Bertram Radelow
User
So, nachdem in letzter Zeit mit schöner Regelmässigkeit threads hochblubbern, wie abgrundtief verwöhnt und im letzten Jahrtausend erstarrt doch der deutsche Modellbauhandel ist - zuletzt wunderbar gestartet von einem Forumsmitglied mit derzeit 10 Beiträgen - sollten wir mal den Standpunkt wechseln und gucken, ob nicht der deutsche Modellbauer (ähem - der hiesige natürlich auch) eine verwöhnte fette Made ist, der ständig weint "Mami, warum ist mein xyz-Teil nicht schon gestern morgen neben meinem Bettchen gestanden, obwohl ich erst morgen daran denken werde?"
Mit stinkt das, wenn Dienstleistungen als grundsätzlich kostenfrei verlangt werden. Und eine Vorratshaltung in einem Laden mit - am liebsten 24/7-Präsenz - mit Beratung in der Spannweite von gar nicht bis maximal ist nun mal eine Dienstleistung, für mich unbestritten.
Auf das wohlige Dauenbett des "deutschen Modellbauers", der die Mainstream-Artikel gerne billig online in D/AU oder noch viel besser in HK bestellt, aber erwartet, dass der lokale Händler alle dringend sofort benötigten Ersatzteile vorrätig hält, werden Schweizer Modellbauer als Nicht-EU-Parias schon mal öfter aufmerksam: Da kosten Versand aus der EU und Zoll für vier bessere Servos schnell mal mehr als die Servos selber. Und wenn ein brasilianischer Modellflieger (der vermutlich eh nicht das "bescheidene" Budget des Parallelthreadstarters in Höhe von 1000€ pro Jahr hat) mir schreibt, dass er für seinen Cirrus '69 lieber einen Haubenklotz baut und die Haube aus einer PET-Flasche selber zieht/schrumpft, weil das Porto für in D vorhandene günstige Hauben zu teuer ist, dann frage ich mich wirklich, auf welchem Niveau in Mitteleuropa gejammert wird.
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A) Also liebe "deutsche Modellbauhändler, denen es zu gut geht", bringt doch mal ein paar Anekdoten, was für - sagen wir: seltsame - Ansprüche manche DACH*-Modellbauer haben.
B) Und liebe unverwöhnten Modellbauer in der Türkei (P. Kolb u.a.), Brasilien oder wo auch immer in fernen Ländern, schreibt doch mal, was es für Euch für Klimmzüge bedeutet, völlig banale Modellbauteile zu bekommen.
Ich für mich möchte mit etwas beginnen, was eigentlich kein unlösbares Problem wäre: Holz. Balsa gibt es nicht in Davos, und erst seit wenigen Jahren in Küblis, etwa 25 Autominuten entfernt. Aber hier gibt es jede Menge Holzbauer, Schreinereien und jede Menge schönes Furnier, z.B. auch kanadischer Ahorn. Das lässt sich wunderbar staubfrei im Wohnzimmer mit dem Teppichcutter mit frischer Klinge schneiden, vermutlich könnte man es sogar mit Druckern mit geradem Papierweg bedrucken, die Flächenbeplankungen werden sehr torsionssteif, die Endleisten so dünn, dass die Flächen GFK-mässig pfeifen usw. Und das nächste Modell wird nicht in rcn oder auf lindinger.at ausgeguckt, sondern nach Blick in die Kiste mit den vorhandenen Komponenten: passen die vorhandenen Servos?
Und ich will nicht Antikmodelle zum Goldstandard des umweltfreundlichen Modellbaus erheben - aber wenn jemand jammert, dass sein ersehnter Multicopter nicht in einer Stunde bereits zusammengebaut und getestet vor dem Laden seines lokalen Modellbauhändlers vorgeflogen wird, dann frage ich mich, wo denn der "deutsche Modellbau" überhaupt geblieben ist. Sind alles nur noch reine Konsumenten, die Produkte konsumieren, an denen man eh nichts mehr "bauen" kann - sprich: defekte Teile mit Bordmitteln der eigenen Hausapotheke bzw. -werkstatt reparieren kann? Ganz offensichtlich macht das unzufrieden, vor allem, wenn man das nach Absturz defekte Teil nicht wie beim Pizzaservice kostenlos innerhalb von 30 Minuten an den Flugplatz gefahren bekommt.
