Ich habe heute gereihert….
Nein, nicht das, was die/der/das Eine oder Andere gerade denkt! Noch während des Baus meines Consuls bin ich bei den Antikmodellern auf den Beitrag von AMD-Mitglied Peter Gernert gestoßen (
https://www.rc-network.de/threads/rc-canard-glider-egret-v-dick-twomey.11967019/post-12581246), der sich mit dem Egret (=Reiher) von Dick Twomey beschäftigt. Ein Flieger ganz aus Holz, der zudem noch verkehrtrum fliegt? Das könnte man sich mal näher ansehen. Aber ich schau´ mir zunächst mal das verlinkte Video an. Als ich dann sah, wie sich dieser Inbegriff der Langsamkeit leicht um die Längsachse schaukelnd durch die Luft bewegte, war klar: Will haben! Also mal Mary und Steve bei Outerzone besucht und den Plan runtergeladen. Den Beiden kann man für ihr Engagement auch nicht dankbar genug sein!
Das ist noch richtig „Old School“. Bei Outerzone waren auch noch Fotos der beiden Modelle von Larry Jolly (der aus dem Video)
und Bob Kibbey abgebildet:
Sowas
musste her und zwar auch in der doppelten Größe wie bei Larry und Bob; das Original hatte ja nur 1,03m Spannweite. Also ab mit dem PDF zum Copyshop und auf doppelte Größe ausdrucken lassen. Ganz exakt haben sie es nicht hingekriegt, mein Egret hat eine Spannweite von 2,16m bekommen. Aber was ist schon exakt bei Oldtimern und gar bei einem Flieger mit einem Clark Z als Profil. Bis dato kannte ich nur ein Clark Y und so lernt man dazu. Die Unterschiede zwischen dem „Y“ und dem „Z“ sind gering, so dass sie beim unbeplankten Holzbau eh in der Bau(un)genauigkeit untergehen. Im Gegensatz zum Y ist das Z aber unterseitig tatsächlich praktisch „platt“.
Der ausgedruckte Plan hatte die beachtliche Länge von 2,9m
Ausgedruckt war schnell und dann fing die Arbeit an. Erstmal Plan studieren. Die ganzen Notizen waren in einer bemerkenswerten Handschrift ausgeführt und Manches musste wahrlich entziffert werden.
Der Canard zog die Aufmerksamkeit auf sich: Satte 1,04m Spannweite, also fast die halbe Flügelspannweite und eine Tiefe von 21cm ergaben einen Flächeninhalt von gut 21,5 dm². Das entspricht etwa 38% der Flügelfläche! In Verbindung mit einem Leitwerkshebelarm von etwa 1,35m resultiert daraus ein gewaltiges Leitwerksvolumen, der Freiflug lässt grüßen…
Der Freiflug ließ noch in anderer Beziehung grüßen: Der Rumpf war ursprünglich ein Kiefernleiste/Balsaholz-Vollmaterialkonstrukt. Also musste ich ihn so umzeichnen, dass er eine Fernsteuerung und auch den Akku eines (bei uns unerlässlichen) E-Antriebs aufnehmen konnte. Die Rumpfspitze wurde also etwas verlängert
Wer genau hinsieht, erkennt, dass ich sie sogar zweimal verlängert habe. Bei der ersten Verlängerung saß der Motorspant dort, wo die Kufe vorn endet. Spant und Spinner kann man noch erkennen. Als ich fertig war fiel mir auf, dass ich keine Klappluftschraube würde verwenden können, weil der Abstand zum Canard so gering war, dass die Latte beim Aufklappen anschlagen und sich verhaken würde. Ergo noch ein paar Zentimeter dran. Der Spant hinter der Endleiste des Canards ist übrigens senkrecht, die Schräge kommt aus der Fotoperspektive.
