Hallo Jürgen,
wenn Du wirklich in die Materie einsteigen willst, dann laß dich nicht abschrecken.
Beim Programmieren lernt man am meisten, weil man hier direkt Schritt für Schritt die Formeln und den Rechenverlauf nachvollziehen kann.
Aber sei gewarnt, das ganze zieht sich nicht nur über einen oder zwei Winter hin.
Wenn Du dich da ernsthaft reinknien willst, dann ist das ein Prozess, der sich den Rest deines Lebens beschäftigen wird.
Ich habe vor 16 Jahren damit angefangen und bin noch lange, lange nicht damit durch (quasi noch Anfänger).
Ist ein Problem gelöst, dann tauchen 5 neue Fragen auf.
>>
Habe eben nur die mittlere Reife und kein Abi.
<<
Ob man ein Abi oder ein Diplom haben muß, sein mal dahingestellt und ob dir ''ein'' Gastsemester in Luft- und Raumfahrt was bringen würde, auch.
Grundvoraussetzung für dein Vorhaben ist erst mal, das Du halbwegs mit einer Programmiersprache klar kommst.
Sei es Basic, Pascal, Fortan oder C.
Mathematisch solltest Du die Winkelfunktionen sin, cos, tan im Schlaf beherrschen und auch sonstige Formeln rund um die Dreieckberechnung (z.B. Pythagoras, Heron) kennen.
Das sollte im Stoff der mittleren Reife vorgekommen sein.
Das folgende nicht unbedingt, ist aber kein Hinderniss , kann man lernen.
Wirklich hilfreich ist es dann, wenn Du dir einiges zu Thema Vektorrechnung (gleich in 3D) reintust.Auch die Themen Matrizenrechnung, Integrale und Summenformeln , Intpolation, Extrapolation solltest Du dir mal anschauen.
Zu den genannten Themen baust Du dir dann Unterprogramme (wenn nicht schon in der Programmiersparche vorhanden).
Das größte Problem ist, die vielen schönen Formeln in den Aufsätzen zu interpretieren.
Im Computerprogramm mußt Du eh vieles auf einfachste Mathematik runterschrauben, sonst läßt sich das gar nicht programmieren.
Das ist der Trick der Studierten, die haben sich ihre eigene Formelsprache ausgedacht um dich Otto-Normal-Jürgen von deinem Vorhaben abzubringen.
Und um es noch schwieriger zu machen, werden oft keine Beispiele zu den Formeln mitgeliefert.
Somit kannste deine Routinen auch nicht auf Richtigkeit überprüfen.
Wäre ja noch schöner , wenn da jeder Hunz und Kunz und Jürgen und ....... , grins.
Zum Thema Profileberechnung und Aero rund ums Flugzeug.
Es gibt einen großen Unterschied zwischen einer reinen Profileberechnung und und der Aerodynamik des Flugzeuges mit begrenzter Spannweite.
Die Profilerechnung, wie sie z.B. von XFoil oder Eppler ausgeführt wird, geht davon aus, das man einen Flügel mit unendlicher Spannweite hat, es gibt keine Umströmung der Flügelspizen und damit fällt der Einfluß des Druckausgleich an den Flügelspitzen weg.
Beim Flugzeug mit berenzter Spannweite hat man diese Umströmung aber und das wird dann mit Hilfe eine Auftriebsverteilungsberechnung berücksichtigt.
Der Auftrieb ändert sich also von der Flügelmitte ausgehend zu den Flügelspitzen.
Jedes Stückchen Flügel hat Einfluß auf jedes andere Stück Flügel.
Dann gibt es da noch die Geschichte mit der Grenzschicht.
Die Strömungsvorgänge in dieser Schicht, nahe der Körperoberfläche sind richtig kompliziert und je kleiner die Flugzeuge werden (Modellflug , kleine RE-Zahlen) um so komplizierter wird es.
Die Grenzschicht-Geschichte läßt mir jedenfalls graue Haare wachsen und es wird wohl noch das eine odere andere dazu kommen, wenn dann noch welche da sind.
Die Aerodynamiker der letzten 100 Jahre haben aber festgestellt, das man für die Berechnung der Auftriebsverteilung in gewissen Grenzen auf die Berechnung der Reibungsvorgänge verzichten kann.