Deswegen möchte ich noch ein dritte Gruppe ansprechen:
C) Bisherige Modellflieger - ich schreibe absichtlich noch nicht Modellbauer - die entdeckt haben, dass NICHT die ständige sofortige Verfügbarkeit von allen Teilen am besten zu Preisen von 10% unter den Herstellungskosten glücklich macht, sondern das Improvisieren, das Bauen, der Verzicht auf teuere oder im Lande kaum erhältliche Teile, oder das ganze zu Ende gedacht: die doch bei frühen Retromodellen (Amigo) oder Antikmodellen (Kieferleisten/Papier- oder Polyestervlies-Bespannung) landen - schreibt auch, warum es Euch nicht stören würde, wenn ein lokaler Modellbauhändler für einen vorrätig gehaltenen Multikopter 10% mehr verlangen würde als im Internethandel... (aber ich glaube, dass ein ModellBAUER so ein "Problem" gar nicht verstehen würde)
Ich hatte von meinem Vater eine wunderbare 1-Meter-Jacht geerbt, die er als 15- bis 16-Jähriger in den letzten Kriegsjahren gebaut hatte. Das wirklich Beeindruckende daran war aber seine Beschreibung, wie er damals Mahagoni für den Bau, Messing für die Beschläge und Blei für den Kiel aufgetrieben hat: da ist jeder dieser immer wieder auftauchenden Jammerbeiträge über den "deutschen Modellbauhandel" der sich weigert, die gewünschten Teile bis zum nächsten Morgen um 7°° kostenlos unter das Kopfkissen zu legen, ein Hohn.
Vielleicht sind wir langsam so weit, dass es ein Forum für Modellkonsumenten braucht.
Also: bitte Beiträge von Modellbauern, wie sie es schaffen, trotz offenbar völlig übersättigten Modellbauhändlern trotzdem glücklich zu werden, und von Modellbauhändlern, wie sie es schaffen, ihren Enthusiasmus nicht zu verlieren, obwohl es ihnen doch viel zu gut geht und sie in der langen Schlange der Bittsteller bei den Banken anstehen, die doch erbarmungsvoll ihr vieles überschüssiges Geld annehmen sollen.
Bertram
Ich wage mich gerade an ein anspruchsvolles Antikmodell, und das Problem eines irgendwie verwöhnten Modellbauhandels stellt sich mir irgendwie nicht...
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*DACH = D-A-CH Deutschland, Österreich, Schweiz
Mit stinkt das, wenn Dienstleistungen als grundsätzlich kostenfrei verlangt werden. Und eine Vorratshaltung in einem Laden mit - am liebsten 24/7-Präsenz - mit Beratung in der Spannweite von gar nicht bis maximal ist nun mal eine Dienstleistung, für mich unbestritten.
Auf das wohlige Dauenbett des "deutschen Modellbauers", der die Mainstream-Artikel gerne billig online in D/AU oder noch viel besser in HK bestellt, aber erwartet, dass der lokale Händler alle dringend sofort benötigten Ersatzteile vorrätig hält, werden Schweizer Modellbauer als Nicht-EU-Parias schon mal öfter aufmerksam: Da kosten Versand aus der EU und Zoll für vier bessere Servos schnell mal mehr als die Servos selber. Und wenn ein brasilianischer Modellflieger (der vermutlich eh nicht das "bescheidene" Budget des Parallelthreadstarters in Höhe von 1000€ pro Jahr hat) mir schreibt, dass er für seinen Cirrus '69 lieber einen Haubenklotz baut und die Haube aus einer PET-Flasche selber zieht/schrumpft, weil das Porto für in D vorhandene günstige Hauben zu teuer ist, dann frage ich mich wirklich, auf welchem Niveau in Mitteleuropa gejammert wird.
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A) Also liebe "deutsche Modellbauhändler, denen es zu gut geht", bringt doch mal ein paar Anekdoten, was für - sagen wir: seltsame - Ansprüche manche DACH*-Modellbauer haben.
B) Und liebe unverwöhnten Modellbauer in der Türkei (P. Kolb u.a.), Brasilien oder wo auch immer in fernen Ländern, schreibt doch mal, was es für Euch für Klimmzüge bedeutet, völlig banale Modellbauteile zu bekommen.