Die Fläche und der Canard wurden auch an meine Bauweise angepasst. Beide bekamen noch Halbrippen spendiert und der Canard zwei Höhenruderblätter. Eigentlich könnte man dann ja auch mal probieren, ob sich Elevons verwirklichen lassen und ob sie bei dem kurzen Hebelarm und dem sich über diese freie Länge sicherlich tordierenden Rumpf überhaupt was bringen. Mal sehen….
So, Zeichnerei beendet. Es war Zeit die Materialliste zu erstellen und an Höllein zu schicken. Zwischenzeitlich habe ich schonmal das Seitenleitwerk aufgebaut. Bei diesem hatte ich den äußeren Umriss beibehalten, aber das Ruderblatt vergrößert. Und ich habe die Flosse als Dreiecksverbund aus 10x6er Balsaleisten aufgebaut. Im Original waren nur horizontale Leisten vorgesehen, das ergibt aber keinen stabilen Verbund, Dreiecke sind das Mittel der Wahl.
Ob ich das Ruderblatt nicht auch aus Leisten bauen sollte? Warten wir ab, was Gesamtgewicht und Schwerpunktlage sagen werden. Dann kamen alle Rippen und Spanten dran
und zwar ohne Laser und/oder Fräse. Doch, das geht auch! Den Kopfspant habe ich übrigens weggeschmissen.
Der Holznachschub war noch nicht da und deswegen habe ich schonmal die vier Landekufen gebaut. Der Egret hat vorn unter dem Rumpf eine sehr lange und hohe Kufe sowie hinten unter dem Rumpf und an den Knickstellen der Flächen nochmals je eine. Für die hinteren Kufen habe ich 8er Balsa genommen und für die vordere große 10er.
Aber Balsa und dann eine Landung auf unserer Hartpiste? Kein guter Gedanke. Da musste ein Verschleißschutz drauf und zwar ein Glasgewebeband. An jeder Kufe vorn angezackt, über die Kufe gespannt und auch hinten angezackt. Die Richtung stimmt! Eigentlich wollte ich das Band dann mit Harz tränken. Aber wegen dem bisschen Material Harz anrühren und das Werkzeug wieder säubern? Nö, muss anders gehen. Ich habe dünnen Sekundenkleber genommen und mit der Kanüle das Band getränkt. Ging erstaunlich flott, wiegt nix und hält
Die lange Kufe machte mir etwas Sorge wegen der Schwerpunktlage, denn da vorn sollen ja auch noch ein Antrieb und zwei Servos hin. Also Gewicht sparen. Ich habe die Kufe fein säuberlich gelöchert und zwar mit der Laubsäge. Die musste ich bei dem überwiegenden Teil der Löcher auch noch umspannen, weil die Ausladung der Säge nicht groß genug war, um um die Spitze bzw. das Ende der Kufe zu kommen. Und dann mach´ mal von Hand Löcher, die zumindest rund aussehen, wenn sie es auch gar nicht wirklich sind! Aber es ging
Die lange Kufe wog vor der Aktion 58g und danach 40g. Also das Gewicht beider Servos gespart, ist doch was!
Dann kam der ersehnte Holznachschub
und plötzlich ging es mal wieder viel zu schnell. Ehe ich mich versah, waren das HLW
und die Flächen
auch schon fertig, ist ja alles keine Raketenwissenschaft. Die Halbrippen habe ich den Bauteilen zusätzlich spendiert, man muss ja was für die Profiltreue tun! Interessant ist der Vergleich der Größen von Flächenhälften und Canard
Ein Kommentar dazu erübrigt sich wohl.
Der Rumpf war ebenfalls schnell fertig. Ihn habe ich aber oben noch nicht beplankt, um nach der ersten Schwerpunktabschätzung noch festlegen zu können, wo die Deckel hin müssen. Mit seiner Länge von 1,68m bei der Spannweite von 2,16m ist er schon abartig lang.
