So, hier kommt Teil 2
…leider haben sich im ersten Teil vereinzelt doch noch ein paar Fehler eingeschlichen, aber die lassen sich nun nicht mehr korrigieren…von daher: mea culpa
Tja, nun zum interessanten Teil. Was gibt’s diesmal Neues in der Entwicklungs Pipeline? Die Nova betreffend im Prinzip zwei unterschiedliche Punkte, wovon der zweite Punkt eher durch Neugier entstanden ist, als durch gezielt versuchte Evolution. Und genau dieser wird mit Sicherheit bei den meisten für zumindest hochgezogene Augenbrauen sorgen. Aber dazu später mehr.
Punkt 1) ist ein geringerer Öffnungswinkel des V-Leitwerkes. Warum das? Auf Grund dessen, dass das klassische F3J auf Grund von Platz und Personalmangel, nun vielleicht auch noch auf Grund der Regeländerung bzgl. Winden, immer weniger Ausrichter in Deutschland und unmittelbarer Nähe findet, wandert das Interesse mehr und mehr hin zum aktuell boomenden F5J. Auch ich werde nächstes Jahr zumindest teilweise auf die E-Seite wechseln…wenn auch nicht ganz Freiwillig und zunächst mit meinen alten F3J Flächen.
Wer schonmal F5J gesehen hat weiß, hier spielt sich das meiste deutlich tiefer ab als im F3J. Einstiegshöhen von 50m-80m sind bei normalem Wetter ja schon eher die Regel…teilweise noch deutlich tiefer. In dieser bodennahen Thermik, welche teilweise sehr eng und ruppig sein kann, braucht es ein richtungsstabiles Flugzeug mit ordentlich „Druck“ auf dem Seitenruder. Hier hat das X generell schon Vorteile gegenüber dem V, da Höhe/Seite nicht durch die gleiche Steuerfläche erzeugt werden muss. Um die Seitenruderwirkung zu vergrößern, habe ich den V-Winkel um 4° reduziert (102° auf 98°) wodurch sich eine spürbar erhöhte Seitenruderwirkung/Schiebedämpfung einstellen sollte. Hinzu kommt, dass die Nova mit dem Basiswinkel trotz ihres doch sehr großen V-Leitwerks noch immer vereinzelt leicht „schwänzelt“ bzw. „schiebt“. Auch wenn dies nur eine Kleinigkeit ist, kann es in geringen Einstiegshöhen das wegkommen erschweren. Diese Änderung geht zwangsläufig auf Kosten der Nick-Stabilität. Diese ist jedoch durch eine leichte Anpassung des Schwerpunktes wieder in den Griff zu bekommen und sollte somit kein allzu großes Problem sein, denn genügend Reserven sind definitiv vorhanden. Die ersten F5J Rümpfe mit geringerem Öffnungswinkel werden in den nächsten Monaten fertig aufgebaut sein und die Testflüge können beginnen.
Nun zu Punkt 2…. Ich denke folgendes Bild ist besser als Einleitung geeignet als meine Worte:
Ja, ganz richtig geschaut. Das sind tatsächlich Winglets auf dem Flügel! Wie schon oben angedeutet ist dieses Experiment eher aus Neugier, als aus Glauben an eine Verbesserung ins Leben gerufen worden. Im Prinzip beruht dies darauf, dass ich 2016 für ein GPS-Triangle Projekt, bei dem eine Antares gebaut werden sollte, eine Modellauslegung machen durfte. Leider gibt’s das Modell heute noch immer nicht. Naja jedenfalls musste ich mich seinerzeit ein wenig mit dem Thema „Winglets, Funktion und prinzipielle Auslegung“ beschäftigen. In dem Glauben, die Dinger haben bei uns im Modellflug eher einen störenden, maximal einen neutralen Effekt wollte ich den Widerstand dieser „notwendigen Dekoration“ möglichst klein halten und dabei ggf. noch eine Reduktion von Schiebwinkeln mitnehmen. Heraus kam ein einfacher 2-Profile Strak mit 5% Dicke am Winglet Fuß und 4% Dicke an der Spitze. Trotz ihrer geringen Dicke sehen zumindest laut xflr5 die Polaren noch sehr gut im Vergleich zu anderen veröffentlichten Modellflug-Winglet Auslegungen aus, was das cd/alpha Verhalten betrifft. Hier ein kurzer Vergleich des 5% von mir mit dem „Wurzelprofil“ (7% Dicke) welches Hans Rupp vor einigen Jahren mal entworfen und veröffentlicht hat:
