Bedingungen nie einen Tropfen Wasser im Boot. Nach dieser Arbeit darf nach Herzenslust lackiert werden. In meinem Fall in zwei Farben, was mit dem Duplicolor Acryl-Farbsystem super gut gelungen ist.
Den RC-Raum habe ich bereits beim Rohbau vorbereitet und auch schon ein Schotröhrchen bis zum Bug gelegt. Das stört zwar beim Schleifen und Spachteln, wäre aber hinterher ohne größere Operation nicht mehr hinzubekommen. Die Hauptschot tritt also am Bug aus und wird bis zum Heck mit einem Silikongummi von Ripmax gespannt. Dadurch wickelt die Schot sauber auf und ab, ohne sich zu verheddern. Die Schoten der Segel werden lediglich in einen kleinen Haken am Ende der Hauptschot eingehängt und die Länge am Baum mit Klemmschiebern eingestellt. So ist das Modell in einer halben Minute auf- und abgeriggt, ohne die Segel erneut einstellen zu müssen.
Der Mast aus 4 mm-Kohlerohr steht in einem Aluminiumrohr, das bereits im Rohbau eingebaut und sauber ausgerichtet wurde. Dadurch benötigt er lediglich eine Abspannung nach hinten, über das Achterstag, um das Vorliek der Fock zu spannen. Die Segel entstanden aus Gitter Mylar, das an den Ecken mit schwarzem Segeltuch verstärkt wurde. Der Einbau der RC-Anlage ist fast schon Routine. Ein Hitec HS-80 sorgt für direkte Steuerbefehle und eine Graupner Regatta Speed für die Segelverstellung. Die halb so teure Windforce 1403 würde es auch tun, aber die Regatta lag in der Krabbelkiste.

Einfachste Beschläge sorgen für sicheren Betrieb.

Der Masttopp ist von einem anderen Modell geklaut.

Der selbstgemachte Ruderhebel ist stabil und wartungsfreundlich an Deck.

Große Freude vor der Jungfernfahrt!
Die Jungfernfahrt erfolgte beim Hochseesegeln 2019 am Asitz auf knapp 2000 m Höhe. Der obere See ist bekannt für seine leichten und wechselnden Winde, was dem kleinen Tiller Sharpie-65 nichts ausmacht. Sind die Segel erst mal richtig eingestellt, springt es auf den leisesten Windhauch an und macht gleich ordentlich Fahrt. Durch das Verkleinern ist ein richtiger Leichtwindrenner entstanden. Kräuselt sich das Wasser leicht, hat das Sharpie bereits seine Rumpfgeschwindigkeit erreicht. Toll, ich bin begeistert und will gar nicht mehr mit dem großen Sharpie fahren. Stattdessen flitze ich mit meinem Mini Sharpie von einem Ufer zum andere und wenn der Wind dreht, dann dreht das Sharpie eben mit, denn es ist extrem wendig und das auf allen Kursen. Nachdem ich einen Computer-Sender verwende, ist das Steuerverhalten schnell durch 30% Expo auf dem Ruderkanal beruhigt, ohne an Agilität zu verlieren. Durch die Hecklastigkeit sieht das Fahrbild zwar etwas gewöhnungsbedürftig aber durchaus reizvoll aus.
Am zweiten Tag wird auf dem mittleren See Regatta gesegelt. Es ist ein Tag, an dem ein heftiger kalter Wind aus den Bergen den See fast ungehindert anströmt. Mein großes Sharpie habe ich an diesem Tag nicht auf den Berg geschleppt. Also musste das Kleine beweisen, was es kann. Etwas bange war mir schon zumute, denn am Vortag hat das Tiller Sharpie-65 gezeigt, dass es sehr rank ist und schon bei wenig Wind stark krängt, ohne jedoch an Fahrt zu verlieren. Jetzt stehen gute drei Beaufort direkt auf den See, was definitiv zu viel für das kleine Boot ist. Aber was soll es? Ich habe mich zur Regatta gemeldet, also wird auch Regatta gesegelt. Ab ins Wasser mit meinem Depron-Renner! Kaum ist der Wind in den Segeln, fängt mein Sharpie an zu krängen, dass mir Angst und Bange wird. 70° Krängung sind bei dem Wind eher die Regel als die Ausnahme. Aber, oh Wunder, mein Sharpie läuft. Und wie es läuft!
Durch die Krängung macht das Tiller Sharpie-65 etwas weniger Höhe als am Vortag bei leichtem Wind, aber es macht Höhe und schlägt sich dabei gegen die Konkurrenz recht ordentlich. Adrenalin kommt Raumschots und vor dem Wind auf. Die 80 m zur Leemarke surft mein Sharpie über den See, so dass mancher Rennbootfahrer neidisch wird. Die Speed ist dermaßen heftig, dass ich wirklich aufpassen muss, den überrundeten Regatta-Teilnehmern nicht hinten rein zu fahren. Kein Wunder, dass dem Skipper das Dauergrinsen nicht mehr aus dem Gesicht weichen wollte. Verantwortlich für die rasante Gleitfahrt ist meine Hecklastigkeit. Dadurch taucht der Bug nicht ab und das Modell tut sich leicht, seine eigene Bugwelle zu erklimmen und auf ihr zu reiten. Am Ende stand nach gesegelter Zeit ein respektabler zweiter Platz im Gesamtklassement. Schneller war nur eine Dragonforce 95, die fast 20 cm länger ist. Alle anderen Boote, auch deutlich größere, hat mein Tiller Sharpie-65 hinter sich gelassen. Ich war begeistert! Beim Nachmessen habe ich übrigens festgestellt, dass mein Sharpie nicht wie geplant 65 cm lang geworden ist, sondern 77 cm. Wie das passieren konnte, kann ich mir bis heute nicht erklären, aber die größere Länge steht meinem Modell sehr gut.

Das Modell krängt leicht, ist aber trotzdem schnell und beherrschbar

Am Wind macht das Sharpie gute Höhe…

…wobei der Bug etwas aus dem Wasser steht

Vor dem Wind macht sich das Gewicht im Heck positiv bemerkbar

Ein Traum, vor der tollen Kulisse der Alpen
Fazit
Mit wenig finanziellem und zeitlichem Aufwand ist mit dem Tiller Sharpie-65 ein Segelboot-Modell entstanden, das seglerisch auf der ganzen Linie zu überzeugen weiß. In seiner Schlichtheit ist es auch optisch ein kleiner Hingucker geworden, der sich aus dem Einerlei der Ready-to-Sail-Segelboote abhebt. Mein kleiner Patzer mit der Länge hat dem Modell extrem gut getan, es ist dennoch klein genug, um es immer dabei haben zu können. Den Plan zum Tiller Sharpie gibt es übrigens immer noch zum kostenlosen Download auf der SchiffsModell-Seite. Versuch' es selbst!
Technische Daten Tiller Sharpie-65 |
Länge [mm] | 770 |
Länge [mm] | 1170 |
Breitet [mm] | 143 |
Tiefgang [mm] | 220 |
Höhe [mm] | 1350 |
Masthöhe [mm] | 1080 |
Verdrängung [g] | 770 |
RC-Funktionen | Ruder, Segelsteuerung |