Der erste Zusammenstecken
verdeutlichte mal die Dimensionen des Fliegers und zeigte, dass das Seitenruderservo im Bereich des SLW in den Rumpf kann und der Antriebsakku etwa dorthin, wo die Waage steht. Also gibt´s mal wieder ´nen halben Kilometer Elektrokabel da drin. Erstaunt war ich über das Gewicht. Trotz des ellenlangen Rumpfs nur 846g.
Weiter geht´s! Motor einbauen, Regler einbauen und die genaue Lage der Akkuklappe festlegen. Unter den Canard kommen der Regler und der Empfänger sowie zwei 9g-Robbe Servos (geklaut aus ´nem Arcus 2,2, ob aber deren 1,2kg bei 4,8V überhaupt reichen für dieses Hochleistungsteil???). Mit Motor, Prop, Regler, den 2,5km Kabel, 2 Canard-Servos und zubeplankt lag dann ein Hauch weniger als 1kg vor mir.
Wie man sieht, hab´ ich das Seitenruderblatt übrigens nochmal neu gebaut. Das ursprüngliche Holzscheit hat mir da hinten dran nicht gefallen, es störte die Optik des gesamten Fliegers. Die Randbögen des Canards störten mich eigentlich auch noch.
Zeit zum Bespannen. Bunt sollte er werden. Und transparent, soweit sinnvoll. Peter hatte noch transparente Folie übrig in rot, 2 unterschiedlichen Gelbtönen und violett. Das würde bunt genug. Den Rumpf habe ich mit einem Rest „rot-deckend“ bebügelt, weil transparent auf Vollholz in meinen Augen nicht so
den Sinn macht und man vor allen Dingen die Überlappungen nicht gut verstecken kann. Vor dem Bespannen haben die Rippen vor der jeweiligen Endleiste noch kleine Balsadreiecke als Abstützung bewilligt bekommen. Notwendig war´s sicher nicht, sieht aber professionell aus!
Und dann war es soweit, der papageiartige Reiher war fertig und schön bunt!
Wer genau hinsieht, stellt fest, dass ich auch die Ohren des Canards nochmal neu gebaut habe. So gefällt´s mir besser. Die Canard-Ruder haben je ein eigenes 9g-Servo bekommen und wurden tatsächlich als Elevons programmiert, mal schau´n… Beim Programmieren immer schön dran denken: Rauf ist runter und runter ist rauf, das ist ´ne Ente!
Am Seitenruder werkelt 9g Nr.3.
Der Servoeinbau in die Rumpfwandung ist rustikal, aber bei den zu erwartenden Fluggeschwindigkeiten widerstandsmäßig gerade mal eben egal. Es sind aber natürlich Sperrholzaufdopplungen verbaut, um den Schräubchen Halt zu geben.
Als Antrieb habe ich einen Torcster 2836 mit 1260kV (weil halt vorhanden) an einer 9x5“ CamProp verbaut. Das ergibt an 3s eine Standleistung von gemessenen 300W. Bei einer Abflugmasse von knapp 1,4 kg inkl. 3s 2200 sind das über 200W/kg, das reicht locker. In den Akkuschacht passt so ziemlich alles bis 3s3000. Der Schwerpunkt wird dabei durch Verschieben des Akkus im Schacht eingestellt. Markierungen an der Rumpfwand geben die Akkulage je nach Gewicht vor. Zum leichteren Auswiegen habe ich am angegebenen Schwerpunkt ein Bowdenzugrohr eingeklebt. Mit einem durchgesteckten 2mm-Stahldraht wird das Auswiegen dann ganz komfortabel. Mal schauen, ob der im Plan angegebene Schwerpunkt auch stimmt…
Fehlt noch die Flächenbelastung: Mit einem 3s2200 (180g) ergeben sich gerade mal 20g/dm², also ein echter Floater und nix für ruppige Luft oder harte Piloten. Zeit zum Erstflug.