Nunja, im Rahmen der „Antares“ habe ich nie einen Vergleich mit/ohne durchrechnen lassen. Im Frühjahr dieses Jahrs habe ich jedoch mal rein aus Neugier diese Winglets an das xflr5 Modell der Nova gepackt und ein wenig an den geometrischen Parametern des Winglets gespielt. Ich war ehrlich gesagt überrascht, dass es selbst auf einem F3J Modell rein aus der Simulation her tatsächlich funktioniert und nur im hohen Geschwindigkeitsbereich leichte Nachteile im Gleitwinkel bieten solle. Ansonsten verspricht hier xflr5 eine Reduktion der minimalen Sinkgeschwindigkeit vergleichbar zu ca. 70g-80g reduziertem Abfluggewicht. Rein als stationäre Werte gesehen ist das nicht sehr viel, aber besonders für F5J immerhin eine quasi rein positive Prognose. Zu dieser Zeit hatte ich noch keine Idee, wie ich ein solches Winglet mal real und ohne große Kosten und Aufwand testen könne. Nachdem es sich im frühen Sommer dann ergeben hat, dass plötzlich eine recht präziser 3D Drucker im Bastellzimmer stand, reifte der Gedanke, damit mal das Thema Winglets in Angriff zu nehmen. Lange gegrübelt…letztlich pragmatisch und schnell gemacht, gabs den ersten Satz Winglets ende Oktober passend zu einem Testnachmittag mit meinem Vater und Olaf Starmanns auf einer Wiese hier in der Nähe…dazu noch bei schönstem Sonnenschein. Da ich natürlich nicht meinem guten Flügel einfach die Ohren absäge, werden die Winglets auf den Flügel aufgeklebt. Hierbei steht dann natürlich noch ein ca. 3cm langes Reststück der Flügelspitze auf der Außenseite des Winglets hervor. Wahrscheinlich nicht optimal, aber war ja nur als nicht ganz ernst gemeinter Test gedacht. Ich muss ehrlich sagen, ich habe im Vorfeld gedacht, dass die Nova mit den Teilen fliegt wie ein Stein und nur noch schlecht auf Seitenruder reagieren wird. Quasi dies passiert nämlich, wenn man bei ihr am Außenflügel anfängt mit Klebeband als Turbulator zu experimentieren…und das ist ja eine bedeutend kleinere Änderung. Nach ein paar Flügen ohne Winglets hatten wir ein recht genaues Bild vom Wetter und dem was so „machbar“ mit meiner 2kg Maschine war im direkten Vergleich mit Olaf (2x ca. 1600g F5J) und mein Vater mit seinen Elektro Votan-CNC (ca. 1300g meine ich). Also nun kurzerhand die Winglets aufgeklebt und ran ans Gummiseil. Man spürte direkt das irgendwas „anders“ war als normal, aber es bedurfte doch einige Zeit dies etwas genauer zu klassifizieren. Ich kürze jetzt etwas ab und liste mal die Punkte auf, die uns bis dahin aufgefallen waren:
• Gieren/Schieben quasi vollständig verschwunden
• Gleitleistung und Hochstarthöhen quasi unverändert
• Deutliche Verbesserung der Seitenruderwirkung. Die Nova ist rein mit Seite sehr flüssig und gefühlt wie auch „Schienen“ zu fliegen. Dies verringert den notwendigen Kurvenradius und steigert gleichzeitig die Effizienz bei flachem Kreisen deutlich. Warum dieser Seitenruder Effekt eintritt, kann ich bisher nicht stichhaltig erklären. Eine Idee hierzu wäre, dass die Maschine nun direkt ein Kurve fliegt, anstatt erstmal nur zu Schieben bis sich eine Änderung der Flugrichtung wirklich einstellt
• Das Modell „steht“ deutlich besser auf der Flügelspitze beim Kreisen und verliert bei schwachen Bedingungen sichtbar weniger Höhe
• Erhöhte Abrissneigung am Außenflügel in bestimmten Situationen. Dies war insbesondere am Votan zu sehen, der auch temporär für einen Quervergleich herangezogen werden musste. Dieser hat im Vergleich zur Nova schon einen weniger auftriebsstarken Außenflügel, welcher wahrscheinlich durch die zusätzliche Auftriebsbelastung im Bereich des Winglet Fußes teilweise überlastet wird und es zum lokalen Abriss kommt
• Enges kreisen mit starker Querlage (hohe Auftriebsbeiwerte) tendenziell mit verringerter Steiggeschwindigkeit beim Einsatz der Winglets. Dies lässt sich ebenfalls auch recht gut mit den eingesetzten Winglets begründen. Durch die geringe Streckung, in Verbindung mit der eingesetzten „Spureinstellung“ kann es bei hohen Auftriebswerten des Tragflügels dazu kommen, dass der Gesamtwiderstand mit Winglet irgendwann doch deutlich ansteigt und sich dadurch die Steigleistung reduziert. Ich weiß, der Begriff „Spureinstellung“ und eine damit verbundene Idee eines „Kochrezeptes zur Winglet Gestaltung hat an anderer Stelle hier bei RCN schon zu einer heißen Diskussion geführt, dennoch finde ich ihn anschaulich und nutze ihn ebenfalls
Man sieht, ein an sich recht positives Bild, denn die vermeintlich „negativen“ Aspekte lassen sich begründen und daher wahrscheinlich auch verbessern. In wie weit man hier einen Kompromiss zu den positiven Aspekten finden muss wird sich im Laufe des nächsten Jahres zeigen.
