Hallo,
das 285 hat den Ruf besonders guter Verträglichkeit, aber auch den einer gewissen Unempfindlichkeit gegenüber Mischungsfehlern. Als Kalthärter hat es gute Festigkeitswerte auch ohne Temperung. Dennoch erreicht es ohne eine Temperung nicht die Werte, die im Datenblatt angegeben sind.
Damit teilt es eine Eigenschaft mit anderen EP-Harzsystemen. Im Laufe der Härtung wird die Beweglichkeit der Molekülgruppen mehr und mehr eingeschränkt. Das führt dazu, das irgendwann nicht mehr jedes Harzteilchen ein Härterteilchen finden kann, weil es nicht mehr durchs dichte Gestrüpp kommt.
Das EP-Harz in diesem Zustand hat eine geringe Festigkeit, eine geringere Steifigkeit und insbesondere auch eine geringe Glasübergangstemperatur und Warmformbeständigkeit.
Wenn man nun tempert, erhöht man die Temperatur eine gewisse Zeit über die Glasübergangstemperatur Tg. Hier werden die langen Ketten wieder beweglicher und lassen Umlagerungsbewegungen zu. Die unvernetzten Harzteilchen können so eher einen Partner finden. Das ist aber nicht bei 33 Grad sondern eher ab 50-60 Grad der Fall.
Wichtig ist, über Tg zu kommen. Im Laufe der Temperung steigt das Tg an! Aus diesem Grund und um bei dickwandigen Bauteile keine Eigenspannungen einzubringen erhöht man die Temperatur über der Zeit stufenweise oder kontinuierlich.
EP-Harzsysteme sind unterschiedlich stark auf die Nachhärtung angewiesen. Das L285 ist gut auch ohne zu verwenden, ob das beim H55 auch so ist kann ich nicht sagen, da ich es nicht gemessen habe.
Wenn man die Datenblätter betrachtet findet man folgende Werte, gemessen nach DIN53455 (und anderen Normen). Das ist der Torsionsschwingversuch.
Werte für das 285 getempert, Quelle Datenblatt R&G:
Werte für das H55 getempert, Quelle Datenblatt HP-Textils
Man sieht, dass sich beispielsweise die Werte für die Zugfestigkeit nicht so stark unterscheiden dass man das ohne Messung merken würde. Das das HP55 weich bleibt ist nach den Werte für den E-Modul auch nicht zu erwarten.
Ich vermute, dass dem HP bei euch die Temperung fehlt.
Wenn man beide Harzsysteme wirklich vergleichen will, muss man die Versuche für "Modellbauer" wiederholen, also ohne Temperung. Dann würde man evt. sehen, ob sich die schon beschriebenen Eigenschaften in den Werkstoffkennwerten abbilden, was ich durchaus für möglich halte.
Beste Grüße,
Michael