Für heute war eigentlich gutes Wetter vorhergesagt, bitter kalt, aber ruhig, also Erstflug! Und was war? Topsy-Wetter war, weil Topsy geht immer:
Um kurz nach 11 Uhr hatte sich der Nebel dann aber doch so weit gehoben, dass es noch an den Erstflug gehen konnte. Wolfgang hat geworfen und Peter videographiert, danke euch Beiden!. Der erste Start
und der Reiher zog von dannen, als habe er nie etwas Anderes getan:
Nach 10 Minuten Flugzeit waren die Finger kalt genug und drum wurde es Zeit für die erste Landung. Unmittelbar vor dem Aufsetzen:
Heute Nachmittag gab es dann sogar noch etwas Sonnenschein und er durfte seine nächsten Flüge machen. Ich hatte bei dem Hauch von Sonnenschein auf wenigstens ein bisschen Thermik gehofft, aber vergeblich, es waren nur Steigflüge gefolgt von ruhigem Abgleiten möglich. Immerhin ergaben 3 Minuten Motorlaufzeit eine Gesamtflugzeit von etwas über 15 Minuten in der toten Luft.
Und, wie fliegt er? Fliegt er überhaupt oder schwebt er? Ich bin da noch unschlüssig, jedenfalls kann ihn jeder Brillant von Manfred nach Belieben überholen. Das sagt auch ganz klar etwas über die Einsatzmöglichkeiten aus, nämlich ruhiges Wetter, sonst fliegt er tatsächlich rückwärts. An die Optik des falsch herum fliegenden Fliegers muss man sich etwas gewöhnen. Die Reaktionen sind sowohl auf das Seitenruder als auch auf die Elevons (überraschend) gut. Aus Faulheit habe ich letztlich das Seitenruder den Elevons beigemischt, das ist für mich gut genug. Die Motorleistung ist üppig, aber nicht übertrieben. Das Überziehverhalten ist ententypisch, er nimmt die Nase runter und wieder hoch und wieder runter und…. Die Strömung an der Tragfläche reißt halt nicht ab. Die Schwerpunktangabe im Plan stimmt, weiter zurück würde selbst ich ihn nicht legen wollen. In der Summe: Ich bin´s zufrieden, er fliegt so, wie ich es mir vorgestellt hatte.
So, ihr Mädels, Jungs oder Sonstwas, da ihr bis hier durchgehalten habt, habt ihr euch auch zum Schluss noch ´ne Anekdote verdient. Frage: Wer von euch hat den Baufehler bemerkt? Er ist auf fünf Fotos zu sehen. Schaut euch nochmal die Rohbaufotos oder das Foto an, zu dem ich schrieb „…Und dann war es soweit, der papageiartige Reiher war fertig und schön bunt!“ Na, hat´s geklingelt? Bei mir hat´s lange gedauert!
Da sitze ich des Abends ganz brav im Keller, bewundere dieses Meisterwerk der Handwerkskunst und klopfe mir gerade auf die Schulter als ich denke „Das spiegelt aber komisch an den Flächen?“ Die standen vor mir am Schrank und die Ohren sahen irgendwie unterschiedlich aus. Und dann habe ich es gesehen! Am Ohr der rechten Fläche hatte ich die Halbrippe vergessen!!! Und das sieht man erst, wenn alles fix und fertig ist! Es ist ja nicht so, dass ich diese Flächen nicht x-mal in der Hand gehabt hätte, neiiin! Also die Unterseitenbespannung wieder abgerissen, Halbrippe eingebaut und wieder bespannt! Ich wäre ja fast der Versuchung erlegen, ohne diese Halbrippe zu fliegen, aber diese aerodynamischen Unterschiede so weit außen am Flügel waren mir dann doch zu kritisch, das hätte ganz sicher zu einem völlig unbeherrschbaren Abreißverhalten geführt…oder so…
Gute Zeit, Peter