Und so sind dann einige Verfahren entwickelt worden, die bei nicht zu kleinen Re-Zahlen und nicht zu großen Anstellwinkeln brauchbare Ergebnisse liefern.
Und der Witz ist noch, das man nicht die gesamte Volumenkörperkontur (Profilkontur) braucht, sondern nur die Skelettlinie der Profile oder halt eine Skelettfläche (bezogen auf die Flügel oder das gesamte Flugzeug).
Diese Verfahren liefern dann eine Auftriebsverteilung und wenn man die Skelettfläche genügend fein in mehreren Richtungen aufgelöst hat, bekommt man auch noch eine Momentenverteilung.
Man hat dann
A) den Auftrieb
B) die Momente um alle Achsen
C) einen Druckpunkt aus Auftrieb und Momenten
D) den Neutralpunkt, wenn man C) für zwei verschiedene Anstellwinkel kennt
Angefangen hat die ganze Geschichte mit den Theorien von Prandtl vor gut 100 Jahren.
Daraus haben dann Multhopp, Weissinger, Truckenbrodt Verfahren für eine Berechnung per Hand entwickelt, es gab ja keine Computer, nur Rechenschieber oder ab und an mechanische Rechenmaschinen.
Wenn Du anfangen willst, dann würde ich dir raten es mit dem Vortex-Lattice-Verfahren zu machen.
Dies Verfahren ist zwar für eine Handrechnung eher ungeeignet (weil viele tausend Rechnungen durchgeführt werden müssen) aber vom Verständnis her recht einfach und man hat ja nun heute mal die Rechner, die das erledigen.
Über das Vortex-Lattice gibt es im Net reichlich zu finden, auch verständliche Aufsätze und auch frei zugängliche Programmquellen .
Manko:
Die reibungslosen Verfahren liefern keinen Profilwiderstand und man kann damit auch nicht die Änderungen der Profileingenschaften (hervorgerufen duch die miese Grenzschichtströmung bei kleinen Re-Zahlen) erfassen.
Somit fällt also zunächts mal das Berechnen von Gleitzahlen und Sinkgeschwindigkeit und auch der Gesamtwiderstand zum Auslegen von Antrieben flach.
Einzig den induzierten Widerstand (hervorgerufen durch die Flügelrandumströmung und die Ausbildung der Nachlaufwirbel) bekommt man geliefert.
Es nützt aber alles nichts.
Wenn Du in das Thema einsteigen willst, dann mußt Du dir zunächst mal diese reibungsfreien Verfahren antuen.
Und bis Du das verdaut hast, sind die ersten zwei, drei oder auch vier Winter rum.
Und wundere dich nicht, beim durchstöbern der Aerodynamikaufsätze.
Du wirst tonnenweise Mathematik finden , die mit Aerodynamik zunächst mal nichts zu tun hat.
Beispiel: Biot-Savart-Gesetz, es stammt aus der Elektrotechnik und beschäftigt sich mit dem entstehen von Magnetfeldern und der Induktion von Strömen in Leitern.
Weis der Teufel, wie man auf die Idee kommt , dies für die Berechnung der Auftriebsverteilung zu nutzen, aber es funzt.
Auch zum Auflösen der Induktionsmatrix mit vielen unbekannten Zirkulationsstärken wurden alte Mathetechniken aus der Schublade geholt, Gaußsches Eliminationsverfahren oder auch das Sequentielles Gauß-Seidel-Iterationsverfahren.
Alles alte Mathematik, da gabe es noch keine Fliegerei.
Es wurde also die Mathematik der letzten 2000 Jahre nach brauchbarem durchstöbert und für die ja recht neue Technik der menschlichen Fliegerei missbraucht.
Das Zusammenwürfeln dieser auf den ersten Blick so verschiedenen Mathematischen Errungenschaften ist genial , Hut ab.
Ich wünsche dir viel Erfolg beim Einstieg in die Aerodramatik.
Du wirst sehen, Mathe macht dann auf einmal richtig Spass, wenn man eine Anwendung dafür hat.
Und schau bitte mal bei den Nurflüglern vorbei.
Diese Gattung von Modellfliegern beschäftigt sich notgedrugen sehr intensiv mit dem Thema Aerodynamik, ansonsten fallen die Nurflügel wie faule Blätter vom Himmel oder haben Eigenschaften wie ein Stein.
Gruß
Frank