Ich für mich möchte mit etwas beginnen, was eigentlich kein unlösbares Problem wäre: Holz. Balsa gibt es nicht in Davos, und erst seit wenigen Jahren in Küblis, etwa 25 Autominuten entfernt. Aber hier gibt es jede Menge Holzbauer, Schreinereien und jede Menge schönes Furnier, z.B. auch kanadischer Ahorn. Das lässt sich wunderbar staubfrei im Wohnzimmer mit dem Teppichcutter mit frischer Klinge schneiden, vermutlich könnte man es sogar mit Druckern mit geradem Papierweg bedrucken, die Flächenbeplankungen werden sehr torsionssteif, die Endleisten so dünn, dass die Flächen GFK-mässig pfeifen usw. Und das nächste Modell wird nicht in rcn oder auf lindinger.at ausgeguckt, sondern nach Blick in die Kiste mit den vorhandenen Komponenten: passen die vorhandenen Servos?
Und ich will nicht Antikmodelle zum Goldstandard des umweltfreundlichen Modellbaus erheben - aber wenn jemand jammert, dass sein ersehnter Multicopter nicht in einer Stunde bereits zusammengebaut und getestet vor dem Laden seines lokalen Modellbauhändlers vorgeflogen wird, dann frage ich mich, wo denn der "deutsche Modellbau" überhaupt geblieben ist. Sind alles nur noch reine Konsumenten, die Produkte konsumieren, an denen man eh nichts mehr "bauen" kann - sprich: defekte Teile mit Bordmitteln der eigenen Hausapotheke bzw. -werkstatt reparieren kann? Ganz offensichtlich macht das unzufrieden, vor allem, wenn man das nach Absturz defekte Teil nicht wie beim Pizzaservice kostenlos innerhalb von 30 Minuten an den Flugplatz gefahren bekommt.
Deswegen möchte ich noch ein dritte Gruppe ansprechen:
C) Bisherige Modellflieger - ich schreibe absichtlich noch nicht Modellbauer - die entdeckt haben, dass NICHT die ständige sofortige Verfügbarkeit von allen Teilen am besten zu Preisen von 10% unter den Herstellungskosten glücklich macht, sondern das Improvisieren, das Bauen, der Verzicht auf teuere oder im Lande kaum erhältliche Teile, oder das ganze zu Ende gedacht: die doch bei frühen Retromodellen (Amigo) oder Antikmodellen (Kieferleisten/Papier- oder Polyestervlies-Bespannung) landen - schreibt auch, warum es Euch nicht stören würde, wenn ein lokaler Modellbauhändler für einen vorrätig gehaltenen Multikopter 10% mehr verlangen würde als im Internethandel... (aber ich glaube, dass ein ModellBAUER so ein "Problem" gar nicht verstehen würde)
Ich hatte von meinem Vater eine wunderbare 1-Meter-Jacht geerbt, die er als 15- bis 16-Jähriger in den letzten Kriegsjahren gebaut hatte. Das wirklich Beeindruckende daran war aber seine Beschreibung, wie er damals Mahagoni für den Bau, Messing für die Beschläge und Blei für den Kiel aufgetrieben hat: da ist jeder dieser immer wieder auftauchenden Jammerbeiträge über den "deutschen Modellbauhandel" der sich weigert, die gewünschten Teile bis zum nächsten Morgen um 7°° kostenlos unter das Kopfkissen zu legen, ein Hohn.
Vielleicht sind wir langsam so weit, dass es ein Forum für Modellkonsumenten braucht.
Also: bitte Beiträge von Modellbauern, wie sie es schaffen, trotz offenbar völlig übersättigten Modellbauhändlern trotzdem glücklich zu werden, und von Modellbauhändlern, wie sie es schaffen, ihren Enthusiasmus nicht zu verlieren, obwohl es ihnen doch viel zu gut geht und sie in der langen Schlange der Bittsteller bei den Banken anstehen, die doch erbarmungsvoll ihr vieles überschüssiges Geld annehmen sollen.
Bertram
Ich wage mich gerade an ein anspruchsvolles Antikmodell, und das Problem eines irgendwie verwöhnten Modellbauhandels stellt sich mir irgendwie nicht...
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*DACH = D-A-CH Deutschland, Österreich, Schweiz