Zum Abschluss des Tages gabs dann auf Grund der nachlassenden Thermik noch ein echtes „AHA“ Erlebnis. Mittlerweile wieder ohne Winglets unterwegs, da diese auf dem Votan montiert waren, konnte ich mit der schweren Maschine eigentlich nur noch abgleiten. Hier waren Zeiten um die 4min aus ca. 85m Starthöhe zu erreichen. Für die leichten F5J’ler sah es da noch etwas besser aus. Mit Winglets erhöhte sich die Flugzeit plötzlich reproduzierbar um >100%. Die Statistik ist noch etwas dürftig, aber der Unterschied war deutlich. Auf Grund der oben beschriebenen positiven Effekte aufs flache Kreisen und dem reduzierten „Absacken“ über den kurveninneren Flügel, konnte man die vorhandenen Thermikreste plötzlich in leichtes Steigen umwandeln, oder zumindest über einen längeren Zeitraum mit quasi „Nullschieber“ kreisen. Zuvor reichte es maximal für einen temporären Nullschieber im Geradeausflug.
An besagtem Tag konnten wir nur einen ersten Eindruck darüber gewinnen, was da vielleicht noch an Leistungsgewinn beim Thermikfliegen möglich ist. Die offene Frage nach „wie stark bremst es“ konnte ich vor 2/3 Wochen am Haushang in Belgien testen. Hierzu hat Olaf ein kleines Video gemacht, welches hoffentlich noch seinen Weg nach Youtube findet. An diesem Tag herrschte ca. 35-40kmh Wind (Böen bis 70km/h). Da wir eigentlich „nur“ Hangfliegen wollten hatte ich meinen Votan CNC im Gepäck und auf sein maximal mögliches Gewicht von 2650g ballastiert…falls möglich, hätte ich gerne noch mehr Ballast reingepackt, denn Olaf flog seinen Pike Precission 2 mit bis zu 4kg. Fazit des Ganzen war wie folgt:
• Topspeed mit Winglet gefühlt etwas niedriger. Da aber kein GPS oder ähnliches eingebaut gibt’s hier keine Messdaten zu
• Mit Winglets deutlich erhöhte Richtungsstabilität. Das Modell flog bedeutend ruhiger und man konnte fast parallel zum Hang fliegen ohne verweht zu werden
• Wenden mit sichtbar weniger Fahrtverlust und quasi „wie auf Schienen“
• In Summe höhere Durchschnittsgeschwindigkeit
Auf Grund dieser ersten Erfahrungen ist nun ein Winglet-Testprogramm mit verschiedenen Konfigurationen entstanden, welches mit Beginn der kommenden Saison in Angriff genommen wird. Ich weiß, dass das Thema „Winglet“ sehr komplex ist. Daher versuche ich auch gar nicht hier irgendwelche allgemeingültigen und wissenschaftlich belegbare Kochrezepte ergründen zu wollen, sondern wir gehen das Thema nach der guten alten „Feldmethode“ an…Versuch macht Klug!
Ich hoffe ich habe euer Weltbild nicht zu sehr ins Wanken gebracht. Meines hat jedenfalls ein wenig gewackelt nach den ersten Tests, weil ich mich ehrlich gefragt habe…und noch tue…warum das in den letzten Jahren niemand sonst gemacht hat. Vielleicht findet sich zu dieser Frage die Lösung einfach durch mehr Flugpraxis als wir es bisher haben…vielleicht ist es auch einfach nur so weit „ungewohnt“, dass es deshalb keiner der „Großen“ probiert hat. Es bleibt spannend!
So und dann wären da noch zwei weitere Neuigkeiten die ich noch kurz erwähnen will. Zu gegebener Zeit gibt’s hierzu noch mehr Infos. Einerseits wird’s einen X-Rumpf für die bisherige Nova geben, andererseits habe ich letzten Winter auf Wunsch von Christian eine „Nova 2“ gerechnet…ein offizieller Name existiert noch nicht. Hier kommt ein komplett neuer Profilstrak zum Einsatz, der (mit Modifikationen) auf einem reinrassigen F3B Profilstrak beruht, welchen ich in der Konzeptphase zum Votan-CNC entwickelt habe. Es sollten sich deutlich bessere Gleitwinkel >60km/h einstellen, bei nahezu gleichbleibendem Thermikflug in Verbindung mit einer „einfacheren“ Einstellbarkeit durch weniger tolerante Außenflügel…in etwa auf dem Niveau des Votan-CNC der aus jetziger Sicht einen guten Kompromiss darstellt
Gruß
Björn